Zusammenfassung
Im vorliegenden Überblick wird der Zusammenhang zwischen der Schlaflänge, der Schlafqualität, dem Immunsystem und einer SARS-CoV-2-Infektion aufgezeigt. Kurzer und/oder schlechter Schlaf kann einen Einfluss auf das Entstehen einer Infektion sowie deren Verlauf haben. Ebenso können eine SARS-CoV-2-Infektion sowie die pandemiebedingten Umstände den Schlaf negativ beeinflussen. Dabei nimmt insbesondere die Schlafqualität ab. Die Pandemie hat somit das Potenzial, Schlafstörungen auszulösen, zu verstärken und/oder aufrechtzuerhalten. Diese Befunde haben insofern Relevanz, als nur ein ausreichender und erholsamer Schlaf das Immunsystem stärkt und protektiv bezüglich einer Infektion und ihres Verlaufs wirken kann. Die Pandemie stellt somit eine weitere Herausforderung für die Schlafmedizin dar und bietet gleichzeitig die Chance, die Bedeutung des Schlafs für die Gesundheit und den Krankheitsverlauf zu vermitteln.
Abstract
This review highlights the relationship among sleep duration, sleep quality, the immune system, and SARS-CoV‑2 infection. Short and/or poor sleep may have an impact on the development as well as the course of an infection. Similarly, SARS-CoV‑2 infection as well as pandemic-related circumstances may negatively affect sleep. In particular, sleep quality decreases. The pandemic thus has the potential to initiate, exacerbate, and/or maintain sleep disorders. These findings are relevant because only sufficient and restful sleep can strengthen and have a protective effect on the immune system with respect to infection and its course. Therefore, the pandemic poses another challenge for sleep medicine, and at the same time offers an opportunity to communicate the importance of sleep for health and disease course.
Einleitung
Eine Reihe von den Schlaf störenden Erkrankungen weisen eine hohe Prävalenz auf, insbesondere die Insomnie [1], die obstruktive Schlafapnoe [2, 3] und das Restless-Legs-Syndrom [4]. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung zu kurz schläft oder unphysiologische Schlafverhaltensmuster aufweist, welche ein nicht zu unterschätzendes Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko darstellen [5]
Letzterem kann durch Präventivangebote, Aufklärungskampagnen und telemedizinische Anwendungen – z. B. die Somnio-App (mementor DE GmbH, Leipzig) – gut begegnet werden. Dem kommt zugute, dass seit 2021 der Schlaf auch im Präventionsleitfaden der Bundesregierung verankert ist [6], was die Voraussetzung für eine breitere Prävention von Schlafstörungen bietet.
In Deutschland nehmen Schlafstörungen, so etwa die schlafbezogenen Atmungsstörungen, jedoch stetig zu [2, 7]. Hierdurch erhöht sich die Nachfrage nach einer Behandlung in den Schlaflaboren, was bei einer Übersteigung der Kapazitäten nicht selten lange Wartezeiten nach sich zieht [8]. Zum Teil wirkt hier die Ausweitung der ambulanten Schlafmedizin einer Versorgungslücke entgegen [9].
Diese Umstände waren schon vor der Coronapandemie bekannt, jedoch stellt die neue Gesundheitslage die Schlafmedizin vor zusätzliche Herausforderungen, bietet gleichzeitig aber auch die Chance, die Bedeutung von Schlaf auf die Gesundheit stärker herauszustellen und darüber besser aufzuklären.
Bisherige Untersuchungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass der kurze und/oder nicht erholsame Schlaf eine SARS-CoV-2-Infektion fördert und wiederum die SARS-CoV-2-Infektion sowie pandemiebedingte Einschränkungen einen negativen Einfluss auf den Schlaf haben. Diese bidirektionale Beziehung ist Gegenstand der vorliegenden Übersichtsarbeit.
Wie die Coronapandemie den Schlaf beeinflusst
Schlaflänge und Schlafqualität
Schon sehr früh, mit Beginn der Pandemie Anfang 2020, gab es erste Studien in Italien, die auf Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf den Schlaf hinwiesen. So zeigten beispielsweise Cellini und Kollegen, dass die digitale Mediennutzung (Computer, Videospiele, Fernsehen; erfasst mittels Fragebogen) in den letzten zwei Stunden vor der regulären Schlafenszeit während des Lockdowns in Italien deutlich zugenommen hatte, die Schlafgewohnheiten selbst zunächst jedoch unberührt blieben [10]. Erst im Verlauf des Lockdowns änderte sich das Schlafverhalten deutlich: Nicht nur gingen die Probanden später zu Bett und wachten später auf, sie verbrachten auch grundsätzlich mehr Zeit im Bett. Gleichzeitig nahm die wahrgenommene Schlafqualität, welche über die italienische Version des Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) [11] erfasst wurde, ab (siehe Abb. 1). Dieser Effekt war bei Personen mit einem höheren Maß an Depressions‑, Angst- und Stresssymptomatik, gemessen durch die Depression Anxiety Stress Scales (DASS-21) [12], noch stärker ausgeprägt.
