Pathophysiologische Grundlagen des klinischen Erscheinungsbilds

Mit Auftreten des neuartigen „severe acute respiratory syndrome corona virus 2“ (SARS-CoV-2) hat sich eine neue Krankheitsentität entwickelt, die durch das Vorliegen einer Pneumonie und Erkrankung anderer Organsysteme bis hin zum Multiorganversagen gekennzeichnet ist [1]. Auslöser ist ein einsträngiges RNA-Coronavirus, das sein natürliches Reservoir in Fledermäusen hat, aber als Zwischenwirt auch Schuppentiere nutzt [2]. Das Virus dringt über nasale und bronchiale Epithelzellen, wo es an Angiotensin-konvertierendes-Enzym-2-Rezeptoren (ACE-2) bindet, in den Körper ein. Es infiziert und tötet T‑Lymphozyten und induziert wie andere Atemwegserkrankungen eine deutliche, auch klinisch fassbare Lymphopenie. Im weiteren Verlauf der Infektion werden neben den epithelialen Zellen auch Endothelzellen infiziert; es resultiert eine Endothelialitis [3] und als eine Folge der Entzündungsreaktion neben einer Vasoplegie eine Infiltration des alveolären Raums mit Makrophagen und neutrophilen Granulozyten. Weil auch die endotheliale Barriere gestört ist, entwickeln sich interstitielle und alveoläre Ödeme und Gewebsvermehrungen, was einerseits die Störung des Gasaustauschs und andererseits die Milchglastrübungen in der radiologischen Diagnostik erklärt.

Die COVID-19-Pneumonie wird auf Grund des klinischen Bildes, der CT-Befunde und des Ansprechens auf die therapeutischen Maßnahmen zur Atemunterstützung in einen L(„low“)- und einen H(„high“)-Typ unterschieden [4]. Welcher Typ vorliegt, ist dabei abhängig von verschiedenen Faktoren:

  1. 1.

    dem Schweregrad der Infektion, der durch die Immunantwort des Patienten, die physiologische Reserve und Komorbiditäten bestimmt wird,

  2. 2.

    der ventilatorischen Reaktion auf die Hypoxie,

  3. 3.

    der Dauer zwischen Symptombeginn und Vorstellung im Krankenhaus.

Zu Beginn der Erkrankung zeigt sich ein L‑Typ. Dieser zeichnet sich aus durch:

  • „low“ (niedrige) Elastance (d. h. hohe Compliance der Lunge),

  • „low“ (niedriges) Ventilations/Perfusions-Mismatch (VA/Q),

  • „low“ (niedriges) Lungengewicht (in der CT vor allem Korrelation mit subpleuralen Milchglastrübungen),

  • „low“ (niedriges) Rekrutierungspotenzial (wenige nichtbelüftete Lungenareale).

Beim L‑Typ führt die Virusinfektion zu einem mäßigen lokalen interstitiellen Ödem. Die Hypoxämie wird durch eine entzündungsbedingte Vasoplegie und ein erhöhtes Shuntvolumen bedingt, wobei die Lungenmechanik wenig gestört ist. Sie wird durch ein erhöhtes Atemminutenvolumen ausgeglichen, was bei initial erhaltener Compliance auch gelingt. Obwohl die Kriterien für ein akutes Lungenversagen („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) erfüllt sind, unterscheidet sich die Therapie der respiratorischen Insuffizienz von der des klassischen ARDS mit bilateralen, konsolidierenden Infiltraten und einer Hypoxämie. Die Erkrankung kann in diesem Stadium ausheilen oder in einen Typ H übergehen.

Der H‑Typ entspricht dem klassischen ARDS und zeichnet sich durch folgende Kriterien aus:

  • „high“ (hohe) Elastance (niedrige Compliance der Lunge),

  • „high“ (hoher) Rechts-Links-Shunt mit hohem Ventilations/Perfusions Mismatch,

  • „high“ (hohes) Lungengewicht,

  • „high“ (hohe) Rekrutierbarkeit.

