Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags

  • erkennen Sie den Patienten im Schock bereits in der kompensierten Phase,

  • sind Ihnen die klinischen Zeichen eines Schockzustands bekannt,

  • sind Sie mit der klinischen Präsentation unterschiedlicher Schockformen vertraut,

  • erkennen Sie die laborchemischen Zeichen des Schockzustands

  • können Sie die apparativen Möglichkeiten zur Diagnose einer Organischämie im Rahmen eines Schockzustands anwenden.

Hintergrund

Der Begriff Ischämie beschreibt die Minderdurchblutung oder den kompletten Durchblutungsausfall eines oder mehrerer Organe. Es wird zwischen regionaler, also auf ein oder benachbarte Organe beschränkter Ischämie und globaler, den gesamten Körper betreffender Ischämie unterschieden. Die globale Ischämie entspricht einem Schockzustand. Sie ist eine der häufigsten Ursachen von Organdysfunktion und Tod bei Notfall- und Intensivpatienten [1]. Der Früherkennung einer globalen Ischämie kommt daher eine essenzielle Bedeutung in der Notfall- und Intensivmedizin zu.

In diesem Beitrag wird die klinische, laborchemische und apparative Diagnostik der globalen Ischämie detailliert erläutert. Im 2. Teil des Artikels wird die Diagnostik der Minderdurchblutung einzelner Organe im Rahmen einer globalen Ischämie beschrieben. Auf die Diagnostik regionaler Ischämien ohne globale Minderdurchblutung (z. B. akuter Myokardinfarkt infolge eines koronaren Verschlusses, ischämischer Schlaganfall infolge eines arteriellen Gefäßverschlusses) wird nicht gesondert eingegangen.

Fallbeispiel

Ein 60-jähriger Patient wird nach einem Kollaps in die Notaufnahme gebracht, wo er sich mit fahlem Hautkolorit, wach, aber unruhig und desorientiert präsentiert. Er klagt über Dyspnoe und weist eine erhöhte Atemarbeit auf. Der Blutdruck beträgt 129/64 mm Hg, die Herz- und Atemfrequenzen sind mit 117/min und 31/min deutlich erhöht. Die Körpertemperatur beträgt 38,7 °C. In der klinischen Untersuchung fällt auf, dass der Patient einen fadenförmigen Radialispuls, kühle Extremitäten sowie eine ausgedehnte Hautmarmorierung an beiden unteren Extremitäten (Abb. 1) aufweist. Des Weiteren zeigt sich die Rekapillarisierungszeit auf etwa 4 s verzögert. Es wird die Diagnose eines septischen Schocks gestellt. Die erste Blutgasanalyse zeigt eine erhöhte Laktatkonzentration (8,9 mmol/l) sowie eine respiratorisch inkomplett kompensierte metabolische Acidose (pH 7,22; Basendefizit −13 mmol/l; arterieller Kohlendioxidpartialdruck [paCO2] 37 mm Hg). Nach Einlage eines Harnkatheters entleeren sich geringe Mengen an konzentriertem Harn. Therapeutisch wird mit der Gabe von 1500 ml balancierter kristalloider Infusionslösungen begonnen. Da der Patient trotz Volumentherapie zunehmend hypotensive Blutdruckwerte und weiterhin Zeichen der Endorganhypoperfusion aufweist, wird eine Therapie mit Noradrenalin mit einer Rate von 0,2 µg/kgKG und Minute eingeleitet. Parallel dazu werden Blutkulturen abgenommen, der Harn auf Pneumokokken- und Legionellenantigen getestet und bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer schweren ambulant erworbenen Pneumonie eine empirische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Azithromycin eingeleitet.

Abb. 1
figure 1

Ausgedehnte Hautmarmorierung an den unteren Extremitäten. (Foto: Christian Torgersen, Salzburg; mit freundlicher Genehmigung aus [2])

Schock

Pathophysiologisch entspricht ein Schock einer globalen Minderdurchblutung der Körpergewebe mit unzureichender Sauerstoffversorgung der Zellen [3]. In der Klinik und in mehreren aktuellen Definitionen wird ein Schockzustand als das gleichzeitige Vorhandensein von Zeichen einer globalen Minderdurchblutung und einer arteriellen Hypotonie (z. B. mittlerer arterieller Blutdruck <65 mm Hg oder systolischer arterieller Blutdruck <90 mm Hg) definiert [4, 5, 6]. Bei genauer Betrachtung der Pathophysiologie des Schockzustands tritt eine Minderversorgung der Zellen mit Sauerstoff jedoch bereits viel früher, also schon lange vor dem Abfall des arteriellen Blutdrucks auf. Diese Schockphase wird als kompensierte Schockphase bezeichnet, führt aber dennoch zur Minderdurchblutung der Organe und Gewebe mit dem Risiko einer Organdysfunktion. Reichen die kardiovaskulären Kompensationsmechanismen nicht mehr aus, um den arteriellen Blutdruck aufrecht zu erhalten, sinkt der Blutdruck (Abb. 2). Diese Dekompensation eines Schockzustands geht mit einer deutlichen Erhöhung der Morbidität und Mortalität einher [7]. Auf diese Fehleinschätzungen der Schockdefinition gehen die neuesten Empfehlungen der europäischen Intensivgesellschaft explizit ein. In einem Konsensuspapier wird unterstrichen, dass ein Schockzustand auch dann vorliegen kann, wenn (noch) keine arterielle Hypotonie vorhanden ist [3]. Auch bei jenem Patienten, der im Fallbeispiel vorgestellt wurde, lag beim Eintreffen in der Notaufnahme bereits ein schwerer Schockzustand vor, obwohl der Blutdruck aufgrund ausgeprägter kardiovaskulärer Kompensationsmechanismen noch normal war. Wird ein Schock erst erkannt und aggressiv behandelt, wenn der arterielle Blutdruck abfällt und der Schockzustand dekompensiert, verstreicht wertvolle Zeit, in der eine globale Hypoperfusion reversiert und ischämiebedingte Organdysfunktionen verhindert werden können.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung eines Schockverlaufs

Merke

Auch normo- oder hypertensive Patienten können sich in einem Kreislaufschock befinden!

