Die Inzidenz der Frakturen des proximalen Humerus nimmt in den letzten Jahren zu. Dabei sind v. a. ältere Patienten betroffen, bei denen durch Kofaktoren wie Osteopenie, Arthrose und Degeneration der Rotatorenmanschette sowie Multimorbidität nicht nur die Frakturhäufigkeit mit zunehmendem Lebensalter ansteigt, sondern auch die Verletzungsschwere bereits bei geringeren Traumen.

Während wenig dislozierte Frakturen in 65–85% aller Fälle konservativ behandelt werden können [15, 17], stellen die dislozierten Brüche aufgrund der oft schlechten Knochenqualität und dem Ausmaß der degenerativen Veränderungen eine Herausforderung für die operative Therapie dar [15].

Es können die relativ einfach zu versorgenden 2- bis 3-Segment-Frakturen von den komplexeren 3- und 4-Segment-Frakturen unterschieden werden. Besonders problematisch ist die oft vorkommende Zertrümmerung der Tuberkel, bei der zur Verankerung der Implantate nach der Reposition nur das Kopf- und das Schaftfragment zur Verfügung stehen. Mit älteren Implantaten wie konventionellen Platten konnten die zertrümmerten Tuberkel nicht überbrückt werden, was häufig von einem sekundären Repositionsverlust gefolgt war. Moderne winkelstabile Platten- und Nagelsysteme sind dagegen durch eine suffiziente Fixierung der Fragmente gekennzeichnet.

In eigenen biomechanischen Untersuchungen wurde der Vorteil winkelstabiler Systeme aufgezeigt. In einem eigens entwickelten Prüfstand wurden 9 verschiedene moderne winkelstabile Nagel- und Plattensysteme gegen die konventionelle T-Platte unter kraftgeregelter, schwellender Belastung in einem Treppenversuch bis zum Versagen belastet und ihre Überlegenheit in einer entsprechenden Fraktursituation nachgewiesen. Interessanterweise konnten implantatspezifische Charakteristiken wie die sekundäre Schraubenperforation ins Gelenk durch varische Kippung des Kopffragmentes bei Platten und das vermehrte Schwingen der exzentrischen, winkelstabilen Platten im Vergleich zu den Marknägeln simuliert werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Biomechanische Testung Platten/Nägel (Beispiele), PHN „proximal humeral nailing system“

Ziele der Therapie sind zum einen die Schmerzfreiheit, zum anderen aber auch eine möglichst ungestörte Funktion der Schulter. Eine operative Versorgung muss daher die anatomische Reposition und die stabile Retention der Fragmente zur Vermeidung eines knöchernen Impingements, aber auch zur Wiederherstellung der Funktion der Rotatorenmanschette erreichen. Zur operativen Versorgung stehen zur Verfügung [6, 7, 8, 11, 12, 15, 17]:

  • verschiedene Minimalosteosynthesen (Spickdrähte, Schrauben, Helixwire, Draht- oder Fadencerclagen und retrograde flexible Nägel),

  • Plattenosteosynthesen,

  • Marknägel und

  • die prothetische Versorgung.

Neue intramedulläre und winkelstabile Implantate sollen den iatrogenen Weichteilschaden vermindern und durch eine hohe Primärstabilität eine frühfunktionelle Physiotherapie und damit bessere funktionelle Ergebnisse ermöglichen.

Implantate

Seit Juni 2003 verwenden wir den T2-PHN (PHN: „proximal humeral nailing system“) der Fa. Stryker. Ähnlich mit anderen Systemen, z. B. dem Targon® PH der Fa. Aeskulap, handelt es sich um einen 150 mm langen Marknagel, der proximal mit 4 gekreuzten Verriegelungsoptionen in anatomisch sinnvollen Positionen versehen ist (Abb. 2). Die Löcher im Nagel verfügen über ein Innengewinde, wodurch eine winkelstabile und geführte Schraubenpositionierung möglich ist. Durch Nylonringe wird ein seitliches Ausdrehen der „Stellschrauben“ verhindert. Alle Verriegelungsschrauben werden über ein Zielsystem eingebracht. Das proximale Drittel des Nagels ist 10 mm stark und um 6° gegenüber dem 8 mm starken Schaft nach lateral gebogen. Andere Marknagelsysteme verfügen über einen geraden Marknagel ebenfalls mit geführten Verriegelungsschrauben, die durch Kunststoffringe gesichert werden.