Auch Leone und Kollegen konnten über Angaben in Fragebögen zeigen, dass sich die Schlafzeit im Lockdown während der Werktage nicht nur nach hinten verschoben, sondern ebenfalls verlängert hat [13]. Der sogenannte Social Jetlag, also die Differenz zwischen freien und Wochentagen, verringerte sich während des Lockdowns, was darauf hindeutet, dass die Schlafzeiten an Arbeitstagen sich denen an freien Tagen annäherten (siehe Abb. 2).
Weitere Studien aus China und den USA untersuchten nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. So machten beispielsweise Zhang und Kollegen den potenziellen Einfluss des ersten SARS-CoV-2-Ausbruchs in China auf die Schlafqualität der dortigen Bevölkerung deutlich [14]. Eine bemerkenswerte Zahl von 59,7 % der insgesamt 2027 Studienteilnehmer berichtete, unzufrieden mit ihrer Schlafqualität zu sein. Über eine kürzere Schlafdauer klagten 50,9 % der Teilnehmer. Auch Ein- (33 %) und Durchschlafstörungen (44 %) konnten beobachtet werden. Hier diente eine auf vier Items gekürzte Fassung des PSQI [11] zur Erhebung der auf die Schlafqualität bezogenen Daten.
Die pandemiebedingten Einschränkungen hatten auch Auswirkungen auf die Lebenssituation und den Schlaf von Kindern. In einer Studie von Aguilar-Farias und Kollegen wurden in einem noch frühen Stadium der Pandemie 2019 soziodemografische Prädiktoren, die mit Veränderungen des Bewegungsverhaltens bei Kleinkindern in Chile verbunden sind, untersucht [15]. Für diesen Zweck wurden die betreuenden Personen von 3157 Kleinkindern im Rahmen eines Online-Fragebogens dazu aufgefordert, soziodemografischen Daten wie etwa Bildungsstand, Familieneinkommen, Wohnungsart und Wohngröße und Bewohneranzahl anzugeben. Die Erfassung der Schlafqualität sowie des Bewegungsverhaltens der Kinder, zu dem die Autoren körperliche Aktivität, Bildschirmzeit und Schlaf zählen, erfolgte ebenfalls über den Online-Fragebogen. Aus den Daten der ein- bis fünfjährigen Kleinkinder ging hervor, dass neben der mit körperlicher Aktivität verbrachten Zeit auch die Schlafqualität während der Pandemie abnahm. Die Bildschirmzeit zur Erholung sowie die Schlafdauer hingegen nahmen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie zu. Der Einfluss der Pandemiebeschränkungen auf das Bewegungsverhalten, die Bildschirmzeit und die Schlafqualität war abgeschwächter zu beobachten, wenn die Kleinkinder in ländlicheren Wohngebieten lebten. Ältere Kinder hingegen sowie Kinder, deren Betreuungspersonen ein höheres Bildungsniveau aufwiesen, und diejenigen, die in Wohnungen lebten, zeigten größere Veränderungen bezogen auf eine Abnahme der körperlichen Aktivität und eine längere Bildschirmzeit.
Pandemiestress als Trigger für eine Insomnie
Als positiver Effekt der Pandemie ist die Zunahme der Schlaflänge zu werten. Darüber hinaus verschob sich die nächtliche Schlafenszeit um ca. 41 min nach hinten, während durchschnittlich 73 min später aufgestanden wurde [10]. Die Schlafqualität hingegen hat sich verschlechtert. Wesentliche Gründe hierfür sind möglicherweise Existenzängste [16], der sogenannte Coronastress [17] sowie die Tatsache, dass eine SARS-CoV-2-Infektion als Stressfaktor und Infektionskrankheit als Auslöser einer Insomnie angenommen werden kann. Hiermit addiert sich die SARS-CoV-2-Infektion zu bereits bekannten Triggern wie etwa psychologischen Faktoren (z. B. Depressionen, Traumata und Stress), familiären Faktoren (z. B. Geburt, Scheidung) und anderen Auslösern wie Operationen oder Krankheiten [18]. Das führte auch dazu, dass der Pandemiebeginn für 40 % der behandlungsbedürftigen Insomniepatienten auch der Anfang einer medikamentösen Therapie war, wie Beck und Kollegen in einer Studie in Frankreich feststellten [19]. Sie untersuchten etwa zwei Wochen nach Einführung des Lockdowns den Umgang mit Schlafstörungen unter pandemischen Bedingungen. Im Rahmen ihrer Fragebogenstudie gaben 41 % der 1005 befragten Personen an, seit Beginn des Lockdowns Schlaftabletten einzunehmen.