Cave

Wird ein Schockzustand erst erkannt, wenn der Blutdruck abfällt, geht wertvolle Zeit verloren, in der eine ischämiebedingte Organdysfunktion verhindert werden könnte.

Im Gegensatz dazu kann eine arterielle Hypotonie vorliegen, ohne dass dies durch einen Schockzustand bedingt ist (z. B. Orthostase, Blutdruckabfall nach neuroaxialer Anästhesie/Analgesie oder Verabreichung von Sedativa/Anästhetika). Dies ist wichtig, da zahlreiche Sedativa (z. B. Dexmedetomidin) oder Anästhetika (z. B. Propofol) den Sympathikotonus reduzieren, gleichzeitig zu einer Vasodilatation führen und somit einen Blutdruckabfall herbeiführen können. Damit kann ein sedierter und intubierter Patient mit einer Infektion (z. B. Pneumonie) hypoton sein, ohne dass ein septischer Schock vorliegt (sog. „propofolinduziertes Schocksyndrom“).

Klinische Untersuchung

In den Empfehlungen der europäischen Intensivgesellschaft wird der Stellenwert der klinischen Untersuchung bei der Schockdiagnose besonders hervorgehoben. Dabei wird auf die klinische Beurteilung der Organe Haut, Niere und Gehirn hingewiesen [3]. Dabei müssen die folgenden 2 pathophysiologischen Schockgruppen voneinander unterschieden werden (Tab. 1):

  1. a)

    Schock mit globaler Minderdurchblutung sowie

  2. b)

    distributiver Schock mit normalem oder erhöhtem Herzzeitvolumen, aber Fehlverteilung des Blutflusses weg von den Vital- und Viszeralorganen .

Tab. 1 Klinische Präsentation der 2 pathophysiologischen Schockformen

Während ein Schock mit globaler Minderdurchblutung durch die klinischen Zeichen einer Zentralisation und Hypoperfusion der Niere und/oder des Gehirns erkannt werden kann, fehlen beim distributiven Schock typischerweise Zeichen der Zentralisation und Minderdurchblutung der Haut. Dennoch liegen bei diesen Patienten klinische Zeichen der renalen und/oder zerebralen Hypoperfusion vor. Unspezifische klinische Zeichen eines Schockzustands sind ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand (klinischer Blick!), eine Tachypnoe und/oder eine Tachykardie.

Merke

Die klinische Untersuchung ist die Methode der Wahl, um einen Schockzustand zu erkennen.

Labordiagnostik

Zellmetaboliten (z. B. Laktat, Protonen, Kohlendioxid) und die relative Menge des ausgeschöpften Sauerstoffs können indirekte Hinweise auf eine globale Minderversorgung der Körpergewebe mit Sauerstoff liefern. Alle diese Parameter können bettseitig, z. B. mittels Point-of-care-Diagnostik, bestimmt werden. Laktat ist der am häufigsten herangezogen Laborparameter, um eine Gewebehypoperfusion zu erkennen. Eine erhöhte Laktatkonzentration (>2 mmol/l) ist Teil der neuen Definition des septischen Schocks [4]. Erhöhte Laktatspiegel und eine reduzierte Laktatclearance sind unabhängige Mortalitätsprädiktoren für Intensivpatienten [8].

Obwohl Laktat einen obligaten Metaboliten des anaeroben Zellmetabolismus darstellt, gibt es bei Notfall- und Intensivpatienten eine Vielzahl anderer Ursachen erhöhter Laktatkonzentrationen im Blut. Diese reichen von einer hepatischen Abbaustörung über einen Hypermetabolismus oder Thiaminmangel bis hin zu Medikamentennebenwirkungen (z. B. Adrenalin, β2-Mimetika, Metformin, Linezolid). Somit ist Laktat kein spezifischer Indikator einer Gewebehypoperfusion oder eines Schockzustands [9]. Nichtsdestotrotz hat es sich in der klinischen Praxis bewährt, bis zum Beweis des Gegenteils eine erhöhte Laktatkonzentration stets als Ausdruck einer globalen Hypoperfusion zu interpretieren. Auf der anderen Seite gilt es zu beachten, dass die Leber selbst hohe Mengen an Laktat rasch metabolisieren kann. Dies kann gerade bei jungen Patienten in frühen Phasen des Schocks zu falsch niedrigen Laktatkonzentrationen führen.

Merke

Bis zum Beweis des Gegenteils muss eine Erhöhung der Laktatkonzentration als Ausdruck einer globalen Hypoperfusion interpretiert werden!

Die Anhäufung von Protonen im Rahmen einer ischämiebedingten Zellhypoxie führt dennoch meist zu einer Erniedrigung der standardisierten Serumbikarbonatkonzentration und des Basenüberschusses („base excess“). Obwohl die Sensitivität einer metabolischen Acidose zur Diagnose eines Schockzustands sehr hoch ist, ist deren Spezifität limitiert, da viele andere metabolische Störungen (z. B. Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, Ketoacidose, Medikamente) zu einer metabolischen Acidose führen können.

