Hintergrund

Seit 2003 wird an ausgewählten psychiatrischen Kliniken Deutschlands eine settingübergreifende Behandlung, einschließlich einer akutambulanten und aufsuchenden Versorgung im häuslichen Umfeld erprobt [1,2,3]. Bisher haben 22 Fachkliniken und Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern ein sog. Modellvorhaben nach § 64b SGB V (MVFootnote 1) – so der aktuelle gesetzliche Rahmen dieser Versorgungsform – eingeführt. Finanzielle Grundlage der MV ist ein globales Behandlungsbudget (GBB), welches mit den Krankenkassen für eine Laufzeit von bis zu 15 Jahren vereinbart wird. Entweder können GBB als Selektivvertrag mit einzelnen Krankenkassen oder als regionales Psychiatriebudget (RPB) mit allen in einer Region vertretenen Krankenkassen verhandelt werden [4]. Abweichend von der sonst üblichen tages- und leistungsbezogenen Vergütung gemäß dem Pauschalierenden Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP), richten sich GBBs nach der Anzahl der in einem Jahr von einer Klinik behandelten Patienten [5].

Erste Ergebnisse der gesetzlich verpflichtenden Evaluation (nach § 65 SGB V; „EVA64“-Studie) weisen auf eine teilweise Reduktion der stationären Behandlungstage in den MV hin [6,7,8]. Durch in einzelnen Modellregionen durchgeführte Begleitforschung konnte außerdem eine Reduktion von Betten, der voll- und teilstationären Belegungstage und der kumulativen Verweildauer belegt werden [9,10,11]. Zugleich wurde eine Verringerung von Krankheitsschwere, eine Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus, der subjektiver Lebensqualität und der Behandlungskontinuität bei gleichzeitiger Reduktion der Gesamtkosten der psychiatrischen Versorgung nachgewiesen [1, 9,10,11].

In einer multizentrischen Prozessevaluation („EvaMod64b“-Studie) konnten spezifische Implementierungsmerkmale settingübergreifender Behandlung identifiziert und deren Umsetzungsgrad in den bestehenden MV ermittelt werden [12,13,14,15,16,17]. Die Merkmale, welche die Strukturen und Prozesse der MV erfassen, wurden zu Evaluationszwecken entwickelt und sollen zur Qualitätsentwicklung der psychiatrischen Versorgung in Deutschland beitragen. Dies umfasst eine mehrstufige Weiterentwicklung der Merkmale hin zu Qualitätsindikatoren, wobei sie insbesondere in Bezug auf ihre Gütekriterien zu überprüfen sind. Es wurde bereits eine hohe Reliabilität sowie Augenschein- und Inhaltsvalidität der Merkmale nachgewiesen [13]. Eines der wichtigsten Gütekriterien von Qualitätsindikatoren stellt die statistische Unterscheidungsfähigkeit dar. Sie beschreibt die Fähigkeit, Merkmalsunterschiede (Variabilität) zwischen verschiedenen Einrichtungen (Diskriminationsfähigkeit) oder im Zeitverlauf (Änderungssensitivität) statistisch nachzuweisen [18].

Ziel der vorliegenden explorativen Analyse ist es, zur Beurteilung der Qualität der modellspezifischen Merkmale beizutragen. Es wird untersucht, ob die Merkmale eine ausreichende statistische Unterscheidungsfähigkeit aufweisen und somit z. B. für die Untersuchung der Unterschiede zwischen Modell- und Regelversorgung geeignet sind.

Material und Methoden

Studiendesign

Die vorliegende Untersuchung ist Teil der „PsychCare“-Studie (Laufzeit: 07/2017 bis 06/2021; [19]). PsychCare ist eine prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie zur Evaluation der Wirksamkeit, Kosten und Implementierung der Modell- im Vergleich zur Regelversorgung. Die Studie wird gefördert vom Innovationsfond. Sie verfolgt damit das Ziel, Versorgung durch Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung längerfristig zu verbessern und einen Transfer neuer Versorgungsformen in die Regelversorgung zu unterstützen [20].

Die hier untersuchten Struktur- und Prozessmerkmale sind von sog. „erlebensbezogenen Merkmalen für eine gute psychiatrische Versorgung“ abzugrenzen, welche ebenfalls im Rahmen dieser Studie entwickelt wurden [21, 22].

