Gründung und Namensgebung

Mit dem Wahlspruch „Numquam otiosus“ gründeten 4 Schweinfurter Ärzte im Jahr 1652 eine Academia Naturae Curiosorum. Zwanzig Jahre später erhielt die Akademie bereits die öffentliche Anerkennung durch kaiserliches Signum und Bestätigung der Statuten. Es war Kaiser Leopold I., der die wachsende Bedeutung der Akademie erkannte und diese mit besonderen Privilegien ausstattete, die ihre Unabhängigkeit von den einzelnen Dynastien im Reich und die Zensurfreiheit ihrer Veröffentlichungen garantierten. Obwohl auch die nachfolgenden Kaiser Karl VI. und Karl VII. diese Privilegien sicherten und sogar noch erweiterten, was ihnen durch die Einfügung ihres Namens in den Titel der Akademie „Sacri Romani Imperii Academia Caesarea Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum“ vergolten wurde, hat sich später die Kurzform „Leopoldina“ durchgesetzt. Die offizielle Bezeichnung lautete, nachdem Latein als Lingua franca in den Hintergrund getreten war, bis zur Ernennung zur Nationalen Akademie „Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina“. Ihr Wirken war niemals unterbrochen, auch nicht in schwierigen Zeiten. Sie ist damit die älteste kontinuierlich bestehende wissenschaftliche Akademie der Welt.

Wissenschaftliche Revolution der Neuzeit

Warum fand Wissenschaft in den deutschen Ländern im 17. Jahrhundert einen fruchtbaren Boden, warum bestand im 17. Jahrhundert ein politisches Interesse an unabhängiger Wissenschaft, und warum waren es Ärzte, die eine naturwissenschaftliche Akademie gründeten? Mit diesen Fragen werden wir uns zumindest kurz zu beschäftigen haben.

Es herrscht weitgehender Konsens, dass die wissenschaftliche Revolution der Neuzeit schon im ausgehenden Mittelalter ihren Ursprung hatte. Das tradierte, aus dem Altertum überlieferte Wissen, etwa von Aristoteles und Ptolemäus stammend, verband sich mit Resultaten eigener empirischer Untersuchungen. Bis 1500 lag das Zentrum der naturwissenschaftlichen Gelehrsamkeit in Oberitalien. Die Bedeutung der oberitalienischen Universitäten ging danach langsam zurück. Mit Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler, Tycho Brahe, Francis Bacon, René Descartes und Isaac Newton, um nur einige der epochemachenden Vertreter zu nennen, entwickelten sich neue Zentren der Gelehrsamkeit nördlich der Alpen. Möglicherweise leistete der Protestantismus hierbei Vorschub, da er mit der Vorstellung individueller Erkenntnisfähigkeit eher sympathisierte als die Katholizität [1].

Richten wir unseren Blick nun auf das Jahr 1652. Bis vor 4 Jahren tobte der 30-jährige Krieg und hinterließ traumatisierte Seelen und verwüstete Ländereien. Auch auf den Universitätsbetrieb hat er sich desaströs ausgewirkt [2]. Es ist anzunehmen, dass das Bedürfnis intellektueller Betätigung nach Abschluss des Westfälischen Friedensvertrags ebenso groß war wie die Sehnsucht nach geordneter Verwaltung. Jedenfalls resultierte nicht nur die Einführung des Kameralismus an deutschen Fürstenhöfen, sondern auch ein Sturm Studierwilliger auf die Universitäten. Obwohl die Bevölkerungszahl im Reich um ein geschätztes Drittel zurückgegangen war, lagen die Immatrikulationszahlen der großen Universitäten Leipzig, Köln, Jena, Würzburg, Wien, Graz im Jahrzehnt ab 1651 deutlich über denen vor Kriegsbeginn [3].