Da viele Gewebe eine physiologische Reservekapazität besitzen (sprich: einen Mechanismus, der es erlaubt, eine hypoperfusionsbedingte Verminderung der Sauerstoffzufuhr durch eine erhöhte Sauerstoffextraktion srate zu kompensieren), kann anhand der zentral- bzw. gemischtvenösen Sauerstoffsättigung indirekt auf den Grad der globalen Hypoperfusion geschlossen werden. Fällt die zentral- bzw. gemischtvenöse Sauerstoffsättigung unter 65 bzw. 60 % ab, liegt eine Erhöhung der globalen Sauerstoffextraktion bzw. ein inadäquater systematischer Blutfluss vor. Da das Ausmaß der Sauerstoffextraktion auf zellulärer Ebene beschränkt ist, weisen zentral-/gemischtvenöse Sauerstoffsättigungen <40 % auf eine kritische Hypoperfusion hin. Trotz hoher Spezifität für das Vorliegen eines inadäquaten systemischen Blutflusses ist die Sensitivität der zentral-/gemischtvenösen Sauerstoffsättigung zur Diagnose des Schocks gering. Falsch-hohe, d. h. normale Werte werden regelmäßig bei ausgeprägter Zentralisation oder in der Sepsis, bei der die Sauerstoffextraktion gestört sein kann, beobachtet. Ein sensitiverer Parameter zur Beurteilung der Adäquatheit des systemischen Blutflusses dürfte der venös-arterielle CO2-Partialdruck-Gradient sein. Eine Erhöhung dieses Gradienten >6 mm Hg kann bei stabilem Sauerstoffverbrauch als spezifischer Hinweis für einen inadäquaten systemischen Blutfluss interpretiert werden [10].

Cave

Falsch-hohe zentral- oder gemischtvenöse Sauerstoffsättigungen im Schock finden sich bei Patienten mit ausgeprägter Zentralisation oder Sepsis.

Apparative Diagnostik

Der apparativen Diagnostik kommt bei der Detektion eines Schockzustands eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Hauptnachteil apparativer Methoden ist die Regionalität ihrer Messung. So kann z. B. mittels Intravitalmikroskopie die Mikrozirkulation unterhalb der Zunge eindrücklich visualisiert werden, jedoch ist unklar, wie verlässlich die Korrelation der Zungendurchblutung mit der systemischen Mikrozirkulation in den unterschiedlichen Schockzuständen ist. Weiterhin sind die meisten Intravitalmikroskope noch nicht für den Routinegebrauch im klinischen Alltag vorgesehen, da die Auswertung und Bildbeurteilung nur offline erfolgen kann.

Die nichtinvasive Messung der Gewebesauerstoffsättigung (StO2) mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) erfolgt ebenso punktuell, kann aber bei erniedrigten Werten, insbesondere wenn diese peripher (z. B. über dem Daumenballen) oder an mehreren Stellen gemessen werden, Hinweise für eine Zentralisation und somit globale Hypoperfusion liefern. Erniedrigte StO2-Werte sind bei Traumapatienten mit einem erhöhten Transfusionsbedarf, dem Schweregrad der Organdysfunktion sowie der Sterblichkeit assoziiert [11, 12, 13, 14, 15].

Merke

Der apparativen Diagnostik kommt bei der Schockdiagnose eine untergeordnete Bedeutung zu!

Nichtsdestotrotz ist die apparative Diagnostik primär (vor allem mittels einfacher, nichtinvasiver Tools wie Elektrokardiographie, Point-of-care-Sonographie und Echokardiographie) und sekundär (mittels invasiver Messverfahren, wie etwa zur Bestimmung der zentralvenösen-/gemischtvenösen Sättigung bzw. des pulmonalkapillaren Wedge-Drucks [PCWP], oder mittels erweiterter Bildgebung) essenziell, um die jeweilige Schockform korrekt zu diagnostizieren.

In Zusammenschau der Befunde aus klinischer Präsentation, Labordiagnostik und apparativer Diagnostik sollte der Akut- und Notfallmediziner in der Lage sein, entsprechend der Pathogenese und Pathophysiologie das vorliegende Schockgeschehen in eine der 4 Hauptgruppen der Schockformen:

  • hypovolämischer Schock,

  • distributiver Schock,

  • kardiogener Schock,

  • obstruktiver Schock,

einzuteilen, und entsprechend mit geeigneten Maßnahmen eine kausale Therapie zu beginnen [16].

Myokardischämie

Eine Myokardischämie im Rahmen eines Schockgeschehens tritt dann auf, wenn der systemische bzw. koronare Blutfluss nicht ausreicht, um den Sauerstoffbedarf des Myokards genügend zu decken (sog. Myokardischämie Typ II; [17]). Der Sauerstoffbedarf des Myokards ist im Schockzustand häufig aufgrund einer gleichzeitig bestehenden Tachykardie und eines gesteigerten Sympathikotonus erhöht. Liegt eine Koronarstenose vor, reicht bereits ein geringer Abfall des systemischen Blutflusses aus, um die myokardiale Sauerstoffversorgung kritisch zu reduzieren. Versagen die Kompensationsmechanismen im Schock und fällt der arterielle Blutdruck unter die koronare Autoregulationsgrenze ab, kommt es auch in Abwesenheit von Koronarstenosen zu einer myokardialen Ischämie. Ein Abfall des arteriellen Blutdrucks führt reflektorisch über Barorezeptoren zu einer weiteren Steigerung der Herzfrequenz, Erhöhung des myokardialen Sauerstoffbedarfs und Aggravierung der Myokardischämie (sog. Abwärtsspirale des Schockzustands; Abb. 2). Eine Autopsiestudie fand, dass über die Hälfte der Patienten, die im septischen Schock verstarben, eine Myokardischämie aufwies [18].