Während die Einstufung der Merkmale bisher nur an MV vorgenommen wurde [12], erlaubt das Kontrollgruppendesign der PsychCare-Studie eine vergleichende, explorative Analyse des Vorkommens der Merkmale sowohl an Kliniken der Modell- als auch der Regelversorgung. Die vorliegende Arbeit untersucht die statistische Unterscheidungsfähigkeit der Merkmale quantitativ, in Anlehnung an das Konzept von McGlynn [18]. Aufgrund von Hinweisen aus Vorstudien [15, 17], wonach der Umsetzungsgrad der Merkmale je nach Ausmaß der Krankenkassenbeteiligung am MV variiert, wurden die MV zusätzlich in Subgruppen mit unterschiedlichem Umfang des Modellvertrags analysiert. Datengrundlage der vorliegenden Arbeit bilden 1. die Einstufung der Merkmale sämtlicher Studienzentren sowie 2. deren Struktur- und Leistungsdaten, welche im Rahmen der Baseline-Erhebung der PsychCare-Studie erhoben wurden.

Sampling

Von den zu Studienbeginn in Deutschland bestehenden 19 MV wurden insgesamt 10 Kliniken der Erwachsenenpsychiatrie sowie 2 Kinder- und Jugendpsychiatrien mittels einer geschichteten Zufallsziehung ausgewählt. Aufgrund von gegenüber der Erwachsenenpsychiatrie abweichenden Strukturmerkmalen wurden die kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken aus der vorliegenden Analyse ausgenommen. Um die größtmögliche Vergleichbarkeit der Kliniken mit Regel- und Modellversorgung zu gewährleisten, wurden die Kontrollkliniken nach einem etablierten Matching-Algorithmus selektiert [23]. Von den 20 ausgewählten Studienkliniken nahmen 16 an der Studie teil, davon 9 MV sowie 7 Kontrollen. Die Studienkliniken befinden sich in Berlin (Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln), Hessen (Herborn, Riedstadt), Niedersachsen (Göttingen, Lüneburg), Nordrhein-Westfalen (Bochum, Bonn, Köln), Sachsen (Glauchau, Radebeul) und Schleswig-Holstein (Heide, Heiligenhafen, Itzehoe, Kiel).

Datenerhebung und -auswertung

Implementierungsgrad modellspezifischer Merkmale

Grundlage der Ermittlung des Implementierungsgrades bilden die 11 spezifischen Merkmale der MV [12]. Sie wurden in einem mehrstufigen Prozess auf Basis empirisch-qualitativer Erhebungen in bestehenden MV operationalisiert, gewichtet, quantifiziert und vorläufig validiert, um den Erfüllungsgrad spezifischer Strukturen und Prozesse in konkreten MV beurteilen zu können [12, 13]. Zusammengenommen bilden die Merkmale ein Set grundlegender Qualitätskriterien settingübergreifender, flexibler und integrativer Versorgung.

Die Einschätzung erfolgt jeweils durch Experten (in der Regel die ärztliche Leitung) im Rahmen eines strukturierten Interviews unter Einbezug von Leistungs- und Strukturdaten der jeweiligen Klinik. Jedes Merkmal setzt sich aus 1 bis 4 Items zusammen, die je nach Ausprägung und Gewichtung mit 0–2 Punkten bewertet werden (für Einzelheiten vgl. [13]). Hieraus werden ein merkmalsbezogener sowie ein Gesamtscore gebildet. Letzterer entspricht dem Implementierungsgrad sämtlicher Modellmerkmale an einer Klinik.

Das Merkmal Ambulantisierung konnte nicht berücksichtigt werden, da es zwischen den MV sehr unterschiedlich umgesetzt wird und in Folge nicht ausreichend übereinstimmende Parameter für dessen Quantifizierung zur Verfügung stehen [12].

