Vorbehalte bezüglich der Impfung gegen SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) sind in der Allgemeinbevölkerung trotz ausreichender Daten zur Unbedenklichkeit nach wie vor nicht völlig ausgeräumt. Dabei zeigen neuere Studien keinerlei negative Effekte der Impfung hinsichtlich Fertilität, Schwangerschaftsverlauf und Laktationsperiode. Eine COVID(„coronavirus disease“)-Infektion während der Schwangerschaft dagegen ist mit deutlichen Risiken für Mutter und Kind assoziiert, die im Folgenden beleuchtet werden.

Epidemiologische Aspekte

Zwei gravierende Pandemien sind bisher in unserer Lebenszeit aufgetreten: HIV („human immunodeficiency virus“)/Aids („acquired immunodeficiency syndrome“) und SARS-CoV‑2. So leben zurzeit in Deutschland über 90.000 Menschen mit HIV; 97 % der Betroffenen werden behandelt. Die Dunkelziffer der nichtbehandelten Personen, die ihre HIV-Infektion nicht kannten, wird auf 9000 geschätzt [27].

Weit über 30.000 Menschen sind in unserem Land bisher an den Folgen von Aids verstorben, weltweit jedoch über 36,3 Mio. in einem Zeitraum von ca. 40 Jahren [34].

Die SARS-CoV-2-Infektion hat durch die massive Fallzahl eine ganz andere Dimension und Dynamik. In Deutschland infizierten sich 31.489.484 Personen, 145.561 Todesfälle sind zu beklagen. Weltweit sind 585.950.085 Mio. Menschen infiziert, und 6.425.422 Mio. sind an Corona verstorben [20]. Wer meint, die SARS(„severe acute respiratory syndrome“)-Infektion sei erstmalig aufgetreten, irrt. Bereits in der Zeit 2003–2004 wurde in Südchina und Hongkong über ein SARS berichtet [18, 33]. Durch rigide Abschottung und Quarantänemaßnahmen konnte damals eine pandemische Ausbreitung verhindert werden. Dieser relative Erfolg könnte eine Erklärung für die massiven Einschränkungen durch die chinesische Administration sein (Null-COVID), jedoch war das Virus damals deutlich weniger infektiös. In einer kleinen Studie in Hongkong wurde über 25 % Todesfälle unter Schwangeren und perinatale Risiken berichtet [35].

Über die Situation in Deutschland haben U. Pecks, Kiel, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen der CRONOS(Covid-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany)-Studie im Heft 9/22 sehr ausführlich und lesenswert berichtet [23].

Prophylaxe

Der bestmögliche Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion besteht in der Impfung gegen COVID-19. Dies empfehlen das RKI (Robert Koch-Institut; [26]) und die DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) für Frauen generell und mit Kinderwunsch besonders. Nicht geimpfte Schwangere sollten vorzugsweise in zweiten Trimenon immunisiert werden. Dieser zeitlichen Einschätzung des RKI liegen keine sicher belastbaren Daten zugrunde. In vielen anderen Ländern ist eine Impfung zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft möglich.

Neue Daten aus einer Fall-Kontroll-Studie an mehr als 1000 Säuglingen zeigen, dass bezüglich der vertikalen Transmission mit Infektion des Feten bzw. des Neugeborenen durch die Omikron-Variante ein signifikant höherer Schutz besteht, wenn die zweite Impfdosis erst nach der 20. SSW (Schwangerschaftswoche) verabreicht wird (25 vs. 57 % Effizienz, abhängig vom Zeitpunkt der zweiten Impfung). Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss, dass bisher nicht oder nicht vollständig geimpfte Schwangere länger dem Risiko einer Infektion mit schwerem Verlauf ausgesetzt sind, wenn die Impfung erst nach der 20. SSW komplettiert wird [12].