Hier reiht sich auch eine Online-Fragebogenstudie aus Brasilien ein, welche die Auswirkungen der Coronapandemie auf den Schlaf, Angstzustände und Burnout-Symptome bei 4384 Fachkräften des Gesundheitswesens untersuchte [20]. In der Auswertung zeigte sich, dass 32,9 % der medizinischen Fachkräfte über den Neubeginn oder über eine Verschlechterung einer bereits vorhandenen Insomnie berichteten. Für 13 % (im Vergleich zu 9 % vor der Pandemie) der Befragten war dies sogar der Anlass, den Schlafproblemen mit einer medikamentösen Therapie zu begegnen. Weiter verschlechterte sich die Schlafqualität für insgesamt 61,4 % der Teilnehmer, 43,5 % berichteten über kürzere Schlafzeiten und 22,8 % der Teilnehmenden klagten über den Neubeginn von Alpträumen. Faktoren wie das weibliche Geschlecht, signifikante Gewichtsveränderungen (Zu- oder Abnahme), Ängste, Burnouts, Einkommensreduzierungen und die Unterstützung von COVID-19-Patienten waren zusätzlich mit dem Neubeginn oder einer Verschlechterung einer bereits vorhandenen Insomnie assoziiert.
Wright und Kollegen gingen in der Frage nach den Auswirkungen pandemiebedingter Beeinträchtigungen auf den Schlaf noch einen Schritt weiter und untersuchten den Einfluss erlebter und befürchteter Herausforderungen auf das Schlafverhalten [21]. In einer Online-Fragebogenstudie wurden die Probanden nach tatsächlich erlebten Herausforderungen im Zuge der Pandemie (z. B. eine diagnostizierte COVID-19-Infektion, Jobverlust oder ein fehlender Zugang zu Medikamenten) befragt. Zusätzlich sollten Angaben zu befürchteten Problemen (z. B. Befürchtung an COVID-19 zu erkranken, Befürchtung, den Arbeitsplatz zu verlieren, Befürchtung nicht ausreichend Lebensmittel beschaffen zu können) gemacht sowie eine Frage nach der Schlafqualität beantwortet werden. Im Ergebnis zeigte sich, dass sowohl die erlebten als auch die befürchteten Probleme den Schlaf als Stressoren negativ beeinflussten, was die Bedeutung der Coronapandemie als Trigger für schlechten Schlaf weiter unterstreicht. Selbst Trauminhalte veränderten sich im Zuge der Pandemie, wie Scarpelli und Kollegen im Rahmen einer Online-Umfrage deutlich machten [22]. Es stieg nicht nur die Häufigkeit der Traumabrufe beziehungsweise der Traumerinnerungen an sich, auch Alpträume nahmen seit Beginn der Pandemie zu (siehe Abb. 3).
In Europa wurde 2020 eine multizentrische Fragebogenstudie initiiert, die nicht nur die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion, sondern auch die Einflüsse des Lockdowns und damit zusammenhängender finanzieller Probleme auf diverse Schlafschwierigkeiten und die Verwendung von Hypnotika objektiviert hat [23]. Im Rahmen dieser Online-Befragungsstudie wurden die Daten von insgesamt 22.151 Teilnehmern ausgewertet. Es zeigte sich, dass Probanden, welche an COVID-19 erkrankt waren, signifikant häufiger über eine schlechte Schlafqualität, Früherwachen und Tagesmüdigkeit berichteten. Teilnehmer, die einem Lockdown ausgesetzt waren, berichteten häufiger über eine schlechte Schlafqualität sowie Einschlafprobleme, jedoch auch über einen geringeren Gebrauch von Hypnotika. Darüber hinaus konnten finanzielle Probleme mit allen Schlaf- (Schlafqualität, Einschlafprobleme, Durchschlafprobleme, Früherwachen) und Tagesproblemen (Tagesschläfrigkeit), einschließlich Albträumen und Müdigkeit, in Verbindung gebracht werden.
