Hintergrund

Der Anteil an Frauen mit Diabetes an allen Geburten in Deutschland kann aktuell auf 1 % präexistenten Diabetes mellitus (Typ 1 und Typ 2) sowie 6–7 % Gestationsdiabetes mellitus (GDM) geschätzt werden, das sind ca. 63.000 Fälle/Jahr. Aus der Fülle der Themen, zu denen 2019 Publikationen veröffentlicht wurden, erscheinen die Folgenden für die Betreuung dieser Zielgruppe besonders wichtig:

  • die kontinuierliche Gewebeglukosemessung (CGM) im Vergleich zum Selbstmonitoring der kapillaren Blutglukosewerte (SMBG)

  • assoziierte Faktoren bei Totgeburten präexistenter Diabetesfälle

  • der frühe GDM <24 + 0 Schwangerschaftswochen (SSW)

  • der Body-Mass-Index (BMI) der Schwangeren und die Gewichtsveränderung vor und während der Schwangerschaft

  • der Stellenwert der bariatrisch-metabolischen Chirurgie

Vorangestellt wird eine kurze Übersicht zu den Erkenntnissen aus inzwischen mehr als 100 publizierten stationären Fällen von Schwangeren mit einer Infektion im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie (SARS-CoV-2: „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) mit der Bezeichnung Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19).

COVID-19 bei Schwangeren

Die Publikationen mit Stand 30.03.2020 weisen 116 Fälle von Schwangeren mit COVID-19 aus. Eine detaillierte Darstellung mit einem Bericht über den ersten Fall einer Schwangeren mit Gestationsdiabetes aus Freiburg findet sich bei Kleinwechter u. Laubner [6]. Die wesentlichen Erkenntnisse sind:

  • Schwangere stellen für eine Infektion mit dem hochkontagiösen SARS-CoV‑2 keine besondere Risikogruppe dar.

  • Die häufigsten Symptome sind Fieber und Husten. Atembeschwerden zeigen bereits eine klinische Verschlechterung an und können plötzlich auftreten.

  • Goldstandard zum Infektionsnachweis ist die RT-PCR (Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion) aus einem tiefen Rachenabschnitt – Sensitivität und Spezifität der Methode werden ständig verbessert.

  • Die Computertomographie des Thorax (CT des Thorax) gilt als Goldstandard für die Diagnose und Beurteilung des Ausmaßes der Lungeninfektion (atypische Pneumonie). Die Ausdehnung des Lungenbefalls korreliert häufig nicht mit den u. U. nur geringen Symptomen.

  • Die bisherigen Fälle bei Schwangeren verliefen mild bis mittelschwer, nur in 1 Fall wurde bislang maschinell beatmet.

  • Es gibt keine definitiven Beweise für eine intrauterine Infektion des Kindes (vertikale Transmission) und keinen Nachweis für einen Virustransfer in und durch die Muttermilch.

  • Postnatale Infektionen von Neugeborenen einer infizierten Mutter sind belegt.

  • Bei Diabetes als Komorbidität können adipöse Frauen mit Typ-2-Diabetes, auch Frauen mit GDM, und weiteren Komorbiditäten, wie Bluthochdruck oder Schlafapnoe-Syndrom, und Frauen mit länger bestehendem Typ-1-Diabetes, Folgekomplikationen und Ketoazidoseneigung als potenziell besonders gefährdet angesehen werden.

Um möglichst schnell und umfassend ein Bild von COVID-19 bei Schwangeren aus Deutschland zu erlangen, wurde am 03.04.2020 die Registerstudie CRONOS („covid-19 related obstetric and neonatal outcome study“) unter der Leitung der Perinatalmediziner Prof. Dr. Mario Rüdiger, Dresden, und PD Dr. Ulrich Pecks, Kiel, begonnen. Dafür wurde ein Diabetesmodul für die Datenerfassung eingerichtet, sodass Fälle mit den Komorbiditäten Typ-1- und Typ-2-Diabetes sowie GDM detailliert beschrieben werden können. Informationen zu CRONOS finden sich unter:

https://www.dgpm-online.org/gesellschaft/forschung/studien-information-fuer-mitglieder-mediziner-und-wissenschaftler/

Kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM)