In diese Zeit also der Sehnsucht nach Normalität, der Neugier auf die aktuellen Wissensbestände, fiel der Zusammenschluss der zunächst 4 Schweinfurter Ärzte. Es wird eine Enzyklopädie geplant und zur Bereitstellung bereits vorliegender Erkenntnisse im Jahr 1670 eine Zeitschrift gegründet, die bis heute erscheint, Miscellania Curiosa Medico-physica Academiae Naturae Curiosorum. Es ist die erste naturwissenschaftlich-medizinische Zeitschrift der Welt [4]. Während die Medizin noch bis ins 17. Jahrhundert von der Scholastik geprägt und von den Lehren der alten Autoritäten bestimmt war [5], hielt das spätere 17. Jahrhundert für die Heilkunst neue Erkenntnisse und Sichtweisen von Naturwissenschaftlern und anderen Nichtmedizinern bereit, etwa solchen von Francis Bacon, René Descartes und Antoni van Leeuwenhoek. Paradigmatisch für die neue Form der Erkenntnisgewinnung ist der experimentelle Nachweis des Blutkreislaufs 1628 durch William Harvey, der mit dieser Pioniertat die Humorallehre des Corpus Hippocraticum aus dem 5. bis 2. Jahrhundert v. Chr. in den Orkus schickte.

Akademien und Obrigkeit

Die Unterstützung wissenschaftlich-methodischer Innovationen durch die Obrigkeit, wie im Fall der Leopoldina durch das kaiserliche Siegel rasch nach der Gründung materialisiert, ist ebenfalls ein Novum des 17. Jahrhunderts. Trotz der Verbreitung neuer Denkweisen in der Renaissance mit dem Menschen und seiner Freiheit im Zentrum aller Betrachtungen wurden neue Ideen von den Mächtigen lange Zeit noch wie im Mittelalter angefeindet. Beispielhaft steht hierfür der Prozess, in den Galileo Galilei 1633 wegen seines Propagierens des heliozentrischen Weltbildes verwickelt wurde.

Gemäß dem Diktum „Wissen ist Macht“ von Francis Bacon (Nam et ipsa scientia potestas est [6]) erkannten die Herrscher bald die Chancen, die sich durch Pflege der Wissenschaft für die wirtschaftliche und strategische Entwicklung auftun können. Dass die Medizin hierbei eine herausgehobene Rolle spielen würde, war im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nach dem immensen Bevölkerungsverlust durch Krieg und Pest evident. In anderen Nationen entstanden ebenfalls wissenschaftliche Akademien. Sie wurden zum Teil sogar von Monarchen oder deren Vertretern gegründet, etwa die Académie des Sciences im Jahr 1666 unter Louis XIV, initiiert von Jean-Baptiste Colbert, eine Gesellschaft, in die Frauen erst seit 1979 als Vollmitglieder zugelassen sind! [7].

Die Vorläuferin der heutigen spanischen Real Academia de Ciencias Exactas, Físicas y Naturales (gegr. 1847) war die Academia Real Matematica, gegründet von Filipe II mit militärisch relevanten Arbeitsschwerpunkten wie Geographie, Astronomie und Navigation. Die russische Akademie der Wissenschaften wurde von Zar Peter I., dem Großen, 1724 mit dem Ziel der Modernisierung seines rückständigen Riesenreiches gegründet.

Wandel der Zeit

Obwohl die Gründungsmitglieder der Leopoldina Ärzte waren, obwohl die Statuten (leges) der Akademie postulierten, dass nur „Doktoren, Lizentiaten, oder diesen an Gelehrsamkeit Nahestehende, alle jedoch Ärzte“, als Mitglieder zuzulassen sind und obwohl die erste Aufgabe der Akademie die Erarbeitung einer Enzyklopädie der Heilkunde war, wäre es falsch, von einer medizinischen Akademie zu sprechen. Schon die ersten Forschungsthemen umfassten Gegenstände aus dem Mineralien‑, Pflanzen- und Tierreich. Eine Fächersystematik, wie wir sie heute kennen, mit Bezeichnungen für Disziplinen wie Biologie oder Physik hielt erst im 19. Jahrhundert Einzug in die Wissenschaft [8], und so wurden auch in der Leopoldina Fachsektionen erst 1872 eingeführt [4].