Abb. 2
figure 2

Verriegelung des T2-PHN über Zielbügel, a Schema, b anatomische Schraubenposition, c in situ

Der T2-PHN steht auch als lange Version (220–300 mm Länge) zur Verfügung, um Frakturen mit Schaftbeteiligung versorgen zu können.

Stellvertretend für die sehr ähnlichen auf dem Markt verfügbaren Marknagelsysteme soll hier die Operationstechnik am Beispiel des T2-PHN vorgestellt werden.

Operationstechnik

Lagerung

Der Patient wird auf einem Schultertisch in Beach-Chair-Position operiert. Der betroffene Arm wird auf einer Armstütze leicht hängend und retrovertiert gelagert, sodass die Verlängerung des Schafts ventral am Akromion vorbeiführt. Unter Bildwandlerkontrolle wird, falls erforderlich, eine geschlossene Reposition versucht.

Zugang

Über einen etwa 4–8 cm langen Deltoideussplitzugang wird die Supraspinatussehne (Abb. 3) über dem höchsten Punkt der Kalotte auf eine Strecke von etwa 2 cm im Faserverlauf gespalten. Bereits in dieser Situation werden je nach Fraktur in die 3 Hauptportionen der Rotatorenmanschette kräftige Haltefäden (z. B. Fiberwire®) ansatznah eingebracht, die zum einen eine marionettenartige Führung der Tuberkel zur Reposition ermöglichen, zum anderen abschließend als Zuggurtungen um die Verriegelungsschrauben gelegt werden können.

Reposition und Nageleintrittspunkt

Unter Zuhilfenahme eines Instruments wie Raspatorium, Elevatorium oder 2 gekreuzten Kirschner-Drähten als Joysticks wird das Kalottenfragment reponiert. Der ideale Nageleintrittspunkt wird am höchsten Punkt der Kalotte aufgesucht, durch einen Kirschner-Draht markiert und mit einer Hohlfräse unter Schonung der Sehnenränder überbohrt (Abb. 4). Die zirkuläre knöcherne Abstützung des proximalen Nagelendes im subkortikalen Knochen ist die wichtigste Voraussetzung für die Stabilität der Osteosynthese bei Mehrfragmentfrakturen.

Bei 2-Segment-Frakturen oder hervorragender Knochenqualität kann davon abweichend ein lateraler Nageleintrittspunkt am medialen Rand des Tuberculum majus zur Schonung der Gelenkfläche gewählt werden. Dabei muss der Ansatzbereich der Supraspinatussehne gemieden werden.

Abb. 3
figure 3

a Hautinzision (Mini-open-Technik): bei Bedarf Schnitterweiterung nach lateral möglich, b minimalinvasiver Zugang bei geschlossener Reposition, c Darstellung der Supraspinatussehne

Abb. 4
figure 4

a Reposition mit dem Einzinker, b Eröffnen des Nageleintrittspunkts mit der Hohlfräse, c Einführen des Nagels

Abb. 5
figure 5

a Ausrichtung der Rotation am Unterarm über Zielsystem, b ideale Schraubenposition am Präparat: proximale Schraube 1 Querfinger hinter dem Sulcus bicipitalis, c ideale Nagelposition bei 3-Segment-Fraktur: auf dem Nagel „hängende“, durch die Schrauben abgestützte Kalotte, Schrauben im Kopf als Stellschrauben im Nagel geführt und durch Kunststoffring gegen Ausdrehen gesichert

Positionierung des Nagels und Verriegelung

Nach Positionierung des Nagels wird die proximalste Schraube einen Querfinger hinter dem Sulcus bicipitalis ins Tuberculum majus eingebracht. Bei korrekter Positionierung zeigt sie ins Zentrum der Kalotte (Abb. 5 b). Danach werden die übrigen proximalen Schrauben gesetzt. Der um 90° angewinkelte Unterarm dient bei der Ausrichtung der Rotation als Orientierungshilfe: Er wird mit einem im Zielinstrument befestigten Kirschner-Draht in eine Linie gebracht (Abb. 5 a). Die distale Verriegelung sichert die Rotation. Zuletzt werden besonders bei osteoporotischen Verhältnissen oder Zertrümmerung der Tuberkel großzügig Sicherungsnähte zur Fixierung der Rotatorenmanschette an den Schrauben verwendet. Wesentlich für die spätere Funktion sind die exakte anatomische Reposition und die ausreichende Fixierung der Tuberkel. Ist die Konstruktion fertig gestellt, werden die Kalotte ähnlich einem Hut auf der Stange gehalten und die Gelenkfläche durch die verschiedenen Schrauben in mehreren Ebenen abgestützt (Abb. 5 c).