Einen besonderen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang die septische Kardiomyopathie als eine spezielle Form der potenziell reversiblen Organdysfunktion im Rahmen einer Sepsis beziehungsweise eines septischen Schocks. Hierbei zeigt sich häufig eine Dilatation der Herzkammern, begleitet von einer reduzierten ventrikulären Pumpfunktion bis hin zum rechts-, links- oder biventrikulären Pumpversagen [19].

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung ist eine insensitive Methode zur Diagnose der Myokardischämie im Rahmen eines Schockzustands. Im Gegensatz zur Myokardischämie infolge eines koronaren Verschlusses (Myokardinfarkt Typ I) verursacht eine schockassoziierte myokardiale Minderperfusion nur selten stenokardietypische Brustschmerzen. Häufiger finden sich unspezifische Symptome wie Angst, Dyspnoe oder vegetative Symptome (z. B. Schwitzen).

Merke

Die klinische Untersuchung ist eine insensitive Methode zur Diagnose der Myokardischämie im Rahmen eines Schockzustands.

Labordiagnostik

Der laborchemische Nachweis erhöhter Serumtroponinkonzentrationen (I oder T) im Blut ist ein spezifischer Hinweis auf eine Myokardzellschädigung und somit ein indirekter Indikator für eine myokardiale Hypoperfusion und Ischämie im Schock. Dabei scheint insbesondere das Ausmaß der (diastolischen) arteriellen Hypotonie und Tachykardie die Höhe des Troponinanstiegs zu beeinflussen [20]. Der Anstieg der Troponine erfolgt mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 3–6 h nach Beginn der Myokardischämie. Verglichen mit der Myokardischämiediagnostik im ambulanten Setting ist eine Troponinerhöhung im Schockzustand weniger spezifisch für eine myokardiale Minderperfusion. So kann die Troponinkonzentration auch durch eine direkte Katecholaminwirkungen, Myokarditis und/oder Nierenschädigung erhöht sein. Eine Troponinerhöhung ist bei Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert [21].

Merke

Die Troponinserumkonzentration ist ein spezifischer Marker für eine Myokardzellschädigung und somit ein indirekter Hinweis auf eine myokardiale Hypoperfusion und Ischämie im Schock.

Apparative Diagnostik

Die schnellste und sensitivste Methode zur Detektion einer Myokardischämie bei Patienten im Schock ist die Elektrokardiographie. Hierbei finden sich am häufigsten (deszendierende oder horizontale) ST-Strecken-Senkungen in allen oder anatomisch zusammenhängenden Ableitungen. Ventrikuläre Extrasystolen können ebenso Ausdruck einer hypoperfusionsassoziierten Myokardischämie sein. Trotz einer hohen Sensitivität sind sowohl ST-Strecken-Senkungen als auch ventrikuläre Extrasystolen nicht spezifisch für eine Myokardischämie. Bei einer kritischen Hypoperfusion des Herzens kommt es zu einem exponentiellen Abfall der Herzfrequenz und innerhalb kurzer Zeit zum Herz-Kreislauf-Stillstand. In einer retrospektiven Studie an kritisch kranken Patienten mit Therapiezieländerung war ein solch exponentieller Herzfrequenzabfall bei einem mittleren arteriellen Blutdruck von 35 ± 11 mm Hg zu beobachten [22].

Merke

Die schnellste und sensitivste Methode zur Detektion einer Myokardischämie bei Patienten im Schock ist die Elektrokardiographie.

Die Echokardiographie ist eine weitere Methode zum indirekten Nachweis einer Myokardischämie. Im Gegensatz zum Typ-I-Myokardinfarkt mit Verschluss eines Koronargefäßes und regionaler Wandbewegungsstörung finden sich bei myokardialer Hypoperfusion und Ischämie im Rahmen eines Schockgeschehens nur selten regionale Hypo- oder Akinesien, sondern häufiger eine Verminderung der globalen Pumpfunktion. In wie weit eine diastolische Funktionseinschränkung, wie sie z. B. bei Patienten im septischen Schock häufig anzutreffen ist, Folge einer Myokardischämie ist, bleibt derzeit noch unklar [23].

Eine Studie an Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock fand einen direkten Zusammenhang zwischen der diastolischen Funktionsstörung und der Erhöhung der Serumtroponin-T-Konzentration [24].

Merke

Eine Verminderung der globalen Pumpfunktion ist bei Patienten mit myokardialer Hypoperfusion im Rahmen eines Schockzustands häufiger als regionale Wandbewegungsstörungen.

Minderdurchblutung des Gehirns

Eine verminderte Durchblutung des Gehirns im Schockzustand führt abhängig vom Alter und dem Gefäßstatus zu einer zerebralen Ischämie. In den meisten Fällen führt eine zerebrale Hypoperfusion im Schock nicht zur Ausbildung eines Territorialinfarkts, sondern in erster Linie zu einer zerebralen Funktionsstörung. Territorialinfarkte, wie für thrombotische oder embolische Insulte typisch, finden sich nur bei höhergradigen Stenosen der hirnzuführenden Gefäße oder Hirnbasisarterien. Bei prolongierten, schweren Hypotonien können selbst bei jungen Patienten sog. Wasserscheideninfarkte, also Hirninfarkte in den Grenzzonen der Territorialversorgung der Hirnarterien (z. B. zwischen A. cerebri anterior und media sowie zwischen A. cerebri media und posterior), auftreten.