Zwischen 1703 und 1878 hatte die Leopoldina ihren Sitz am Wohnort des jeweiligen Präsidenten. Es waren also Wanderjahre, die erst ihren Abschluss fanden, als die Leopoldina unter ihrem damaligen Präsidenten 1878 nach Halle umzog. Die wertvollen Bestände der Akademie waren so umfangreich geworden, dass weitere Umzüge nicht mehr zu vertreten waren.

Zäsuren gab es durch den Nationalsozialismus, als jüdische Mitglieder ausgeschlossen wurden, und durch die sowjetische Besatzung sowie in Folge durch die DDR-Regierung, die den internationalen Austausch erschwerte. Dennoch rissen die Verbindungen zur Bundesrepublik und den Stammlanden nicht völlig ab. Die DDR-Regierung hat die Rechtmäßigkeit der Leopoldina anerkannt und ihr die Selbstverwaltung entsprechend ihren Statuten eingeräumt, ohne ihr allerdings einen definierten juristischen Status zuzuweisen. Nachdem 1955 die Abhaltung von Jahresversammlungen der Akademie eingeführt worden war, wurden diese zu hochwillkommenen Begegnungsstätten vor allem junger Wissenschaftler und anderer Interessierter mit renommierten Persönlichkeiten der Spitzenforschung aus dem Westen. Daneben existierte die „Akademie der Wissenschaften der DDR“ (bis 1972 unter dem Namen „Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“). Nach sowjetischem Vorbild handelte es sich dabei sowohl um eine Gelehrtengesellschaft als auch vor allem um eine Trägerorganisation außeruniversitärer Forschungsinstitute mit ca. 24.000 Mitarbeitern [9].

Nach der Wiedervereinigung erhält die Leopoldina die Rechtsform eines eingetragenen Vereins und bewahrt Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Unverändert konzentriert sich das Fächerspektrum zunächst auf Naturwissenschaften und Medizin. Neu geordnet werden aber Gliederung und Arbeitsweise der Akademie, worauf wir unten zurückkommen werden. Die weitere Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine Erweiterung des Fächerspektrums in den Kultur- und Sozialwissenschaften und den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, vor allem in der Amtszeit des Virologen Volker ter Meulen (2003–2010) als Präsident und danach erfolgreich fortgesetzt von dem Infektionsbiologen Jörg Hacker (2010–2020), seit März 2020 ist der Paläoklimatologe Gerald H. Haug Präsident der Akademie. Der Beschluss, die Leopoldina im Jahr 2008 zur ersten Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands zu ernennen, ist Folge der zu Beginn des Jahrtausends stark angewachsenen internationalen Aktivitäten und der Abrundung des in der Akademie vertretenen Fächerspektrums. Seit 2010 befindet sich der Hauptsitz der Akademie in einem repräsentativem Gebäude am Jägerberg in Halle (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Hauptsitz der Leopoldina. (© A.‑L. Grosu)

Strukturen und Arbeitsweise

Mit der Ernennung der Leopoldina zur Nationalen Akademie der Wissenschaften haben sich Aufgaben und Arbeitsweise grundlegend geändert. Aus einer klassischen Gelehrtengesellschaft mit überwiegend interner Kommunikation ist eine Arbeitsakademie entstanden, die ihre Aufgabe in der Vertretung der deutschen Wissenschaft im Ausland und in der wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Öffentlichkeit bei wichtigen Themen und Fragen der Zeit sieht. Diese Aufgabenstellung bestimmt die heutige Organisationsstruktur. Neben die Klassen und Sektionen sind Arbeitsgruppen und Wissenschaftliche Kommissionen sowie ein Ständiger Ausschuss getreten. Geleitet wird die Akademie durch ein Präsidium, dem der Vorstand im Sinne des Gesetzes angehört. Er setzt sich zusammen aus dem Präsidenten und 4 Vizepräsidenten, die die 4 Klassen der Leopoldina repräsentieren: I. Mathematik, Natur- und Technikwissenschaften, II. Lebenswissenschaften, III. Medizin, IV. Geistes‑, Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Derzeit (Stand 2020) repräsentiert Thomas Krieg (Köln) als Vizepräsident die Klasse Medizin. Weiter gehören dem Präsidium jeweils 1 Sekretar der Klassen an. Sekretar der Klasse Medizin ist derzeit (Stand 2020) Hans-Peter Zenner (Tübingen). Fachlich gliedert sich die Akademie in 28 Sektionen. Die klinische Medizin wird von 6 Sektionen repräsentiert, 1 davon unter der Bezeichnung Radiologie. Ihr gehören auch Nuklearmedizin und Radioonkologie ebenso an wie Medizinische Physik und Radiochemie/Radiopharmazie. Medizinische Grundlagenfächer sind durch 7 weitere Sektionen vertreten. Der oder die Vorsitzende (Senator/in) wird von den Mitgliedern für jeweils 4 Jahre gewählt. Es hat sich in der Praxis der letzten 30 Jahre bewährt, dieses Amt durch die 3 klinischen Fachgebiete rotierend zu besetzen und eine Person als Stellvertreter/in vorzuschlagen, der/die ein anderes Fach repräsentiert. Derzeit (Stand 2020) leiten die beiden Autoren dieses Beitrags die Sektion Radiologie.