Nachbehandlung

Zur Schonung der Wunde wird in den ersten 1–2 Wochen ein Gilchrist-Verband angelegt, wobei ab dem ersten postoperativen Tag passive Physiotherapie erfolgt. Die Nachbehandlung wird in Anlehnung an das Schema nach Caspari durchgeführt, das die passive Abduktion und Elevation in den ersten 6 Wochen auf 90° limitiert. Die aktive Bewegung wird erst nach 3 Wochen vorsichtig beübt, wobei bis zum Ende der 6. Woche eine aktive Abduktion von 60° und eine Anteversion von 90° erreicht werden dürfen.

Eigene Ergebnisse

Patienten

In der Zeit von Juni 2003–Februar 2006 haben wir bei 102 Patienten mit Durchschnittsaltervon 63,7 Jahren (Spannweite: 28–83 Jahre) Osteosynthesen mit einem T2-PHN durchgeführt. 71 Patienten waren weiblich, 31 männlich.

Im Rahmen der Diagnostik wurde bei allen Patienten ein CT durchgeführt. Demnach hatten 13 Patienten eine 2-Segment-, 57 Patienten eine 3-Segment- und 32 Patienten eine 4-Segment-Fraktur, wobei die große Zahl der 4-Segment-Frakturen durch unsere Zentrumsaufgabe zu begründen ist.

Nachuntersuchung

34 Patienten konnten 1 Jahr nach dem Unfall nachuntersucht werden, wobei eine persönliche Untersuchung bei 29 Patienten möglich war und 5 Patienten durch einen Fragebogen zur Selbstuntersuchung und ein persönliches Telefonat evaluiert wurden [2]. 6 Patienten konnten nicht nachuntersucht werden (2 verstorben, 4 als Touristen nicht erreichbar).

Das Durchschnittsalter dieser nachuntersuchten Patienten betrug 65 Jahre (55–81 Jahre). Bei 16 Patienten lag ein Hochrasanztrauma (Ski, Motorrad, Mountainbike) vor, bei 18 ein Sturz im Gehen oder Stehen. 14 Patienten hatten eine 4-Segment-, 20 eine 3-Segment-Fraktur. Die mittlere Operationszeit war 62 min (28–102 min). Zusätzliche Schrauben zur Fixierung der Tuberkel in „Missing-A-Nail-Technik“ wurden bei 4 Patienten platziert, zusätzliche Fadencerclagen bei 6 Patienten.

In Tab. 1 sind unsere Behandlungsergebnisse, die gut mit den Ergebnissen der Studiengruppen um Mittlmeier et al. [14] und Mathews u. Lobenhoffer [13] übereinstimmen, dargestellt.

Tab. 1 Constant-Score (Mittelwert±Standardabweichung)

Komplikationen

Bei 5 Patienten beobachteten wir eine partielle avaskuläre Humeruskopfnekrose, die jedoch in keinem Fall eine Veränderung des Behandlungsregimes erforderte.

Bei 3 Patienten kam es im Verlauf zu sekundären Dislokationen, 2-mal des Tuberculum-majus-Fragments und 1-mal der Kalotte (Fallbeispiel 2). Die Tuberkel wurden in Sekundäreingriffen reponiert und fixiert. Ursache waren fehlende Zuggurtungen bei osteoporotischer Knochenqualität.

Bei 3 weiteren Patienten kam es im Verlauf zu einem Überstehen des proximalen Nagelendes, bei 6 Patienten zu einem Impingement durch die proximalen Schrauben. In diesen Fällen und bei 2 weiteren Patienten wurde eine Materialentfernung durchgeführt.

Eine oberflächliche Wundinfektion ohne Keimnachweis führte bei 1 Patienten nach 2 Revisionseingriffen zur Ausheilung. Bei 1 Patienten kam es zur Schraubenwanderung einer der distalen Verriegelungsschrauben, die entfernt wurde. Aufgrund einer relevanten Schulterteilsteife bei 4 Patienten wurde bei 3 Betroffenen eine arthroskopische Narbenlösung mit einem Brisement Force durchgeführt, bei einem Patienten wurde die Physiotherapie intensiviert.

