Der Umgang mit Versorgungsdefiziten und die Forschung zu ihrer Bewältigung sind in der Rheumatologie nichts Neues. Schon in den 1980er- und 1990er-Jahren wurden modellhafte Konzepte der wohnortnahen, interdisziplinären Versorgung erprobt, aus denen die regionalen kooperativen Rheumazentren als Kristallisationspunkte der interdisziplinären Zusammenarbeit auf regionaler Ebene entstanden. Begleitet wurde dies durch regionale und nationale Versorgungsforschung. Parallel hierzu wuchs international das Wissen um die große Bedeutung einer frühzeitigen, zielgerichteten Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit innovativer Therapieoptionen und dem umfangreich belegten Wissen, dass es gerade bei der rheumatoiden Arthritis ein kurzes Zeitfenster nach Symptombeginn gibt, in dem die besten Therapieergebnisse erzielt werden können, trat der Widerspruch zwischen diesen therapeutischen Möglichkeiten und dem in der Versorgung Erreichten immer deutlicher zutage. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat in mehreren Memoranden zur rheumatologischen Versorgung auf diese Diskrepanz hingewiesen, Anhaltszahlen für eine angemessene Versorgung vorgelegt und sich gemeinsam mit der Deutschen Rheuma-Liga politisch für die Verbesserung der Versorgung eingesetzt.

Als roter Faden zieht sich durch die Diskussion um die Versorgung Rheumakranker in Deutschland die Erkenntnis, dass es v. a. die unzureichende Zahl internistischer Rheumatologen in der ambulanten Versorgung ist, die einer rechtzeitigen Diagnostik und Therapie für alle Betroffenen entgegensteht. Dies wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern lassen. Angesichts der Altersstruktur der Rheumatologen werden erhebliche Anstrengungen notwendig sein, um zumindest den aktuellen Stand zu halten. Daher sind kreative Lösungen gefragt, um die knappe Ressource „Rheumatologe/in“ bestmöglich zu nutzen. An vielen Kliniken und Praxen sind in den vergangenen Jahren Lösungen erarbeitet worden, um Patienten schneller zum Rheumatologen zu bringen und möglichst effektiv die Patienten, die sehr rasch eine rheumatologische Betreuung brauchen, von denen zu unterscheiden, bei denen dies weniger dringlich oder gar nicht erforderlich ist. Dieses Ziel kann auf unterschiedlichem Wege erreicht werden, wie die Beiträge in diesem Heft zeigen. Eine Schlüsselrolle kann hierbei den rheumatologischen Fachassistenten zukommen. Auch bei uns wächst die Erkenntnis, dass (wie in angelsächsischen Ländern schon seit vielen Jahren der Fall) gut ausgebildetes nichtärztliches Personal in der Lage ist, viele Aufgaben zu übernehmen, die traditionell dem Arzt vorbehalten waren.

Dieses Schwerpunktheft stellt zunächst die aktuelle Versorgung Rheumakranker in und außerhalb der Rheumatologie aufgrund epidemiologischer Daten dar. Albrecht et al. fassen die Erkenntnisse aus 25 Jahren rheumatologische Kerndokumentation zusammen. Die Zahlen belegen eindrücklich die verbesserte klinische und funktionelle Situation der Patienten, ihre erhöhte Teilhabe am Arbeitsleben und den Rückgang stationärer Aufenthalte. Ihrer Zielsetzung entsprechend bildet die Kerndokumentation die Situation innerhalb der Rheumatologie in Einrichtungen unterschiedlicher Versorgungsstufen ab. Auf die Versorgung der allgemeinen Bevölkerung lassen sich die Daten nicht verallgemeinern. Geeigneter sind hier Krankenkassendaten, die alle Leistungserbringer berücksichtigen. Der Nachteil von Krankenkassendaten sind die fehlenden klinischen und patientenberichteten Outcomes und die teilweise ungesicherten Diagnosen. In der Arbeit von Callhoff et al. wurde diesem Nachteil dadurch begegnet, dass die Abrechnungsdaten durch Befragungen von Betroffenen ergänzt wurden. Ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit ist, dass Versicherte mit rheumatoider Arthritis, die nicht internistisch-rheumatologisch mitbetreut wurden, deutliche Versorgungsdefizite, insbesondere im Bereich der medikamentösen Therapie, aufweisen.

