Narbenhernien entstehen mit einer Inzidenz in 2–20 % der Fälle: Trokarhernien nach minimal-invasiven Eingriffen sind seltener, Inzisionalhernien nach medianen Notfalllaparotomien sind häufiger. In diesem weiten Spektrum steht die Vermeidung der Narbenhernie im Zentrum chirurgischen Handelns. Nicht immer kann der Indexeingriff minimal-invasiv erfolgen; und gerade dann gilt es, auf die verfügbare Evidenz zu achten, einen standardisierten Bauchdeckenverschluss zu machen und die Inzidenz der Narbenhernie so gering wie möglich zu halten.

Die Vermeidung der Narbenhernie steht im Zentrum chirurgischen Handelns

Auch wenn die meisten randomisierten klinischen Studien zum Bauchdeckenverschluss Notfalloperationen ausschließen, darf davon ausgegangen werden, dass mit dem Fokus auf eine anatomisch präzise Laparotomie, gefolgt von einem sorgfältigen evidenzbasierten Bauchdeckenverschluss, bessere Resultate erzielt werden. Der Beitrag von Fortelny und Dietz fokussiert daher auch auf die Prävention von Narbenhernien und fasst die wesentlichen Empfehlungen der Leitlinien zur Therapie der Narbenhernie zusammen.

Offene Operationsverfahren haben sich historisch aus der Ausschließlichkeit des offenen Operierens heraus mit zunehmender Erfahrung einzelner Operateure entwickelt; randomisierte klinische Studien haben zwar die Sinnhaftigkeit der Netzverstärkung bewiesen, die Einzelheiten und Feinheiten der offenen Verfahren beruhen jedoch auf sorgfältigen Beobachtungen und klinischer Expertise. Mit der Weiterentwicklung minimal-invasiver Operationen bleiben offene Verfahren mehr und mehr besonderen Fällen vorbehalten.

Der Beitrag von Ureña et al. fasst den aktuellen Stand der morphologischen Reparation von Narbenhernien zusammen und gibt einen Einblick in die Feinheiten der Madrid-Modifikation des offenen Transversusa-bdominis-Release (TAR); damit bekommt die Leserschaft von Die Chirurgie einen Bericht aus erster Hand und hilfreiche Tipps und Empfehlungen für die Umsetzung dieses wichtigen Operationsverfahrens.

Dank minimal-invasiver Techniken konnte die Morbidität der Narbenhernienreparation in den vergangenen Jahren deutlich verringert werden; allerdings war die Rezidivrate nach laparoskopischem IPOM höher als nach offener Sublay-Versorgung. Mit zunehmendem Verständnis um die Anatomie der vorderen Bauchdecke und der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten wurde mit dem in Deutschland durch Wolfgang Reinpold beschriebenen eMILOS-Verfahren erstmals die minimal-invasive Extraperitonealisierung von Netzen möglich.

Der Beitrag von Baur und Meir führt den Leser durch eine große Vielfalt an minimal-invasiven Verfahren, vor allem im Hinblick auf die Vermeidung des IPOM mittels eTEP und eMILOS oder die Perfektionierung des IPOM mit IPOM-Plus oder dem LIRA-Verfahren; im Beitrag, finden Sie die Bedeutung dieser Akronyme.

Die robotisch assistierte Chirurgie ist die natürliche Weiterentwicklung der konventionellen Laparoskopie. Robotisch assistierte Verfahren vereinen die Vorteile minimal-invasiven Operierens mit den handwerklichen Möglichkeiten des offenen Operierens und die Robotik führt so die minimal-invasive Chirurgie in ihre Emanzipation: Man muss nicht mehr zusehen, wie „straight sticks“ ein Hindernis für das sind, was sein könnte, wenn die Einschränkungen nicht wären.

Dazu gehört, dass auch die Anatomie, in der nun robotisch operiert bzw. navigiert wird, präziser beschrieben wird. Das zeigt sich im Beitrag von Vogel et al. in Begriffen wie „Crossover“, „Retrorektusraum“ und der komplexeren Bauchdeckenanatomie zur Bearbeitung der Schichten. Wir stehen mit den robotischen Verfahren am Anfang des Möglichen. Mit dem fast exponentiellen Wachstum robotischer Technologien und Anwendungen wird sich in den kommenden Jahren ein neues Spektrum der Narbenhernienreparation herauskristallisieren.

Was aber, wenn alles verloren scheint, wenn „loss of domain“ und Status nach Open-Abdomen monströse Bauchdeckendefekte verursachen? Der Beitrag von Eucker und Rosenberg zeigt hier eine faszinierende Entwicklung, die mit „tension reduction“ zusammengefasst werden kann. Zu den bekannten Optionen für Verringerung der medianen Nahtspannung (die präoperative passagere Lähmung der Bauchdecke mit Butolinumtoxin und das präoperative Pneumoperitoneum) kommt aktuell die Option der intraoperativen Traktion der Bauchdecke unter pharmakologischer Relaxierung hinzu, das sog. „fasciotens“. Der letzte Beitrag des aktuellen Leitthemas gibt dem Leser einen Einblick in die aktuelle Entwicklung und Möglichkeiten.

Es bleibt spannend, um die Narbenhernien. Ein sehr aktuelles Thema mit Neuigkeiten zu faszinierenden Entwicklungen in allen verfügbaren Ansätzen. Wir wünschen viel Freude beim Lesen und gutes Gelingen beim Operieren.

Univ.-Prof. Dr. med. Christoph-Thomas Germer, Würzburg

Prof. Dr. med Ulrich A. Dietz, Olten