Klinische Untersuchung

Die klinischen Zeichen einer zerebralen Hypoperfusion können nur beim nichtsedierten Patienten erkannt werden. Typische, wenn auch unspezifische Zeichen einer zerebralen Hypoperfusion sind quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörungen. So können Unruhe, Angst und Verwirrtheit klinische Hinweise einer zerebralen Minderperfusion im Rahmen eines Schockzustands sein. Dies ist z. B. häufig bei älteren Patienten mit geringem systemischem Blutfluss trotz noch normaler Blutdruckwerte zu beobachten (siehe Fallbeispiel). Ein typisches Phänomen ist außerdem die Empfindlichkeit dieser Patienten auf sedierende Medikamente. So können bereits geringste Dosen an Sedativa oder Anästhetika ausreichen, um sowohl die Vigilanz überproportional zu vermindern als auch ein Herz-Kreislauf-Versagen zu verursachen. Auch Krampfanfälle können selten Ausdruck einer perfusionsbedingten zerebralen Ischämie sein.

Merke

Klinische Zeichen einer zerebralen Hypoperfusion können nur beim nichtsedierten Patienten erkannt werden!

Labordiagnostik

Bislang wurde kein laborchemischer Parameter validiert, um eine zerebrale Hypoperfusion und Ischämie im Schockzustand zu detektieren. Für die in der Notfall- und Intensivmedizin häufig verwendeten Laborparameter S100B und neuronenspezifische Enolase (NSE) liegen hauptsächlich Daten zur Diagnose und Schweregradeinschätzung einer traumatischen Hirnverletzung oder hypoxischen Enzephalopathie vor [25, 26].

Erste Publikationen deuten auch auf einen direkten Zusammenhang zwischen dem Schweregrad eines Schockzustands und dem Anstieg der S100B-Serumkonzentration hin [27]. Dies war im Tierversuch insbesondere bei schweren zerebralen Minderperfusionen (Abfall des zerebralen Perfusionsdrucks <30 mm Hg) zu beobachten [28].

Mit speziellen parenchymalen Hirndrucksonden kann bei ausgewählten Patienten (z. B. Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma oder nichttraumatischer Hirnschädigung) der Sauerstoffpartialdruck des Gehirngewebes gemessen werden. Dabei konnte unter anderem ein direkter Zusammenhang zwischen dem zerebralen Blutfluss/Perfusionsdruck und der Höhe des zerebralen Sauerstoffpartialdrucks gezeigt werden. Bei Patienten mit zerebraler Mikrodialyse kann ein Anstieg der Laktat-Pyruvat-Ratio ein Hinweis auf eine zerebrale Minderperfusion sein [29].

Apparative Diagnostik

Apparativ stehen mehrere Methoden zur Detektion einer perfusionsassoziierten zerebralen Ischämie in der klinischen Praxis zur Verfügung. Die NIRS ist eine nichtinvasive Methode zur transkutanen Messung des regionalen Sauerstoffgehalts und kann bei Messung über der Stirn von Patienten im Schock als Indikator der zerebralen Perfusion herangezogen werden [30]. Die meisten klinischen Daten liegen derzeit im Bereich der Kardioanästhesie vor [31, 32].

Im Zusammenhang mit systemischen Verminderungen des Blutflusses und des arteriellen Blutdrucks weisen absolute StO2-Werte <50 % oder ein Abfall >30 % vom Ausgangswert auf eine perfusionsbedingte Sauerstoffminderversorgung des Kortex hin. Weitere Vorteile sind die geringe Latenzzeit (innerhalb von Sekunden), mit denen die NIRS-Messungen auf eine Veränderung der zerebralen Perfusion reagiert. Die StO2 wird neben dem zerebralen Blutfluss einschränkend auch durch weitere Faktoren, wie die arterielle Sauerstoffsättigung, den paCO2 und die Hämoglobinkonzentration, beeinflusst [33].

Merke

Die Nahinfrarotspektroskopie ist eine nichtinvasive Methode zur transkutanen Messung des regionalen zerebralen Sauerstoffgehalts und kann zur Beurteilung der zerebralen Perfusion im Schock verwendet werden.

Mittels transkranieller Doppler-Sonographie können über die Messung der mittleren Blutflussgeschwindigkeit in den Hirnbasisarterien Rückschlüsse auf die zerebrale Perfusion gezogen werden [34]. Allerdings liegen zur praktischen Anwendung dieser Technik bei Patienten im Schock kaum klinische Daten vor. Weiterhin kann die kontinuierliche Elektroenzephalographie Hinweise auf Veränderungen der zerebralen Perfusion geben (z. B. als Amplituden- und/oder Frequenzminderung). Das Elektroenzephalogramm unterliegt neben der zerebralen Durchblutung zahlreichen weiteren Einflüssen, die bei Patienten im Schock insbesondere die Genese (z. B. Sepsis) als auch Hypoxie und sedierende Medikamente umfassen. Bei konstanten Anästhetikadosen und Hämoglobinkonzentrationen konnte jedoch im Tierexperiment ein Zusammenhang des Bispektralindex (BIS) mit Veränderungen der zerebralen Perfusion im hämorrhagischen Schock nachgewiesen werden [35]. Einschränkend sei hier jedoch zu erwähnen, dass es bei unvorhersehbaren Plasmakonzentrationen und erhöhter Endorgansensitivität für Hypnotika im Rahmen eines hämorrhagischen Schockgeschehens schwierig zu differenzieren ist, ob anhand sich ändernder BIS-Werte tatsächlich Rückschlüsse auf die zerebrale Perfusion gezogen werden können, oder diese lediglich Marker der Anästhesietiefe darstellen [36].