Bei sehr schweren COVID-19-Verläufen entwickelt sich eine ausgeprägte systemische Entzündungsreaktion, die mit einer massiven Zytokinausschüttung einhergeht und u. a. eine disseminierte intravasale Gerinnung mit Verbrauch von pro- und antikoagulatorischen Gerinnungsfaktoren hervorruft [5, 6]. Gefürchtet sind bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten thrombotische Komplikationen, die tiefe Beinvenenthrombosen, Lungenembolien, aber auch Schlaganfälle, Myokardinfarkte und Extremitätenarterienverschlüsse [7]. Da ACE-2-Rezeptoren auch ausgeprägt im Gehirn exprimiert werden, scheint auch eine direkte neuronale Infektion möglich und könnte einen Teil der beobachteten Enzephalitiden erklären. Auch das bei COVID-19-Patienten häufig zu beobachtende Nierenversagen kann durch die systemische Entzündung, die disseminierte intravasale Gerinnung, den Schockzustand mit Hypoxie, aber auch durch eine direkte Infektion tubulärer Zellen verursacht sein [8].

Typischerweise verläuft die SARS-CoV‑2 in aufeinanderfolgenden Phasen, die das klinische Bild und in der Folge das klinische Vorgehen bestimmen. Diese sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Krankheitsphasen einer SARS-CoV-2-Infektion

Infektiosität von COVID-19-Patienten

Die Übertragung des Virus erfolgt über Tröpfcheninfektion aus Aerosolen der Atemwege; die Infektiosität ist am höchsten zum Zeitpunkt des Auftretens von Krankheitssymptomen. Die Virusausscheidung [9] und damit die Infektiosität beginnt aber schon etwa 2–3 Tage vor dem Auftreten erster Symptome [10]. Es scheint so zu sein, dass Infektionen durch asymptomatische Virusträger eher selten sind [11]. Eine entscheidende Frage gerade in Zeiten, in denen die Zahl der Menschen steigt, die schon eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, ist die Dauer der Infektiosität. Hier zeigen Studien, dass Viruskulturen von ehemals infizierten Patienten ca. 8 Tagen nach Symptombeginn nicht mehr positiv werden. In epidemiologischen Studien konnte gezeigt werden, dass Infektionen durch Indexpatienten 5 Tage nach Symptombeginn selten sind [12].

Klinische Präsentation und Verlauf

Die allermeisten Patienten entwickeln klinische Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion spätestens 12 Tage nach Inokulation des Erregers, meist bereits nach 5 Tagen [13]. Männliche Patienten sind häufiger betroffen (60 % der hospitalisierten Patienten) und haben kompliziertere Krankheitsverläufe [14]. Eine große chinesische Studie hat gezeigt, dass aus einer Grundgesamtheit von fast 45.000 Patienten ca. 81 % der Patienten einen leichten Infektionsverlauf haben, 14 % schwere und 5 % lebensbedrohliche Verläufe (mit Lungenversagen, Sepsissyndrom, Multiorganversagen; [15]). Prädiktiv für einen komplizierten Krankheitsverlauf sind Komorbiditäten. In einer großen deutschen Studie lag in 56 % der Fälle eine arterielle Hypertonie, in 28 % ein Diabetes mellitus, in 27 % eine kardiale Arrhythmie, in 23 % eine Niereninsuffizienz, in 20 % eine Herzinsuffizienz und in 14 % eine chronische Lungenerkrankung vor [14].

Die häufigsten Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion sind:

  • Fieber (bis zu 90 %),

  • trockener Husten (60–86 %),

  • Luftnot in Ruhe oder bei Belastung (53–80 %),

  • gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall (15–39 %),

  • Myalgie (15–44 %),

  • Geruchs- und Geschmacksstörung (64–80 %).

Als Veränderungen der Laborwerte werden eine Lymphopenie und eine leichte Thrombozytopenie im Blutbild beschrieben. Häufig findet sich auch eine Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH), der Transaminasen sowie des C‑reaktiven Proteins (CRP) und Veränderungen der Gerinnung im Sinne einer aktivierten Koagulation (D-Dimere erhöht, partielle Thromboplastinzeit [PTT] verlängert). Ist das Herz im Krankheitsprozess beteiligt, werden erhöhte Biomarker (Troponin und NT-Pro-BNP [B-Typ-natriuretische Peptide]) beobachtet. Alle diese Laborwertveränderungen sind unspezifisch [16].

