Zusammenfassung
Die gutachterliche Beurteilung von traumatischen Schäden im Kopf-Hals-Gebiet gliedert sich grundsätzlich in 2 Fragestellungen: Besteht ein ursächlicher Zusammenhang der Beschwerden mit dem angeschuldigten Unfall, und wie hoch ist der Umfang des Schadens einzuschätzen? Ein Zusammenhang ist dann wahrscheinlich, wenn das Trauma qualitativ und quantitativ geeignet gewesen ist, um den bestehenden Schaden hervorzurufen. Schwierig ist die Beurteilung vor allem dann, wenn keine Vorbefunde vorhanden sind und/oder wenn angegeben wird, dass sich eine vorbestehende Schwerhörigkeit oder ein vorbestehender Tinnitus durch das Ereignis verschlimmert hat oder vom Probanden sogar voll auf das Unfallereignis zurückgeführt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass Probanden häufig ihre Beschwerden aufgrund ihres Kausalitätsdenkens auf eine versicherte Ursache zurückführen. Für die Bewertung des Schadenausmaßes gibt es in der HNO-Heilkunde umfangreiche Tabellenvorschläge. In der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) ist ein Gesundheitsschaden erst dann „erheblich“, wenn er zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 10 % führt. In der privaten Unfallversicherung (PUV) wird ein Körperschaden bereits dann finanziell reguliert, wenn der Invaliditätsgrad unter 10 % liegt, z. B. 2–3 %, der sich aber aus den herkömmlichen Tabellen kaum errechnen lässt. Es folgen einige Beispiele, welche die Schwierigkeiten der gutachterlichen Beurteilung aufzeigen sollen.
Abstract
Expert assessment of traumatic damage in the head and neck area by the adjuster broadly comprises two main questions: does a causal relationship between the complaint and the specific insured event exist, and what is the extent of the damage? A relationship is probable if the trauma is quantitively and qualitatively suitable to have caused the existent damage. A particularly difficult scenario is represented by cases lacking pre-accident findings or when the claimant claims that pre-existing hearing loss or tinnitus has been worsened by the event or that the accident was the cause of the impairment. It must also be taken into account that claimants frequently relate their complaints to an insured event due to causal thinking. Comprehensive tables are available for evaluation of the extent of the damage in otorhinolaryngology. In statutory accident insurance, the health damage is “considerable” if it leads to a reduced earning capacity of at least 10%. In private accident insurance, physical damage is financially regulated at below 10% invalidity, e.g., 2–3%, although this is hardly possible to calculate using conventional tables. These and other difficulties are discussed in the article based on examples.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Brusis, T. Begutachtung von traumatischen Gehörschäden. HNO 70, 718–723 (2022). https://doi.org/10.1007/s00106-022-01171-z
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