Die Probleme unserer Zeit, mit denen sich die Wissenschaft auseinanderzusetzen hat, überschreiten in aller Regel die Grenzen der Fächer und der Kompetenzen, die in einer Klasse angesiedelt sind. Deshalb hat die Leopoldina Wissenschaftliche Kommissionen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, wichtige Themen der Zukunft zu beraten und daraus Themenvorschläge für die Politik- und Gesellschaftsberatung abzuleiten. Diesen Kommissionen gehören auch Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft an. Derzeit arbeiten 7 Wissenschaftliche Kommissionen zu folgenden Schwerpunkten: demografischer Wandel, digitalisierte Gesellschaft, Individuum und Gesellschaft, Lebenswissenschaften, Wissenschaft im Gesundheitssystem, Wissenschaftsethik, Zukunftsreport Wissenschaft. Neben den Wissenschaftlichen Kommissionen werden speziell für die Erarbeitung von Stellungnahmen Arbeitsgruppen eingesetzt. Die Stellungnahmen sind ein Instrument, um Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft eine wissenschaftliche Grundlage für Diskussionen und politische Maßnahmen an die Hand zu geben. Es gab an Stellungnahmen mit Medizinbezug z. B. solche zur Antibiotika-Forschung, zur individualisierten Medizin, zu klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln am Menschen, zur medizinischen Versorgung im Alter, zur Palliativversorgung in Deutschland, zur prädiktiven genetischen Diagnostik, zur Präimplantationsdiagnostik und zu Public Health in Deutschland. Aktuell arbeitet eine Arbeitsgruppe mit medizinischem Bezug zum Thema Hirnorganoide – Chancen und Grenzen.

Sektion Radiologie

Stellungnahmen, Broschüren, Sammelbände mit Beiträgen zu Symposien werden auch direkt aus den Sektionen oder Klassen heraus initiiert. Die Sektion Radiologie hat seit der Jahrtausendwende 3 Symposien veranstaltet: 2003 „Bildgebung und Tumorheilung“, 2007 „Braucht Deutschland Strahlenforschung?“, 2015 „Strahlenforschung in der Medizin – Klinische Relevanz und Perspektiven“. Zielsetzung der Symposien ist, in allgemeinverständlicher Form aufzuzeigen, welchen Beitrag die Forschung an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen zur Innovation und Verbesserung der Patientenversorgung leistet und wo in Zukunft besonderer Forschungsbedarf besteht, der eine Unterstützung durch die öffentliche Hand erforderlich macht. Mit dem Band in den Nova Acta Leopoldina, der nach dem letztgenannten Symposium herausgegeben wurde, ist dies offenbar gelungen, gemessen an der nachhaltigen Resonanz, die der Band nicht nur innerhalb der Akademie gefunden hat [10]. Das nächste interdisziplinäre Symposium, das die Sektion Radiologie plant, wird dem Thema künstliche Intelligenz gewidmet sein.

Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft in der Leopoldina stellt nicht nur eine hohe wissenschaftliche Auszeichnung dar, sie verpflichtet auch zu aktivem Engagement. Die Akademie ist in besonderem Maße auf die ehrenamtliche Mitarbeit ihrer Mitglieder angewiesen und hat den Anspruch, ihre Gremien und Komitees ausgewogen zu besetzen. Die Mitgliedschaft resultiert aus einem mehrstufigen Zuwahlverfahren, das initiiert wird durch einen Vorschlag eines Leopoldinamitglieds. Der Vorschlag wird an eine für die Zuwahlen zuständige Arbeitsgruppe der jeweiligen Sektion gerichtet. Alle Mitglieder der Sektion sind aufgefordert, ein Votum bezüglich der Priorität der Zuwahl mit Begründung abzugeben. Auf der Ebene der Klasse Medizin werden sämtliche Vorschläge daraufhin geprüft, welchen Sektionsvorschlägen bei einer limitierten Zahl möglicher Neuaufnahmen der Vorzug gegeben werden soll. Die dritte Stufe des Zuwahlverfahrens besteht in der Diskussion der Vorschläge und schließlich in der Entscheidung auf der Ebene des Präsidiums. Neben den üblichen Kriterien der wissenschaftlichen Exzellenz tragen Gesichtspunkte wie thematische Ergänzung des Kompetenzspektrums der Sektion oder der Klasse, bei ausländischen Kandidaten der Bezug zur deutschen Wissenschaftslandschaft und generell der zu erwartende Nutzen für die Akademie durch die Mitgliedschaft des jeweiligen Kandidaten zur Entscheidungsfindung bei. Derzeit gehören der Leopoldina ca. 1600 Mitglieder, darunter etwa 220 Frauen, aus über 30 Ländern an.

Gesellschaftliche Bedeutung der Tätigkeit der Akademie an Beispielen der Medizin

Die Förderung des Diskurses in der Gesellschaft betrifft eine Reihe medizinischer Themen, etwa wenn Leopoldina und Akademieunion eine Stellungnahme abgeben „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“. Diese und andere Stellungnahmen (einige wurden oben schon genannt) werden initiiert, wenn weitgehender Konsens besteht, dass der aktuelle Ordnungsrahmen dem gesellschaftlichen Wandel nicht gerecht wird. In jüngster Zeit (Stand 2020) ist die Leopoldina durch mehrere Stellungnahmen zu COVID-19 in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit gerückt.

Beispiele für die Mitgestaltung des internationalen Dialogs sind die unter der Federführung der Leopoldina gestartete Initiative „Air Pollution and Health“, an der 4 Länder durch ihre jeweiligen Wissenschaftsakademien beteiligt sind, oder ein Symposium „Global Mental Health in the Era of Sustainable Development: Research and Policy Priorities“, das die Südafrikanische Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit der Leopoldina unter Beteiligung von Fachleuten aus Brasilien, China und Indien durchgeführt hat.

Gesellschaftliche Wirkung sollen auch weitere Anliegen der Leopoldina entfalten: Förderung der Präsenz weiblicher Wissenschaftler im öffentlichen Diskurs und Nachwuchsförderung, etwa durch ein Stipendienprogramm für exzellente junge Wissenschaftler/innen nach der Promotion, oder die Etablierung der „Jungen Akademie“ zusammen mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Einladungen an Schulklassen zur Teilnahme an den Jahresversammlungen der Leopoldina sollen Neugier auf Arbeitsweise und Resultate von Wissenschaft wecken und der weit verbreiteten Wissenschaftsskepsis entgegenwirken.

Die Rolle, die die Mitglieder der Leopoldina bei all diesen Aktivitäten einnehmen, ist dadurch gekennzeichnet, dass persönliche, fachspezifische und berufspolitische Interessen in den Hintergrund (zu) treten (haben). Für Kollegen, die noch aktiv im klinisch-medizinischen Berufsleben stehen und sich im kompetitiven Umfeld von Fakultät, Klinikum, Fachgesellschaften und Förderorganisationen behaupten müssen, eröffnet diese Rolle oft eine ungewohnte Perspektive, die der Erweiterung des Horizonts dienlich sein kann.