Eine der rheumatologischen Kernkompetenzen ist die Differenzialdiagnose unklarer Krankheitsbilder. Nicht selten führen unspezifische Entzündungsparameter, muskuloskeletale, vaskulitisartige oder febrile Symptome einer nichtrheumatologischen Erkrankung den Patienten zum Rheumatologen. Die Breite der Differenzialdiagnosen von der entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung über die Infektion bis zur Tumorerkrankung stellt den klinisch tätigen Rheumatologen hierbei vor eine Herausforderung.

Bei der Abgrenzung rheumatologischer Erkrankungen von Tumorerkrankungen sind grundsätzlich 3 Szenarien denkbar: Zum einen kann eine maligne Tumorerkrankung in Koexistenz mit einer rheumatischen Erkrankung vorliegen, insbesondere, da viele Tumorerkrankungen und rheumatische Erkrankungen eine höhere Prävalenz bei älteren Patienten haben. Zum Zweiten könnte eine Assoziation vorliegen. Als Beispiel wäre hier die rheumatoide Arthritis (RA) zu nennen, die nicht nur mit einem Felty-Syndrom als benigne Erkrankung, sondern auch mit einer LGL („large granular lymphocyte“)-Leukämie als maligne Variante assoziiert sein kann. Diese Erkrankungen liegen bei RA-Patienten mit einer höheren Prävalenz als in der Normalbevölkerung vor. Als Drittes sind die Paraneoplasien zu nennen. Im Gegensatz zur Assoziation muss hier ein Tumor ursächlich für die rheumatischen Symptome sein. Die erfolgreiche Tumortherapie führt dann auch häufig zum Sistieren des rheumatischen Krankheitsbildes. Als klassisches Beispiel einer paraneoplastischen Erkrankung ist zum einen die hypertrophe Osteoarthropathie zu erwähnen, aber auch die Dermatomyositis oder das RS3PE-Syndrom. Letztere können als paraneoplastische Erkrankung auf dem Boden einer Tumorerkrankung vorliegen. aber auch als primäre Erkrankung.

Dieser Beitrag wird nicht die Paraneoplasien bei soliden Tumoren darstellen. Hierzu möchten die Autoren auf die Übersichtsarbeit von Manger et al. [28] verweisen. Auch auf die Übersichtsarbeiten von Naschitz et al. [32, 33] sei in diesem Zusammenhang verwiesen, insbesondere auf die übersichtliche Darstellung der paraneoplastischen Syndrome in der Rheumatologie.

Dieser Beitrag wird sich auf muskuloskeletale, vaskulitisartige und systemische Symptome im Rahmen von lymphatischen oder myeloischen Malignomen fokussieren, sei es, weil ein Tumor koexistent, assoziiert oder als Grunderkrankung bei einer Paraneoplasie vorliegt.

Die Frage nach der „red flag“ soll am Ende diskutiert werden, d. h. wann bei einer bekannten rheumatischen Erkrankung an eine koexistierende Tumorerkrankung gedacht werden muss.

Paraneoplastische Syndrome und tumorbedingte Arthritiden

Palmare Fasziitis und Polyarthritis

Bei der palmaren Fasziitis mit Polyarthritis (palmare Fibrose) liegt ein paraneoplastisches Syndrom vor mit einer akut auftretenden schmerzhaften Schwellung beider Hände. Im Verlauf entwickeln sich Verdickungen der palmaren Faszien, die an Dupuytren-Kontrakturen in schwerster Ausprägung erinnern. Die Haut der beteiligten Region, insbesondere der Finger, wirkt glänzend und angespannt. Insgesamt wurde daher der Begriff der „hölzernen Hände“ geprägt. Auch eine Verwechslung mit einer Sklerodermie ist möglich, allerdings liegen kein Raynaud-Syndrom und keine Abnormitäten in der Kapillarmikroskopie vor. Am häufigsten liegt ein Ovarialkarzinom zugrunde. In ca. 5 % der Fälle wurde aber auch eine hämatologische Grunderkrankung (chronisch lymphatische Leukämie [CLL], Hodgkin, Plasmozytom) beschrieben [27].