Kasuistik

Fallbeispiel 1

Der 39-jährige Patient erlitt bei einem Skisturz eine 4-Segment-Luxationsfraktur des rechten proximalen Humerus (Abb. 6). Trotz erheblicher Dislokation wurde aufgrund des jungen Patientenalters die Indikation zum Kopferhalt gesehen. Es wurden eine limitiert offene Reposition und Stabilisierung mit dem T2-PHN unter Verwendung des zentralen Nageleintrittspunkts und aller 4 Verriegelungsschrauben zur Fixierung der Tuberkel vorgenommen.

Unter dem oben beschriebenen Nachbehandlungsschema zeigte sich bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall ein hervorragendes Behandlungsergebnis. Ein Jahr nach dem Unfall wies der Patient einen Constant-Score von 97 auf. Eine Humeruskopfnekrose war auch im Verlauf nicht feststellbar.

Abb. 6
figure 6

Männlicher Patient, 39 Jahre, a 4-Segment-Luxationsfraktur nach Skisturz, b a.-p. Röntgenkontrolle nach 1 Jahr, c Beweglichkeit nach 1 Jahr

Abb. 7
figure 7

81-jährige Patientin nach häuslichem Sturz, a Röntgen am Unfalltag, b intraoperative Kontrolle, ideale Stellung, c Röntgenkontrolle nach 6 Wochen: sekundäre Dislokation, d Ausheilungsbild 1 Jahr nach dem Unfall

Fallbeispiel 2

Die 81-jährige Patientin stürzte zu Hause auf die rechte Schulter und zog sich eine 4-Segment-Stauchungsfraktur des proximalen Humerus zu. Die Verletzung wurde durch offene Reposition und Stabilisierung mit dem T2-PHN behandelt, jedoch wurde trotz verminderter Knochenqualität ein lateraler Nageleintrittspunkt im Frakturverlauf gewählt. Es kam zum Ausbrechen der Kalotte und des Tuberculum majus mit einer sekundären Dislokation. Dennoch konnte die Patientin in der Nachbehandlung eine Beweglichkeit bis zur Horizontalen erreichen und lehnte aufgrund ihres Alters und der kardialen Vorerkrankungen, bei allenfalls leichten Schmerzen, eine weitere Operation ab.

Der Constant-Score betrug 1 Jahr nach dem Unfall 44 auf der betroffenen im Vergleich zu 86 auf der gesunden Seite (Abb. 7).

Diskussion

Proximale Humerusfrakturen sind in der Mehrzahl der Fälle Folge von Niedrigrasanztraumen des älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität. Gerade bei diesen Personen ist eine Osteosynthese aufgrund der schlechten Verankerungsmöglichkeiten für Implantate eine Herausforderung. Dabei spielt nicht nur die Knochenqualität eine Rolle, sondern vielmehr der Umstand, dass es sich in den meisten Fällen nicht um 2-, 3- oder 4-Segment-Frakturen handelt, sondern um 2-Segment-Frakturen (Kalotte und Schaft) mit einer mehr oder weniger ausgedehnten, metaphysären Trümmerzone. Dieser Umstand ist Ursache des häufigen Versagens der nichtwinkelstabilen Implantate, die keine ausreichende Abstützung erhalten [9, 18].

Während zur konservativen Therapie bei undislozierten, stabilen Frakturen weitgehende Einigkeit besteht [10], verdeutlicht die Vielfalt der heute verfügbaren Implantate und Operationsmethoden das Fehlen eines allgemein anerkannten Versorgungskonzepts bei dislozierten, instabilen Frakturen. Neue winkelstabile Platten bedeuten zwar einen deutlichen Fortschritt in den Versorgungsmöglichkeiten, jedoch besteht die Problematik der exzentrischen Implantatlage mit in der Praxis erkennbaren Plattenbrüchen und durchschneidenden Schrauben [8]. Außerdem ist auch beim modernen Plattendesign mit einem zusätzlichen iatrogenen Weichteilschaden und der damit verbundenen erhöhten Rate an avaskulären Nekrosen zu rechnen [7]. Das Konzept der winkelstabilen, antegraden Marknagelung verspricht eine hohe Primärstabilität und damit die Möglichkeit zur schnellen funktionellen Nachbehandlung [1, 5].

