Epidemiologie

Bei der Tularämie handelt es sich um eine in unseren Breiten seltene, meldepflichtige Zoonose, welche beim Menschen typischerweise abszedierende und nekrotisierende Lymphadenitiden auslöst (Tab. 1; [9]). Verursacht wird die Tularämie durch Francisella tularensis, ein gramnegatives, pleomorphes, nicht sporenbildendes, strikt aerob wachsendes Bakterium mit hohen Ansprüchen an das Kulturmedium.

Tab. 1 Steckbrief Tularämie

Die Gattung Francisella umfasst die Spezies F. halioticida, F. hispaniensis, F. noatunensis, F. philomiragia und F. tularensis. Humane Infektionen werden im Wesentlichen durch F. tularensis hervorgerufen. F. tularensis umfasst die Subspezies tularensis, holarctica, mediasiatica und novicida [1]. Die Subspezies tularensis (Typ A) ist ausschließlich in Nordamerika verbreitet und weist eine hohe Virulenz auf. Die Subspezies holarctica (Typ B) kommt hingegen in Nordamerika sowie in Eurasien von Europa bis Japan vor und zeigt eine eher attenuierte Virulenz [1]. Die Subspezies mediasiatica und novicida besitzen nur eine geringe humanpathogene Bedeutung.

Infektionen mit F. tularensis tularensis führen unbehandelt in bis zu 60 % der Fälle zum Tod der Patienten, wenn es zu einer systemischen Streuung oder zu einer pleuropulmonalen Manifestation kommt [8]. Infektionen mit F. tularensis holarctica haben hingegen zumeist eine mildere Symptomatik und können sogar selbstlimitierend bzw. subklinisch verlaufen [22]. Bei anderen Subtypen als F. tularensis tularensis kommt es nur in extremen Ausnahmefällen zu Todesfällen [8].

Übertragung und Klinik

Die Übertragung der Tularämie kann mittels Kontakt- und Schmierinfektion, über Vektoren wie auch durch Tröpfcheninfektion erfolgen [4, 25]. Infektionen mit F. tularensis werden häufig durch direkten Kontakt zu infizierten Wildtieren wie z. B. Kaninchen, Hasen, Rehen, Füchsen und Nagetieren verursacht. Epidemiologische Untersuchungen haben ergeben, dass bis zu 7,5 % der Füchse in Ostdeutschland seropositiv für Tularämie sind [16]. Insekten können als Vektoren dienen (Bremsen und Zecken: F. tularensis tularensis; Moskitos: F. tularensis holarctica [5]). Auch durch infizierte Tiere kontaminiertes Quellwasser oder kontaminierte Nahrungsmittel können eine Infektionsquelle darstellen [3]. Bislang wurde keine Übertragung von Mensch zu Mensch dokumentiert [26].

Pathogenetisch relevant ist die intrazelluläre Vermehrung der Francisellen v. a. in Makrophagen, indem der Erreger die Phagosomen-Lysosomen-Verschmelzung sowie die oxidative Inaktivierung („oxidative burst“) verhindert. Nach der Vermehrung erfolgen die apoptotische Freisetzung der Erreger und die Infektion weiterer Zellen. Die Pathogenitätsfaktoren sind aber bisher nur unzureichend geklärt.

Die Tularämie äußert sich klinisch in einem Symptomkomplex, bei dem differenzialdiagnostisch sowohl zahlreiche weitere Infektionskrankheiten als auch maligne Erkrankungen in Frage kommen (Tab. 2; [3]).

Tab. 2 Tularämie

Klinisch werden 6 Formen der Tularämie unterschieden [6, 8, 19]:

  • ulzeroglandulär (kutanoglandulär, 45-85 %),

  • glandulär (5–25 %),

  • okuloglandulär (1–2 %),

  • oropharyngeal (< 5 %),

  • typhoidal (5–15 %) und

  • pulmonal/thorakal (< 5 %).

Die ulzeroglanduläre und die glanduläre Form treten in Nordamerika und in Zentraleuropa am häufigsten auf [2]. Bis zu 45 % der Patienten mit Tularämie entwickeln Symptome im Kopf-Hals-Bereich [7, 17, 18].

Aufgrund der Übertragbarkeit über Aerosole und der dabei sehr niedrigen erforderlichen Infektionsdosis wurde bereits sehr früh das Potenzial von F. tularensis tularensis als biologische Waffe erkannt [1]. Im Jahr 2001 wurde die Tularämie vom Center of Disease Control der Vereinigten Staaten als potenzielles bioterroristisches Agens neben Erregern wie Variola major und Anthrax in die höchste Gefahrenkategorie eingeordnet [14].

