Gebärmutterhalskrebs und seine Früherkennung stellen seit Jahrzehnten eine Kernkompetenz unseres Fachs dar. Dank der bahnbrechenden Entdeckungen von Harald zur Hausen und seinem Team hat sich unser Weltbild deutlich erweitert [4]. Durch die Erkenntnis, dass diese Erkrankung, die weltweit mehr als eine halbe Million Frauen trifft, Familien zerstört und somit ein großes, globales Public-Health-Problem darstellt, nahezu ausschließlich durch humane Papillomaviren (HPV) ausgelöst wird, hat unser Weltbild verändert [22]: nämlich von der sekundären Prävention mittels Zytologie zur primären Prävention durch Impfung.

Das primäre HPV-Screening ist der Zytologie hinsichtlich der Sensitivität deutlich überlegen

Und auch die sekundäre Prävention hat sich verändert: Das primäre HPV-Screening ist hinsichtlich der Sensitivität der Zytologie deutlich überlegen und stellt für Frauen nach dem 30. Lebensjahr die beste – weil kausale – Vorsorge dar [15]. Ferner ist evident geworden, dass neben dem Gebärmutterhalskrebs noch mindestens 5 weitere Krebsarten sowie die häufigen Genitalwarzen durch HPV ausgelöst werden [13]. Damit sind wir beim eigentlichen Thema dieses Artikels angelangt: die Rolle des Mannes in der Epidemiologie von HPV. Hier sind folgende Erkenntnisse entstanden: Männer und Frauen sind gleichermaßen an der Verbreitung von HPV beteiligt. Männer erkranken ebenfalls an (malignen) Erkrankungen, die durch HPV ausgelöst werden. Diese Punkte sollen in weiterer Folge schlüssig abgehandelt werden.

HPV-Impfung – „real world experience“

Im Jahr 2006 wurde die erste HPV-Impfung (Gardasil, Sanofi Pasteur MSD, Lyon, Frankreich) in Europa zugelassen. Im Jahr darauf folgte eine bivalente HPV-Impfung (Cervarix, GlaxoSmithKline, Rixensart, Belgien). Diese beiden stellen die erste Generation der HPV-Impfungen dar. In einer Metaanalyse zum Einsatz dieser ersten Generation wurden Daten aus 14 Ländern und mehr als 60 Mio. Personen erfasst [3]. Die wesentlichen Aussagen dieser Analyse sind folgende: Je höher die Durchimpfungsrate, desto größer ist der Herdeneffekt, das heißt, auch Ungeimpfte profitieren von Impfungen. Und: Je jünger das Impfalter desto größer ist der Effekt. Die Konsequenz ist klar: Die geschlechtsneutrale Impfung hat das Potenzial, die Durchimpfungsrate zu verdoppeln – gerade in Ländern mit einer Durchimpfungsrate von < 50 % (sowohl in Deutschland als auch in Österreich) ist somit die geschlechtsneutrale HPV-Impfung eine Möglichkeit, einen Herdeneffekt zu erzielen.

Nun ist der Herdeneffekt aus der Public-Health-Perspektive sehr wichtig, wird aber wahrscheinlich bei Jungen (und auch deren Eltern) wenig Motivation zur Impfung auslösen, ausgenommen natürlich bei Jugendlichen und deren Eltern, die sich einer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Damit kommen wir zum nächsten Kapitel: der direkte und persönliche Schutz vor Erkrankungen.

HPV-assoziierte Erkrankungen von Männern

Die einfachste Motivation zur HPV-Impfung von Jungen stellen Genitalwarzen dar, erkrankt doch etwa jeder 10. Mann und jede 10. Frau irgendwann im Leben daran, nicht lebensbedrohlich, aber verbunden mit einer massiven Einschränkung der Sexualität und damit der Lebensqualität. Ein Foto von Genitalwarzen am Penis (Abb. 1) ist erfahrungsgemäß ein perfekter Motivator für Jungen. Aus der Perspektive von Jugendlichen ist Krebs ist eine Erkrankung alter Menschen und betrifft ja auch nur die anderen – nie einen selbst. Doch Genitalwarzen, diese Botschaft ist sehr klar verständlich, betrifft auch junge Menschen.