Im Juni 2019 wurde von 8 Fachgesellschaften ein Konsensus für die klinischen Ziele beim Einsatz der CGM publiziert und hierbei die „time in range“ (TIR), d. h. die Zeit, in der die Glukosewerte im Zielbereich liegen, für unterschiedliche Diabetespopulationen festgelegt [2]. Der Zielbereich für Schwangere wurde auf 63–140 mg/dl (3,5–7,8 mmol/l) gesenkt. Für Typ-1-Diabetes wurde festgehalten, dass für die Prozentangaben für TIR >70 %, „time above range“ (TAR), d. h. die Zeit oberhalb des Zielbereichs, <25 % und „time below range“ (TBR), d. h. die Zeit unter dem Zielbereich, <5 % nur eine eingeschränkte Beweislage vorliegt (Abb. 1). Für Typ-2-Diabetes und GDM konnten hierzu mangels Daten noch keine Angaben gemacht werden. Die CGM-Daten sollen standardisiert, strukturiert und übersichtlich in einem Berichtsbogen für das ambulante Glukoseprofil (AGP) präsentiert werden (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Auf CGM-basierte Glukosezielwerte für Schwangere, CGM kontinuierliches Glukosemonitoring, **schließt Werte < 54 mg/dl (3,0 mmol/l) ein. (Aus [2])

Abb. 2
figure 2

Elemente eines vollständigen AGP-Berichts bei Verwendung von CGM (kontinuierliches Glukosemonitoring), AGP ambulantes Glukoseprofil. (Aus [2])

In einer schwedischen Beobachtungsstudie wurden die CGM-Daten von 186 schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes ausgewertet [7], 92 mit rt-CGM (rt: „real time“; Dexcom G4®) und 94 mit isc-CGM (isc: intermittierend scannendes; Freestyle Libre®). Frauen ohne CGM konnten sich am Beginn der Schwangerschaft das System frei aussuchen. Zielwerte waren <108 mg/dl (6,0 mmol/l) präprandial und <144 mg/dl (8,0 mmol/l) 1 h postprandial sowie 108–144 mg/dl (6–8 mmol/l) vor der nächtlichen Bettruhe. Die LGA-Raten (LGA: „large for gestational age“) waren mit beiden Systemen vergleichbar (52 vs. 53 %). Unter Berücksichtigung der Gesamtdaten waren erhöhte mittlere Glukosespiegel im 2. und 3. Trimenon mit der Geburt eines LGA-Neugeborenen assoziiert (OR [„odds ratio“]: 1,53; 95 %-KI [95 %-Konfidenzintervall]: 1,12–2,08 und OR: 1,57; 95 %-KI: 1,12–2,19). Umgekehrt war ein erhöhter Anteil an TIR mit einer geringeren LGA-Rate assoziiert, das galt auch für einen kombinierten Endpunkt: Geburtsgewicht >4500 g, Schulterdystokie, neonatale Hypoglykämie oder Aufenthalt auf der Neugeborenenintensivstation (NICU) >24 h.

In der Schwangerschaft sollten so früh wie möglich eine TIR >70 % und eine TAR <25 % erzielt werden

Helen Murphy fasste die Ergebnisse der schwedischen Untersuchung und der CONCEPTT-Studie zusammen [13]. Die TIR erreichten die Frauen pro Tag zu 50 % im 1., zu 55 % im 2. und zu 60 % im 3. Trimenon der Schwangerschaft. Die TAR wurde von 40 % am Beginn der Schwangerschaft auf 33 % im 3. Trimenon reduziert. Eine TIR >70 % und eine TAR <25 % wurden nur in den letzten Wochen der Schwangerschaft erreicht. Die TBR ist abhängig vom verwendeten Sensor, aber alle Sensoren messen bei <63 mg/dl (3,5 mmol/l) ungenau. Zusammenfassend sind eine um 5 % niedrigere TIR und eine um 5 % höhere TAR im 2. und 3. Trimenon mit erhöhten Risiken für LGA, neonatale Hyperglykämie und Verlegung des Neugeborenen auf die Intensivüberwachung assoziiert. Von daher sollten eine TIR >70 % und eine TAR <25 % so früh wie möglich in der Schwangerschaft erzielt werden.