Minderdurchblutung der Nieren

Aufgrund ihrer harten und wenig dehnbaren Kapsel kann die Niere, im Gegensatz zu anderen Organen, ihre Gefäßweite und damit das intrarenale Blutvolumen nur eingeschränkt vergrößern. Dies resultiert in einer vergleichsweise hohen unteren Autoregulationsgrenze des renalen Gefäßbetts. Entsprechend kann die Niere ihre Perfusion in einem Schockzustand nur bedingt regulieren und ist somit jenes Viszeralorgan, das am empfindlichsten auf eine systemische Hypoperfusion, z. B. einen Schockzustand, reagiert.

Klinische Untersuchung

In der Frühphase eines Schockgeschehens korrelieren die glomeruläre Filtrationsmenge und die Diurese mit dem Ausmaß der Nierendurchblutung. Klinisch kann daher die Beurteilung einer renalen Perfusionsstörung und perfusionsbedingten Nierendysfunktion anhand der Harnmenge und -konzentration erfolgen. Von mehreren Leitlinien wird eine Harnmenge <0,5 ml/kgKG und Stunde, insbesondere bei Bestehen über ≥6 h, als Oligurie definiert („kidney disease: improving global outcomes“ [KDIGO], „risk/injury/failure/loss/end-stage“ [RIFLE], „acute kidney injury network“ [AKIN]) und kann im Schock als Ausdruck einer renalen Hypoperfusion gewertet werden. Eine renale Ischämie kann damit jedoch nicht detektiert werden. Zusätzlich führt die para-/endokrinvermittelte Steigerung der tubulären Natrium- und Wasserresorption bei renaler Hypoperfusion zu einer Erhöhung der Harnosmolalität (bis maximal 1200 mosmol/kg H2O). Klinisch kann dies durch eine dunkle Harnfarbe erkannt werden (Abb. 3). Sowohl Oligurie als auch Harnfarbe sind im Schock, obwohl häufig vorhanden, nicht spezifisch für das Vorliegen einer perfusionsbedingten Nierendysfunktion. Gerade im septischen Schock oder bei gleichzeitigem Vorliegen einer Leberdysfunktion können andere Ursachen für die quantitativen und qualitativen Veränderungen des Harns vorliegen. Nach einigen Stunden scheint die Harnmenge ihre Assoziation zur renalen Perfusion zu verlieren. Neben dem Vorhandensein einer tubulären Funktionsstörung im Rahmen der Grunderkrankung (z. B. Sepsis) führt die neuroendokrine Stressantwort selbst bei verbesserter oder gesteigerter renaler Perfusion durch die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon und Aldosteron zu einer Oligurie. Schmerzen in den Flanken oder im kostovertebralen Dreieck können, z. B. im Rahmen eines hypovolämischen Schocks, Ausdruck einer renalen Ischämie mit Nierenödem und assoziierter Kapselspannung sein.

Abb. 3
figure 3

Konzentrierter Harn und Oligurie. (Mit freundlicher Genehmigung aus [2])

Merke

Die Korrelation zwischen der Harnmenge und der renalen Durchblutung geht nach wenigen Stunden verloren!

Labordiagnostik

Die fraktionelle Natriumexkretion (FeNa) beschreibt den prozentuellen Anteil des glomerulär filtrierten Natriums, der im Harn ausgeschieden wird. Pathophysiologisch spiegelt bei einer renalen Perfusionsstörung im Rahmen eines Schockzustands (z. B. hypovolämischer oder kardiogener Schock) eine FeNa <1 % die intakte tubuläre Rückresorption des Natriums wieder. Hingegen sprechen FeNa-Werte >2 % für eine inadäquate renale Natriumexkretion (z. B. im Rahmen einer tubulären Dysfunktion; [37]).

Limitierend gilt zu erwähnen, dass die Einnahme von Diuretika zu einer Reduktion der Natriumresorption und somit zu einer falsch-hohen FeNa führt. Im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung werden jedoch bei eingeschränkter Diurese oft frühzeitig Schleifendiuretika, z. B. im Rahmen eines Furosemidstresstests, eingesetzt. Zusätzlich kommt es z. B. während eines septischen Schocks infolge proinflammatorischer Mediatoren und neurohumeraler Aktivierung zu einer Erhöhung der tubulären Natriumresorption und einer falsch-tiefen FeNa [38]. Alle diese Aspekte machen die FeNa zu einem nur wenig geeigneten Tool im Rahmen der Diagnostik einer renalen Hypoperfusion und Ischämie. Einen alternativen laborchemischen Parameter, der für weniger Einflussfaktoren anfällig ist, stellt die fraktionierte Harnstoffexkretionsrate (FeUrea) dar. Bei Patienten mit akuter Nierenschädigung wies eine FeUrea <35 % eine Sensitivität von 90 % und eine Spezifität von 96 % für das Vorliegen einer perfusionsbedingten Nierendysfunktion auf [39].

Merke

Die fraktionierte Harnstoffexkretionsrate ist eine sensitive und spezifische Methode zur Diagnose einer perfusionsbedingten Nierendysfunktion!