RS3PE-Syndrom

Das RS3PE-Syndrom („remitting seronegative symmetric synovitis with pitting edema“; remittierende, seronegative, symmetrische Synovialitis mit eindrückbaren Ödemen) kann bei über 50 Jahre alten Menschen als Rheumafaktor-negative Polyarthritis auftreten. Oft kommt es zu einer massiven und akuten ödematösen Schwellung beider Hände. Es liegen eine ausgeprägte Tendosynovitis und in geringerem Maße eine Polyarthritis zugrunde. Diskutiert wird die Erkrankung eher als separate Entität denn als Variante der RA oder der Polymyalgia rheumatica. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der kleinen Fallserien konnte bisher weder eine eindeutige Tumorassoziation noch eine paraneoplastische Ätiologie bewiesen werden [41, 42]. Es wurden aber sowohl Patienten mit soliden als auch hämatologischen Malignomen beschrieben mit Remission der Erkrankung nach erfolgreicher Tumortherapie [41].

Paraneoplastische Polyarthritis

In der erwähnten Übersichtsarbeit von Manger et al. [28] wurde die Literatur zur paraneoplastischen Polyarthritis aufgearbeitet. In den letzten 30 Jahren wurde in 8 Fallserien über 121 Patienten berichtet, bei denen ein Malignom innerhalb 4 Jahren nach Beginn einer Polyarthritis aufgetreten ist. Bei einem Drittel dieser Patienten lag eine hämatologische Neoplasie vor. Nur ein Drittel der Patienten war Rheumafaktor-positiv. In der größten Fallserie von 65 Patienten [21] konnten bei 7 Patienten anti-zitrullinierte Peptid-Antikörper (ACPA) nachgewiesen werden. Ein schlechtes Ansprechen auf Immunsuppressiva und Glukokortikoide wurde beschrieben. Als mögliche, aber sicher nicht sehr spezifische Charakteristika einer paraneoplastischen Polyarthritis wurden folgende Eigenschaften diskutiert [24]:

  • enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Beginn der Arthritis und dem Tumorgeschehen,

  • höheres Lebensalter,

  • asymmetrische Gelenkbeteiligung,

  • explosiver Beginn,

  • bevorzugte Beteiligung der unteren Extremität,

  • negative Familienanamnese für rheumatische Erkrankung,

  • keine Rheumaknoten,

  • keine typischen radiographischen Veränderungen,

  • negativer Rheumafaktor,

  • unspezifische Histopathologie der Synovia.

Hämophagozytische Lymphohistiozytose oder Makrophagenaktivierungssyndrom

In der Rheumatologie ist das Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) als sekundäre Zytokinsturmerkrankung bei Kollagenosen oder als komplizierende Verlaufsform von Autoinflammationserkrankungen wie dem Morbus Still gut bekannt [4]. Im Kontext maligner Erkrankungen wird das syndromale Krankheitsbild als erworbene hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) geführt [26, 38]. HLH/MAS sind Ausdruck einer unkontrolliert aktivierten Proliferation von CD8+-zytotoxischen T‑Zellen und überstimulierten Makrophagen durch einen entkoppelten Interferon-γ-getriebenen Zytokinsturm [5]. Die Symptomtrias ist Fieber, Zytopenie von ≥2 Zelllinien des Blutbildes und eine (Hepato‑)Splenomegalie. Charakteristisch sind das hohe Serumferritin, der stark erhöhte lösliche Interleukin (IL)-2-Rezeptor (sCD25), eine hämorrhagische Diathese mit führend erniedrigtem Fibrinogen, erhöhten Nüchterntriglyzeriden, Hämophagozytose in Knochenmark, Milz oder Lymphknoten und eine niedrige NK(natürliche Killerzellen)-Zellfunktion (Tab. 1).