Statistik

Die Unterschiede zwischen den Modell- und den Kontrollkliniken wurden mit dem Mann-Whitney-Test bivariat explorativ getestet. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt. Die Effektstärke wurde als Cohens d berechnet. Nach Cohen bedeutet ein d zwischen 0,2 und 0,5 einen kleinen Effekt, zwischen 0,5 und 0,8 einen mittleren und ein d > 0,8 einen starken Effekt [24]. In einer vertiefenden Analyse wurden die MV je nach Umfang der Krankenkassenbeteiligung am Modellvertrag in Subgruppen eingeteilt und mit der Kontrollgruppe verglichen. In Anlehnung an Ergebnisse aus Vorstudien wurden die Grenzen der Subgruppen mit < 30 %, 30–90 % und > 90 % Vertragsumfang festgelegt [15, 17]. Die Analysen wurden mit SYSTAT Version 13 (Systat Software Inc., USA) durchgeführt.

Struktur- und Leistungsdaten der Studienkliniken

Ergänzend wurden für das Jahr 2019 strukturelle und statistische Daten der Studienkliniken erhoben, um einen umfassenden Vergleich der Gruppe der Modell- und Kontrollkliniken zu ermöglichen. Abgefragt wurden u. a. Informationen zur Trägerschaft, Belegungskapazitäten und durchschnittlicher Verweildauer. Die gelieferten Leistungsdaten wurden auf Basis von Routinedaten (nach § 21 KHG) ermittelt und von den Zentren kumuliert zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse

Struktur- und Leistungsdaten der Studienkliniken

Die Struktur- und Leistungsdaten aller teilnehmenden Zentren im Gruppenvergleich sind Tab. 1 zu entnehmen. Die Strukturdaten weisen v. a. Auffälligkeiten bei den Angaben zur Trägerschaft und den Behandlungsplätzen auf: Die MV befinden sich ausschließlich in öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft, die Kontrollkliniken werden teilweise von privat-gewerblichen Trägern unterhalten. Die mittlere Bettenzahl pro 1000 Einwohner ist in den Kontrollkliniken fast doppelt so hoch wie in den MV. Die Zahl der Tagesklinikplätze liegt in den MV hingegen deutlich höher als in der Kontrollgruppe. Bei den Leistungsdaten zeigt sich in den MV eine geringere Inanspruchnahme des stationären und eine größere Nutzung der übrigen Settings (Tagesklinik, Ambulanz und Zuhausebehandlung). Die Verweildauer von Patienten im vollstationären Setting lag in den Kontrollkliniken etwas höher als in den MV.

Tab. 1 Struktur- und Leistungsdaten (Datenjahr 2019) der Kliniken mit („Modell“) und ohne Modellvorhaben („Vergleich“).

Implementierungsgrad modellspezifischer Merkmale

Mit einem Mittel von 0,976 (Gesamtscore) für den Implementierungsgrad lagen die MV mehr als doppelt so hoch wie die Kontrollkliniken mit 0,409 (gesamt). Das Ergebnis ist in Abb. 1 als Box-Plot dargestellt. Der Unterschied ist signifikant (p < 0,001) und zeigte eine hohe Effektstärke (Cohens d = 2,61).

Abb. 1
figure 1

Implementierungsgrad (gesamt) modellspezifischer Merkmale an Kliniken mit („Modell“) und ohne Modellvorhaben („Vergleich“)

Bei Betrachtung des Umsetzungsgrades einzelner Merkmale (Tab. 2) zeigt sich, dass die MV durchweg höhere Mittelwerte für die Merkmale aufweisen als die Kontrollkliniken. Mit Ausnahme der Merkmale Behandlungskontinuität (III), berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit (IV) und freie Steuerung therapeutischer Maßnahmen (IX) sind alle Unterschiede signifikant. Die Effektstärken sind als hoch einzustufen.

Tab. 2 Implementierungsgrad modellspezifischer Merkmale an Kliniken mit („Modell“) und ohne Modellvorhaben („Vergleich“)

Implementierungsgrad im Subgruppenvergleich

Bei der Untersuchung des Implementierungsgrades (gesamt) der MV im Subgruppenvergleich wurde mit zunehmendem Umfang des Modellvertrags ein höherer Wert erzielt. Das Ergebnis ist in Abb. 2; Tab. 3 dargestellt. Die Unterschiede der Implementierungsgrade (gesamt) zwischen den Kontrollkliniken und den Subgruppen sind für jede Subgruppe signifikant und zeigen eine hohe Effektstärke mit Tendenz zu einem Anstieg der Effektstärke bei zunehmendem Umfang des Modellvertrags (Abb. 2; Tab. 3).