COVID-19 ist eine systemische Infektion, die letztlich jedes Organ betreffen kann. So wurden kardiale Manifestationen mit Myokarditis, Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörungen und Kreislaufversagen beschrieben [20]. Bei schwer Erkrankten treten auch zerebrovaskuläre Manifestationen und in bis zu 8 % der Patienten auch Enzephalitiden auf [17, 18]. Venöse oder auch arterielle thrombembolische Komplikationen erleiden 10–25 % der mit COVID-19 hospitalisierten Patienten; bei den intensivmedizinisch behandelten Patienten sind diese noch häufiger [19, 20].

Eine intensivmedizinische Behandlung ist bei ca. 17–35 % der COVID-19-Patienten erforderlich, meist aufgrund eines hypoxischen Lungenversagens. In der schon erwähnten deutschen Beobachtungsstudie wurden 17 % der stationär behandelten Patienten beatmet, von denen zwei Drittel über 60 Jahre alt waren. Die Mortalität der beatmeten Patienten lag bei ca. 50 %. Ein dialysepflichtiges Nierenversagen bestand bei 6 % der Patienten. Ein 2‑Organ-Versagen (Beatmungs- und Dialysepflichtigkeit) ging mit einer Mortalität von 73 % einher [14]. Eine Leberbeteiligung mit erhöhten Leberwerten wurde in einer anderen Studie in 19 % der Fälle beschrieben.

Notfallmedizinisches Vorgehen in der COVID-19-Pandemie

Screening auf die Möglichkeit einer SARS-CoV-2-Infektion

In der Pandemie stellt sich bei jedem Patienten, der sich in einem Notfallzentrum des Krankenhauses vorstellt, die Frage, ob eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegt und diese die beobachteten Krankheitserscheinungen erklären kann [21]. Es ist wichtig, infektionsgefährdende COVID-19-Patienten sofort zu identifizieren. Das bedeutet, dass die Patienten bereits vor Betreten des eigentlichen Krankenhausbereichs auf Symptome hin befragt werden müssen, die auf eine Infektion hinweisen sowie nach einem Aufenthalt in einem Gebiet mit hohem Infektionsrisiko. Diese Vorevaluation findet häufig in Zelten vor dem Krankenhaus statt. Hierzu hat das Robert Koch-Institut (RKI) eine Orientierungshilfe für Ärzt*innen entworfen, die an die Bedingungen der jeweiligen Häuser angepasst werden muss [22]. Als Beispiel ist in Abb. 1 das Vorgehen in der München Klinik dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Ersteinschätzungsbogen für ein Notfallzentrum für die Erkennung von COVID-19-Risikofällen

Auf diesem Triagebogen werden primär schwerste Infektionen anhand des Q‑SOFA-Scores identifiziert und die weiteren relevanten Informationen in Themenblöcken (Block 1: Respiratorische Symptome, Block 2: Allgemeine Infektsymptome, Block 3: Infektionsrisiko durch mögliche Exposition) abgefragt. Sollten sich Infektsymptome oder Risikokonstellationen herausstellen, werden die Patienten in dem separierten Abklärungsbereich des Notfallzentrums durch pflegerisches und ärztliches Personal behandelt, die komplett mit persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet sind.

Schockraumversorgung in der Corona-Pandemie

Alle Patienten, die im Schockraum behandelt werden, müssen potenziell als infektiös gelten, und es werden spezifische Schutzmaßnahmen erforderlich. Diesbezüglich haben die Vereinigungen für Wiederbelebung für die COVID-19-Pandemie Empfehlungen herausgegeben. Alle Mitglieder des Schockraumteams müssen komplette persönliche Schutzausrüstung tragen, die Maßnahmen an den Atemwegen sind von darin Geübten durchzuführen und das Team sollte auf die absolut notwendige Personalstärke reduziert werden [23].

