Zusammenfassung
Ziel der Untersuchung zu den bilokalen Paarbeziehungen ist es, detailliertere Informationen über eine bisher zu wenig beachtete Lebensform zu fifififinden. Dazu sind die Daten der erstenWelle der Befragung Generations and Gender Survey des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung ausgewertet worden. Zum Zweck der differenzierten Analyse wurden zwei Grundformen gebildet: das LivingApart Together (Nahbeziehung) und die Long Distance Relationship (Fernbeziehung). In einem ersten Schritt sind die bilokalen Paarbeziehungen empirisch beschrieben worden. Es zeigt sich, dass sie als Lebensform eine ähnliche Bedeutung wie die nichtehelichen Lebensgemeinschaften besitzen. Hinzuweisen ist auf ihre außerordentliche Heterogenität. Bilokale Paarbeziehungen entstehen auf freiwilliger Basis, sind aber fast gleich oft durch äußere Umstände erzwungen. Das trifft stärker auf die Paare zu, die aufgrund beruflflflflicher Zwänge in einer Fernbeziehung leben. Es gibt Paare mit sehr häufifififigen Face-to-Face-Kontakten, aber auch Paare die sich selten sehen. Es ist die Lebensform junger, lediger Menschen in Großetädten, sie wird aber auch von älteren Partnern nach einer Scheidung oder Verwitwung eingegangen. Bilokale Paarbeziehungen haben ihre Exklusivität verloren, werden von allen sozialen Gruppierungen gelebt.
Analyseleitend wurden vier Hypothesen formuliert, die in einem individualisierungstheoretischen Kontext angesiedelt sind. Erstens: Bilokale Paarbeziehungen sind die Lebensform, in der Emotionalität auf Abstand gelebt wird. Sie entstehen auf freiwilliger Basis mit einer geringen Zusammenzugs- und Heiratsneigung. Zweitens: Kinderwünsche sind kaum ausgeprägt und eine Familiengründung wird seltener angestrebt. Drittens: Personen in bilokalen Paarbeziehungen sind gekennzeichnet durch besondere Einstellungsmuster, die auf Geschlechtergleichheit, Akzeptanz von Kinderlosigkeit und Ablehnung der Institution der Ehe gerichtet sind. Viertens: Die Konstruktion der Paarbeziehung, auf räumlicher Distanz beruhend, führt zu einem höheren Konflflflfliktpotenzial und ausgeprägteren Trennungsabsichten. Diese vier Hypothesen konnten im Wesentlichen bestätigt werden. Zur überprüfung der Hypothesen sind binär logistische Regressionen gerechnet worden.
Abstrac
The goal of the study on bilocal couple relationships is to fifififind detailed information on a living arrangement which has not yet received suffififificient attention. To this end, the data from the fifififirst wave of the Generations and Gender Survey of the Federal Institute for Population Research have been evaluated. In order to obtain a differentiated analysis, two basic forms have been established, namely living apart together and long-distance relationships. In a fifififirst step, bilocal couple relationships were empirically described. It emerged that as a living arrangement they have a similar signifififificance to nonmarital unions. It should be pointed out that they are extraordinarily heterogeneous. There are couples with highly frequent face-to-face contact, as well as those who rarely see one another. It is the living arrangement of young, single people in cities, but it is also entered into by older partners after a divorce or being widowed. Bilocal couple relationships are no longer exclusive and are practiced by all groups of society.
The analysis was led by the formulation of four hypotheses which are settled in a context of individualisation theory. Firstly, bilocal couple relationships are a living arrangement in which emotionality is experienced at a distance. They are established voluntarily with a low tendency towards moving together and marrying. Secondly, there is hardly any desired fertility and even less tendency towards family formation. Thirdly, individuals in bilocal couple relationships are typifififified by particular attitudinal patterns favouring equality of the genders, acceptance of childlessness and rejection of the institution of marriage. Fourthly, the construction of the couple relationship, based on spatial distance, leads to a greater potential for conflflflflict and more common intentions to separate. These four hypotheses were largely confifififirmed. Binary logistic regressions were calculated in order to examine the hypotheses.
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Dorbritz, J. Bilokale Paarbeziehungen — die Bedeutung und Vielfalt einer Lebensform. Z. Bevölk. Wiss. 34, 31–56 (2009). https://doi.org/10.1007/s12523-010-0032-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s12523-010-0032-3
Schlagwörter
- Bilokale Paarbeziehung
- Living Apart Together
- Fernbeziehung
- Lebensform
- Familie
- nichteheliche Lebensgemeinschaft
- Single
- Paarkonflflflflikte
- Kinderwunsch