Die Vorteile für geimpfte Schwangere beweist die Studie von Sarah Stock et al. aus Schottland [32]. Von Dezember 2020 bis Ende Oktober 2021 wurden 18.457 Schwangere geimpft. Die Vakzinierungsrate von 32,3 % (2 Impfdosen) war bei den bis Oktober 2021 entbundenen Frauen niedrig. In der weiblichen Gesamtbevölkerung (18–44 Jahre) betrug sie 77,4 %. Bei damaliger Dominanz der Delta-Variante konnte eine über 4fach erhöhte perinatale Mortalität bei ungeimpften gegenüber geimpften Frauen nachgewiesen werden. Dies bezog sich auf Geburten innerhalb des Zeitraums von 28 Tagen nach Infektionsbeginn (Abb. 1). Ähnliche gute Ergebnisse konnte die Studie für die Frühgeburtlichkeit zeigen.

Abb. 1
figure 1

Effekt der COVID(„coronavirus disease“)-19-Impfung bei Schwangeren a auf die Frühgeburtenrate, b auf die perinatale Mortalität (IUFT [intrauteriner Fruchttod]) und neonatalen Tod innerhalb der ersten 28 Lebenstage. (Mod. nach [32]). SARS-CoV-2 „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“

Die STIKO (Ständige Impfkommission am RKI) empfiehlt eine COVID-19-mRNA-Impfung mit Comirnaty (BioNTech/Pfizer) mit 2 Dosen für ungeimpfte Schwangere ab dem zweiten Trimenon sowie für ungeimpfte Stillende (Stand 11. Oktober 2022; [26]). Auch wenn die Protektion bei den neueren Virusvarianten (Omikron) geringer ist, schützt die Impfung Schwangere auch vor schweren Verläufen. Eine Auffrischimpfung gilt in gleicher Weise. Es bleibt zu hoffen, dass neu angepasste Impfstoffe im Jahr 2023 auch für diese Zielgruppe zur Verfügung stehen.

Zu hoffen bleibt, dass neu angepasste Impfstoffe in 2023 auch für Schwangere zur Verfügung stehen

Gravierende Nebenwirkungen dieser Impfung sind bei Schwangeren nicht beobachtet worden, und bei Abwägung von Vor- und Nachteilen spricht alles für eine Impfung.

Mehrere Arbeiten haben zudem gezeigt, dass eine Impfung gegen SARS-CoV‑2 nicht mit einer Minderung der Fertilität assoziiert ist: Weder wird dadurch die Spermienqualität, sowohl im normalen als auch im auffälligen Spermiogramm, negativ beeinflusst [30], noch zeigen sich negative Auswirkungen bei geimpften Frauen [5].

Auch während einer laufenden Kinderwunsch-Behandlung ist eine SARS-CoV-2-Impfung möglich

Es scheinen zudem keine ungünstigen Interaktionen mit ART(„assisted reproductive technology“)-Maßnahmen zu bestehen, sodass eine Impfung sogar während einer laufenden ART erfolgen kann [13].

COVID-19 im Schwangerschaftsverlauf

Mittlerweile liegt eine große Datenmenge zu COVID-19-Infektionen während der Schwangerschaft vor, und auch die Ergebnisse aus klinischen Studien konnten zeigen, dass der Verlauf der Infektion während der Schwangerschaft vom Zeitpunkt der Erkrankung (erstes, zweites oder drittes Trimenon) und von vorbestehenden Risikofaktoren abhängt.

Dabei sind Schwangere im ersten Trimester häufiger asymptomatisch infiziert als Schwangere im zweiten oder dritten Trimester [15].

Generell gehören Schwangere zur Risikogruppe für vergleichsweise schwere Krankheitsverläufe mit Intensivpflichtigkeit der Patientinnen in 4–8 % [6, 31]. Gerade bei ausgeprägten Symptomen ist außerdem der Fet zunehmend gefährdet [14]. Das vertikale Transmissionsrisiko mit einer intrauterinen Infektion des Feten ist dagegen sehr gering: In der CRONOS-Registerstudie waren nur 1,13 % der Kinder bei oder kurz nach der Geburt infiziert, und auch andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen [9, 19]. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die von der Mutter bei einer Infektion gebildeten IgG(Immunglobulin G)-Antikörper plazentagängig sind und auf den Feten übertragen werden können [8].

