Zusammenfassung
Die biologische Wirkung von Implantaten hängt nicht nur vom Implantationsort und von patientenindividuellen Faktoren ab, sondern wird maßgeblich von der physikochemischen Zusammensetzung sowie der Oberflächentopografie des Werkstoffes beeinflusst. Im Falle permanenter Implantate am Knochen werden hierbei insbesondere eine sichere primäre Haftung, die Förderung einer raschen Osteointegrität sowie eine antimikrobielle Wirkung des Implantates angestrebt. Oberflächenveränderungen finden sich jedoch auch an Biomaterialien, die nur temporär mit Gewebe in Berührung kommen wie Werkstoffe zur Osteosynthese, Sägelehren oder Probeimplantate und chirurgische Instrumente. Die vorliegende Arbeit fasst die relevanten werkstofftechnischen Grundlagen für die Bewertung von Implantatoberflächen zusammen. Neben den werkstofftechnischen und biologischen Prinzipien werden Oberflächenmodifikationen für die gezielte klinische Anwendung vorgestellt und aktuelle Entwicklungsstrategien skizziert.
Abstract
The biological effects of implants in vivo are not only dependent on the implantation site and patient-specific factors but are also influenced by the physicochemical composition and the surface topography of the biomaterial. In cases of permanent implants applied to bone, primary stability, the promotion of rapid osteointegration and antimicrobial properties of the implant are strived for; however, surface modifications are also found on biomaterials which only temporarily come into contact with tissue. These include not only osteosynthesis materials, jig or implant templates but also surgical instruments. This article summarizes the relevant technical principles of materials for the assessment of implant surfaces. Besides technical material-specific and biological principles, different surface modifications for targeted clinical applications are presented. Furthermore, current developmental strategies are outlined.
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Danksagung
Der Autor dankt Herrn Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Ing. Alfons Fischer (Institut für Technologien der Metalle) und Herrn Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Herbert P. Jennissen (Institut für Physikalische Chemie) der Universität Duisburg-Essen für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und ihre hilfreichen Anmerkungen.
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Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
M. Jäger gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Additional information
Redaktion
C. Chiari, Wien
R. von Eisenhart-Rothe, München
H. Gollwitzer, München
J. Grifka, Bad Abbach
M. Jäger, Essen
A. Meurer, Friedrichsheim
Appendices
Anhang
CME-Fragebogen
Was ist gegenwärtig im Wissen um Implantatoberflächen bekannt?
Nanosilberbeschichtete Implantatoberflächen sind für Eukaryonten toxischer als Silber in ionisierter Form.
Die Calciumphosphatschicht Hydroxylapatit-beschichtete Oberflächen sollte möglichst dick sein.
Nach der Implantation bildet sich auf der Implantatoberfläche ein präkonditionierender Proteinfilm, der für die zelluläre Adhärenz sowie für den Informationsaustausch zwischen Implantat und Zelle verantwortlich ist.
Die Passivierungsschicht metallischer Oberflächen bietet keinen ausreichenden Schutz vor In-vivo-Korrosion.
Nanostrukturierte Implantatoberflächen besitzen analog zur Lotuspflanze einen selbstreinigenden Effekt in vivo (sog. Lotuseffekt).
Nanostrukturierte Oberflächen sind definiert durch …
Größen, die in der Regel oberhalb der Dimension von eukaryontischen Zellen liegen.
Herstellungsverfahren mit dem Einsatz von Lasertechnologien.
charakteristische Mesoporen.
Korngrößen von <100 nm.
ihre Effekte gegenüber Mikroorganismen.
Calciumphosphatverbindungen auf der Oberfläche von Implantaten …
fördern stets die frühe Osteointegration eines Implantates.
sollen zur Förderung der Osteointegration eine möglichst dicke Schicht besitzen.
werden vom Körper umgebaut und können eine mechanische Schwachstelle darstellen.
werden rasch innerhalb von 4 Wochen vom umgebenden Gewebe resorbiert.
besitzen meist Porengrößen von unter 75 µm.
Welche zeitliche Reihenfolge der In-vivo-Löslichkeit und Resorbierbarkeit von Calciumphosphatbeschichtungen trifft zu?
Dicalciumphosphat > Tricalciumphosphat > Hydroxylapatit
Tricalciumphosphat > Dicalciumphosphat > Hydroxalapatit
Hydroxylapatit > Tricalciumphosphat > Dicalciumphosphat
Dicalciumphosphat > Hydroxylapatit > Tricalciumphosphat
Hydroxylapatit > Dicalciumphosphat > Tricalciumphosphat
Organische Beschichtungen …
spielen derzeit in der klinischen Anwendung eine untergeordnete Rolle.
lassen sich problemlos sterilisieren.
besitzen in der Regel eine sehr gut kontrollierte Freisetzungskinetik.
ermöglichen es nicht, auch Antibiotika an Werkstoffoberflächen zu binden.
besitzen den Nachteil einer geringen Konzentration der angebundenen Substanz am Wirkort.
Die farblichen Veränderungen von mehrfach wiederaufbereiteten Implantaten, wie z. B. Titanschrauben, …
sind unbedenklich.
basieren häufig auf Oxidationsprozessen.
zeigen bei bläulicher oder grünlicher Verfärbung eine mechanische Schwachstelle an.
sind ein Zeichen für eine Kontamination mit Gewebeflüssigkeit.
sind durch das Einhalten entsprechender Vorschriften durch die ZVSA vermeidbar.
Der Benetzungswinkel (CA) …
wird mit einem Profilometer gemessen.
ist bei hydrophilen Implantatoberflächen sehr hoch (>90°).
ist bei hydrophoben Oberflächen sehr niedrig (≈0°).
gibt den Grad der Porosität an.
wird mit einem Goniometer gemessen und ist bei superhydrophilen Oberflächen < 10°.
Bei der Oberflächenmodifikation von Implantaten …
werden je nach Anwendungsgebiet Körner aus Glas, Korund oder Sand zum Strahlen von Implantatoberflächen in der Orthopädie und Unfallchirurgie verwendet.
führt eine Vergrößerung der Implantatoberfläche durch Erhöhung der Rauigkeit zur Verbesserung der zellulären und zur Verminderung der bakteriellen Adhärenz.
ist die kritische Porengröße, die eine ausreichende Versorgung von eingewachsenem Gewebe mit Nährstoffen gewährleistet, bei 20 µm.
lagern sich nach der Implantation initial langkettige Proteine auf der Implantatoberfläche an (Vroman-Effekt).
befinden sich antibiotikabeschichtete Implantate noch nicht im klinischen Einsatz.
Die Ionenimplantation wird zur Modifikation von Implantatoberflächen eingesetzt. Hierbei handelt es sich um …
ein subtraktives Verfahren.
ein Verfahren, das ohne Zwischenschicht auskommt.
ein biochemisches Verfahren.
eine Technik, die vornehmlich bei keramischen Werkstoffen durchgeführt wird.
eine etablierte Methode, die jedoch den Nachteil der schlechten Reproduzierbarkeit durch Verunreinigungen besitzt.
Als Maß für die Primärstabilität eines Implantates wird häufig der folgende Parameter herangezogen:
Ra
Rz
Kontaktwinkel (CA)
Reibungskoeffizient („Reibezahl“)
Adhäsionsarbeit
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Jäger, M. Oberflächenmodifikationen von Implantaten. Teil 1. Orthopäde 47, 347–366 (2018). https://doi.org/10.1007/s00132-018-3548-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-018-3548-1