Liebe Leserinnen und Leser,

die im Titel formulierte Übersetzung der englischen Abkürzung für unsere Fachgebietsbezeichnung mag eine spaßige wie auch effekthascherische und dennoch im angloamerikanischen Sprachraum verwendete sein. Ihre bloße Existenz sollte jedoch Grund genug darstellen, den Stellenwert der Lehre (im weitesten Sinne) in der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie einmal durchaus kritisch zu beleuchten. Die HNO-Heilkunde findet sich in den Curricula der medizinischen Fakultäten wider, für die Facharztweiterbildung existiert eine neue Musterweiterbildungsordnung, und die Menge an Fortbildungsangeboten ist eher zu zahlreich, als dass man sich über mangelnde Vielfalt beklagen könnte. Können wir „ENT – expect no teaching“, zu Deutsch „HNO – erwarte keine Lehre“ deshalb getrost belächeln? Die Beantwortung dieser Frage wollen wir gerne jedem Leser am Ende des vorliegenden ersten und in Kürze folgenden zweiten Leitthemenhefts selbst überlassen. Allerdings nicht, ohne vorher einen Einblick in die aktuelle Lehrlandschaft gewährt zu haben. Denn eines ist klar: Eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Abschnitte in der Lernbiographie von HNO-Ärzt*innen offenbart grundlegende strukturelle Unterschiede, die ihrerseits den Stellenwert von Wissensvermittlung entweder positiv oder negativ beeinflussen. Während die curriculare Lehre an den Hochschulen eine Ausbildung gemäß einem Bundesgesetzestext darstellt, handelt es sich bei den sich daran anschließenden 5 Jahren um eine Weiterbildung zum HNO-Facharzt. Kompetenz- und Wissenserwerb erfolgen integriert bzw. zeitgleich mit der Berufsausübung unter der Verantwortung von Weiterbildungsbevollmächtigten, während die „Lernenden“ eine Vergütung erhalten. Die Fortbildung schließlich obliegt der Eigenverantwortung mit der Auflage, eine Mindestmenge an zertifizierten Angeboten innerhalb eines definierten Zeitraums zu erfüllen. Neben den skizzierten Unterschieden werden zudem alle Abschnitte von unterschiedlichen Partikularinteressen der Beteiligten beeinflusst, die nicht selten den Fokus weg vom Inhalt hin zu (berufs)politischen Zielen lenken. Daher muss bei der Bearbeitung des Themas auch die gesamte Lernbiographie von HNO-Ärzten*innen betrachtet werden.

Die medizinische Lehre hat sich als Gegenstand der Forschung in Deutschland etabliert

Im Bereich der Hochschullehre gab es Anfang der 2000er-Jahre eine Qualitätsoffensive, in deren Folge die Curricula vieler traditioneller medizinischer Fakultäten reformiert wurden und sich einige Modellstudiengänge etablierten. Es wurden Lernzielkataloge formuliert und eingeführt, differenzierte Prüfungsformate verwendet und der Aspekt der objektiven Bewertung von Prüfungsleistungen vorangetrieben. Zeitgleich hat sich die medizinische Lehre als Gegenstand der Forschung in Deutschland etabliert. Die Bewertung von Lehrformaten und des Wissenserwerbs wurde zum Gegenstand kontrollierter Studien, sodass wissenschaftlich belegte Aussagen generiert werden konnten und nicht länger allein persönliche Überzeugungen die Grundlage von didaktischen Konzepten darstellen müssen. Denn auch wenn diese nicht falsch sind, so ist Erkenntnisgewinn nach guter wissenschaftlicher Praxis eben an fundierte Forschungsergebnisse gekoppelt. Demnach ist dieser Prozess analog der Entwicklung beim klinischen Erkenntnisgewinn zu sehen und als „evidence-based medical education“ einzustufen.