Tab. 1 Diagnosekriterien der hämophagozytischen Lymphohistiozytose

Die Symptomtrias ist Fieber, Zytopenie von ≥2 Zelllinien des Blutbildes und eine (Hepato‑)Splenomegalie

Diese diagnostischen Kriterien wurden in der Pädiatrie entwickelt und validiert. Hier ist die familiäre Form der HLH bei genetischen Defekten der Immunsynapse gut charakterisiert und die Behandlung im Rahmen klinischer Studienprotokolle strukturiert [17]. Bei 5 von 8 zutreffenden Diagnosekriterien gilt die Diagnose HLH als gesichert.

In der Erwachsenenmedizin wird die HLH/MAS mithilfe dieser (hierfür nicht validierten) Kriterien zunehmend häufiger diagnostiziert. Ursächlich könnte neben erhöhter Vigilanz die zunehmende Anzahl von Patienten sein, die unter immunsuppressiven Therapien stehen [38]. Mögliche genetische Prädisposition muss auch im Erwachsenenalter berücksichtigt und mithilfe von Referenzzentren diagnostisch eruiert werden [25]. Führende Auslöser der erworbenen Form sind Infektionen mit Überwiegen viraler Genese (Epstein-Barr-Viren [EBV], Zytomegalievirus [CMV], „human immunodeficiency virus“ [HIV]) und Malignome, wobei hier maligne Lymphome die Haupttriggererkrankungen sind. Letztlich können jedoch nahezu alle malignen Erkrankungen aus Hämatologie und solider Onkologie mit einer HLH assoziiert sein. Gerade die schleichende Verlaufsform mit einem beginnend diffusen klinischen Erscheinungsbild (Arthritis, Exanthem, Fieber, Zytopenie, Hepatopathie) führt zu einer verzögerten Diagnosestellung.

Prognostisch ungünstig ist protrahierte symptomatisch orientierte Immunsuppression mit einer hohen sekundären Infektionsrate und einer definitiven Diagnosestellung bei bereits irreversibler Organschädigung (pulmonales, renales, hepatisches Organversagen). Die Letalität der Erkrankung ist insbesondere bei maligner Grunderkrankung >50 %. Therapeutisch entscheidend ist eine frühe Unterbindung des Zytokinsturms durch Kortikosteroide und die an der Grunderkrankung orientierte spezifische (Immun‑)Chemotherapie. Häufig muss zur Verhinderung irreversibler Organschädigung der Zytokinsturm durch Etoposid in einer im Vergleich zu den pädiatrischen Protokollen HLH-94 und HLH-2004 adaptierten Dosierung von 75–100 mg/m2 der spezifisch onkologischen Therapie vorgeschaltet werden [23]. Diagnostische und therapeutische Beratung wird unter www.hlh-registry.org angeboten.

Arthritiden und Arthritis-ähnliche Symptome bei lymphatischen und myeloischen Malignomen

Bei einer Vielzahl von malignen myeloischen oder lymphatischen Malignomen wurden Arthritiden berichtet. Diese Arthritiden können einen paraneoplastischen Charakter haben, aber auch nur klinisch einer Arthritis ähneln, beispielsweise durch Infiltration eines Gelenks, ausgehend vom Knochenmark im Rahmen einer myeloischen Erkrankung. Die Häufigkeit der Arthritiden und ihre Charakteristika sowie mögliche Schlüsselbefunde zur hämatologischen Diagnose werden in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Arthritiden bei lymphatischen und myeloischen Malignomen

Am häufigsten (bis zu 18 %) wird eine Polyarthritis beim angioimmunoblastischen T‑Non-Hodgkin-Lymphom (AITL, früher auch „angioimmunoblastic lymphadenopathy with dysproteinaemia“ [AILD]) beschrieben. Allerdings ist diese Lymphomentität, die oft mit einem schweren systemischen Krankheitsverlauf assoziiert ist, selten [10]. In Einzelfällen kann bei polyarthritischem Verlauf mit geringen systemischen Symptomen die differenzialdiagnostische Abgrenzung zur RA schwerfallen [46].

