Im Leitthemenbeitrag von Sinner et al. [5] wird auf die überaus wichtige Rolle der/des Transplantationsbeauftragten (TxB) im Organspendeprozess eingegangen. Der Organspendeprozess ist in Deutschland ins Stocken geraten, obwohl die Transplantationsmedizin in ihrer mittlerweile über 100-jährigen Geschichte die medizinische Versorgung von Patienten mit terminaler Organinsuffizienz revolutionieren konnte. Der seit Jahren in Deutschland herrschende Mangel an Spenderorganen stellt jedoch ein außerordentliches Problem dar. Aus repräsentativen Umfragen der Bundeszentrale für gesellschaftliche Aufklärung wissen wir, dass die weit überwiegende Mehrheit der Deutschen mit einer 82 %igen Zustimmung der Organspende positiv gegenübersteht [1].

Im Ergebnis gibt es aber eine Diskrepanz zwischen der Bereitschaft der Bevölkerung, Organe spenden zu wollen, und den tatsächlich gespendeten Organen [2]. Dringend sind Analysen zur bisherigen Spenderrekrutierung notwendig: In dem im April 2019 in Kraft getretenen „zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ werden Gründe für die anhaltend niedrige Spendenanzahl benannt [3]. Dies sind strukturelle Defizite in den Entnahmekrankenhäusern, eine zunehmende Arbeitsverdichtung des im Krankenhaus arbeitenden Personals, fehlende Routine und eine unzureichende Finanzierung des Organspendeprozesses. Das neue Gesetz konnte einige kritische Punkte beheben. Eine Organspende ist mittlerweile für das Entnahmekrankenhaus auskömmlich finanziert und kein zusätzlicher Kostenfaktor mehr. Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes haben TxB mehr Befugnisse erhalten, um in der täglichen Routine besser zu unterstützen und evtl. unzureichende Ausbildungsstände im Umgang mit der Organspende zu flankieren. Sie sind hinzuziehen, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen, erhalten uneingeschränktes Zugangsrecht zu den Intensivstationen und alle erforderlichen Informationen zum Behandlungsfall. Die Freistellung für diese Aufgaben ist verpflichtend und wird durch eine Refinanzierung ausgeglichen. Der/die TxB ist für die Implementierung und die Umsetzung von Strategien zur frühzeitigen Identifizierung potenzieller Organspender und der optimierten Intensivtherapie verantwortlich. Mit Standardarbeitsanweisungen, die bereits in der Notaufnahme beginnen, müssen verbindliche und transparente Regelungen an die jeweiligen Organisationsstrukturen angepasst werden. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, hat die Bundesärztekammer 2015 ein Fortbildungscurriculum „Transplantationsbeauftragter Arzt“ [4] als eine Voraussetzung zur Erlangung der Fachkompetenz für TxB beschlossen. Diese curriculare Fortbildung soll „den TxB insbesondere zu Spenderdetektion, -evaluation, -selektion, -management, Organisation der Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, Angehörigenbetreuung, Mitarbeiterinformation oder zur Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle mit hoher fachlicher und sozialer Kompetenz qualifizieren und somit hohe Behandlungsqualität und Versorgungssicherheit auch im Bereich der Organspende sowie letztendlich Vertrauen sichern“.

Viele Dinge wurden von außen, vom Gesetzgeber, geregelt. Die frühzeitige Identifizierung potenzieller Organspender sowie deren konsequente und hochqualifizierte intensivmedizinische Versorgung bis zur Organentnahme ist aber sowohl logistisch als auch medizinisch komplex und setzt ein hohes Engagement von uns in der Intensivmedizin tätigen Ärztinnen und Ärzten und dem gesamten Behandlungsteam voraus. Wir als intensivmedizinisch tätige Ärztinnen und Ärzte stehen hier in der besonderen Verantwortung, im Behandlungsverlauf die Zeichen eines drohenden irreversiblen Hirnfunktionsverlustes frühzeitig zu erkennen, an die Möglichkeit einer Organspende zu denken und v. a. den evtl. Wunsch unseres Patienten auf eine Organspende zu respektieren und zu ermöglichen. Das bedeutet, dass ein Gespräch mit den gesetzlichen Vertretern (vor dem Tod) und/oder Angehörigen (nach dem Tod) frühzeitig erfolgen muss. Eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Angehörigen von Beginn an ist unabdingbar.

Die Realisierung des Organspendewunsches setzt das Engagement des gesamten Behandlungsteams voraus

In jedem Fall muss die Einstellung des Patienten zur Organspende erkundet werden, bevor evtl. auf ein palliatives Konzept umgestellt wird. Durch das Vorliegen von unzureichend konkret verfassten Patientenverfügungen bzw. Vorsorgevollmachten ist allerdings die Fortführung bzw. die Eskalation der intensivmedizinischen Maßnahmen für die Umsetzung eines Organspendewunsches immer noch nicht selbstverständlich. Eine Abstimmung im Behandlungsteam und mit den Angehörigen muss deshalb rechtzeitig und proaktiv erfolgen. Mit der Aktualisierung der Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer, seit September 2020 veröffentlicht, ist das frühzeitige Gespräch mit den Patientenvertretern und Angehörigen mittlerweile verpflichtend und bindend. Damit soll erreicht werden, dass jedem Wunsch nach Organspende nachgekommen werden kann.

Um Organspende zu ermöglichen, sind daher nicht nur die transplantationsbeauftragten Ärztinnen und Ärzte gefragt, sondern alle intensivmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte sind in der Verantwortung.