Wie SARS-CoV-2 das Management von Schlafstörungen beeinflusst
Die Coronapandemie hat tiefe Einschnitte in die schlafmedizinische Versorgung verursacht. Die Öffnung eines Schlaflabors in Pandemiezeiten, aber auch der Umgang mit Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen, welche beispielsweise eine Überdrucktherapie in Anspruch nehmen, werfen neue Fragen auf. Wie gestaltet sich darüber hinaus die Versorgung von Patienten, denen schlafmedizinische Kapazitäten vorübergehend nicht zur Verfügung stehen?
Die American Academy of Sleep Medicine (AASM) hat hierzu zeitig Antworten gegeben [24] und auch in Europa [25] und speziell Deutschland [26] gab es Empfehlungen zu diesem Thema.
Schlafbezogene Atmungsstörungen und COVID-19
Wie verhält es sich für Infektionen, insbesondere für eine Infektion mit COVID-19, wenn bereits im Vorfeld schlafbezogene Atmungsstörungen vorliegen? Wie bereits ausgeführt, stellt die nächtliche Hypoxämie einen Risikofaktor für den Verlauf einer Coviderkrankung dar. Eine multizentrische Fragebogenstudie, welche online in insgesamt 14 Ländern durchgeführt wurde, untersuchte dazu passend den Zusammenhang zwischen einem hohen Risiko für eine obstruktive Schlafapnoe (OSA) sowie komorbiden Erkrankungen und einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken, Krankenhausaufenthalten und intensivmedizinischer Behandlung [27]. Es zeigte sich, dass Teilnehmer, welche ein erhöhtes OSA-Risiko aufwiesen, sowie Teilnehmer, welche an Diabetes litten, mit höherer Wahrscheinlichkeit an COVID-19 erkrankten. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sich das Risiko für eine Hospitalisierung insbesondere für Männer sowie für Personen mit Diabetes, hohem OSA-Risiko oder Depressionen erhöhte (siehe Abb. 4).
Was die Behandlung der Schlafapnoe betrifft, gibt es hinsichtlich der Pandemiezeit die Empfehlung, die verordnete Therapie auch während der Pandemie kontinuierlich anzuwenden. In den Schlaflaboren sollen vornehmlich die Patienten behandelt werden, die eine relevante symptomatische Schlafapnoe und/oder ein zusätzliches gesundheitliches Risiko haben, worauf sich die Schlafapnoe negativ auswirken kann [28]. Insbesondere Patienten mit markanten nächtlichen Sauerstoffabfällen gehören hier zur Risikogruppe.
Andere schlafbezogene Erkrankungen und COVID-19
Die Deutsche Restless Legs Vereinigung (RLS e.V.) geht derzeit nicht von einem Zusammenhang von COVID-19 und dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) aus [29]. Allerdings ist zu beobachten, dass das RLS häufig mit Begleiterkrankungen wie etwa Diabetes, die wiederum mit schweren COVID-19-Verläufen assoziiert sind, einhergeht. Dementsprechend lautet hier die Empfehlung der RLS e.V. für die Pandemiezeit, die erforderlichen Hygienemaßnahmen sowie Abstandsregelungen einzuhalten. In einer neuen Untersuchung von Weinstock und Kollegen zeigt sich, dass die Prävalenz des RLS bei Patientinnen mit Long-COVID signifikant ansteigt [30]. Hier gilt zu klären, inwiefern postinfektiöse immunologische Mechanismen bei der Entstehung von RLS-Symptomen von Bedeutung sind.
Für weitere schlafbezogene Erkrankungen wie etwa Pavor Nocturnus, Hypersomnien, Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen oder Insomnien gibt es keine spezifischen Empfehlungen für die Pandemiezeit. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass insbesondere eine chronische Insomnie grundsätzlich behandelt werden sollte. Hierfür eignet sich zunächst die kognitive Verhaltenstherapie, für die es neben einer Face-to-Face-Behandlung auch Online-Angebote gibt. Bei fehlendem Therapieerfolg kann zusätzlich (oder alternativ) eine medikamentöse Therapie ergänzend wirken.
Wie der schlechte Schlaf eine SARS-CoV-2-Infektion beeinflusst
Dass eine Infektion, verbunden mit Fieber, einen Einfluss auf den Schlaf hat, ist seit Langem bekannt [31, 32]. Proinflammatorische Zytokine wie z. B. IL-1β, IL‑6 und TNF‑α sind dafür verantwortlich, dass sich die Schlafqualität verändert. Doch was passiert, wenn der Schlaf bereits vor der Infektion gestört ist? Welche Auswirkungen hat ein zu kurzer und/oder schlechter Schlaf auf den Infektionsverlauf bzw. auf das Infektionsgeschehen und wie beeinflussen die verschiedenen Schlafstörungen die Infektion?
