In Deutschland stehen 6 Institute für Pathologie bereit, um die referenzpathologische Zweitbegutachtung maligner Lymphome durchzuführen, welche in eine der offenen Therapieoptimierungsstudien eingebracht werden sollen [1]. Anders als bei den Lymphomen ist eine histopathologische Zweitbegutachtung bei klinischen Studien an Ovarialkarzinomen bislang nicht etabliert. Gemäß einer eigenen unveröffentlichten retrospektiven Analyse wurde die Diagnose bei 300/319 (94,1%) fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen einer abgeschlossenen Chemotherapiestudie nach zentraler histologischer Retypisierung durch 2 der Autoren (FK, DS) gemäß den WHO-Kriterien [4] bestätigt. 19/319 (5,9%) der Fälle entsprachen Borderline-Tumoren (BOT). Von den 19 Patientinnen mit „sekundären BOT“ starben nur 3 (15,7%) an ihrem Tumorleiden, im Vergleich zu 196/300 (65,3%) der Patientinnen mit referenzpathologisch bestätigter Karzinomdiagnose.

In der Literatur finden sich weitere Hinweise auf signifikante Diskrepanzen zwischen Primärdiagnosen und Zeitbegutachtung bei Ovarialkarzinomen. Von 477 in den Jahren 1980 bis 1982 beschriebenen Ovarialkarzinomen aus einer Fallkontrollstudie wurden nach einer spezialisierten Zweitbegutachtung 57 (15%) der Fälle als BOT reklassifiziert. Unterschiede zwischen dezentraler Pathologie und Expertenpanel ergaben sich zudem bei der Abgrenzung epithelialer vs. nichtepithelialer Tumoren und in der Erkennung von Ovarialmetastasen [5]. Vergleichbare Ergebnisse zeigte eine Untersuchung aus England, bei der nach erneuter Begutachtung durch spezialisierte Gynäkopathologen in 27/64 (42%) aller Fälle BOT des Ovars ursprünglich als Karzinom eingestuft worden waren [3]. Schließlich wurden 41/140 (29%) Ovarialkarzinome nach histologischer Zweitbegutachtung als BOT reklassifiziert. Nur 4,5% der Patientinnen mit korrigierter BOT-Diagnose verstarben an ihrer Krankheit, im Vergleich zu 25,6% aller Patientinnen mit bestätigter Karzinomdiagnose [2].

Somit bleibt festzuhalten, dass ein gewisser Prozentsatz der Patientinnen in Ovarialkarzinomstudien gemäß retrospektiver Analysen offensichtlich andere Läsionen aufweist, was im Widerspruch zu den Einschlusskriterien dieser Studien stehen kann. Es erscheint gut vorstellbar, dass für einige Studienpatientinnen mit Ovarialtumoren therapieassoziierte Morbidität ohne jeglichen oder mit nur geringem Benefit bei hohen Kosten entstehen könnte. Weiterhin könnten manchen Patientinnen andere/bessere Therapiemodalitäten vorenthalten werden. Es ist unser Ziel, diese Annahmen und damit die Sinnhaftigkeit einer spezialisierten histopathologischen Zweitbegutachtung bei Ovarialkarzinomen durch eine prospektive Untersuchung zu prüfen.

Methoden und Resultate

Unter der Schirmherrschaft der Studienleitgruppe der AGO-Ovar wurde die Studie „HIstologische STandardisierte Zweitbegutachtung in einem Studienkollektiv fortgeschrittener Ovarialkarzinome, OVAR 11t-HISTO“ initiiert. Hierbei handelt es sich um ein translationales Subprojekt der AGO-Ovar-11-Studie, einer derzeit offenen prospektiven internationalen multizentrischen Studie, welche die Bedeutung von Bevacicumab (Avastin®) im Zusammenhang mit dem derzeit etablierten Therapiestandard bei fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen (Paclitaxel/Carboplatin-Chemotherapie nach radikaler operativer Tumorentfernung) untersucht.

Hauptfragestellung der OVAR-11t-HISTO-Studie ist es, die Hypothese: „5% der histologischen Primärdiagnosen Ovarialkarzinom sind in Studienkollektiven möglicherweise nicht zutreffend“ zu überprüfen. Im Nebenschluss soll eine homogenisierte Tumorbank mit Paraffinmaterial der Ovarialkarzinome für die prospektive Prüfung gemäß vorläufiger Ergebnisse prognostisch und therapeutisch möglicherweise relevanter Faktoren etabliert werden.

Momentan gibt es 307 aktive klinische AGO-Ovar-Studienzentren. Diese arbeiten mit 206 pathologischen Instituten zusammen, darunter befinden sich 34 Universitätsinstitute, 96 Krankenhausabteilungen/Prosekturen und 76 Praxen. Aufklärung und Einverständniserklärung der Patientinnen für die OVAR-11t-HISTO-Studie erfolgen in den klinischen Studienzentren unabhängig von der OVAR-11-Studie auf separaten Formularen. Die Anmeldung zur OVAR-11t-HISTO-Studie erfolgt über das Internet durch die Kliniker, wobei 4 Informationen übermittelt werden:

  1. 1.

    eine Ovar-11-Identifikationsnummer,

  2. 2.

    die Histologienummer der erstbegutachtenden Pathologie,

  3. 3.

    die Diagnose, mit welcher die Patientin in die Studie eingebracht wurde,

  4. 4.

    das kooperierende pathologische Institut.