Histomorphologie

Die Histomorphologie der tularämischen Lymphadenitis wurde 1950 von H. Reich [21] in der deutschsprachigen Literatur umfassend beschrieben. Charakteristisch für die Tularämie sind zumeist kleine, teils konfluierende granulomatöse Einzelherde, der Nachweis von Kerntrümmern von Lymphozyten, Granulozyten und Makrophagen innerhalb der Nekroseareale, ein deutlich ausgeprägter hyperämisch-hämorrhagischer Charakter der Entzündung in der Peripherie der Granulome und die frühzeitige und reichliche Entwicklung kollagenen Bindegewebes in der Umgebung tularämischer Herde, wodurch es zu einer früh klinisch auffällig werdenden „Verbackung“ der Einzellymphknoten kommen kann [21].

Im Folgenden wird das histomorphologische Spektrum der Tularämie-Lymphadenitis anhand eigener Beobachtungen dargestellt und anschließend aus differenzialdiagnostischer Sichtweise diskutiert.

Eigene Fallserie

Im Universitätsklinikum Erlangen wurden von 2007 bis 2013 insgesamt 5 Fälle von Tularämie sicher diagnostiziert (2 Frauen, 3 Männer, Tab. 3). Das Patientenalter lag zwischen 21 und 75 Jahren. Die Patienten 1, 3 und 5 wurden mit einer Lymphadenitis im Bereich der Halslymphknoten auffällig, in 2 Fällen (Patienten 1 und 3) mit Abszessbildung. Patientin 1 erlitt rezidivierende Schübe der Erkrankung über einen Zeitraum von 4 Jahren. In diesen 3 Fällen wurden betroffene Halslymphknoten exstirpiert. Bei Patient 2 lag eine malignitätsverdächtige Raumforderung im linken Lungenunterlappen mit synchroner Vergrößerung der regionären Lymphknoten vor. Hier erfolgte eine Lobektomie mit regionärer Lymphknotendissektion. Patient 4 wies ubiquitäre Lymphknotenvergrößerungen auf, es wurde eine Stanzbiopsie eines axillären Lymphknotens durchgeführt.

Tab. 3 Tularämiefälle im Universitätsklinikum Erlangen

Das eingesandte Gewebematerial wurde formalinfixiert und histologisch vollständig (Patienten 1, 3, 4, 5) bzw. ausgiebig repräsentativ (Patient 2) aufgearbeitet. Histomorphologisch fand sich in 4 von 5 Fällen (Patienten 1, 2, 3, 5) eine retikulohistiozytär-abszedierende Lymphadenitis mit Nachweis überwiegend kleinerer, landkartenartig konturierter, teils konfluierender Granulome (Abb. 1 a, b). Die Granulome wiesen inhomogene Nekrosezonen mit reichlich eingesprengten Kerntrümmern auf. Fokal fanden sich synzytiale mehrkernige Riesenzellen. Im Lobektomiepräparat von Patient 2 zeigte sich eine histomorphologisch gleichartige, ausgedehnte retikulohistiozytäre Entzündung (Abb. 1 c, d).

Abb. 1
figure 1

Exemplarische Darstellung des histomorphologischen Spektrums der Tularämie. a, b Lymphknoten Patient 2: typischer Befund mit landkartenartigen Nekrosen mit angrenzenden palisadenartigen Histiozytensäumen sowie kleinen Epitheloidzellgranulomen (a 50-, b 100-fache Vergrößerung). c, d Lungenparenchym Patient 2: landkartenartige Nekrose mit angrenzenden palisadenartigen Histiozytensäumen (c 50-, d 200-fache Vergrößerung). e Tularämisches Abszessgewebe Patient 1: fokaler Nachweis eines entzündlich destruierten Granuloms (100-fache Vergrößerung). f Tularämisches Abszessgewebe Patient 3: Unspezifischer Befund mit dichten lymphozytären und granulozytären Infiltraten (200-fache Vergrößerung). g, h Lymphknoten Patient 4: Kompakte nichtnekrotisierende Granulome wie bei diesem Fall können als Sarkoidose fehlinterpretiert werden (g 100-, h 200-fache Vergrößerung)

Bei den Patienten 1 und 3 wurde zusätzlich Abszessgewebe untersucht. Hier fand sich ein überwiegend unspezifischer Befund mit dichten lymphoplasmazellulären und granulozytären Infiltraten. Fokal gelang jedoch auch der Nachweis von Anteilen entzündlich destruierter Granulome (Abb. 1 e, f).

Bei Patient 4 zeigte sich im Stanzmaterial von zahlreichen epitheloidzelligen Granulomen durchsetztes Lymphknotenparenchym. Die Granulome enthielten weder zentrale Nekrosen noch mehrkernige Riesenzellen. Das histomorphologische Bild wurde als sarkoidoseartig eingeschätzt (Abb. 1 g, h).