Die Operation beinhaltet 2 wesentliche Schritte. Zum einen wird durch Implantation des Nagels, Fixieren der Kalotte an den Nagel mit der proximalsten Verriegelungsschraube und Fixieren des Nagels im Schaft durch Besetzen beider Schaftschrauben die Stellung der Kalotte zum Schaft fixiert. Zum anderen müssen eine subtile Rekonstruktion und Retention der Rotatorenmanschette, d. h. der Tuberkel, erfolgen, zum einen mit den zur Verfügung stehenden Verriegelungsschrauben, zum anderen durch großzügige Verwendung zusätzlicher Sicherungsnähte, um die Rotatorenmanschette an den Schrauben zu fixieren (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Operationsschritte: dunkler Pfeil Fixierung der Kalotte am Schaft durch den Nagel, helle Pfeile Reposition der Tuberkel und anschließende Retention durch Verriegelungsschrauben mit Zuggurtungen

Kritisch betrachtet werden muss die Schädigung der Rotatorenmanschette durch die Nagelinsertion. Auch wenn bisher im eigenen Krankengut und bei Durchsicht der Literatur keine Hinweise auf eine anhaltende Beeinträchtigung der Schulterfunktion durch diesen Zugang festzustellen sind, müssen bei insgesamt kurzen Nachbeobachtungszeiträumen weitere Langzeitergebnisse abgewartet werden.

Uneinigkeit in der Literatur besteht auch weiterhin in der Frage des Kopferhalts oder der Hemiarthroplastik bei dislozierten Mehrfragmentfrakturen. Ermutigt durch unsere und publizierte Ergebnisse in der winkelstabilen Marknagelung proximaler Humerusfrakturen haben wir das Verfahren auch bei 3- und 4-Segment-Frakturen erfolgreich angewandt. Selbst bei Patienten mit einer partiellen Humeruskopfnekrose sind die Funktionswerte ermutigend, sodass wir übereinstimmend mit anderen Autoren [10, 13, 14, 15, 16] die primäre Hemiarthroplastik nur noch in Ausnahmefällen, wie Head-Split-Frakturen oder bei Patienten mit verminderter Compliance (also auch im Alter) verwenden, bei denen eine schmerzfreie Schulter Vorrang vor einer bestmöglichen Schulterfunktion hat.

Auch wenn die Anzahl der von uns ausgewerteten Patienten gering ist, sind unsere Ergebnisse mit den guten Behandlungserfolgen der Targonnagelanwender vergleichbar, die bereits auf größere Patientenkollektive und eine längere Nachbehandlungszeit zurückblicken können [13, 14, 16].

Unterstützt durch die Ergebnisse unserer eigenen biomechanischen Untersuchungen verwenden wir den Marknagel bevorzugt bei

  • Frakturen des osteopenischen Knochens,

  • zertrümmerter Tuberkelregion mit fehlender medialer Abstützung,

  • Mitbeteiligung des Schaftes sowie

  • allen Fraktursituationen, bei denen durch eine suffiziente geschlossenen Reposition eine minimalinvasive Implantation des Nagels möglich ist.

Die Plattenosteosynthese verwenden wir bevorzugt bei jüngeren Patienten, bei denen die gute Knochensubstanz ausreichende Stabilität zur Verankerung der Schrauben bietet und bei denen durch die zu empfehlende Implantatentfernung im Fall des Marknagels ein zweiter Gelenkeingriff mit erneuter Irritation der Supraspinatussehne resultieren würde. Die verschiedenen Schraubenpositionen und die größere Anzahl der Schrauben bieten bei den Plattensystemen bessere Optionen zur Versorgung der Head-Split-Frakturen [4].

Derzeit liegen keine Studien vor, die die Überlegenheit eines Verfahrens in bestimmten Frakturkonstellationen belegen [3].

Fazit

Mit den neuen winkelstabilen minimalinvasiven Marknagelsystemen lassen sich instabile und dislozierte Mehrfragmentfrakturen mit einer geringen iatrogenen Weichteilschädigung und einer hohen Primärstabilität versorgen, sodass durch eine frühe beschwerdeorientierte Physiotherapie gute Behandlungsergebnisse erreichen werden können. Die implantatbezogene Komplikationsrate war in unserem Patientengut gering, jedoch erfordert das Implantat Erfahrung des Operateurs mit implantatspezifischen Besonderheiten. Auch bei Patienten mit 4-Segment-Frakturen zeigten sich gute Behandlungsergebnisse, die die Ergebnisse primärer Hemiarthroplastiken übertrafen, weshalb wir, wenn möglich, zur Kopf erhaltenden Therapie auch bei dislozierten Mehrsegmentfrakturen raten.

Unseres Erachtens bedeutet die antegrade winkelstabile Marknagelung einen deutlichen Fortschritt bei der Versorgung proximaler Humerusfrakturen, gerade beim osteopenischen Knochen des älteren Patienten und auch bei 3- und 4-Segment Frakturen.