Zusammenfassung
In der Berichtszeit von zehn Jahren (1937–46) wurden an der Frankfurter Nervenklinik 895 Kranke (10% sämtlicher psychisch Kranker) krampfbehandelt. Mit der Zunahme der therapeutischen Indikationsbreite (von anfangs 5% bis 20% im Jahre 1946) ging eine Verschiebung der Indikationsstellung von den Schizophrenien auf andere Erkrankungen einher. Es wurden pro Behandlung durchschnittlich 13–15 Schocks verabreicht, in der Regel je 2 in der Woche. Blockbehandlung wurde nur in Ausnahmefällen bei vitaler Indikation besonders bei bedrohlichen Erregungszuständen angewandt. EinDrittel der insgesamt 10000 Schocks waren Cardiazol-, der Rest Elektrokrämpfe.
Bei den schizophrenen Psychosen machten die atypischen Verlaufsformen, die an sich schon zu Remissionen neigen, darunter besonders die iterativ-erregte sogenannte periodische Katatonie, die Mehrzahl der guten Behandlungserfolge aus. Die überwiegend stetig fortschreitend verlaufenden typischen Formen blieben dagegen, wie auch Defektzustände, vor allem solche affektiver Art, so gut wie unbeeinflußt. Nur vorübergehend verloren Trugwahrnehmungen und Wahnideen an Affektwert, psychomotorische Erscheinungen konnten nur abgeschwächt und Erregungszustände abgekürzt werden. Die praktische Bedeutung feinerer diagnostischer Untersuchungen geht daraus hervor.
Sehr gute Behandlungserfolge mit Abkürzung der Krankheitsdauer zeigten dagegen die phasischen Psychosen, insbesondere die Melancholien. Etwas schlechter beeinflußbar erwiesen sich die manischen Erkrankungen, vor allem die gehobene Affektlage, und auch unter den doppelphasischen mehrgestaltigen Psychosen sprachen die gehemmten, akinetischen und stuporösen Phasen besser als die ihnen gegenpoligen Phasen auf die Krampfbehandlung an. Erst- und Wiedererkrankungen hatten die gleiche Behandlungsprognose; das Auftreten neuer Phasen blieb von der Krampfbehandlung unbeeinflußt.
Bei den symptomatischen Psychosen hatte die Konvulsionstherapie oft eine lebensrettende Wirkung. Reaktive Psychosen und Psychopathien wurden nur ausnahmsweise krampfbehandelt; sie sollten überhaupt nicht geschockt werden. Bei einem Vergleich der beiden Krampfmethoden zeigte sich bei den phasischen Psychosen kein wesentlicher Unterschied, dagegen erwies sich bei den Schizophrenien das Cardiazol als das wirksamere Krampfmittel.
Mit der Zunahme der therapeutischen Erfahrungen wurden die Gegenindikationen immer weiter eingeengt. Die Zahl der Zwischenfälle war außerordentlich gering und betraf etwa 0,5% sämtlicher Schockbehandlungen, männliche und weibliche Kranke im gleichen Maße. Sie waren sämtlich im gleichen Verhältnis nach Cardiazol- und nach Elektrokrämpfen zu beobachten.
Schockangst wurde nur in 10–11% sämtlicher Behandlungen angetroffen und zwar in gleichem Maße nach Cardiazol- wie nach Elektroschocks. Hirnorganische Durchgangsphasen fanden sich als reversible Erscheinungen besonders nach Elektrokrämpfen und vermehrt bei weiblichen Kranken, sowie in höherem Lebensalter.
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Redhardt, R. 10jährige Erfahrungen mit Krampfbehandlungen (1937–1946) besonders im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Krankheitsform und Behandlungserfolg. Archiv für Psychiatrei und Neurologie 192, 328–355 (1954). https://doi.org/10.1007/BF00346630
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