In dem Beitrag von Benesova et al. werden 10 verschiedene in Deutschland derzeit etablierte Modelle von Früh- und Screeningsprechstunden vorgestellt. Alle dienen dem Ziel, Patienten entsprechend der Dringlichkeit des medizinischen Problems zu behandeln und Wartezeiten bis zum ersten Rheumatologenkontakt zu verkürzen. Bei der Präselektion der Patienten werden ganz unterschiedliche Wege eingeschlagen: Es gibt reine Run-in-Sprechstunden, festgelegte Algorithmen sowie die Anwendung von Fragebögen, klinischen Symptomen und Laborergebnissen zur Feststellung der Dringlichkeit. Bei aller Heterogenität der Ansätze scheinen die Ergebnisse überall dazu zu führen, dass Patienten schneller und zielgerichteter behandelt werden können. Es ist eine Stärke dieses Beitrags, dass sehr transparent dargestellt wird, wie die einzelnen Modelle strukturiert sind. Rheumatologen, die ähnliche Sprechstunden planen, können sich unter verschiedenen Ansätzen den am besten passenden aussuchen. Bei einer flächendeckenden Verbreitung dieser neuen Versorgungskonzepte kann mit einer deutlichen Steigerung der Versorgungsqualität in ganz Deutschland gerechnet werden.

Um gute Ergebnisse zu erzielen, müssen Patienten frühzeitig rheumatologisch behandelt werden

Eines dieser Versorgungsmodelle, Rheuma-VOR, wird in dem Beitrag von Schwarting et al. ausführlicher dargestellt. Um die Frühdiagnostik und den frühen Zugang zum Rheumatologen zu fördern, können Primärversorger in 3 Bundesländern Verdachtsfälle entzündlich-rheumatischer Erkrankungen auf einem Screeningbogen melden, der in der bundeslandspezifischen Koordinationsstelle gesichtet wird. Diese vermittelt bei manifestiertem Verdacht direkt an den Rheumatologen weiter. Der Rheumatologe wird entlastet von Fällen, bei denen bereits das Screening eine nicht entzündlich-rheumatische Erkrankung nahelegt. Das Vorhaben wird wissenschaftlich begleitet und hat das Potenzial, überregionale Lösungen für ganz Deutschland anzubieten.

Das Rheumazentrum Ruhrgebiet als größte deutsche Rheumaklinik richtet seine Screening- und Frühbehandlungsangebote direkt an die regionalen Primärversorger. Wie im Beitrag von Braun et al. dargestellt, wird durch die intensive Zusammenarbeit aller Versorgungsebenen eine hohe Versorgungsqualität erreicht. Gleichzeitig leistet ein solches Zentrum einen großen Beitrag zur rheumatologischen Weiterbildung und Sicherung des rheumatologischen Nachwuchses. In diesem Modell kommt der Delegation ärztlicher Leistungen an geschulte Fachassistentinnen große Bedeutung zu.

Die neueste und für die Rheumatologie äußerst interessante Form der interdisziplinären Zusammenarbeit stellt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) dar. Neben der Regelversorgung bietet sie Vertragsärzten wie ambulant tätigen Klinikern die Möglichkeit, Patienten außerhalb festgelegter Leistungsbudgets zu versorgen. Die umfassende Möglichkeit, Patienten mit internistisch-rheumatologischen Krankheitsbildern im Rahmen der ASV zu behandeln, darf als großer Fortschritt bewertet werden. Allerdings stellen die umfangreichen Anforderungen an die Zusammensetzung des Teams, die Abrechnung und die Antragstellung erhebliche Hürden dar, die einer flächendeckenden Nutzung derzeit noch entgegenstehen. Der Beitrag von Edelmann et al. schildert, wie es dennoch gelingen kann, und gibt einen optimistischen Ausblick auf eine größere Beteiligung von Rheumatologen – bei hoffentlich verringerten bürokratischen Hemmnissen.

Wir hoffen, mit diesem weiten Bogen von der Versorgungsforschung bis zur konkreten Umsetzung neuer Versorgungskonzepte Ihr Interesse zu finden.

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Angela Zink

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Reinhold E. Schmidt

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Edmund Edelmann