FormalPara Originalpublikation

Fehr M, Hawle H, Hayoz S et al (2020) High thromboembolic event rate in patients with locally advanced oesophageal cancer during neoadjuvant therapy. An exploratory analysis of the prospective randomized intergroup phase III trial SAKK 75/08. BMC Cancer 20:166. https://doi.org/10.1186/s12885-020-6623-z

FormalPara Hintergrund und Fragestellung.

Venöse thromboembolische Komplikationen (VTE) werden gehäuft im Rahmen multimodaler Therapien bei gastrointestinalen Tumoren beobachtet. Neben patienten- und tumorbezogenen Variablen sind insbesondere neoadjuvante Chemo- und Radiochemotherapien bekannte Risikofaktoren, die durch Schädigung des Endothels zu einer Dysbalance zwischen pro- und antikoagulatorischen Faktoren führen. Von einer internationalen Arbeitsgruppe wurden zu dieser Problematik Daten zum Ösophaguskarzinom vorgestellt, die als Spin-off-Projekt im Rahmen einer prospektiv randomisierten Therapiestudie erhoben wurden.

FormalPara Methoden.

Insgesamt wurden 300 Patienten mit resektablem Ösophaguskarzinom (189 Adeno- [AC] und 111 Plattenepithelkarzinome [PEC]) eingeschlossen. 149 Patienten erhielten 2 Zyklen einer Chemotherapie (Doxetacel und Cisplatin) gefolgt von einer Radiochemotherapie und Ösophagektomie (Kontrollgruppe), bei 151 Patienten wurde zusätzlich Cetuximab neoadjuvant appliziert (Untersuchungsgruppe). Primärer Endpunkt dieser Studie war die Gesamtrate der beobachteten VTEs von Beginn der Therapie bis 6 Monate postoperativ. Sekundäre Endpunkte waren der Schweregrad und Lokalisation der VTEs sowie die Inzidenz der VTEs in Abhängigkeit von Histologie und Therapiephase. Die Diagnostik einer VTE erfolgte nicht routinemäßig, sondern nur im Rahmen des onkologischen Stagings (Restagings) oder bei klinischem Verdacht.

FormalPara Ergebnisse.

Insgesamt wurden bei 26 der 300 Patienten 29 VTEs diagnostiziert (Inzidenzrate 8,7 %, 95 %-Konfidenzintervall[CI] 5,7–12,4 %). 72 % der VTEs (21/29) traten präoperativ während der neoadjuvanten Therapie auf, 28 % wurden postoperativ beobachtet. Bei 14 der 26 Patienten wurde eine Lungenembolie diagnostiziert (9-mal prä- und 5‑mal postoperativ), insgesamt bei 3 Patienten mit letalem Verlauf. Alle weitere VTEs wurden als periphere venöse Komplikationen klassifiziert. Patienten mit Adenokarzinom hatten ein signifikant höheres Risiko einer VTE (AC 9,0 % vs. PEC 2,7 %, multivariable Analyse: OR 4,42, 95 %-CI 1,18–16,53, p = 0,03). Die VTE-Rate wurde nicht durch die beiden unterschiedlichen Therapiearme beeinflusst.

Kommentar

Die aktuelle Studie zeigt, dass das Risiko einer thromboembolischen Komplikation bei lokal fortgeschrittenen und multimodal therapierten Ösophaguskarzinomen mit fast 10 % hoch ist. Unbeantwortet bleibt bei dem vorliegenden Studiendesign die Frage nach der Ätiologie der Thromboembolie und damit nach der Möglichkeit einer Prophylaxe. Während einzelne patientenbezogene Risikofaktoren durch präoperative Konditionierung verbessert und onkologische Therapieschemata variiert werden können, lassen sich tumorassoziierte Faktoren wie die Histologie nicht beeinflussen. Durch weitere Studien ist deshalb zu klären, ob bei dieser Risikogruppe bereits mit Beginn der neoadjuvanten Therapie eine medikamentöse Thromboseprophylaxe eingeleitet und bis weit in die postoperative Phase fortgesetzt werden soll.