Zur CONCEPTT-Studie wurden 2019 außerdem 3 Sekundäranalysen veröffentlicht. In eine Studie wurden 225 schwangere Frauen und ihre lebend geborenen Kinder eingeschlossen [22]. Die Glukosespiegeleinstellung wurde in der 12., 24. und 34. SSW bewertet, während die intrapartale Glykämie durch CGM 24 h vor der Geburt gemessen wurde. Primärer Endpunkt war eine neonatale Hypoglykämie <47 mg/dl (2,6 mmol/l) mit Therapie durch i.v. verabreichte Glukose, die in 25,3 % der Fälle auftrat. Mütter, deren Kinder eine neonatale Hypoglykämie aufwiesen, hatten im 2. und 3. Trimenon signifikant höhere HbA1c-Werte (HbA1c: Glykohämoglobin Typ A1c), 6,6 vs. 6,2 % (p = 0,0009) und 6,7 vs. 6,3 % (p = 0,0001), und eine niedrigere TIR in der CGM-Auswertung, 46 vs. 53 % (p = 0,004) und 60 vs. 66 % (p = 0,03).

Alle 113 englischen Teilnehmerinnen an der CONCEPTT-Studie wurden zu einer Diätstudie eingeladen, an der 82,3 % teilnahmen, 55 mit ICT (intensivierte konventionelle Insulintherapie) und 38 mit CSII (kontinuierliche subkutane Insulininfusion, [14]). Mit beiden Therapieformen hatten die Schwangeren mit 12 und 34 SSW eine vergleichbare TIR von 63–140 mg/dl (5,3–7,8 mmol/l), aber die Frauen mit CSII erreichten in der 24. SSW in 5 % seltener die TIR (48 vs. 53 %). Die Auswertung ergab zwischen den Therapieformen ICT und CSII keine Unterschiede bezüglich Kohlenhydraten, Fetten, Eiweißen und Ballaststoffen. Damit konnte die suboptimale Diabeteseinstellung der Pumpenträgerinnen Mitte der Schwangerschaft nicht durch Unterschiede in der Nahrungsaufnahme erklärt werden.

Ziel einer weiteren CONCEPTT-Sekundärauswertung war es, die Ernährungsgewohnheiten von englischen Frauen mit Typ-1-Diabetes zu analysieren, die entweder eine Schwangerschaft planten oder sich bereits mit einer solchen vorstellten [15]. Ausgewertet wurden 246 Ernährungstagebücher, jeweils mit Einträgen über 3 Tage. Die mittlere Kalorienaufnahme betrug 1588 kcal (Planung) und 1673 kcal/Tag (schwanger), die Kohlenhydratmenge entsprechend 180 und 198 g/Tag, allerdings 46 % aus nicht empfohlenen Quellen. Die Fettmengen waren zu hoch, die Portionen Obst und Gemüse inadäquat niedrig; außerdem nahmen 19 vs. 26 % der Frauen nicht die empfohlenen Mengen an Mikronährstoffen zu sich. Damit zeigten die Ernährungsgewohnheiten der Frauen mit Typ-1-Diabetes einen hohen Fettanteil, eine geringe Ballaststoffmenge, eine inadäquate Aufnahme von Obst und Gemüse und Kohlenhydrate von unzureichender Qualität.

Im 2. Update eines Cochrane-Reviews wurden erneut die verschiedenen Verfahren des Glukosemonitorings bei Schwangeren mit präexistentem Diabetes evaluiert [5]. Aus 4 Studien mit insgesamt 609 Frauen konnte CGM mit intermittierendem SMBG verglichen werden. Eine eindeutige Reduktion von Hochdruckkomplikationen konnte nicht belegt werden (RR [relatives Risiko]: 0,65; 95 %-KI: 0,39–1,08). Keine Reduktion fand sich bei den Kaiserschnittraten und LGA; für die Beurteilung von Mortalität und einem kombinierten Morbiditätsendpunkt reichte die Datenbasis nicht aus. Durch CGM scheint sich jedoch die Rate an neonataler Hypoglykämie zu reduzieren (RR: 0,66; 95 %-KI: 0,48–0,93).

Die SMBG bleibt Goldstandard des Selbstmonitorings bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes und GDM

In einer randomisierten US-amerikanischen Studie mit 23 Frauen und GDM sowie einem verblindeten CGM-System wurde nach 4 Wochen keine Verbesserung der TIR erzielt [8], wohingegen in einer englischen Beobachtungsstudie mit 162 Frauen mit GDM und verblindeter CGM eine Beziehung zwischen dem nächtlichen, mittleren Gewebeglukosespiegel von 00:30–6:30 Uhr und der LGA-Rate der Neugeborenen festgestellt wurde [9].

