Die Psychotherapieforschung blickt mittlerweile auf eine lange Tradition zurück, die sicherlich nach wie vor durch die Frage nach der Wirksamkeit und Wirkung von Psychotherapie geprägt ist. Bedingt durch Rivalitäten zwischen den Psychotherapieschulen, aber auch durch den gesellschaftlichen Legitimationsdruck wurde über viele Jahrzehnte versucht, mithilfe unterschiedlicher Untersuchungsansätze Wirksamkeitsbelege zu sammeln. Zuletzt kaum noch zählbare Metaanalysen weisen die Wirksamkeit von Psychotherapie unterschiedlicher theoretischer Orientierungen sehr eindeutig nach – auch wenn weiterhin Uneinigkeit über die viel zitierte Aussage des berühmten Dodo-Vogels besteht, wonach alle gewonnen und jeder einen Preis verdient habe.

Schon vor einigen Jahrzehnten haben Forscher wie Carl Rogers oder etwas später Hans H. Strupp darüber reflektiert, welchen Einfluss eigentlich die Person des Therapeuten und darauf bezogene Merkmale bei der Aufklärung von Ergebnisvarianz in der Psychotherapie haben. Strupp hat seinerzeit an der Vanderbilt-Universität Studien initiiert, in deren Rahmen auch eine ganze Reihe von Instrumenten zur Bewertung und Beurteilung des therapeutischen Verhaltens entwickelt wurde (z. B. die Vanderbilt Negative Indicators Scale). Das Thema ist jedoch rasch wieder in den Hintergrund geraten, fast so, als stelle die Person des Therapeuten eine Konstante ohne jeglichen Einfluss auf den Verlauf oder das Ergebnis von Psychotherapie dar. Insbesondere mit dem Aufkommen von Therapiemanualen scheint sich diese Sichtweise weiter verbreitet zu haben.

Beobachtet man Forschungstendenzen der letzten Jahre, drängt sich der Eindruck auf, dass innerhalb des Forschungsfelds so etwas wie ein Paradigmenwechsel stattfindet. Weiterhin werden zwar randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt, mit denen die Effekte von bestimmten Interventionen oder komplexen Behandlungen „kausal“ belegt werden sollen. Parallel dazu sind in den letzten Jahren aber sehr viele Forschungsinitiativen entstanden, die sich mit der psychotherapeutischen Alltagspraxis beschäftigen.

Im Rahmen vieler dieser Studien der letzten Jahre ging es darum, ob gezielte Rückmeldungen zum Behandlungsverlauf und -prozess an den Therapeuten Auswirkungen auf die Veränderungen des Patienten haben. Dabei hat sich auf Grundlage großer Studien gezeigt, dass sich einzelne Psychotherapeuten hinsichtlich des Behandlungserfolgs ihrer Patienten unterscheiden. Bestimmte Therapeuten „produzieren“ systematisch geringe oder sogar negative Resultate, während andere (die „supershrinks“) ihren Patienten durchweg zu ganz erheblichen Besserungen verhelfen. Derartige Ergebnismuster fanden sich in einer Vielzahl von Studien, bezogen auf alle psychotherapeutischen Richtungen und Settings.

Wampold (2011) hat in seiner Veröffentlichung zur The great psychotherapy debate wahrscheinlich als einer der Ersten systematisch versucht, umfassend verschiedene Wirkfaktoren in der Psychotherapie – die Therapeutenpersönlichkeit, die therapeutische Beziehung, Patientenmerkmale und Behandlungsmethoden – quantitativ zu erfassen und gegeneinander abzuwägen. Während Wampold damals noch konstatieren musste, dass der größte Anteil an Varianz eindeutig durch Merkmale des Patienten (z. B. Strukturmerkmale, Chronizität, Therapiemotivation) erklärt wird und die Person des Therapeuten nur Varianzanteile im einstelligen Bereich aufklärt, ist den letzten 10 Jahren die empirisch fundierte Überzeugung gewachsen, dass der Einfluss der Person des Therapeuten doch größer sein dürfte (z. B. Norcross 2011). Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil auch die therapeutische Beziehung in ihren verschiedenen Facetten deutlich von der Person des Therapeuten geprägt ist. Gleichzeitig wird die Komplexität dieses Forschungsfelds zunehmend anerkannt: In dem aktuellen Beitrag zu Psychotherapeutenmerkmalen in der „Bibel“ der Psychotherapieforschung, dem Handbook of psychotherapy and behavior change diskutieren Baldwin u. Imel (2013) ausführlich die Forschungsprobleme in diesem Bereich.

Wie die Übersichtsarbeit zum Schwerpunktthema in diesem Heft zeigt, ist die Frage, welche spezifischen Therapeutenvariablen von besonderem Einfluss auf das Behandlungsergebnis sind, noch weitgehend ungeklärt. Die letzte umfassende inhaltliche Übersicht von Beutler et al. (2004) machte z. B. ziemlich deutlich, dass objektive Merkmale wie das Alter, das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit oder Merkmale der Ausbildung oder Selbsterfahrung des Therapeuten von keinem spezifischen Einfluss zu sein scheinen. Dagegen erscheinen interpersonale Charakteristika und der therapeutische Stil sehr viel bedeutsamer, Letzterer möglicherweise auch in Interaktion mit unterschiedlichen Patientenmerkmalen.