Schlafdefizit und Infektanfälligkeit
Der kurze Schlaf an sich hat ja auch bereits pandemische Ausmaße angenommen. So schlafen 34,1 % der Kinder, 74,6 % der Jugendlichen und 32,5 % der Erwachsenen zu kurz [33].
Eine Schlafdauer von weniger als 6 h ist dabei ein relevanter Schwellenwert [34]. In einer Studie von Prather und Kollegen konnte nachgewiesen werden, dass kurzer Schlaf mit einer erhöhten Anfälligkeit für virale Infekte der oberen Atemwege assoziiert ist [34]. Hierfür wurden 164 Probanden mit einem Rhinovirus infiziert und im Anschluss fünf Tage lang auf die Entwicklung von Krankheitssymptomen beobachtet. Mittels Aktigraphie am Handgelenk und Schlaftagebüchern wurden an den sieben aufeinanderfolgenden Tagen vor der Infektion die Schlafdauer und die Schlafkontinuität gemessen. Im Ergebnis zeigte sich, dass eine kürzere Schlafdauer mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Infektes verbunden war. Das Risiko einen viralen Infekt zu entwickeln, erhöhte sich sogar noch für diejenigen, die weniger als sechs Stunden schliefen (siehe Abb. 5).
Überdies hinaus stellt sich heraus, dass vorbestehender schlechter Schlaf einen negativen Einfluss auf den Verlauf einer Coviderkrankung hat, insbesondere wenn man bereits auf der Intensivstation liegt [35]. Huang und Kollegen gingen der Frage nach, inwiefern sich körperliche Aktivität sowie der Lebensstil auf den Schweregrad der Erkrankung von COVID-19-Patienten auswirken. Hierfür untersuchten sie die Daten von 164 infizierten und 188 nicht infizierten Probanden, welche einen durch einen Arzt ausgefüllten Telefon-Fragebogen zum Lebensstil beantworteten. Zum einen zeigten die Autoren auf, dass neben unregelmäßiger Bewegung auch ein sitzender Lebensstil und Überlastung mit einer Anfälligkeit für COVID-19 in Verbindung gebracht werden können. Zum anderen stellte sich heraus, dass bei symptomatischen Patienten das Risiko einer schweren Infektion mit einer Verringerung der durchschnittlichen täglichen Schlafdauer deutlich anstieg.
Vakzinierung und Schlaf
Eine große Zahl intensivmedizinischer Behandlungen aufgrund von COVID-19 lässt sich durch eine Impfung zuverlässig verhindern. Auch bezogen auf das Thema der Immunisierung lohnt sich ein Blick auf unseren Schlaf. Spiegel und Kollegen sind bereits 2002 der Frage nachgegangen, ob sich Auswirkungen von Schlafentzug auf die Reaktion auf eine Impfung beobachten lassen [36]. Zu diesem Zweck ließen die Autoren 25 junge Männer ihre Schlafdauer protokollieren und verabreichten ihnen nach sechs Nächten eine Impfung gegen einen Grippevirus. Von den 25 Männern sollten einige lediglich vier Stunden pro Nacht schlafen. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Antikörpertiter derjenigen Männer, welche lediglich vier Stunden in der Nacht schliefen, 10 Tage nach Verabreichung der Impfung nicht einmal halb so hoch waren, wie die der Männer ohne Schlafentzug. Eine Impfung zeigt demnach größere Effekte nach gutem, also ausreichend langem und erholsamem Schlaf. Zusätzlich wirken sich eine erholsame Nacht nach der Verabreichung einer Impfung sowie eine morgendliche Vakzinierung positiv auf die Entwicklung des Antikörpertiters aus [37]. Insbesondere bei immunsupprimierten Menschen sowie bei Personen, die einen gestörten Schlaf oder komorbide Erkrankungen aufweisen, sollte eine Impfung entsprechend morgens erfolgen, um die Effektivität zu erhöhen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Vakzinierung folglich dann zu empfehlen, wenn in den Nächten vor und nach einer Impfung ein ausreichend langer sowie erholsamer Schlaf stattgefunden hat.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Ossadnik, S., Glos, M. & Fietze, I. Bidirektionale Aspekte von SARS-CoV-2 und Schlafstörungen. Somnologie 26, 80–88 (2022). https://doi.org/10.1007/s11818-022-00350-y
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