Abb. 2
figure 2

Implementierungsgrad (gesamt) der modellspezifischen Merkmale im Subgruppenvergleich. Gruppe der Kontrollkliniken ohne Modellvertrag, M1–3 Subgruppen der Modellkliniken mit zunehmendem Vertragsumfang des Modellvorhabens. Der Umfang der Krankenkassenverträge ist angegeben als Anteil des Modellvertrags am Klinikbudget („Anteil Modellvertrag“). Die Punkte markieren jeweils die Mittelwerte des Implementierungsgrades (gesamt), die vertikalen Linien stellen die Standardabweichungen dar

Tab. 3 Implementierungsgrad (gesamt) der modellspezifischen Merkmale im Subgruppenvergleich

Diskussion

In der Zusammenschau der Ergebnisse stellen sich zahlreiche Unterschiede zwischen den untersuchten Studienkliniken der Modell- und der Regelversorgung dar. Das Hauptergebnis betrifft die als modellspezifisch beschriebenen Versorgungsmerkmale: 7 dieser 11 Merkmale zeigen einen starken Effekt für die Unterschiede zwischen Kliniken mit und ohne MV. Ein Nebenbefund ist, dass bei MV mit Regionalbudget die Unterschiede gegenüber der Regelversorgung deutlich stärker ausgeprägt sind. Zwar lässt sich die Umsetzung der Merkmale auch an Kliniken der Regelversorgung nachweisen, jedoch in signifikant geringerem Umfang als in den MV.

Die Merkmale Flexibilität im Settingwechsel und settingübergreifende therapeutische Gruppenangebote zeigen einen besonders hohen Umsetzungsgrad in den MV. Dies spiegelt sich auch in den Leistungsdaten wider, wonach Patienten aus MV in einer Behandlungsepisode gehäuft mehrere Settings in Anspruch nehmen, öfter zwischen den Settings wechseln und dennoch in der Summe weniger Tage vollstationär behandelt werden.

Dass die settingübergreifende Behandlerkontinuität ein Schlüsselmerkmal der MV darstellt, konnte bereits in verschiedenen Studien gezeigt werden [11, 14]. Die vorliegenden Daten machen deutlich, dass auch einzelne Kliniken der Regelversorgung Patienten in verschiedenen Settings durch dieselben Teams behandeln, wenn auch in geringerem Umfang.

Das Merkmal Zuhausebehandlung wird von den MV in signifikant höherem Ausmaß umgesetzt [25]. Die Leistungsdaten zeigen, dass zusammengenommen weniger als 1 % der Patienten der Kontrollkliniken aufsuchend behandelt wurden. Dies fügt sich zu den Daten des Deutschen Krankenhausinstitutes, wonach im Jahr 2019 ein äußerst geringer Teil aller psychiatrischen Kliniken eine Form der aufsuchenden Akutbehandlung anbot [26]. Mit fortschreitender Einführung der Stationsäquivalenten Behandlung (StäB) werden die Kriterien des Merkmals Zuhausebehandlung jedoch zunehmend von Kliniken der Regelversorgung erfüllt. Um die Unterschiede zwischen den beiden Formen aufsuchender Versorgung künftig trennscharf zu erfassen, sollte die Definition des Merkmals Zuhausebehandlung präzisiert werden: StäB erfordert per Definition einen täglichen Patientenkontakt; in der Zuhausebehandlung der MV lässt sich die Behandlungsintensität individuell steuern [27]. Dieser und weitere Unterschiede zwischen den Versorgungsformen sind bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Merkmale zu berücksichtigen.

Die Hypothese, dass jene MV, die einen Modellvertrag über ihr gesamtes Budget vereinbart haben, eine besonders starke Umsetzung der Merkmale aufweisen [14, 17], wird auch durch die vorliegenden Befunde gestützt. Eine mögliche Erklärung hierfür liefert ein prozessevaluatives Teilprojekt der PsychCare-Studie [28]: Demnach könne sich in diesen Kliniken vollständig auf die Entwicklung und den Betrieb der Modellversorgung fokussiert werden, während jene selektivvertraglichen MV durch den simultanen Betrieb der Regelversorgung bei der Umsetzung der Modellmerkmale limitiert würden. Inwiefern dieser oder weitere Kontextfaktoren, wie z. B. Vorerfahrungen mit ähnlichen Versorgungsmodellen wie dem RPB nach § 24 BPflV, den Umsetzungsgrad beeinflussen, bedarf weiterer Untersuchungen.