Damit bleibt die SMBG der Goldstandard des Selbstmonitorings bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes und GDM. Für eine generelle CGM-Versorgung von Schwangeren mit Typ-1-Diabetes fehlt die Evidenz. Im hypoglykämischen Bereich und während körperlicher Belastung zeigt die CGM deutliche Schwächen, gemessen an der mittleren absoluten relativen Differenz (MARD) zur Referenzmessung [12]. Die weitere technische Verbesserung der CGM-Systeme mit Einführung einer ISO-Norm (ISO: Internationale Organisation für Normung) sollte abgewartet werden, genauso wie weitere randomisierte Studien mit Schwangeren, deren Basisbetreuung mit Leitlinienstandards vereinbar ist. Hierbei steht eine Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten im Fokus. Für Schwangere ist die seit vielen Jahren propagierte liberalisierte Empfehlung „Iss was Du willst, Du brauchst nur die richtige Insulindosis zur richtigen Zeit“ ein offenbar falscher Weg, der restrukturiert werden sollte. Interessierte Teams sollten sich für die CGM-Betreuung zertifizieren lassen, und die Teilnahme der Frauen an einem CGM-Schulungsprogramm ist obligat. Die Auswertung mit einem strukturiertem AGP-Protokoll ist aufwendig und ressourcenverbrauchend, kann aber nicht durch einen flüchtigen Blick auf die eingelesenen Kurven ersetzt werden.

Präexistenter Diabetes und Totgeburten

Eine schottische Forschergruppe analysierte retrospektiv Populationsdaten der Jahrgänge 1998–2016 zur Frage von Totgeburten bei Schwangerschaften von Frauen mit Diabetes und assoziierten Faktoren [11]. Die Ergebnisdaten von 3778 Frauen mit Typ-1- und 1614 Frauen mit Typ-2-Diabetes zwischen der Gruppe mit Tot- und der mit Lebendgeburten wurden verglichen. Die Rate an Totgeburten pro 1000 Geburten betrug bei Typ-1-Diabetes 16,1 und bei Typ-2-Diabetes 22,9. Die assoziierten Faktoren sind Tab. 1 zu entnehmen.

Tab. 1 Mit Totgeburten assoziierte Faktoren bei präexistentem Diabetes

Terminnah ereignete sich 1/3 der Totgeburten: 7/1000 in der 38. SSW bei Typ-1-Diabetes und 9,3/1000 in der 39. SSW bei Typ-2-Diabetes. Zusammenfassend sind eine schlechte Blutglukosespiegeleinstellung und ein höherer BMI der Mutter relevante Risiken für Totgeburten, die beeinflusst werden können. Besonders gefährdet erscheinen Neugeborene mit einer Wachstumsrestriktion.

Früher Gestationsdiabetes

Der sog. frühe GDM mit Diagnose vor 24 SSW ist als Krankheitsentität umstritten, er wird auch als „early onset GDM“ oder als Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft bezeichnet. Aus einer kaum übersehbaren Anzahl von Studien der letzten Jahre wurden zahlreiche Risikomarker, -faktoren oder auch -konstellationen vorgelegt, die eine Assoziation unterschiedlicher Ausprägung zu einem später diagnostizierten GDM aufwiesen. In 2 randomisierten Studien aus den Jahren 2016 [17] und 2018 [21] wurden neonatale Komplikationen lediglich als sekundäre Endpunkte ausgewiesen, und es konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede belegt werden. Im Jahr 2019 widmeten sich 3 Studien diesem Thema: In einer unizentrischen Untersuchung der Pariser Universitätsfrauenklinik wurden 4605 Schwangerschaften von Frauen mit Risiken (47 %) ausgewertet, die zwischen 2012 und 2016 entbunden hatten [3]. Unterschieden wurden therapierte Schwangere mit frühem GDM-Screening durch Messung der Nüchternblutglukosewerte (<22 SSW), spätem GDM-Screening (≥22 SSW) und wiederholtem Screening (≥22 SSW), wenn das Frühscreening unauffällig war. Primärer kombinierter Endpunkt war das Auftreten von Präeklampsie, LGA oder Schulterdystokie. Die frühen Fälle wurden häufiger mit Insulin behandelt (8,9 vs. 6,0 %, p < 0,001), und die Frauen nahmen weniger an Gewicht zu (11,1 vs. 11,4 kg, p = 0,013). Der kombinierte Endpunkt zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied (11,6 vs. 12,0 %, p = 0,53), das galt auch für weitere sekundäre Endpunkte.