Notfallmedizinische Diagnoseschritte in der Corona-Pandemie

Nach der Erstevaluation muss bei allen COVID-19-Verdachtsfällen die Diagnose gesichert werden. Dazu wird Atemwegssekret gewonnen und mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) untersucht. Die Sensitivität dieser Test hängt von dem gewonnenen Material, der richtigen Technik der Gewinnung und dem Zeitpunkt der Infektion ab. So hat eine Studie berichtet, dass die Rate richtig-positiver Tests 4 Tage nach der Infektion 33 %, zum Zeitpunkt des Auftretens von Symptomen 62 % und 3 Tage nach Symptombeginn 80 % beträgt [24,25,26]. In Notfallzentren können Schnelltests als PCR durchgeführt werden, die nach 30–45 min ein Ergebnis liefern. Antikörpertestungen spielen in der Notaufnahme keine Rolle.

Einige Patienten in der Notaufnahme können krankheitsbedingt nicht in der Vortriage befragt und identifiziert werden. Weil diese Patienten aber oft so schwer krank sind, dass sie einer intensivmedizinischen Behandlung oder zumindest einer Überwachung bedürfen und gerade in diesen Bereichen eine Infektionsgefährdung für andere Patienten und das Personal vermieden werden muss, ist es wichtig, bei diesen Patienten neben der PCR zusätzliche Diagnostik hinzuzuziehen. Diese besteht im Notfallzentrum in der bettseitigen sofort durchzuführenden Lungensonographie und der Computertomographie der Lunge. Auf diese Weise kann die diagnostische Sicherheit beträchtlich erhöht werden.

Weitere Aufgabe der Notfallzentrums ist die Evaluation der Patienten bezüglich möglicher Differenzialdiagnosen, denn auch das Vorliegen einer positiven SARS-CoV-2-PCR schließt andere Krankheiten, z. B. als Ursache einer Dyspnoe, nicht aus. Zudem müssen Komorbiditäten erfasst und dokumentiert werden. Besonders wichtig ist die Erfassung einer Hyperglykämie, einer kardialen Beteiligung, einer Anämie, die die Gewebehypoxie verschlechtert, sowie einer eingeschränkten Nierenfunktion und neurologischer Begleitsymptome.

Am Ende des Evaluationsprozesses steht die Entscheidung, wo die Weiterversorgung am besten erfolgen sollte. Alle SARS-CoV-2-Patienten müssen in speziell dafür ausgerichteten Behandlungseinheiten behandelt werden, wo prinzipiell eine Kohortierung möglich ist. Patienten, bei denen eine COVID-19-Infektion nicht auszuschließen, aber auch noch nicht bewiesen ist, müssen in Einzelzimmern, am besten auf Abklärungsstationen, behandelt werden. Die Entscheidung, ob ein Überwachungsbett oder ein Intensivbett benötigt wird, hängt von dem Ausmaß der respiratorischen Insuffizienz und der Funktionseinschränkung anderer Organe, dem Therapieziel im Hinblick auf die Gesamtprognose und nicht zuletzt vom Patientenwunsch ab. Liegen ein Therapiewunsch und ein realistisches Therapieziel vor, dann sind folgende Kriterien für die Unterstützung der Aufnahmeentscheidung von COVID-19-Patienten auf die Intensivstation empfohlen [27]:

  • Hypoxämie (SpO2 <90 % unter 2–4 l Sauerstoff/min bei nicht vorbestehender Therapie),

  • Dyspnoe mit einer Atemfrequenz >25–30/min,

  • systolischer Blutdruck <100 mm Hg oder einem erhöhten Laktatwert.

Intensivmedizinisches Vorgehen bei COVID-19-Patienten

Therapie des hypoxämischen Lungenversagens bei COVID-19-Pneumonie Typ L und Typ H

Da die überwiegende Mehrheit der Patienten mit einer schweren COVID-19-Pneumonie die Berlin-Kriterien eines ARDS erfüllten [28], empfahl die Surviving Sepsis Campaign zu Beginn der Corona-Pandemie eine Beatmungstherapie analog zu Patienten mit einem ARDS anderer Genese [29]. Auffallend war, dass viele Patienten trotz einer schweren Hypoxämie kaum über Atemnot klagten. Weiterhin zeigte sich, dass beatmungspflichtige Patienten initial nicht von einem hohen PEEP („positive end-expiratory pressure“) profitierten und die Compliance der Lunge noch erstaunlich hoch war. Dadurch unterscheidet sich das ARDS bei einer COVID-19-Pneumonie teilweise deutlich von einem ARDS anderer Genese. Dies führte zu einer differenzierten Therapiestrategie des ARDS nach dem bereits erwähnten Modell von Gattinoni et al. [4].