Abb. 1
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Genitalwarzen am Penis. (Mit freundl. Genehmigung, © Prof. Dr. Miklós Sárdy, Budapest, alle Rechte vorbehalten)

Aber natürlich sind maligne Erkrankungen ein wichtiger Faktor, sowohl aus Public-Health-Perspektive als auch für die persönliche Motivation. Und hier sind gleich 3 HPV-assoziierte Malignome bei Männern zu finden: zunächst das Peniskarzinom, eine seltene Erkrankung die durch HPV 16 und am zweithäufigsten durch HPV 6 ausgelöst wird [1]. Ein eigenes Impfprogramm zur Verhinderung des Peniskarzinoms würde sich nicht lohnen, aber der Nebeneffekt ist sehr wünschenswert.

Ein Karzinom, das beide Geschlechter betrifft, ist das Analkarzinom: Es wird vor allem durch HPV 16 ausgelöst. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass dies eine Erkrankung ausschließlich von homosexuellen Männern ist. Diese haben zwar das höchste individuelle Risiko, am häufigsten finden wir Analkarzinome jedoch bei Frauen, gefolgt von heterosexuellen Männern (weil diese eine größere Gruppe darstellen; [17]).

Die wichtigsten HPV-assoziierte Erkrankungen bei Männern sind oropharyngeale Karzinome (Abb. 2), am häufigsten Tonsillenkarzinome: Diese werden, sofern HPV-assoziiert, praktisch ausschließlich durch HPV 16 ausgelöst [6]. Ihre Inzidenz ist stark steigend, und diese Karzinome werden zahlenmäßig bald die Zervixkarzinome überholt haben. Diese neue Entität betrifft im Gegensatz zum klassischen oropharyngealen Karzinom, das vor allem alte Männer von niedrigem sozioökonomischen Status und Nikotin- wie Alkoholabusus betroffen hat, insbesondere jüngere Männer mit hohem Sozialstatus – Michael Douglas (er hat das öffentlich gemacht) ist das bekannteste und auch ein typisches Beispiel.

Abb. 2
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Gaumenkarzinom, HPV-16-positiv. (Mit freundl. Genehmigung, © Prof. Dr. Markus Brunner, Wien, alle Rechte vorbehalten)

Wirksamkeit der HPV-Impfung bei Männern

Wirksamkeitsdaten von HPV-Impfungen gibt es vor allem von der 4fach-Impfung. Hier wurden Studien mit klinischen Endpunkten bei Männern durchgeführt. Von der bivalenten Impfung gibt es nur Daten von Frauen, und bei der nonavalenten HPV-Impfung wurden nur Immunogenitätsdaten erhoben.

Genitalwarzen (hervorgerufen durch HPV 6/11/16/18) bei Männern werden zu 90 % verhindert [7]. Anale high-grade intraepitheliale Läsionen (HSIL) werden zu 75–90 % durch die quadrivalente HPV-Impfung verhindert [14]. Daten zur Prophylaxe von oropharyngealen Läsionen gibt es keine, allerdings werden durch die HPV-Impfstoffe der ersten Generation orale HPV-16-Infektionen zu über 90 % verhindert [2]. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in Zukunft damit auch oropharyngeale Karzinome verhindert werden.

Es liegen auch Wirksamkeitsdaten aus nichtrandomisierten Studien zur Rezidivprophylaxe bei Männern vor. Werden Männer mit Kondylomen mit der quadrivalenten HPV-Impfung geimpft, treten Rezidive um 65 % seltener auf [18], bei analen HSIL um 50 % [19].

Zur derzeit in Deutschland und Österreich verwendeten nonavalenten HPV-Impfung (Gardasil 9, MSD, Lyon, Frankreich) gibt es Immunogenitätsdaten, diese sind bei 2 Impfungen vor dem 15. Lebensjahr und bei 3 Impfungen nach dem 15. Geburtstag noch besser als bei jungen Frauen von 16–26 Jahren [12, 21]. In dieser Kohorte wurde die klinische Wirksamkeit eindrucksvoll nachgewiesen [8, 9]. Auf der Basis der guten Immunogenität gehen die Zulassungsbehörden auch von einer hohen klinischen Wirksamkeit bei Jungen und Männern aus.

Die Impfung mit dem nonavalenten Impfstoff ist hinsichtlich des Herdeneffekts wünschenswert

Da Männer vor allem durch HPV 6 und 16 erkranken, sind sie durch die quadrivalente HPV-Impfung nahezu perfekt geschützt. Eine Nachimpfung mit dem nonavalenten HPV-Impfstoff ist möglich und auch sicher [5], dagegen in einem öffentlichen Impfprogramm wahrscheinlich nicht kosteneffektiv. Allerdings ist es im Interesse des Herdeneffekts wünschenswert, dass möglichst viele Männer auch mit dem nonavalenten Impfstoff geimpft werden, verhindert dies doch potenziell onkogene Infektionen, z. B. mit HPV 33, dem dritthäufigsten HPV-Stamm, den wir in europäischen Zervixkarzinomen vorfinden und erhöhen damit die Sicherheit für ihre Partnerinnen [16, 20].