Das Studiensekretariat nimmt daraufhin Kontakt zur erstbegutachtenden Pathologie auf, mit der Bitte um anonymisierte Übersendung sämtlicher Schnitte und Paraffinblöcke des betreffenden Falls zur Zweitbegutachtung im Institut für Pathologie, Referenzzentrum für Gynäkopathologie, A2/2 in Mannheim. Mit dieser Materialanforderung wird ein institutsspezifischer Zugangscode übermittelt, mit dessen Hilfe ein „log in“ auf der OVAR-11t-HISTO-Homepage (http://www.ovar11t-histo.de) möglich wird, auf der jederzeit der Stand der Zweitbegutachtung und der Verbleib des Materials abgefragt werden können. Zusätzlich werden ein Adresskleber für den Materialversand und ein Verrechnungsscheck über 25 EUR als Aufwandsentschädigung (gemäß der Empfehlungen des Berufsverbandes Pathologie) verschickt.

Nach Zweitbegutachtung der Fälle in Mannheim ist das weitere Vorgehen von deren Ergebnis abhängig (Abb. 1). Stimmen Erstdiagnose und Zweitbegutachtung überein, werden sämtliche Schnitte und alle nicht zur Aufnahme in die AGO-Ovar-Tumorbank überlassenen Blöcke in die kooperierende Pathologie zurück versandt. Sind die Diagnosen nicht identisch, nimmt Mannheim Kontakt mit dem kooperierenden Institut auf, um die Befunde zu diskutieren und einen diagnostischen Konsensus zu erreichen. Findet eine Einigung statt, wird der Konsensus als studieninterne Diagnose verwendet. Im unwahrscheinlichen Falle einer bleibenden Diskrepanz werden die Präparate einem dreiköpfigen wissenschaftlichen „Review Board“ vorgelegt (Prof. Dr. J. Diebold, Luzern; Prof. Dr. S. Hauptmann, Halle; Prof. Dr. F. Kommoss, Mannheim). Das mehrheitliche Urteil dieses Expertenpanels wird dann als Studiendiagnose gewertet. Das detaillierte Studienprotokoll kann über die Webseiten der Deutschen Gesellschaft für Pathologie heruntergeladen werden [1].

Abb. 1
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Ablauf der histopathologischen Zweitbegutachtung im Verlauf der AGO-Ovar-11t-HISTO-Studie

International ist die AGO-Ovar-11-Studie für etwa 1500 Patientinnen offen. Von den ursprünglich etwa 500 für Deutschland vorgesehenen Patientinnen wurden bis zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung (15.05.2008) bereits gut die Hälfte (n=253) aufgenommen. Hiervon wurden 197/253 (77,8%) bereits zusätzlich für Ovar-11t-HISTO rekrutiert. Bisher wurde Blockmaterial von 144 Fällen in einer Tumorbank archiviert. Diskrepante Diagnosen wurden bereits beobachtet, über deren Art und genaue Zahl die abschließende Auswertung nach Ende der Patientenrekrutierung Aufschluss geben wird.

Diskussion und Schlussfolgerung

Histopathologische Zweitbegutachtung in Studien bei Ovarialkarzinomen könnte zumindest in Einzelfällen das Kollektiv durch Diskussion kontroverser Diagnosen homogenisieren und dadurch die wissenschaftliche Aussagekraft erhöhen. Sie könnte zudem Patientinnen der tumorspezifisch vorgesehenen Therapie zuführen oder nicht indizierte Therapien vermeiden helfen. Die Schaffung homogener Gewebebanken könnte die Initiierung prospektiver translationaler Untersuchungen wesentlich erleichtern. Neben der noch ausstehenden prospektiven Evidenz für die Sinnhaftigkeit einer histopathologischen Zweitbegutachtung bei Ovarialkarzinomen bestehen in diesem Zusammenhang jedoch noch ungelöste Probleme. Es ist bislang unklar, ob und inwieweit das derzeit mit Recht sehr kontrovers diskutierte Konzept referenzpathologischer Zweitbegutachtungen zukünftig gesellschaftlich und berufspolitisch erwünscht und weiterentwickelt werden soll.

Die Autoren vertreten die Ansicht, dass eine routinemäßige Zweitbegutachtung von Ovarialtumoren in aller Regel nicht erforderlich ist. Eine Zweitbegutachtung der Fälle in Studienkollektiven erscheint uns andererseits richtig und wichtig. Es müsste allerdings geklärt werden, wie die anfallende, nicht unerhebliche Mehrarbeit finanziert, sinnvoll verteilt und geleistet werden könnte. Hierfür müsste zunächst eine konstruktive Diskussion unter den am Thema interessierten Pathologen und Klinikern erfolgen mit dem Ziel einer Implementierung geeigneter Netzwerke. Um eine Zweitbegutachtung als Einschlusskriterium für klinische Studien sinnvoll in den therapeutischen Algorithmus zu integrieren, wäre eine konsequente Weiterentwicklung internetbasierter Netzwerke und Verteilungssysteme erforderlich. Mit dem Projekt OVAR 11t-HISTO werden wichtige Vorarbeiten geleistet, und die Autoren wären gerne bereit, an der Weiterentwicklung mitzuarbeiten.