Renale Biomarker, wie Kreatinin und Cystatin C, sind allgemeine Indikatoren einer Nierenschädigung und weisen keine spezifische Korrelation mit einer perfusionsbedingten Nierendysfunktion auf. Eine wichtige Limitation der Serumkreatininmessung ist, dass sie in aller Regel erst dann erhöhte Werte zeigt, wenn die glomeruläre Filtrationsrate bereits um ≤50 % reduziert ist. Neutrophilengelatinaseassoziiertes Lipocalin (NGAL), KIM‑1 und Interleukin(IL)-18 sind renale Biomarker, die jedoch aufgrund einer eingeschränkten Aussagekraft keinen routinemäßigen Einzug in die klinische Praxis gefunden haben.

Aktuell am besten validiert sind TIMP‑2 und IGFBP7. Dies sind „Cell-cycle-arrest“-Proteine, die bei zellulärem Stress oder Schädigung der Tubuluszellen vermehrt exprimiert werden. Als kombinierter Biomarker stehen TIMP‑2 und IGFBP7 seit dem Jahr 2014 kommerziell zur Verfügung [40].

Apparative Diagnostik

Die Doppler-Sonographie erlaubt die indirekte Quantifizierung der renalen Perfusion. Der am häufigsten bestimmte Parameter zur Abschätzung der Nierendurchblutung ist der renale Resistive-Index (RRI), der einen Quotienten aus systolischen und diastolischen Flussgeschwindigkeiten darstellt. Die Normwerte beim Gesunden liegen zwischen 0,6 und 0,7. Eine Erhöhung des RRI >0,7 tritt bei renaler Hypoperfusion und intrarenaler Vasokonstriktion auf [41].

Entsprechend weisen Patienten im Schock deutlich höhere RRI-Werte auf als Patienten mit stabilen Kreislaufverhältnissen. Außerdem zeigte sich eine inverse Korrelation zwischen dem RRI und den arteriellen Blutdruckwerten [42]. Aufgrund seiner guten Korrelation mit dem renalen Blutfluss wurde der RRI auch zur Identifikation des Zielblutdrucks zur Optimierung der renalen Perfusion im septischen Schock empfohlen [43].

Merke

Die Doppler-Sonographie erlaubt die indirekte Quantifizierung der renalen Perfusion.

Minderdurchblutung des Darms und der Leber

Das Gefäßbett des Magen-Darm-Trakts weist, ebenso wie jenes der Haut, eine hohe Dichte an vasokonstriktionvermittelnden Rezeptoren (z. B. α‑, Angiotensin- und Vasopressinrezeptoren) auf. Bei einem Abfall des systemischen Blutflusses kommt es daher früh zu einer Reduktion der Splanchnikusdurchblutung. Aufgrund der anatomischen Anordnung der Zottengefäße ist die Sauerstoffversorgung im Bereich der Darmmukosa am stärksten eingeschränkt.

Die Leber erhält etwa 20–25 % des Herzminutenvolumens. Dies erfolgt über einen dualen Perfusionsmechanismus zu zwei Dritteln über die Pfortader und zu einem Drittel über die A. hepatica. Im Rahmen einer Hypoperfusion der Leber bedingt durch ein Schockgeschehen kann es zur Schädigung der Hepatozyten und einer ischämischen Hepatitis (sog. Schockleber) kommen. Ursachen hierfür sind hämodynamische Instabilitäten und eine beeinträchtige hepatische Perfusion entweder infolge eines reduzierten arteriellen Blutflusses oder einer zentralvenösen Stauung [44].

Klinische Untersuchung

Es existieren keine klinischen Untersuchungstechniken, die spezifische Hinweise auf das Vorliegen einer gastrointestinalen Minderdurchblutung im Rahmen eines Schockzustands liefern können. Unspezifische Untersuchungsbefunde, die bei Patienten mit Hypoperfusion des Splanchnikusgebiets gefunden werden, sind fehlende Darmgeräusche, Meteorismus, hoher gastraler Reflux sowie selten (blutige) Diarrhö oder abdominelle Schmerzen.

Die hepatische Hypoperfusion spiegelt sich ebenso in keiner spezifischen klinischen Symptomatik wieder. Teilweise finden sich unspezifische Hinweise in der körperlichen Untersuchung wie Übelkeit oder Schmerzen im rechten oberen Quadranten des Abdomens.

Merke

Es existieren keine klinischen Untersuchungstechniken, die spezifische Hinweise auf das Vorliegen einer gastrointestinalen Minderdurchblutung im Rahmen eines Schockzustands liefern können.

Labordiagnostik

Aktuell stehen keine Laborparameter zur Verfügung, mithilfe derer mit adäquater Genauigkeit das Vorliegen einer Mesenterialischämie im Rahmen eines Schockzustands ein- oder ausgeschlossen werden kann [45]. In einer Metaanalyse zeigte sich für das Serumlaktat (L(+)-Enantiomer), das im klinischen Alltag am häufigsten mit der Diagnose einer Mesenterialischämie assoziiert wird, eine Sensitivität zum Nachweis einer Darmischämie von 86 % bei einer bescheidenen Spezifität von lediglich 44 % [46]. Hinzu kommt, dass die Serumlaktatkonzentration je nach Grad der hepatischen Metabolisierung bei Patienten mit Mesenterialischämie typischerweise erst verspätet ansteigt. Bei Anstieg liegt bereits eine ausgeprägte ischämische Schädigung der Darmwand vor [47]. Neuere Biomarker, wie das intestinale fettsäurenbindende Protein (I-FABP) sowie die α‑Glutathion-S-Transferase, sind spezifische Zellbestandteile von Enterozyten, die bei einer mesenterialen Ischämie freigesetzt werden [48]. Erhöhte I‑FABP-Konzentrationen im Serum bei Patienten im Schock sind Ausdruck des Schweregrads der Darmminderdurchblutung und korrelieren mit der Mortalität [49, 50]. Bei herzchirurgischen Patienten erwies sich die I‑FABP-Konzentration bei Intensivaufnahme als valider Prädiktor für das Auftreten eines Multiorgandysfunktionssyndrom sowie für Infektionen und einen prolongierten Intensivaufenthalt [51]. Die Infusion hoher Katecholamindosen (>0,5 µg/kgKG und Minute) war bei kritisch kranken Patienten mit erhöhten I‑FABP-Serumkonzentrationen assoziiert [52].

