Wenn wir etwas von Herzen (gern) tun, meinen wir, dass wir es mit Freude tun, aus Überzeugung, ehrlich und aufrichtig. Sind wir tatsächlich überzeugt davon, dass wir die Protektion des Herzens, die wir unter anderem bei kardiochirurgischen Patienten auf unterschiedlichste Art und Weise zu bewerkstelligen versuchen, aus ehrlicher Überzeugung an unsere Patienten empfehlen können?

In der vorliegenden Ausgabe von Der Anästhesist gehen Stoppe et al. der wichtigen Frage nach, welche der uns heute zur Verfügung stehenden Strategien zur Kardioprotektion tatsächlich mit einem klinischen Nutzen assoziiert sind.

Seit Jahrzehnten sind Chirurgen und Anästhesisten bemüht, den Zell- und Organschaden, der unweigerlich mit einer herzchirurgischen Operation verbunden ist, auf ein Minimum zu beschränken. Hierzu sind extrakorporale Zirkulation, Kardioplegie, Hypothermie oder Off-pump-Chirurgie nur einige der etablierten Protektionsverfahren. Andere medikamentöse und antiinflammatorische Strategien vervollständigen das Arsenal an Protektionsmöglichkeiten, sodass der Eindruck entsteht, es könnte eigentlich bei optimaler Anwendung der verschiedenen Optionen kein signifikanter Organschaden mehr auftreten.

Neue Testverfahren und immer bessere Detektionsmöglichkeiten zeigen jedoch, dass weiterhin ein relevanter Zellschaden entsteht, und leider liegen Hoffnung und Enttäuschung bezüglich der Effektivität der Kardioprotektion oft dicht zusammen. Zeigt die eine experimentelle Arbeit den Nutzen einer Behandlungsstrategie – wie z. B. die Applikation inhalativer Anästhetika – kann eine andere Arbeitsgruppe diese Ergebnisse nicht bestätigen. Erfolge aus tierexperimentellen Daten lassen sich häufig in klinischen Studien nicht reproduzieren. Sollte dies dennoch einmal gelingen, so sind die betreffenden klinischen Studien häufig sehr klein und nur bedingt allgemein interpretierbar. Und sollte es dann doch gelingen, eine große klinische Studie zur Exploration einer vielversprechenden Protektionsstrategie durchzuführen, sind die Resultate oft ernüchternd: häufig kein Nutzen der zusätzlichen Behandlungsstrategie, manchmal selbst ein erhöhtes Risiko – wie die Diskussion um das Starten einer perioperativen Betablockertherapie gezeigt hat [3].

Stoppe und Kollegen beschreiben in der aktuellen Übersicht mehrere solcher Situationen; zuletzt konnte in zwei unabhängig voneinander durchgeführten großen klinischen Studien die vielversprechende Protektion durch „Remote“-Präkonditionierung (Fernpräkonditionierung durch Ischämie in einem anderen Organ, z. B. einer Extremität) bei kardiochirurgischen Pateinten nicht belegt werden [1, 2].

Die Optionen und Störfaktoren

Stehen wir damit wieder am Anfang der Suche nach geeigneten Schutzmechanismen? Stoppe und Kollegen zeigen vielfältige Optionen auf, von denen zahlreiche noch gar nicht oder nur sehr unzureichend in klinischen Studien geprüft wurden. Fortschritte in der Grundlagenforschung werden neben den zugrundeliegenden Mechanismen der bereits aufgezeigten Protektionsmöglichkeiten auch zukünftig neue Optionen der Gewebeprotektion aufzeigen. In klinischen Studien sollte der Fokus auf diejenigen Patienten gelegt werden, die tatsächlich den größten Nutzen einer effizienten Organprotektion haben sollten: Für herzchirurgische Operationen betrifft dies Patienten mit langer Ischämiezeit (kombinierte Herzklappen- und koronare Bypassoperation; Korrektur komplizierter Herzvitien) sowie Patienten mit schlechter Myokardfunktion.

Bislang fallen jedoch gerade diese gefährdeten Patienten meist unter die Ausschlusskriterien der klinischen Untersuchungen.

Stoppe und Kollegen sprechen von möglichen Störfaktoren, die eine Translation der experimentellen Ergebnisse in die klinische Praxis verhindern. Häufig geht es hierbei um eine mögliche Organprotektion durch andere Begleitumstände oder den Einfluss von Komorbidität oder Komedikation. Können wir einen eventuellen Nutzen in der Behandlungsgruppe nur nachweisen, wenn die Kontrollgruppe einen möglichst großen Organschaden aufweist? Sollte nicht vielmehr die Kontrollgruppe schon so effizient wie eben möglich gegen einen Gewebeschaden geschützt werden?

Was uns bislang noch weitgehend fehlt, ist der Nachweis, dass ggfs. die Kombination von unterschiedlichen Protektionsmöglichkeiten tatsächlich eine klinisch relevante Reduktion des Zellschadens und eine Verbesserung des (Langzeit-)Outcomes bewerkstelligen kann. Zugegeben, die Etablierung einer derartigen Studie ist schwierig und sicher sehr kostenintensiv. Dennoch zeigen die Ergebnisse der letzten Jahre, dass es nicht „die eine Protektionsstrategie“ gibt, die hilft, jeglichen Myokardschaden zu vermeiden. Vielmehr sind es wahrscheinlich viele, gleichzeitig und allesamt sehr sorgfältig ausgeführte Strategien, die eine Reduktion des Gewebeschadens auch in klinischen Untersuchungen bewirken können, sodass zukünftig hoffentlich tatsächlich alles Gute von Herzen kommt.

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B. Preckel