FormalPara Originalpublikation

Joliat G‑R, Demartines N, Uldry E (2019) Systematic review of the impact of patient death on surgeons. Br J Surg (Epub ahead of print)

FormalPara Hintergrund.

Chirurgen sind während ihres Arbeitslebens nahezu ausnahmslos auch mit dem Tod von Patienten konfrontiert. Der Umgang mit sterbenden Patienten wird erfahrungsgemäß jedem selbst überlassen und allzu häufig wird ein Versterben von Patienten als chirurgisches Versagen fehlgedeutet. Welche Auswirkung der Patiententod auf den behandelnden Chirurgen hat, welche Reaktionen und Kompensationsmechanismen damit einhergehen, ist bisher nur sehr spärlich untersucht.

FormalPara Methoden.

Es wurde von Beginn der Datenerhebung bis Ende 2018 eine systematische Literaturrecherche mit den Schlagwörtern „surgeon, death, dying patient, defense mechanism“ durchgeführt. Qualitative und quantitative Studien mit der Analyse von Verhaltensmustern, wie Chirurgen auf Patiententod oder sterbende Patienten reagieren oder auch Abwehrmechanismen nach dem Versterben eines Patienten, wurden eingeschlossen.

FormalPara Ergebnisse.

Von 652 Publikationen wurden schließlich 7 Studien in die weitere Analyse einbezogen. Zwei dieser Artikel waren persönliche Meinungen der Autoren, 5 Artikel waren Interviews oder Umfragen.

Die beiden persönlichen Meinungen der Autoren schreiben der ganzheitlichen sowie palliativmedizinischen Betreuung in der Chirurgie eine wichtige Bedeutung zu. Beide Autoren stellen eine unzureichende Weiterbildung in diesem Bereich heraus.

Die Interviewartikel kommen zu dem Schluss, dass eine angemessene Balance zwischen Objektivität und emotionaler Bindung zu den Patienten von großer Bedeutung ist. Es wird betont, dass ein plötzlicher Patiententod den behandelnden Chirurgen weit mehr belastet als ein Versterben chronisch kranker Patienten. Hauptcopingstrategie bei der Behandlung von Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten war das Vermitteln von Hoffnung sowie ein gemischtes chirurgisches Betätigungsfeld. Komplikationen, die zu Behinderung oder Tod führen, belasten die befragten Chirurgen in hohem Maße. Eine Unterstützung durch die übergeordnete Einrichtung wird in vielen Fällen vermisst.

Zwei internetbasierte Umfragen hatten zwar die Reaktion von Chirurgen auf den plötzlichen Patiententod nicht als zentrale Fragestellung, dennoch wurden diese Studien aufgrund relevanter Aussagen in die Analyse einbezogen. Von 144 Weiterbildungsassistenten gaben 4 % in der einen Umfrage eine postakute Stressreaktion und 12 % eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) nach Patiententod an. In der zweiten Umfrage wurden traumatische Situationen, der unfallbedingte Patiententod eingeschlossen, bei Unfallchirurgen evaluiert. Von 453 Chirurgen (Antwortrate 41 %) zeigten 40 % Symptome einer PTSD und 15 % die diagnostischen Kriterien einer PTSD. Risikofaktoren hierfür waren männliches Geschlecht (Odds Ratio [OR] 2), mehr als 15 Operationen pro Monat (OR 3), mehr als 7 Dienste pro Monat (OR 2,6) und weniger als 4 h Ruhepause pro Tag (OR 7).

FormalPara Diskussion und Fazit.

Insgesamt gibt es nur wenige hochwertige Studien, welche die Auswirkung des Patiententodes auf den Chirurgen untersuchen. Deshalb war in dieser Arbeit von Joliat et al. eine systematische Metaanalyse aufgrund des Einschlusses von qualitativen Studien, welche nur eine subjektive Untersuchung zuließen, nicht möglich. Zusammenfassend kann jedoch festgestellt werden, dass schwerwiegende Komplikationen oder der Patiententod psychologischen Stress und negative Effekte auf Chirurgen auslösen, die letztlich zu einem Verlust an Selbstvertrauen, zu einer Zunahme konservativer Behandlungen und ängstlichem chirurgischem Vorgehen führen [2]. Nicht selten kommt es im Zusammenhang mit dem Auftreten einer PTSD zu Fatigue und Burn-out [1]. Eine systematische Schulung von Ärzten, eine psychologische Betreuung sowie ein offener Umgang mit dem Thema Patiententod und chirurgischen Komplikationen erscheinen daher für die Zukunft angezeigt, um nachhaltig negative Effekte auf betroffene Chirurgen zu verhindern.