Schwangere mit Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft sollten zurückhaltend therapiert werden

In 2 tertiären Zentren in Birmingham, USA, und New Orleans, USA, wurde ein GDM-Screening entweder mit 14–20 SSW oder mit 24–28 SSW durchgeführt, und zwar 2‑stufig nach den strengeren Carpenter-Coustan-Kriterien [4]. Lag mit 14–20 SSW kein GDM vor, wurden diese Frauen erneut mit 24–28 SSW gescreent. Der kombinierte primäre Endpunkt enthielt: Makrosomie >4000 g, primäre Sectio, Hochdruckerkrankung, Schulterdystokie, neonatale Hyperbilirubinämie und Hypoglykämie innerhalb von 48 h postnatal. Es konnten 922 Fälle ausgewertet werden, 459 mit frühem Screening und 453 mit Routinescreening, die Basisdaten waren ausbalanciert. Die GDM-Rate betrug in der frühen Gruppe 15 %, davon 6,3 % <20 SSW und 8,7 % >24 SSW sowie in der Routinegruppe 12,1 %. Beide Gruppen wurden in 6,3 vs. 4,8 % mit Medikamenten behandelt. Das frühe Screening führte nicht zu einer statistisch signifikanten Reduktion des primären Endpunkts (56,9 % vs. 50,8 %, RR: 1,12; 95 %-KI: 0,99–1,26; p = 0,07).

Die Rekrutierung in einer unverblindeten, randomisierten Studie aus San Diego, USA, erfolgte in den Jahren von 2013–2015 [18]. Ziel der Studie war es, Schwangere mit einer Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft (≤15 + 0 SSW), definiert als Nüchternblutglukosespiegel ≥92 mg/dl (5,1 mmol/l) oder einem HbA1c ≥ 5,7 % entweder sofort oder verzögert mit 24–28 SSW beginnend zu behandeln. Primärer Endpunkt war die Inzidenz eines neonatalen Hyperinsulinismus, bestimmt über einem Nabelschnur-C-Peptid-Wert >90. Perzentile. Die Studie wurde durch das Sicherheitskomitee wegen unzureichender Rekrutierung vorzeitig beendet. Von 202 rekrutierten Schwangeren (in beiden Gruppen ca. 60 % mit Übergewicht und Adipositas sowie 80 % nichthispanisch) konnten nach der ITT-Analyse (ITT: „intention to treat“) 82 Fälle mit früher und 75 Fälle mit später Therapie verglichen werden. Beim primären Endpunkt gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied (1,5 vs. 6,7 %, p = 0,19). Das galt auch für sekundäre neonatale Endpunkte: Fettmasse, Gewichtslängenperzentile, Makrosomie. Die Gewichtszunahme der Schwangeren war in beiden Gruppen ebenfalls ohne Unterschied (10,3 vs. 10,8 kg, p = 0,88), die GDM-Rate betrug 14,2 vs. 25,8 % (p = 0,17), und es wurden 34,2 % der früh und 33,0 % der spät diagnostizierten Fälle medikamentös therapiert (Insulin, Metformin, Glibenclamid).

Damit werden schwangere Frauen bei früher Diagnostik eines GDM – mit welcher Methode auch immer – häufig mit Medikamenten behandelt, ohne dass eine Verbesserung relevanter Endpunkte erreicht wird. Daher ist bei der Einleitung einer intensiven, pharmakologisch unterstützten Therapie von Schwangeren mit der Diagnose einer Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft Zurückhaltung geboten.

Body-Mass-Index (BMI) und Gewichtsveränderungen

In dieser Studie mit individuellen Teilnehmerinnen wurden Daten gesunder Frauen mit einer Einzelschwangerschaft und einem BMI ≥18,5 kg/m2 aus Kontrollgruppen von 36 randomisierten Studien aus 16 Ländern ausgewertet [19]. Die Assoziation einer Gewichtszunahme außerhalb der IOM-Kriterien (IOM: „Institute of Medicine“) von 2009, und zwar sowohl ober- als auch unterhalb, wurde in Bezug auf die Risiken relevanter Endpunkte beschrieben. Von 4429 Frauen aus 33 Studien nahmen 2/3 außerhalb der IOM-Kriterien zu (n = 1646 oberhalb, n = 1291 unterhalb). Die mediane exzessive Gewichtszunahme oberhalb betrug 3,1 kg und unterhalb 2,7 kg. Die Gewichtsentwicklung ober- bzw. unterhalb im Vergleich zu innerhalb der IOM-Kriterien führte zu den in Tab. 2 dargestellten Ergebnissen:

Tab. 2 Ergebnisse der Gewichtsentwicklung ober- bzw. unterhalb im Vergleich zu innerhalb der IOM-Kriterien

Adhärenz zu den IOM-Empfehlungen hilft, das Ergebnis der Schwangerschaft zu verbessern. Aber selbst in klinischen Studien finden es die Frauen schwierig, die Vorgaben umzusetzen. In zukünftigen Arbeiten sollte geklärt werden, wie die Adhärenz verbessert werden kann.

Das Ziel einer weiteren Studie war es, den gesamten Bereich der intragraviden Gewichtsentwicklung hinsichtlich der Risiken für einen ungünstigen Ausgang der Schwangerschaft für Mütter und Kinder zu untersuchen [10]. Die individuellen Daten der Teilnehmerinnen von 196.670 Frauen aus 25 Kohortenstudien Europas und Nordamerikas wurden im Rahmen einer Metaanalyse ausgewertet. Als Validierungsgruppe dienten 3505 Teilnehmerinnen aus 4 Krankenhauskohorten. Primärer Endpunkt war das Auftreten von ≥1 Befund wie folgt: Präeklampsie, Gestationshypertonie, GDM, Sectio, Frühgeburt, SGA („small for gestational age“), LGA. Ein Endpunkt trat in 34,7 % der untergewichtigen und in 61,1 % der Frauen mit Adipositas Grad 3 auf. Bei geringer bis moderater Diskriminierung zwischen Schwangerschaften mit und ohne Endpunkt (AUC [„area under the curve“] der ROC-Kurven [ROC: „receiver operating characteristics“ bzw. Grenzwertoptimierungskurve]: 0,55–0,76) ergaben sich nach Tab. 3 in den verschiedenen BMI-Klassen die aufgelisteten Bereiche für eine optimale Gewichtsentwicklung.

Tab. 3 Optimale Gewichtsentwicklung zur Reduktion eines klinisch relevanten Endpunkts der Schwangerschafta

Eine holländische Arbeitsgruppe erstellte zur Frage der Gewichtsentwicklung zwischen 2 Schwangerschaften eine systematische Übersicht und Metaanalyse [20]. Dabei konnten 30 Beobachtungsstudien mit Angaben zum BMI zwischen den Schwangerschaften in die qualitative und 11 in die Metaanalyse eingeschlossen werden. Die Datenbasis umfasste mehr als 1 Mio. Fälle. Eine Gewichtszunahme von mehr als 3 kg/m2 nach der vorangegangenen Schwangerschaft ergab die in Tab. 4 dargestellten Risiken, angegeben als OR und 95 %-KI.

Tab. 4 Risiken bei einer Gewichtszunahme >3 kg/m2 nach vorangegangener Schwangerschaft

Mit Ausnahme von LGA-Geburten führte eine Gewichtsabnahme bis zur 2. Schwangerschaft nicht zu einer Reduktion der anderen perinatalen Komplikationen. Als Hochrisikopopulation wurden normgewichtige Frauen identifiziert, die noch vor der Schwangerschaft an Gewicht zunahmen. Die Autoren sehen das Gewichtsmanagement für Frauen mit allen BMI-Kategorien im reproduktiven Alter als bedeutsam an, wenn Kinderwunsch besteht.

Bariatrisch-metabolische Chirurgie

Ein Forscherteam wertete aus dem schwedischen Geburtenregister der Jahrgänge 2007–2014 die Daten von 2921 Kindern aus, deren Mütter vor der Schwangerschaft wegen einer Adipositas mit einem Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) operiert worden waren [16]. Diese wurden mit Daten von 30.753 adipösen Müttern, die bezüglich der wichtigsten Angaben angeglichen („matched“) waren, verglichen. So konnten für 2921 operierte Fälle sehr gut ausbalancierte Kontrollen gefunden werden.