Im Gruppenvergleich der Modell- und der Kontrollkliniken fällt auf, dass die Standardabweichung des Implementierungsgrades in den MV überwiegend höher als in den Kliniken der Regelversorgung ist. Dies könnte mit der hohen Heterogenität der MV erklärt werden: Abgesehen von den gesetzlichen Vorgaben, eine „sektorenübergreifende Leistungserbringung […], einschließlich der komplexen psychiatrischen Behandlung im häuslichen Umfeld“ anzubieten [4], werden die Schwerpunkte jedes MV individuell auf Grundlage struktureller Besonderheiten der Versorgungsregion und Klinik vor Ort abgestimmt. Darüber hinaus werden Steuerungsziele, wie z. B. eine Ambulantisierungsquote mit den Kostenträgern vereinbart. Es verwundert demnach nicht, dass die Merkmale an den einzelnen MV unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Mit Blick auf eine potenzielle Verstetigung der Modellversorgung oder einzelner Versorgungsbestandteile gewinnt die Weiterentwicklung der Merkmale hin zu Qualitätsindikatoren an Relevanz. Derzeit werden in einem weiteren Studienteil der PsychCare-Studie Indikatoren für eine patientenzentrierte und sektorenübergreifende psychiatrische Versorgung entwickelt [19]. Ein Manual sowie das (Core‑)Indikatorenset liegen bereits vor und werden in Kürze publiziert.

Stärken und Limitationen

Die vorliegende Arbeit ist die erste vergleichende Untersuchung von Versorgungsmerkmalen settingübergreifender psychiatrischer Behandlung an Kliniken der Regel- und der Modellversorgung.

Eine mögliche Einschränkung besteht darin, dass die Leistungsdaten der Studienzentren jeweils pauschal und nicht auf Einzelfallebene übermittelt wurden. Trotz einer umfassenden Verfahrensanweisung konnte die korrekte Datenerhebung an den einzelnen Zentren nicht in jedem Einzelschritt nachvollzogen werden. Die gelieferten Informationen wurden jedoch einem umfassenden Plausibilitätscheck unterzogen.

Neben dem Umfang der Krankenkassenverträge stellt die Dauer der Umsetzung der MV, einschließlich möglicher Vorerfahrungen mit vergleichbaren Versorgungformen (z. B. RPB), eine weitere potenzielle Einflussgröße des Implementierungsgrades der modellspezifischen Merkmale dar. Letztere konnte jedoch nicht berücksichtigt werden, da nicht ausreichend Fälle (hier: Kliniken mit MV) für eine multivariate Analyse zur Verfügung standen. Die Durchführung einer separaten bivariaten Analyse für die Variable Dauer der Umsetzung hätte wiederum zu verschiedenen Effektgrößen geführt. Aufgrund eines nicht auszuschließenden Bias durch unberücksichtigte Einflussgrößen des Implementierungsgrades der MV sollten die Ergebnisse der Subgruppenanalyse vorsichtig interpretiert werden.

An der vorliegenden Studie nahmen nur 9 von insgesamt 22 derzeit bestehenden MV teil. Dies schränkt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtmenge aller MV ein. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Studienkliniken so ausgewählt wurden, dass sie ein größtmögliches Spektrum an MV repräsentieren [23].

Fazit für die Praxis

  • Die Struktur- und Prozessmerkmale der Modellversorgung sind geeignet, um Qualitätsunterschiede bei der Umsetzung flexibler und integrativer psychiatrischer Behandlung abzubilden.

  • Die Merkmale zeigen einen starken Effekt für die Unterschiede zwischen Modell- und Regelversorgung, welche bei Kliniken mit Regionalbudget (Modellvertrag mit allen Krankenkassen) noch stärker ausgeprägt sind.

  • Für eine Beurteilung der Qualitätsunterschiede settingübergreifender Behandlung in der Regel- und Modellversorgung auf Bundesebene sollten die Merkmale an einer größeren Stichprobe untersucht werden.