Zusammenfassung
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1.
Ableitung zwischen Kopf und Antennenspitze oder zwischen den beiden Antennenspitzen läßt nur die elektrische Aktivität der Scapusund Pedicellusmuskeln, nicht die der Sensillen, erkennen.
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2.
Von der isolierten Antennengeißel wurde a) mit großflächigen Elektroden und R-C-Verstärkung und b) mit glaskapillaren Mikroelektroden und R-C-Verstärkung abgeleitet. — Mit Methode (a) kommt es zur Darstellung summierter spontaner Spikes, mit Methode (b) zur Darstellung einzelner spontaner Spikes.
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3.
Die Aktivität nimmt bei einer Reizung in stehender Luft durch extrahierten oder frischen Sexuallockstoff, Cycloheptanon und Sorbinol zu und erlischt unter dem Einfluß von Äther- oder Chloroformdampf.
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4.
Durch Luftstöße werden in der Antennengeißel narkotisierbare elektrische Oszillationen von Schwingungsrezeptoren ausgelöst und spontane Spikes statischer Rezeptoren ausgelöscht.
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5.
Der Verlauf langsamer Potentialschwankungen wurde mit einem Gleichspannungsverstärker erfaßt. Trifft ein Duftstoffe enthaltender Luftstoß auf die isolierte Antenne, so entsteht zwischen ihrem distalen und proximalen Ende eine in ihrer Form reproduzierbare Potentialdifferenz, das Elektroantennogramm (EAG).
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6.
Die Form des EAGs ist abhängig von der Duftkomponente des Luftstromes. Die EAG-Amplitude wächst mit der Duftkonzentration und der Strömungsgeschwindigkeit der Luft.
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7.
Alle Duftstoffantennogramme beginnen mit einer negativen Phase, dem Ein-Effekt. Das während des Duftstromes bestehende Zwischenpotential ist beim Sexuallockstoff negativ, bei Cycloheptanon positiv oder gleich der Null-Lage und bei Sorbinol negativ oder gleich Null. Das Cycloheptanon- und das Sorbinol-EAG endet mit einem Aus-Effekt. Das Lockstoff-EAG geht nach dem Reiz langsam zurück.
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8.
Nur die Antennen männlicher Tiere reagieren auf Sexuallockstoff durch eine erhöhte Aktivität der in der Ruhe spontan signalisierenden Elemente und durch ein Lockstoff-EAG. — Die Antennen beider Geschlechter zeigen Spikes und EAG bei Reizung durch die synthetischen Stoffe Sorbinol und Cycloheptanon.
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9.
Unter dem Einfluß von Äther- oder Chloroformdampf ist kein Duftstoff-EAG auslösbar. Die Präparate reagieren erst nach dem Entfernen des Narkotikums (spätestens 15 min nachher) wieder auf dufthaltige Luftstöße in vollem Umfang. Die Erholungszeit ist ein Maß für die Narkosetiefe.
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10.
Luftstöße bewirken während oder kurz nach der Äther- bzw. Chloroformeinwirkung die Ausbildung eines Narkose-EAGs, dessen Form vom Stoff und von der Narkosetiefe abhängt. Äther- und Chloroform-EAGs bei beginnender oder abklingender Narkose sind dem Cycloheptanon-EAG ähnlich. Das EAG bei starker Äthereinwirkung ist rein positiv oder negativ, das bei reiner Chloroformeinwirkung negativ.
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11.
Präparate von Tieren, die vor der Antennenamputation in einem gsschlossenen Gefäß durch Äther-, Chloroform- oder HCN-Dampf abgetötet wurden, zeigen weder Spikes noch ein EAG. Auch durch Äther- oder Chloroformdampf läßt sich in solchen Präparaten kein EAG induzieren.
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12.
Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Lokalisation der chemosensorischen Sensillen und die Beziehungen der Komponenten des komplexen EAGs zur Signalchiffrierung besprochen.
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Schneider, D. Elektrophysiologische Untersuchungen von Chemo- und Mechanorezeptoren der Antenne des Seidenspinners Bombyx mori L.. Z. Vergl. Physiol. 40, 8–41 (1957). https://doi.org/10.1007/BF00298148
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