Bei anderen Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) und auch beim Morbus Hodgkin wurde in Einzelberichten neben Arthralgien und Myalgien auch eine eosinophile Fasziitis, eine Arthritis oder Gelenkinfiltration mit Tumorzellen beschrieben [9, 31]. Etwa ein Drittel der Arthritiden lag dabei als Polyarthritis vor, und bei ca. einem Drittel wurde eine Monoarthritis beschrieben [9].

Das klinische Erscheinungsbild der NHLs selbst ist sehr variabel in Abhängigkeit von der Lymphomentität und dem Ort der Infiltration durch Tumorzellen. Die Erkrankung kann sich sowohl in einem schweren akuten Krankheitsbild manifestieren bis hin zu einem völlig indolenten, nur in der Labordiagnostik aufgefallenen Zufallsbefund. Nicht selten finden sich Kardinalsymptome wie Lymphadenopathie, Splenomegalie, Zytopenien sowie B‑Symptomatik mit Fieber, Gewichtsverlust oder Nachtschweiß.

Bei leukämischen Erkrankungen im Erwachsenenalter wurden Gelenksymptome im weiteren Sinne beschrieben. Eine echte Arthritis bei Leukämien im Erwachsenenalter ist selten. Eine Prävalenz kann daher lediglich beim Krankheitsbild der LGL-Leukämie (s. oben) angegeben werden. Bei Kindern und Jugendlichen kann es im Rahmen einer akuten lymphoblastischen Leukämie allerdings häufiger zu einer Arthritis kommen.

Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für ein myelodysplastisches Syndrom

Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben ein um etwa die Hälfte erhöhtes Risiko, ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) zu entwickeln [1]. Autoimmunphänomene beim MDS fanden sich umgekehrt bei über 10 % in einer prospektiven Kohorte von 77 Patienten mit einer Beobachtungsdauer von über 4 Jahren [15]. In einer retrospektiven multizentrischen Kohorte wurden 22 Patienten mit MDS und Gelenkschwellungen charakterisiert [29, 30]. Bei 77 % lag ein polyarthritisches Krankheitsbild vor. Die MDS-spezifische Therapie mit modernen hypomethylierenden Substanzen zeigt gute Wirkung auf die rheumatologische Symptomatik [14, 30].

Hinsichtlich der Daten zum multiplen Myelom wird auf einen separaten Beitrag in der aktuellen Ausgabe verwiesen.

Bei der multizentrischen Retikulohistiozytose handelt es sich um eine sehr seltene granulomatöse Multisystemerkrankung, die auch paraneoplastisch auftreten kann. Oft findet sich hierbei eine destruierende Polyarthritis der distalen Interphalangealgelenken(DIP)-Gelenke, die die Abgrenzung zur Psoriasisarthritis und erosiven Fingerpolyarthrose schwierig machen kann. In der Regel finden sich multiple erythematöse bis braune papulonodulöse Hautveränderungen mit Betonung der oberen Extremität und des Gesichts, seltener finden sich Organbeteiligungen. Ein Auftreten im Rahmen von Tumor- und Autoimmunerkrankungen wurde beschrieben [19].

Assoziation mit Tumorerkrankungen

Myositiden

In einer retrospektiven Registerstudie aus Skandinavien und Finnland wurden 618 Patienten mit Dermatomyositis und 914 mit Polymyositis identifiziert [18]. Zum Zeitpunkt der Diagnose bis zu 1 Jahr danach fand sich eine erhöhte standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) für maligne Tumoren von 13,5 (95 %-KI [Konfidenzintervall] 10,4–17,6) für die Dermatomyositis und 2,6 (95 %-KI 1,6–4,0) für die Polymyositis. In diesem Zeitraum fanden sich bei der Dermatomyositis insgesamt 55 maligne Erstdiagnosen, davon lediglich 3 Non-Hodgkin-Lymphome (SIR 42,3; 95 %-KI, 13,6–131). Häufiger fanden sich insbesondere bei älteren Patienten Tumoren des Magens, des Kolons und Rektums, der Ovarien, des Pankreas und Bronchialkarzinome. Berücksichtigt werden muss bei der Interpretation der Daten, dass in aller Regel bei der Dermatomyositis eine intensive Tumorsuche erfolgt, die einen Teil der erhöhten SIR als Verzerrung erklärten könnte.