Die ischämische Hepatitis wiederum zeigt sich laborchemisch durch einen deutlichen Anstieg der Serumtransaminasen. Als diagnostische Kriterien gelten ein ausgeprägter Anstieg der Serumkonzentrationen der Aspartat-Aminotransferase (AST) und der Alanin-Aminotransferase (ALT) auf das zumindest 20-Fache des oberen Normalwerts im Rahmen eines kardiozirkulatorischen oder respiratorischen Versagens bei zeitgleichem Ausschluss einer alternativen Ursache für die Leberzellnekrose wie etwa eine virale oder toxische Hepatitis [53]. Des Weiteren zeigt sich häufig ein markanter Anstieg der Serumlaktatdehydrogenase (LDH), wodurch man die ischämische bzw. hypoxische Hepatitis von anderen Ursachen der Leberschädigung, wie etwa eine viralen Hepatitis, unterscheiden kann [54].

Apparative Diagnostik

Die computertomographische Angiographie des Abdomens wird von den Leitlinien der World Society of Emergency Surgery bei Verdacht auf eine Mesenterialischämie empfohlen [55]. Während die Sensitivität und Spezifität dieser bildgebenden Methode zum Nachweis einer embolisch oder thrombotisch bedingten Mesenterialischämie bei 93 bzw. 100 % liegt, ist der diagnostische Wert bei einer intestinalen Hypoperfusion im Rahmen eines Schockgeschehens deutlich geringer [56]. Computertomographisch können nur Folgen einer Darmischämie (z. B. Darmwandverdickung, Pneumatosis intestinalis, fehlende Kontrastmittelaufnahme in der Darmwand, mesenteriales Stranding) sicher identifiziert werden [57]. Die nichtokklusive Mesenterialischämie ist eine seltene Sonderform der Darmminderdurchblutung, die durch eine übermäßige mesenteriale Vasokonstriktion bedingt ist. Sie wird mittels computertomographischer Angiographie der Mesenterialgefäße diagnostiziert und tritt insbesondere bei älteren Patienten im Schock (z. B. nach herzchirurgischen Eingriffen) auf.

Die Tonometrie des intramukosalen pH (pHi) ist eine semiexperimentelle Methode zur Messung des pH-Werts und des Kohlendioxidpartialdrucks im Magen. Aufgrund der hohen Diffusionskapazität des Kohlendioxids besteht eine enge Korrelation zwischen dem intraluminalen Kohlendioxidpartialdrucks und jenem in der Magenschleimhaut. Da der mukosale Kohlendioxidpartialdruck wesentlich von der Durchblutung der Magenschleimhaut abhängt, werden der Kohlendioxidpartialdruck im Magen sowie die Differenz zwischen arteriellem und intragastralem Kohlendioxidpartialdruck als Indikatoren der gastrointestinalen Durchblutung herangezogen [58]. Ein Abfall des intraluminalen pH und ein Anstieg des gastralen Kohlendioxidpartialdrucks gelten als indirekte Zeichen einer Hypoperfusion der Magenschleimhaut und als Prädiktoren einer schlechten Prognose im Schock. Nachteile der Methoden stellen die eingeschränkte Korrelation mit der Durchblutung anderer Darmabschnitte sowie ihre Anfälligkeit gegenüber zahlreicher Einflussfaktoren (z. B. enterale Ernährung, Säureblocker) dar. Auch die Messung der Indocyaningrünclearance konnte sich als Methode zur Messung der Leberdurchblutung in der Intensivmedizin aufgrund ihrer schlechten Reproduzierbarkeit nicht durchsetzen.

Fazit für die Praxis

  • Die Diagnose eines Schockzustands wird klinisch und mittels Blutgasanalyse gestellt; eine arterielle Hypotension ist keine Voraussetzung.

  • Klinisch wird zwischen einem Schock mit globaler Minderdurchblutung und einem distributiven Schock unterschieden.

  • Eine Myokardischämie kann im Schock mittels Elektrokardiographie, Echokardiographie und Troponindiagnostik erkannt werden.

  • Die klinisch nicht eindeutig erkennbare zerebrale Hypoperfusion kann durch eine Nahinfrarotspektroskopie detektiert werden.

  • Die Diurese und visuelle Inspektion des Harns ist eine sensitive Methode zur Beurteilung der Nierenperfusion. Die Bestimmung der fraktionierten Harnstoffexkretion und die sonographische Messung des renalen Resistive-Index liefern Hinweise auf eine Hypoperfusion.

  • Eine Darmischämie ist klinisch schwierig zu erkennen. Die Bestimmung des intestinalen fettsäurebindenden Proteins und die Durchführung einer computertomographischen Angiographie können in Einzelfällen bei Schock hilfreich sein.