Therapie der hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz

Bei Vorliegen eines L‑Typs stehen zur Therapie der oxygenatorischen respiratorischen Insuffizienz die Sauerstoffapplikation mittels Nasenbrille, Venturi-Maske (mit oder ohne Reservoir) sowie die High-flow-Sauerstofftherapie (HFOT) zur Verfügung. Bei deutlicher Progredienz der respiratorischen Insuffizienz unter dieser Therapie, sollte der Einsatz einer CPAP-Therapie („continuous positive airway pressure“), einer nichtinvasiven Beatmung (NIV) oder der invasiven Beatmung geprüft werden. Als Zielwerte der Therapie wird ein SpO2 ≥90 % bzw. ein paO2 >55 mm Hg empfohlen [27]. Während die Sauerstoffzufuhr mittels Nasenbrille und Venturi-Maske Therapieoptionen für die Normalstationen sind, sollten HFOT und NIV nur unter strengem Monitoring und unter Intubationsbereitschaft auf der Intensivstation angewandt werden.

High-flow-Sauerstofftherapie (HFOT)

Bei der HFOT wird mit Sauerstoff angereicherte Luft (FiO2 bis 100 %) mit einem hohen Fluss (bis 70 l/min) durch eine Nasenkanüle verabreicht. Dadurch kommt es neben der Oxygenierung zu einer CO2-Auswaschung und der Erzeugung eines geringfügigen PEEP. Bei mildem oder moderatem ARDS (paO2/FiO2 100–300 mm Hg) kann ein Therapieversuch mit HFOT durchgeführt werden [27, 30]. Wird eine invasive Beatmung dadurch vermieden, verkürzt sich die Liegedauer auf der Intensivstation (ITS) deutlich [31]. Bei der HFOT sollten die Patienten einen Mund-Nasen-Schutz über der Nasenkanüle tragen, um die Aerosolbildung zu reduzieren [31]. Allerdings wird dies patientenseitig häufig nicht toleriert.

Nichtinvasive Beatmung (NIV)

Bei leichtem ARDS sowie im Vordergrund stehender hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung [COPD], neuromuskuläre Erkrankungen etc.) ist ein Therapieversuch mit CPAP oder NIV gerechtfertigt. Dabei ist auf einen guten Sitz der Maske zu achten, um zum einen eine erhöhte Aerosolexposition und des Weiteren einen PEEP-Verlust und ein daraus folgendes Derecruitment mit Atelektasenbildung zu vermeiden Dabei kommen „non-vented“ (leckagefreie) Mund-Nasen-Masken, Gesichtsmasken und Beatmungshelme zur Anwendung. Der Therapieerfolg muss engmaschig überwacht werden, damit es bei einem Therapieversagen nicht zu einer verzögerten Intubation und damit Prognoseverschlechterung kommt [32]. In unserem Patientenkollektiv mussten ca. 50 % der mit NIV therapierten Patienten im Verlauf invasiv beatmet werden, u. a. auch aufgrund unzureichender Toleranz der Beatmungsmaske über einen längeren Zeitraum.

Aerosolbildung bei atemunterstützenden Verfahren

Sowohl bei der Low-flow und High-flow-Sauerstoffapplikation als auch bei der NIV kann es zu einer erhöhten Aerosolbildung mit potenzieller Viruskontamination kommen. Dabei kommt es jedoch zu keiner erhöhten Belastung bei einem Abstand von mehr als einem Meter [33]. Unter Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung (Augenschutz, Handschuhe, Kittel und mindestens FFP 2-Maske) können diese Therapieformen ohne erhöhtes Infektionsrisiko angewandt werden.