Auch in anderen Kohorten konnte eine erhöhte SIR für maligne Tumore bei Dermatomyositis zwischen 3,8 und 7,7 dokumentiert werden [48]. Fast einheitlich wird dabei ein erhöhtes Risiko bei älteren Patienten nachgewiesen. Auch Patienten mit kutaner Nekrose/Ulzerationen zeigten häufig ein erhöhtes Risiko. Eine Metaanalyse zeigte für die Dermatomyositis ein relatives Tumorrisiko von 4,6 und 1,7 für die Polymyositis. Das Tumorrisiko war besonders hoch im ersten Jahr der Erkrankung, blieb aber auch nach 5 Jahren noch leicht erhöht [36].

Ein im Vergleich dazu niedrigeres Risiko für eine Tumorerkrankung fand sich bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung sowie positivem Nachweis von Myositis-spezifischen oder Myositis-assoziierten Autoantikörpern.

Antikörper gegen „transcription intermediary factor 1γ/α“ (Anti-TIF-Antikörper) und „nucelar matrix protein NXP-2“ (Anti-NXP-2-Antikörper) dagegen sind mit einem höheren Tumorrisiko bei Dermatomyositis assoziiert, haben derzeit aber nur teilweise Eingang in die Routinediagnostik gefunden [12].

Zusammenfassend sollte also besonders intensiv nach einer Tumorerkrankung gesucht werden, wenn viele der folgenden Faktoren vorliegen:

  • höheres Lebensalter zu Krankheitsbeginn,

  • schwere Hautbeteiligungen, besonders bei kutanen Ulzerationen oder Nekrosen,

  • schlechtes Ansprechen auf die Therapie,

  • Abwesenheit einer interstitiellen Lungenerkrankung

  • Abwesenheit von Myositis-spezifischen oder -assoziierten Autoantikörpern,

  • Anti-TIF-Antikörper, Anti-NXP-2-Antikörper.

Large-granular-lymphocyte-Leukämie

Die LGL („large granular lymphocyte“)-Leukämie gilt als eine der RA assoziierte Erkrankung. Bis zu einem Drittel der Patienten haben auch eine rheumatoide Arthritis (in der Regel Rheumafaktor- und ACPA[Antikörper gegen zitrullinierte Peptide oder antizitrullinierte Peptid-Antikörper]-positiv) [45]. Diese seltene Erkrankung ist oft indolent und wird als Zufallsbefund bei Abklärung einer Granulozytopenie diagnostiziert. Es handelt sich um einen T‑Lymphozyten-Klon, seltener NK-Zell-Klon. Vermutet wird die Entstehung aus einer initial polyklonalen Immunantwort oder einem Autoimmunprozess. Die monoklonalen Zellen lassen sich im peripheren Blut mittels Durchflusszytometrie und im Knochenmark nachweisen. Oft findet sich eine Splenomegalie sowie v. a. eine Granulozytopenie, aber auch Panzytopenien können auftreten. Etwa ein Drittel der Patienten haben B‑Symptomatik (Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Fieber). Die Erkrankung wurde seltener auch bei anderen Autoimmunerkrankungen diagnostiziert. Sie wird neben der aplastischen Anämie, der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) unter die Knochenmarkversagensyndrome („bone marrow failure“) eingruppiert und bedarf daher einer sorgfältigen Differenzialdiagnostik bei Zytopenie, Thrombosen/Embolien und/oder Hämolyse [40].

Assoziation von myeloischen oder lymphatischen Malignomen mit Autoimmunerkrankungen

Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der RA, dem systemischen Lupus und dem Sjögren-Syndrom ist das erhöhte Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) lange bekannt.