Welchen Stellenwert die medizindidaktische Forschung in der curricularen Ausbildung hat, beleuchten Wijnen-Meijer et al. in ihrem Beitrag, und konkrete Umsetzungsbeispiele werden anhand weiterer Artikel dieses Hefts gegeben. So zeigen Polk et al. eine Lernkurve für den Erwerb von praktischen Fertigkeiten anhand der HNO-Spiegeluntersuchung auf. Die Frage, wie viel Unterricht erforderlich ist, um eine praktische Fertigkeit auf einem vorher definierten Kompetenzniveau zu beherrschen, hat in vielerlei Hinsicht praktische Relevanz. Die Menge an zu vermittelndem Wissen wächst stetig, und daher ist eine Priorisierung unumgänglich – allerdings nicht auf Kosten eines Mindestmaßes an Qualität. Daher können Ergebnisse und Schlussfolgerungen exemplarisch für andere praktische Fertigkeiten, auch für solche in der Weiter- und Fortbildung, angesehen werden.

Dem bedeutenden Thema der „Digitalisierung“ bzw. der Vermittlung digitaler Kompetenzen haben sich Offergeld et al. gewidmet. Obgleich die Begrifflichkeit allein größten Interpretationsspielraum lässt, weiß jeder instinktiv, dass sie nicht mit der Nutzung digitaler Lehrformate und telemedizinischer Technologie abgehandelt werden kann. Vielmehr müssen wir darunter die Befähigung der heranwachsenden Generation von Medizinern verstehen, mit den teils noch nicht übersehbaren Auswirkungen maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz für unseren Arbeitsalltag verantwortungsvoll umgehen zu können. Auch wenn diese Aspekte im Masterplan Medizinstudium 2020 nicht berücksichtigt wurden, ist das Ausgreifen der Thematik im Rahmen der Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) richtungsweisend. Dieser befindet sich, seit der Verabschiedung in seiner ersten Version, aktuell in einem grundlegenden Überarbeitungsprozess. Dabei werden erstmals in einer bundesweiten Initiative vom Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) Lernziele und Prüfungsinhalte aufeinander abgestimmt und in Form eines nationalen Kerncurriculums definiert. Dieses wird voraussichtlich verpflichtender Bestandteil der neuen Approbationsordnung für Ärzte werden.

Die Akquise guten Personals beginnt nicht erst mit der Approbation

Bevor Sie nun mit der Lektüre dieser Ausgabe beginnen, können wir festhalten, dass die medizinische Lehre an den deutschen Hochschulen in den letzten Jahren eine beachtliche Weiterentwicklung erfahren hat. Mehr und mehr gründen sich Lehrkonzepte auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse und gelten höchste Qualitätsstandards für fakultätsinterne wie staatlich beauftragte Prüfungen. In welcher Form und welchem Umfang diese Entwicklung auch auf den Abschnitt der Weiter- und Fortbildung übergegriffen hat, soll das zweite Leitthemenheft der Reihe bearbeiten. Hierbei sollten alle (insbesondere die am Stellenwert der Lehre zweifelnden) Kollegen*innen in Führungspositionen mittlerweile verinnerlicht haben, dass die Akquise guten Personals nicht erst mit der Approbation beginnt. Vielmehr hat sich die Suche nach zukünftigen Mitarbeitern*innen bereits weit in die curriculare Lehre verschoben, in dem durch qualitativ ansprechende Lehre das Interesse für das eigene Fachgebiet geweckt und/oder verstärkt wird. Ein Erfolg dieser Bemühungen spiegelt sich in der Belegung des Wahlfachs mit dem eigenen Fachgebiet wider. Aber auch im PJ ist eine strukturierte Lehre notwendig, um die Studierenden von der Richtigkeit der finalen Wahl „HNO-Heilkunde“ zu überzeugen. Mit der Erlangung der Approbation beginnt dann erst die Herausforderung einer strukturierten Weiterbildung, welche die Kliniken ihren Mitarbeitern*innen anbieten können. Fest steht, dass die nachrückende Generation von Assistenzärzt*innen diese Weiterbildung einfordert und sie auch mitunter höher einstuft als das monetäre Entgelt. Insofern werden diejenigen Kliniken, die sich in adäquater Form an der Weiterentwicklung der Lehre und der konsequenten Organisation ihrer Weiterbildungsprogramme engagieren, langfristig einen deutlichen Vorteil erwarten können. Aber diese Diskussion würde dem zweiten Heft schon zu sehr vorausgreifen.

Bis dahin wünschen wir Ihnen viel Freude bei der hoffentlich auch für Sie interessanten Themenauswahl.

Prof. Dr. Christian Offergeld

Prof. Dr. Mark Praetorius

Prof. Dr. Marcus Neudert