Invasive Beatmung

Bei schwerer therapierefraktärer Hypoxie (paO2/FiO2 ≤150 mm Hg) und Atemfrequenzen >30/min sollten eine Intubation und invasive Beatmung erfolgen. Allgemein gelten die Ziele einer lungenprotektiven Beatmung beim ARDS gemäß der S3-Leitlinie [34] auch bei einer COVID-19-Pneumonie. Allerdings zeigt sich gerade in der Frühphase (L-Typ) ein niedriges Rekrutierungspotenzial und eine weitgehend erhaltene Compliance der Lunge. Daher gibt es keine klaren Empfehlungen zur Höhe des PEEP. Dieser sollte individuell in Abhängigkeit der hämodynamischen Nebenwirkungen und der Lungencompliance gewählt werden. Mit zunehmender Konsolidierung und Übergang in einen H‑Typ sollte der PEEP nach der ARDS-Network-Tabelle (FiO2/PEEP) gewählt werden [34]. Wie beim klassischen ARDS wird bei einem paO2/FiO2 <150 mm Hg eine Bauchlagerung des Patienten für mindestens 16 h empfohlen [35]. Im Gegensatz dazu ist der Nutzen einer Bauchlagerung wacher Patienten noch nicht ausreichend gut belegt, aber durchaus ein interessanter Therapieansatz [36].

Zeigt sich unter lungenprotektiver Beatmung eine therapierefraktäre Hypoxamie (paO2/FiO2 ) <80 bzw. unter 60 mm Hg, stellt der Einsatz einer venovenösen extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) eine Therapieoption dar [27]. Allerdings ist die Prognose in dieser Patientengruppe sehr schlecht [37].

Komplikationen

Thrombembolische Komplikationen

Thrombembolische Ereignisse sind häufige Komplikationen bei COVID-19-Patienten [38, 39], die auch unter einer Thromboseprophylaxe auftreten können. Ob eine therapeutische Antikoagulation bei allen Intensivpatienten gerechtfertigt ist, ist zurzeit noch unklar. Es sollte jedoch ein engmaschiges Monitoring der Gerinnungsparameter erfolgen und z. B. bei raschem Anstieg der D‑Dimere, in Abhängigkeit des individuellen Blutungsrisikos, eine intensivierte Antikoagulation begonnen werden [27].

Pneumothorax

Unter den nichtinfektiösen Lungenkomplikationen bei COVID-19-Patienten findet man vereinzelt Berichte zu Pneumothoraces. Der Gesamtanteil an Pneumothoraces liegt jedoch im unteren einstelligen Prozentbereich, und auch hierüber gibt es wenig systematische Publikationen.

In einer chinesischen Publikation wurden bei 2 % der Patienten ein Pneumothorax bei manifester, schwerer COVID-19-Infektion festgestellt [40]. Unsere eigenen Zahlen in der München Klinik sind sogar geringfügig höher und liegen bei 3–4 %. Oftmals ist hierbei aber eine strukturelle Lungenvorschädigung maßgeblich (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Pneumothorax als Komplikation einer COVID-19-Pneumonie

Sekundärinfektionen

Die Gefahr bakterieller Superinfektionen scheint bei COVID-19-Patienten weitaus seltener zu sein als beispielsweise bei Influenza, und eine prophylaktische antibiotische Therapie, auch bei hospitalisierten Patienten oder intensivpflichtigen COVID-19-Patienten, ist generell nicht indiziert [41].

Dennoch müssen diese Patienten regelmäßig und engmaschig auf pulmonale Superinfektionen oder nosokomiale Infektionen überwacht werden. Die Hauptkomplikation von COVID-19-Patienten mit schwerem Verlauf, die etwa 10 % des Gesamtkollektivs der SARS-CoV-2-infizierten Patienten darstellen, ist das ARDS.