Bei der RA besteht ein 1,2- bis 3‑fach erhöhtes Risiko für NHLs, aber auch für den Morbus Hodgkin [17, 47]. Bei der Mehrzahl der NHLs handelt es sich dabei um das diffuse, großzellige B‑NHL. Es wird davon ausgegangen, dass die Lymphoproliferation im Rahmen der Autoimmunerkrankung über die Zeit zu dem erhöhten Lymphomrisiko führt [47]. Die in der Rheumatologie üblicherweise eingesetzten „disease modifying antirheumatic drugs“ (DMARDs) erhöhen dieses Risiko nach der gegenwärtigen Datenlage nicht [37]. Unklar ist, ob moderne Therapeutika und zielorientierte Therapiekonzepte („treat to target“) das Lymphomrisiko bei der RA reduzieren. Für Details darf auf den Beitrag „CLL und Lymphome“ des gleichen Supplements „Hämatologie trifft Rheumatologie“ verwiesen werden. Eine etwa 2‑ bis 15-fach erhöhte Inzidenzrate für NHLs mit Überwiegen derselben Lymphomentität findet sich auch beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) [3, 47]. Eine 3‑ bis 50-fach erhöhte Inzidenzrate für NHLs beim Sjögren-Syndrom wurde in verschiedenen Kohorten dokumentiert und führt typischerweise zum Auftreten von MALT („mucosa associated lymphoid tissue“)-Lymphomen [3, 47].

Lymphoproliferation im Rahmen der Autoimmunerkrankung führt zu erhöhtem Lymphomrisiko

In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie mit 92 Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom und Lymphom [13] wurden mittels Regressionsanalyse folgende Risikofaktoren für die Entstehung eines Lymphoms im Rahmen des Sjögren-Syndroms identifiziert:

  • vergrößerte Speicheldrüsen,

  • Lymphadenopathie,

  • Raynaud-Phänomen,

  • Anti-Ro- oder/und Anti-La-Antikörper,

  • Rheumafaktorpositivität,

  • monoklonale Gammopathie,

  • C4-Hypokomplementämie.

Waren 2 Risikofaktoren vorhanden, war die Wahrscheinlichkeit, ein Lymphom zu entwickeln 3,8 %, bei 3 bis 6 Risikofaktoren 39,9 % (Odds Ratio [OR] [95%-KI]: 16,6 [6,5–42,5], p < 0,05). Bei Anwesenheit aller Risikofaktoren erreichte die Wahrscheinlichkeit 100 % (OR [95%-KI]: 210,0 [10,0–4412,9], p < 0,0001). In ähnlichen Untersuchungen wurden auch noch die vaskulitische Purpura, die Lymphopenie und der Nachweis von Kryoglobulinen als Risikofaktoren identifiziert [35]. Bei Kryoglobulinen findet sich meist eine Typ-2-Kryoglubulinämie mit Nachweis einer monoklonalen und polyklonalen Komponente [39]. Dies kann bereits als Hinweis gewertet werden, dass die Lymphomentstehung vermutlich über mehrere Schritte stattfindet, von der persistierenden Antigenstimulation und erhöhten B‑Zell-Aktivität zur klonalen Expansion von B‑Zellen über die Akquisition von genetischen Aberrationen und Mutation von Onkogenen letztendlich zum Lymphom [3, 35].

Eine Analyse der großen Medicare-Datenbank der USA hinsichtlich myeloischer maligner Erkrankungen konnte ebenfalls eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen zeigen [1]. Die akute myeloische Leukämie war assoziiert mit der RA (1,28 [1,11–1,47]), dem SLE (1,92 [1,31–2,80]), aber auch der Polymyalgia rheumatica (1,73 [1,43–2,09]). Das myelodysplastische Syndrom war ebenfalls mit der RA (1,52 [1,27–1,81]) assoziiert.

Vaskulitiden und Vaskulitis-ähnliche Symptome

Vaskulitiden

Zwischen Vaskulitis und Malignomen bestehen 2 mögliche Zusammenhänge:

  • Einmal kann das Malignom als Trigger für die Entwicklung einer (sekundären) Vaskulitis wirken,

  • zum anderen kann sich wie bei anderen Autoimmunopathien (AIP) ein Malignom im Langzeitverlauf einer (primären) Vaskulitis entwickeln.