Mit der zunehmenden Fokussierung auf die Therapeutenperson in Wirksamkeitsstudien stieg auch das Interesse an Faktoren, die die Entwicklung von Psychotherapeuten beeinflussen. Als Paradebeispiel für eine entsprechende Untersuchung kann z. B. die von Orlinsky und Rønnestad (Orlinsky u. Rønnestad 2004) über viele Jahre hinweg geleitete Kollaborationsstudie zur professionellen Entwicklung von Psychotherapeuten gelten. International haben sich inzwischen mehr als 10.000 Psychotherapeuten an dieser umfangreichen Befragung beteiligt und damit die Grundlage für Herausarbeitung wesentlicher Eckpunkte professioneller Entwicklungsprozesse von Psychotherapeuten geschaffen.

Konsequenterweise ist in den letzten Jahren die Ausbildung von Psychotherapeuten verstärkt zum Forschungsthema geworden. Dies ist sicherlich durch den oben genannten Befund der Unterschiedlichkeit von Therapeuten begründet, der das Bemühen, die Qualität von Psychotherapie zunehmend zu verbessern, anstachelt. Naheliegend ist es dabei, bereits im Ausbildungskontext zu beginnen und deutlicher herauszuarbeiten, welche Merkmale von Ausbildungsteilnehmern denn von besonderer prognostischer Bedeutung sind, sowohl für die professionelle Arbeit der Betroffenen als auch für ihre eigene Entwicklung.

Aus den 3 Perspektiven – Wirksamkeitsstudien, professionelle Entwicklung von Psychotherapeuten und Ausbildungsforschung – geraten durchaus kontrastierende Facetten von Psychotherapeuten in den Blick. Es ist eine Herausforderung, sie aufeinander zu beziehen: Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie berücksichtigen nur selten die subjektive Sicht von Psychotherapeuten. Die Selbsteinschätzung von Therapeuten hinsichtlich ihrer professionellen Entwicklung bleibt in der Regel ohne Bezug zum Therapieprozess oder -ergebnis. Struktur, Inhalt und Bewertung von Ausbildungserfahrungen werden nicht oder nur in Ansätzen auf das Erleben von Psychotherapeuten oder ihre Praxis bezogen. Solche übergreifenden Forschungsanstrengungen bedürfen einer breiten Grundlage; systematische Schritte in diese Richtung zeichnen sich in der neuen internationalen Arbeitsgruppe der Society of Psychotherapy Research zur Ausbildung und Entwicklung von Psychotherapeuten (Society for Psychotherapy Research Special Interest Section on Training and Development, SPRISTAD) ab.

Mit dem vorliegenden Schwerpunktheft der Zeitschrift Psychotherapeut wollten wir die Frage fokussieren, welche Therapeutenmerkmale in unterschiedlichen Phasen der psychotherapeutischen Sozialisation für das Verständnis von Psychotherapieprozess und -ergebnis von besonderer Relevanz sind. Das Forschungsthema ist derzeit leider noch nicht so etabliert und verbreitet, wie wir es uns vielleicht wünschen würden. Wir konnten zumindest in der gesetzten Frist nicht die gewünschte Zahl an Beiträgen akquirieren. Deswegen wird das Schwerpunktthema nun mit einer umfassenden Übersicht und 2 Originalarbeiten abgehandelt, die sich unmittelbar auf den Ausbildungskontext beziehen. Nodop u. Strauß untersuchten in zusätzlichen Erhebungen im Rahmen des sogenannten Forschungsgutachtens zur Ausbildung psychologischer Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, welche Auffassungen Leiter von Ausbildungsstätten über ungeeignete Ausbildungsteilnehmer haben und wie diese mit dieser Problematik umgehen.

Stärker auf die Frage der Vermittlung von Fertigkeiten haben Partschefeld et al. in ihrer Pilotstudie fokussiert, die den Einsatz von standardisierten oder „Schauspielpatienten“ im Bereich der Psychotherapieausbildung behandelt. Sie konnten belegen, dass ein subjektiver Fertigkeitszuwachs von Ausbildungskandidaten durchaus mit dem Eindruck von Beobachtern zusammenhängt. Deutlich wird hier wieder, dass die Psychotherapieausbildung von aktuellen Entwicklungen in der Gestaltung des Studiums der Humanmedizin durchaus lernen kann.

Welche Rolle die Person des Therapeuten in der Psychotherapie sowohl in frühen Stadien der Ausbildung als auch in späten Jahren erfolgreicher Praxis spielen könnte, bleibt eine zentrale Frage. Auch wenn die Ausbeute in diesem Heft recht fragmentarisch ist, hoffen wir, das Interesse der Leser geweckt zu haben. Wir versprechen, dass wir das Unterfangen, diesbezügliche Erkenntnisse und Theorien zusammenfassend in der Zeitschrift Psychotherapeut darzustellen, bald weiterverfolgen werden.