Wie allgemein bei schweren viralen Infektionen der Lunge kommt es im Verlauf einer COVID-19-Infektion u. U. zu bakteriellen Superinfektionen, auch Pilzinfektionen manifestieren sich in diesem Kollektiv als zusätzliche Komplikation. Allerdings gibt es hierzu relativ wenige Publikationen. Dennoch scheinen bei etwa 50 % der an COVID-19 verstorbenen Patienten eine bakterielle oder fungale Superinfektion eine entscheidende Rolle zu spielen [41]. Neben Staphylokokken und Klebsiellen spielen hierbei auch atypische Erreger (Legionellen, Chlamydien) eine entscheidende Rolle, und unter den Pilzen prädominieren Aspergillen ([42]; Abb. 3). Insgesamt muss man anhand der aktuell vorliegenden Daten bei etwa 8 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten von Koinfektionen ausgehen [43].

Abb. 3
figure 3

Pulmonale Aspergillose (roter Pfeil) als Sekundärinfektion bei COVID-19-Pneumonie

Medikamentöse Therapie

Das Bestreben, eine möglichst effiziente Therapie zu entwickeln, war aufgrund der hohen kontagiösen Potenz und der rasch zunehmenden Erkrankungsfälle von Anfang an sehr groß und führte zu einer Vielzahl klinisch-pharmakologischer Studien sowie empirischer Therapieversuche.

Lopinavir/Ritonavir oder auch Chloroquin waren bei den ersten Medikamenten, denen eine antivirale Wirkung zugeschrieben worden ist. Jedoch erwiesen sich beide Substanzen sehr bald als unwirksam und teilweise sogar unvorteilhaft aufgrund des Nebenwirkungsprofils und werden auch seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) negativ bewertet [44].

Einen vielversprechenden und interessanten Therapieansatz boten sehr bald auch antiinflammatorische Interventionsversuche. Maßgeblich für die Pathophysiologie des Zytokinsturms schien u. a. Interleukin 6 zu sein [45]. Leider sind aber die bisherigen Studienergebnisse zur Wirksamkeit von IL-6-Antikörpern sehr ernüchternd und zeigen keine Vorteile gegenüber Placebo (Pressemitteilung des Herstellers Ende Juli 2020, Daten bisher nicht publiziert).

Lediglich Kortikosteroide scheinen in der Phase der Hyperinflammation, also i. d. R. ab der 2. Krankheitswoche einen nachweisbaren Nutzen zu zeigen. Insbesondere scheint Dexamethason protektiv zu sein bezüglich der Ausbildung einer kryptogen-organisierenden Pneumonie oder einer Lungenfibrose [46, 47].

Unter den direkt antiviral wirkenden Medikamenten kann derzeit einzig Remdesivir eine in großen multizentrischen Studien nachgewiesene Verkürzung der Krankheitsdauer bewirken. Voraussetzung für einen Benefit bei Einsatz von Remdesivir ist allerdings, dass es möglichst früh im Krankheitsverlauf gegeben wird. Bei bereits schwer erkrankten COVID-19-Patienten mit z. B. invasiver Beatmung und fortgeschrittenem Organversagen vor Remdesivir-Gabe zeigt sich dagegen keine positive Wirkung [48,49,50,51].

Fazit für die Praxis

Notfallmedizinische Aufgaben in der Corona-Pandemie sind:

  • Frühzeitige Detektion von SARS-CoV‑2 infizierten Patienten

  • Entscheidung über die Notwendigkeit der stationären Weiterbehandlung

  • Trennung von SARS-CoV-2-Infektions- und Verdachtsfällen von nichtinfizierten Patienten

  • Beurteilung des Schweregrads der SARS-CoV-2-Infektion anhand klinischer, sonographischer und radiologischer Kriterien

  • Feststellung und Einleitung der Behandlung relevanter Komorbiditäten

  • Einleitung einer atemunterstützenden Therapie

Intensivmedizinische Aufgaben in der Corona-Pandemie sind:

  • Durchführung der Therapie bei SARS-CoV-2-induziertem Organversagen, insbesondere des Lungenversagens mittels differenzierten Atemunterstützungsverfahren

  • Behandlung lebensbedrohlicher Komorbiditäten

  • Behandlung von spezifischen SARS-CoV-2-induzierten Komplikationen

  • Medikamentöse Therapie schwerster SARS-CoV-2-Infektionen