Liegen Manifestation der Vaskulitis und des Tumors eng beieinander, ist die Art des Zusammenhangs nicht immer zu klären.

Eine systematische Untersuchung zur Häufigkeit der paraneoplastischen Vaskulitis innerhalb der gesamten Gruppe der Vaskulitiden fehlt bisher, Schätzungen gehen von einem Anteil von 2–5 % aus [11, 43]. In den zitierten Untersuchungen stellten hämatologische Malignome mit 50–63 % den größten Anteil. Eine der beiden Studien, die insgesamt größte Serie, untersuchte retrospektiv über einen Zeitraum von 10 Jahren insgesamt 60 Fälle mit einem fallbezogenen mittleren Follow-up von 45,2 Monaten [11]. Beim Vaskulitistyp in dieser Serie handelte es sich in 45 % um eine kutane leukozytoklastische Form (LCV) und in 36,7 % um eine Polyarteriitis nodosa – weitere Typen waren deutlich seltener (Granulomatose mit Polyangiitis 6,7 %, mikroskopische Polyangiitis und Purpura Schönlein-Henoch je 5 %). Es wurden 24 Fälle zeitgleich mit dem Malignom entdeckt, in 14 Fällen trat die Vaskulitis im Median 9,6 Monate vor, in 22 Fällen im Median 23,3 Monate nach Entdeckung des Malignoms auf. Klinisch manifestierte sich die Vaskulitis am häufigsten durch Hautbefall (78,3 %), Fieber (41,7 %), Arthralgien (46,7 %) und periphere Neuropathie (31,7 %). Laborchemisch waren in 20,4 % antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) nachweisbar. In dieser Serie wiesen 32,3 % der Patienten ein MDS auf, diese Fälle boten signifikant gehäuft eine Nierenbeteiligung und kamen unter Behandlung signifikant seltener in Remission. Die LCV stellt im Zusammenhang mit hämatologischen Malignomen auch in anderen Untersuchungsserien die häufigste Vaskulitisform dar [43].

Die Häufigkeit der paraneoplastischen Vaskulitis wird auf 2–5 % geschätzt

Die führende Rolle der LCV unter den mit hämatologischen Malignomen verbundenen Vaskulitiden wird in einer zweiten Fallserie mit 23 Patienten bestätigt [2]. Hierunter waren 12/23 Fälle mit lymphoproliferativen, 11/23 mit myeloproliferativen Erkrankungen verbunden. Auch in dieser Untersuchung zeigte sich ein unterschiedlicher zeitlicher Zusammenhang, in 39 % wurden Malignom und Vaskulitis zeitgleich diagnostiziert, in 26 % trat die Vaskulitis vorher, in 35 % nachher auf.

Eine Reihe von Fallserien und -berichten weist auf eine gehäufte Assoziation der Haarzellleukämie (HCL) mit verschiedenen AIP hin, unter denen wiederum Vaskulitiden die wichtigste Rolle spielen [8]. Eine spezifische Assoziation scheint dabei zur Polyarteriitis nodosa zu bestehen: In einer Literaturauswertung von 42 Vaskulitisfällen bei HCL war die Polyarteriitis mit 17 Fällen nach der LCV (21 Fälle) am häufigsten zu identifizieren [16], zahlreiche weitere Fälle wurden in den folgenden Jahren publiziert. Eher selten ist demgegenüber das Zusammentreffen von akuter myeloischer Leukämie und Vaskulitis: In einem Fallbericht mit Literaturreview wurden insgesamt 9 Fälle zusammengetragen [20].

Das Auftreten einer Purpura Schönlein-Henoch (HSP) als Paraneoplasie im Erwachsenenalter ist eher selten. In einem Review wurde 2006 über 31 bis dahin publizierte Fälle berichtet [49]. Ungewöhnlich ist auch, dass die HSP im Gegensatz zu den meisten anderen Vaskulitiden mehrheitlich (in der genannten Fallserie in 61 %) mit soliden Tumoren assoziiert ist. Zur Assoziation mit hämatologischen Malignomen existiert nur eine Reihe von Einzelfallberichten.