Die operierten Frauen wogen präoperativ im Mittel 122 kg (BMI: 43,5 kg/m2). Die Zeit zwischen RYGB-Anlage und Konzeption betrug im Mittel 1,6 Jahre, der Gewichtsverlust bis dahin lag bei 40 kg, sodass die Frauen bei Diagnose der Schwangerschaft im Mittel ein Gewicht von 82 kg aufwiesen. Die Rate an Diabetestherapien sank von präoperativ 9,7 % auf 1,5 % im Zeitraum 6 Monate vor der Konzeption. Bei den Kindern operierter Mütter traten in 3,9 % große Fehlbildungen auf, bei den Kindern der Kontrollen in 4,9 % (RR: 0,67; 95 %-KI: 0,52–0,87), Risikodifferenz −1,6 % (95 %-KI: −2,7–−0,6 %). In 60 % handelte es sich bei den Fehlbildungen um große Herzfehler. Besonders erfreulich war, dass in der operierten Gruppe kein Neuralrohrdefekt auftrat, in der Kontrollgruppe waren dies 20 Fälle (0,07 %). Die Autoren schlossen aus ihren Daten, dass bei Annahme einer ursächlichen Beziehung zwischen RYGB und der Fehlbildungsrate die Operation wahrscheinlich neben einer Verbesserung des Glukosestoffwechsels in der Frühschwangerschaft auch andere physiologische Prozesse günstig beeinflusst haben könnte. Jedenfalls konnte die Fehlbildungsrate auf das Niveau der Hintergrundpopulation abgesenkt werden.

Eine englisch-belgische Arbeitsgruppe stellte sich die Frage, inwieweit eine Schwangerschaft nach bariatrischer Chirurgie Einfluss auf das perinatale Outcome hat [1]. Hierzu gab es bislang nur wenige Erkenntnisse, meist wurden Komplikationen bei der Mutter untersucht. Eingeschlossen wurden 33 Beobachtungsstudien mit 14.880 Schwangerschaften nach bariatrischer Chirurgie, verglichen mit 3.979.978 Kontrollen. Für alle Verfahren ergaben sich nach bariatrischer Chirurgie im Vergleich zu Kontrollen erhöhte Risiken für die in Tab. 5 dargestellten Komplikationen.

Tab. 5 Komplikationen mit nach bariatrischer Chirurgie erhöhtem Risiko

Nach RYGB erhöhte sich die Rate an SGA (OR: 2,72; 95 %-KI: 2,32–3,20, p < 0,001), und die LGA-Häufigkeit sank auf eine OR von 0,24 (95 %-KI: 0,14–0,41, p < 0,001), was nach Magenbandanlage nicht beobachtet wurde. Die Kinder wogen bei der Geburt nach bariatrischer Chirurgie signifikant weniger als bei den Kontrollen: −242 g (−307–−177 g). Nach Meinung der Autoren würden die Frauen von spezifischer Ernährungsberatung vor und während der Schwangerschaft sowie häufigerem Monitoring der fetalen Gewichtsentwicklung profitieren. In zukünftigen Studien sollte der Frage nachgegangen werden, ob restriktive Verfahren (z. B. Magenband‑, Schlauchmagenanlage [„sleeve gastrectomy“]) im Vergleich zu malabsorptiven Verfahren (z. B. RYGB) ein besseres perinatales Ergebnis bewirken, ohne die mütterlichen Resultate zu verschlechtern.

Fazit für die Praxis

  • COVID-19 betrifft auch Schwangere, die Erkenntnislage ändert sich täglich.

  • Goldstandard während der Schwangerschaft bleibt das Selbstmonitoring der kapillaren Blutglukosespiegel.

  • In Einzelfällen von Typ-1-Diabetes (T1D) mit begründetem Einsatz des kontinuierlichen Glukosemonitorings sollten so früh wie möglich Werte für die „time in range“ >70 % und für die „time above range“ <25 % erreicht werden.

  • Totgeburten sind beim T1D mit erhöhten HbA1c-Werten (HbA1c: Glykohämoglobin Typ A1c) während der gesamten Schwangerschaft assoziiert, bei Typ-2-Diabetes kommt als Risiko ein erhöhter Body-Mass-Index dazu. Bei beiden Diabetestypen sind v. a. Neugeborene mit Wachstumsrestriktion gefährdet.

  • Präkonzeptionell adipöse Frauen sollten bis zur Geburt nicht mehr als 6 kg zunehmen.

  • Bei Schwangerschaften nach bariatrisch-metabolischer Chirurgie sollten die einzelnen Verfahren hinsichtlich der Vorteile für die Mütter gegen die Risiken für die Kinder abgewogen werden.