Zusammenfassung
Inwieweit Persönlichkeitsmerkmalen eine verlaufsprädiktive Bedeutung bei schwer depressiv erkrankten Patienten zukommt, wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Im Rahmen der Heidelberger Studie zur Rückfallprädiktion der Depression wurde die Bedeutung von Persönlichkeitsfaktoren für den 2-Jahres-Verlauf der Depression prospektiv an einer Stichprobe von N=50 Patienten untersucht. Über die Hälfte aller Patienten zeigte in diesem Zeitraum einen Rückfall. Klassische Verlaufsprädiktoren wie die Anzahl der Vorepisoden konnten repliziert werden. Für die überprüften Persönlichkeitsmerkmale ergaben sich differenzielle Prädiktionseffekte für die 1- und die 2-Jahres-Katamnese. Persönlichkeitstraits wie Neurotizismus erwiesen sich für das 1. Katamnesejahr als verlaufsprädiktiv und prädizieren demnach ein Frührezidiv besser als Rückfälle zu einem späteren Zeitpunkt. Für den 2-Jahres-Verlauf ging eine Persönlichkeitsstruktur im Sinne des Typus melancholicus mit einem günstigeren Störungsverlauf einher. Die Typus-melancholicus-Persönlichkeitsstruktur ist demnach eher zur Vorhersage des mittelfristigen Verlaufes der Depression geeignet. Der Vergleich mit klassischen Prädiktoren ergab, dass Persönlichkeitsfaktoren von diesen unabhängig Verlaufsvarianz aufklären. Implikationen der Ergebisse für die Rückfallprävention und die psychotherapeutische Behandlung werden diskutiert.
Summary
The extent to which personality characteristics predict the course of severe depression has been controversially discussed. In a sample of 50 depressed inpatients, the significance of personality characteristics for the prediction of relapse was studied prospectively over 2 years. More than half of the patients studied suffered relapses within this period. Well-known predictors such as the number of previous episodes were confirmed. The personality characteristics studied showed different predictive effects at 1- and 2-year follow-up. Neurosis proved predictive of the 1-year course and outcome but not the 2-year course. In the 2nd year of follow-up, a melancholic personality structure was associated with favourable outcome. This personality type therefore seems to be more appropriate as a predictor of long-term outcome. Comparison with predictive factors described earlier showed that in this study, personality traits influence outcome independently and were not confused by other predictors. Implications for relapse prevention and psychotherapeutic management are discussed.
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Kronmüller, KT., Backenstraß, M., Reck, C. et al. Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren und -struktur auf den Verlauf der Major-Depression. Nervenarzt 73, 255–261 (2002). https://doi.org/10.1007/s001150101176
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