Etwa 6 % der Patienten mit kryoglobulinämischer Vaskulitis Typ II und III weisen eine assoziierte lymphoproliferative Erkrankung auf [6]. Morbus Waldenström, Non-Hodgkin-Lymphom und chronische lymphatische Leukämie sind dabei am häufigsten. Gut bekannt ist die Assoziation zwischen MDS und AIP. In 2 im Vorjahr publizierten Fallserien [30, 44] wiesen in einer kanadischen Untersuchung unter 252 MDS-Patienten 4,4 % eine AIP auf, die Vaskulitis bot mit 4 Fällen die größte Häufigkeit. In einer retrospektiven französischen Studie wurden 123 Patienten mit MDS und AIP identifiziert, die systemische Vaskulitis war hier mit 39 Fällen (32 %) am häufigsten, unter den Vaskulitiden wiederum die Polyarteriitis nodosa.

Vaskulitis-ähnliche Syndrome

Die Erythromelalgie, ein durch attackenartige, mit brennenden Schmerzen verbundene Rötung der Hände und Füße gekennzeichnetes Syndrom mit nicht geklärter Pathogenese, tritt idiopathisch sowie sekundär bei verschiedenen Grundkrankheiten auf. Unter diesen sind hämatologische Malignome, v. a. Thrombozythämie und Polycythaemia vera, mit 20 % am häufigsten [22]. Das Sweet-Syndrom (Synonym: akute febrile neutrophile Dermatose) ist ähnlich häufig mit hämatologischen Malignomen, v. a. akuter myeloischer Leukämie, verbunden. In einer kürzlich publizierten Fallserie mit 83 Patienten zeigte sich dieser Bezug in 14 % der Fälle. Im Vergleich zum Gesamtkollektiv zeichneten sich diese durch signifikant niedrigere Hämoglobinwerte und höhere Entzündungszeichen (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit [BSG], C‑reaktives Protein [CRP]) aus [7].

Ähnlich wie bei der „therapierefraktären“ Polymyalgia rheumatica, hinter der sich nicht selten eine Paraneoplasie verbirgt, sollte in Anbetracht der geschilderten Häufigkeit auch bei Vaskulitiden und Vaskulitis-ähnlichen Syndromen, die ungewöhnlich mäßig auf Standardtherapie ansprechen (und womöglich mit auffälligen Laborbefunden verbunden sind), an diese Möglichkeit gedacht werden und ein aktives Screening mit Fokus auf hämatologische Malignome erfolgen.

Fazit für die Praxis

  • Bei einer Dermatomyositis oder nichtklassifizierbarer Arthritis sollten atypische Krankheitscharakeristika, Fehlen spezifischer Autoantikörper, fulminanter Beginn einer Arthritis sowie hohes Lebensalter bei der Dermatomyositis Anlass zu einer Tumorsuche geben. Auch ungewöhnlich schlechtes Ansprechen auf Glukokortikoide oder DMARDs sollte dazu führen, die Genese der Erkrankung und die Diagnose ggf. zu hinterfragen.

  • Während bei der RA das Risiko für das Auftreten eines Lymphoms im Wesentlichen durch den langen Krankheitsverlauf entsteht, existieren beim primären Sjögren-Syndrom klinische und laborchemische Kriterien, die mit einem hohen Lymphomrisiko vergesellschaftet sind.

  • Labordiagnostische Hinweise auf eine neue hämatologische Tumorerkrankung können neu aufgetretene Zytopenien, Auffälligkeiten im Differenzialblutbild, Laktatdehydrogenase (LDH)-Erhöhung oder Auffälligkeiten in der Eiweißelektrophorese geben. Hohe diagnostische Vigilanz zur Verhinderung irreversibler Organschädigung ist für HLH/MAS erforderlich.

  • Klinische Symptome des Patienten sollten aufmerksam wahrgenommen werden und Verschlechterungen des Allgemeinzustandes, Temperaturerhöhungen, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust Anlass zu sorgfältiger Diagnostik sein.