Diskussion

Männer erkranken häufig durch HPV. Genitalwarzen sind sehr verbreitet, HPV-assoziierte oropharyngeale Karzinome nehmen bei Männern dramatisch zu, anale Karzinome lassen sich durch die HPV-Impfung größtenteils verhindern, das seltene Peniskarzinom zum Teil. Impfprogramme sind hocheffektiv, besonders bei hoher Durchimpfungsrate und niedrigem Impfalter. Die Durchimpfungsrate wird durch die geschlechtsneutrale Impfung potenziell verdoppelt.

Kürzlich ist der ultimative Beweis geliefert worden, dass durch die HPV-Impfung nicht nur Infektionen und Krebsvorstufen, sondern auch invasive Karzinome verhindert werden [10, 11]. Dies ist ein Meilenstein und global ist das Zervixkarzinom nach wie vor eines der häufigsten Karzinome. Die Wahrnehmung der HPV-Impfung als „Gebärmutterhalskrebsimpfung“ wurde aber ihrem vollen Potenzial und der Epidemiologie von HPV nicht gerecht. Männer verdienen es, direkt vor HPV-assoziierten Erkrankungen geschützt zu werden und sie schützen damit auch ihre Partnerinnen – ebenso wie umgekehrt.

Nachgewiesen ist, dass durch die HPV-Impfung auch invasive Karzinome verhindert werden

Bei einer hohen Durchimpfungsrate von Mädchen und dem klinischen Endpunkt der Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs könnte auf ein geschlechtsneutrales Impfprogramm verzichtet werden – dies ist allerdings kurzsichtig, da vor allem die Risikogruppe von homosexuellen Männern, die immerhin 5–15 % der männlichen Bevölkerung ausmacht, unberücksichtigt bleibt. Und diese Gruppe hat ein erhöhtes individuelles Infektions- und Erkrankungsrisiko. Spezielle Programme für Risikogruppen funktionieren schlecht. Hier ist es sinnvoller, frühzeitig alle Jungen zu impfen. Zum Zeitpunkt des Coming-out ist meist der optimale Impfzeitpunkt versäumt worden. Und auch die vulnerable Gruppe der Transgenderpopulation profitiert von einer frühen geschlechtsneutralen Impfung.

Die geschlechtsneutrale HPV-Impfung ist in vielen Analysen als sehr kosteneffektiv beurteilt worden, nicht zuletzt ist England trotz einer sehr hohen Durchimpfungsrate bei Mädchen auf ein geschlechtsneutrales Programm umgestiegen.

In den letzten beiden Jahren kam es global zu einem erhöhten Bedarf an HPV-Impfstoffen, daher hat die WHO (World Health Organization) empfohlen, dass insbesondere ressourcenschwache Länder sich zunächst auf die Mädchen konzentrieren sollen. Allerdings wäre es kontraproduktiv, bereits eingeführte geschlechtsneutrale Programme zu „kippen“, insbesondere wenn die Durchimpfungsrate bei Mädchen unter 70 % liegt.

In einer 2021 vorgestellten Analyse zeigte sich, dass die HPV-Impfung von Jungen in Deutschland zwar an Fahrt aufnimmt, aber trotzdem nur insgesamt 14 % der Zielgruppe geimpft sind (Wähner C, Eurogin 2021). Österreich hatte zwar 2007 die weltweit erste Empfehlung zur geschlechtsneutralen Impfung und war 2014 das erste europäische Land mit voller Finanzierung der Impfung von Jungen im Kinderimpfprogramm, jedoch liegt auch dort die Durchimpfungsrate unter 50 %.

Fazit für die Praxis

  • Männer erkranken häufig durch HPV (humane Papillomviren).

  • Genitalwarzen (HPV 6,11) treten bei Männern oft auf.

  • HPV-16-assoziierte oropharyngeale Karzinome nehmen bei Männern stark zu.

  • Analkarzinome und Peniskarzinome werden durch HPV verursacht (HPV 16, 6).

  • HPV-Impfprogramme sind besonders bei früher Impfung und hoher Durchimpfungsrate (> 70 %) hocheffektiv.

  • Die geschlechtsneutrale HPV-Impfung kann die Durchimpfungsrate verdoppeln.

  • Geschlechtsneutrale HPV-Impfung schützt alle Jungen und Männer unabhängig von deren sexueller bzw. geschlechtlicher Orientierung.