In allen Fällen wurden eine histochemische (Ziehl-Neelsen-, Auramin-Färbung) sowie eine molekulargenetische (Mykobakterien-PCR) Mykobakteriendiagnostik durchgeführt, diese ergab bei allen Patienten einen negativen Befund.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wurden zunächst in allen Fällen der Ausschluss von Malignität sowie der fehlende Nachweis von Mycobacterium tuberculosis an die Klinik kommuniziert. Bei Patientin 1 wurde eine Tularämie differenzialdiagnostisch in den Vordergrund gestellt. Bei den Patienten 2, 3 und 5 wurden eine infektiöse Genese als wahrscheinlichste Ursache diskutiert und eine weitere klinische und mikrobiologische Abklärung empfohlen. Bei Patient 4 wurde aufgrund des histomorphologischen Bildes eine Sarkoidose als wahrscheinlichste Diagnose angegeben.

Bei allen Patienten wurde von klinischer Seite eine umfassende serologisch-mikrobiologische Diagnostik durchgeführt. Hierbei ergab sich in allen Fällen in der Tularämieserologie ein eindeutiger positiver Befund. Zusätzlich wurde bei den Patienten 1, 2, 4 und 5 das Vorliegen von F.-tularensis-spezifischer DNA im Mikrobiologischen Institut des Erlanger Universitätsklinikums bzw. durch das Konsiliarlabor des Mikrobiologischen Instituts der Bundeswehr in München nachgewiesen.

Diskussion

Tularämie allgemein

Nach dem zweiten Weltkrieg war in Deutschland ein lange andauernder Rückgang der Tularämie mit nur vereinzeltem Auftreten der Erkrankung zu verzeichnen. Im Jahr 2004 kam es erstmals wieder zu einem endemischen Ausbruch bei 11 Beteiligten einer Hasenjagd in Darmstadt [13]. Mit 31 gemeldeten Infektionen wurde 2010 die höchste Anzahl von Tularämiefällen in Deutschland seit über 50 Jahren registriert (Jahresstatistik Robert-Koch-Institut). Klinische Studien an gesunden Probanden aus der deutschen Normalbevölkerung haben jedoch eine Seroprävalenz von 0,2–2 % ergeben [15, 20, 23, 24], sodass eine hohe Dunkelziffer anzunehmen ist.

Die Tularämie gehört zu der Gruppe der infektiösen retikulohistiozytär-abszedierenden Lymphadenitiden, zu denen auch die Katzenkratzkrankheit (Erreger: Bartonella henselae), die Yersiniose (Erreger: Yersinia spp.) und das Lymphogranuloma venereum (Erreger: Chlamydia trachomatis) gezählt werden [1]. Bei den genannten Lymphadenitiden kommt es klassischerweise zur Ausbildung von Granulomen mit zentralen Abszessen und Nekrosen.

Histomorphologie der eigenen Fallserie

Trotz der insgesamt geringen Gesamtzahl von 5 Fällen konnten wir eine erhebliche Variationsbreite des histomorphologischen Bildes mit Abweichungen vom klassischen histomorphologischen Bild in unserem Gewebematerial dokumentieren.

Neben dem klassischen Bild der retikulohistiozytär-abszedierenden Lymphadenitis scheint auch ein sarkoidoseähnliches Bild mit Fehlen nekrobiotischer Granulome möglich zu sein (Patient 4). Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine frühe Phase der durch F.-tularensis-bedingten Lymphadenitis. Der Fall zeigt, dass bei einer granulomatösen Lymphadenitis auch bei Fehlen der klassischen zentralen Nekrosen eine Tularämie nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Weiterhin zeigte das in 2 Fällen (Patienten 1 und 3) untersuchte Abszessgewebe einen eher unspezifischen histomorphologischen Befund mit dichten granulozytären und lymphoplasmazellulären Infiltraten und nur fokalem Nachweis von Anteilen entzündlich destruierter Granulome als Hinweis auf eine infektiöse Genese. Das Abszessgewebe kann bei einer Tularämieinfektion somit auch einen überwiegend unspezifischen histomorphologischen Befund aufweisen.

Ein eindrückliches Bild einer pleuropulmonalen Tularämie fand sich bei Patient 2. Hier zeigten sich im Lobektomiepräparat große teils konfluierende Granulome mit ausgedehnten zentralen landkartenartig begrenzten Nekrosen in verdichtetem und vernarbtem Lungenparenchym. Typischerweise weist die pleuropulmonale Tularämie ein eher unspezifisches Bild mit fibrinoiden Nekrosen und einem gemischtzellulären entzündlichen Infiltrat auf [11]. Das in diesem Fall vorliegende histologische „Vollbild“ der Tularämie im Lungenparenchym ist somit als ungewöhnlich einzustufen.