IgG-Antikörpertiter sind im Nabelschnurblut ähnlich hoch wie im maternalen Serum

In einer Arbeit von Garcia-Flores et al. konnte gezeigt werden, dass die IgG-Antikörpertiter im Nabelschnurblut ähnlich hoch waren wie im maternalen Serum. Dabei korrelierte ein schwerer Krankheitsverlauf zwar mit erhöhten IgG-Titern der Mutter, nicht aber im Nabelschnurblut [9].

Neben einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie nach COVID-19 während der Schwangerschaft [21, 25] ist auch das Thromboserisiko für Schwangere mit COVID-19 deutlich erhöht, sodass die DGGG in einer Stellungnahme klare Empfehlungen zur Heparinisierung von infizierten Schwangeren herausgegeben hat, die sich danach richten, ob die Schwangere symptomatisch oder asymptomatisch infiziert ist, und ob sie sich im ambulanten oder stationären Setting befindet (Abb. 2; [1]).

Abb. 2
figure 2

Algorithmus zur Heparinisierung von Schwangeren mit bzw. nach COVID(„coronavirus disease“)-19 [3]. SARS-CoV-2 „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“, VTE „venous thromboembolism“

Auch in der erst kürzlich erschienenen S2k-Leitlinie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) werden die wichtigsten Aspekte zur COVID-19-Infektion in der Schwangerschaft adressiert und Empfehlungen zur Betreuung asymptomatisch infizierter versus mild erkrankter und krankenhauspflichtiger Schwangerer erläutert [3].

COVID-19 im ersten und zweiten Trimenon

Die Symptome einer COVID-19-Infektion im ersten und zweiten Trimester unterscheiden sich meist nicht von denen nicht-schwangerer Frauen und bestehen häufig aus Fieber und respiratorischen Beschwerden.

Auch wenn eine fragebogenbasierte Registerstudie in Großbritannien an über 3000 schwangeren Frauen – bei allerdings geringem Evidenzlevel – ein erhöhtes Abortrisiko bei einer SARS-CoV-2-Infektion im ersten Trimenon mit einem relativen Risiko von 1,7 (Konfidenzintervall 1,0–3,0) vermuten lässt [4], hat sich dies in anderen Analysen nicht bestätigt [16, 29], ebenso wenig wie eine erhöhte Rate an fetalen Fehlbildungen [28]. Allerdings kann die Infektion im ersten Trimester eine Früh- oder Totgeburt zur Folge haben [25].

COVID-19 im dritten Trimenon

Die Prävalenz für SARS-CoV-2-Infektionen ist im dritten Trimenon am höchsten und liegt bei etwa 83 % [17, 24].

Bei Infektionen im dritten Trimenon stehen manchmal gastrointestinale und weniger respiratorische Symptome im Vordergrund, ohne dass dafür bisher eine Erklärung gefunden werden konnte [10]. Das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod (IUFT) und für Frühgeburtlichkeit ist bis 4fach erhöht [2, 7, 22], wobei zwischen spontanen und aus maternaler oder fetaler Indikation notwendigen Frühgeburten unterschieden werden muss.

Auch Wachstumsrestriktionen (IUGR) werden häufiger beobachtet. Daher ist die engmaschige Überwachung im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge nach Beendigung der stationären Behandlung sehr wichtig. Für asymptomatisch oder nur leicht symptomatisch infizierte Schwangere im ambulanten Setting wird dagegen keine intensivierte Schwangerschaftsvorsorge empfohlen [3, 11].

Fazit für die Praxis

  • Die Impfung gegen COVID(„coronavirus disease“)-19 schützt vor schweren Krankheitsverläufen.

  • Die Impfung gegen COVID-19 ist nicht mit negativen Folgen hinsichtlich Fertilität und Schwangerschaftsverlauf assoziiert.

  • Antikörper gegen SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) werden von der Mutter auf den Feten übertragen und bieten einen gewissen Nestschutz.

  • COVID-19 im ersten Trimenon ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie, für Frühgeburtlichkeit und Totgeburten assoziiert.

  • Die Heparinisierung einer mit SARS-CoV‑2 infizierten Schwangeren richtet sich nach den vorhandenen Symptomen, bestehenden Risikofaktoren und dem therapeutischen Setting.