Tuberkulose als wichtige Differenzialdiagnose

Die wichtigste Differenzialdiagnose der Tularämie als Ursache einer zervikalen Lymphadenitis ist die Tuberkulose, mit welcher sowohl klinisch wie auch histomorphologisch große Gemeinsamkeiten bestehen.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Tularämie durch das retikulohistiozytär-abszedierende Bild von der klassischen Tuberkulose, für welche weitestgehend azelluläre Nekrosen binnen der Granulome typisch sind. Weiterhin sind ein „unregelmäßiges“ Bild der zentralen Nekrosen durch eingesprengte Kerntrümmer, der fehlende oder äußerst spärliche Nachweis von Langerhans-Riesenzellen sowie eine auffällige perinodale bindegewebige Reaktion Merkmale, welche eher gegen das Vorliegen einer Tuberkulose sprechen. In jedem Fall muss dennoch eine umfassende mikrobiologische, molekulargenetische, histologische und immunantigenetische Mykobakteriendiagnostik durchgeführt werden.

Bezüglich der durch Francisellen, Yersinien, Bartonellen und Chlamydien ausgelösten bakteriellen granulomatösen Entzündungen ist eine sichere histomorphologische Unterscheidung nicht möglich. Im histologischen Befund kann zumeist nur anhand der Lokalisation der Entzündung (Halslymphknoten und axilläre Lymphknoten: eher Francisellen und Bartonellen; mesenteriale Lymphknoten: eher Yersinien; inguinale Lymphknoten: eher Chlamydien) sowie der Patientenanamnese (soweit angegeben) die jeweilige Wahrscheinlichkeit für die einzelnen Erreger abgeschätzt werden.

Mittels histochemischer Spezialfärbungen wie PAS und Grocott-Versilberung kann der Nachweis von Pilzstrukturen bei mykotischer Infektion gelingen.

Ergeben die histopathologischen und die mikrobiologischen Untersuchungen keinen Erregernachweis, kommen differenzialdiagnostisch bei granulomatösen Lymphadenitiden auch nichtinfektiöse Erkrankungen wie eine Sarkoidose oder Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes) in Betracht. Auch zytotoxische Einwirkungen wie z. B. bei einer Radiochemotherapie können die Ausbildung zentral nekrotischer Granulome verursachen.

Diagnosestellung

Zwar ist es möglich, F. tularensis auch immunhistochemisch im Paraffinmaterial nachzuweisen [10, 12], jedoch ist diese Untersuchung – wohl der relativen Seltenheit der Tularämie geschuldet – in den meisten pathologischen Laboratorien/Instituten nicht etabliert. Auch ist davon auszugehen, dass die Immunhistochemie je nach Gewebequalität und Erregerlast nicht ausreichend sensitiv ist, um bei negativem Befund eine Tularämie sicher auszuschließen. Die definitive Diagnosestellung bleibt daher serologischen, molekulargenetischen (PCR) und mikrobiologischen (Kultur) Untersuchungstechniken vorbehalten. Die Kultur des anspruchsvollen Erregers ist sehr schwierig und in der Routinediagnostik selten erfolgreich, da ebenfalls in der Regel nicht etabliert. Zielführend sind deshalb bei der Tularämiediagnostik meist serologische sowie molekulargenetische Untersuchungen. Am breitesten verfügbar und für die Primärdiagnostik ausreichend ist hierbei die serologische Analyse (ELISA, Widal, Immunoblot).

Für weitere, ausführliche Informationen zur Epidemiologie der Tularämie verweisen wir auf die ausgezeichneten Informationsblätter des Robert-Koch-Instituts: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tularaemie/Tularaemie.html

Fazit für die Praxis

  • Die Tularämie ist eine zunehmend diagnostizierte infektiöse Krankheit, welche eine wichtige Differenzialdiagnose der zervikalen nekrotisierenden Lymphadenitis darstellt.

  • Die Kenntnis des breiten histomorphologischen Erscheinungsbildes dieser Erkrankung ist notwendig, um eine histopathologische Fehlinterpretation als Sarkoidose, Tuberkulose, Katzenkratzkrankheit, Lupuslymphadenitis oder sonstige nekrotisierende Lymphadenitiden zu vermeiden.

  • Die Aufgabe des Pathologen besteht v. a. darin, den Verdacht auf das Vorliegen einer Tularämie an die behandelnden Kliniker zu übermitteln, um dadurch – so noch nicht bereits durchgeführt – eine weitere mikrobiologische Abklärung anzuregen.