1 Einleitung

Die Gruppe der selteneren Vaskulitiden im Kindesalter umfasst primäre systemische Vaskulitiden der kleinen oder mittelgroßen Gefäße (Fina et al. 2018; Gendelman et al. 2013; Ozen und Sag 2020), monogenetische Vaskulitis-Syndrome (Hashem et al. 2017; Liu et al. 2014; Ozen und Batu 2018; Perazzio et al. 2020; Pinto et al. 2021; Takeuchi et al. 2020), organspezifische Vaskulitiden, wie beispielsweise die ZNS-Vaskulitis, die retinale Vaskulitis (Abd El Latif et al. 2019) und die pulmonale Kapillaritis (Rayment et al. 2019; Susarla und Fan 2007), Vaskulitiden bei Immundefizienz (Ozen 2017), infektionsassoziierte (Betti et al. 2021) und medikamentenassoziierte Vaskulitiden (Rasmussen et al. 2021).

In den vergangenen Jahren haben sich vielen Forschungsteams auf die Suchen nach monogenetischen Ursachen des klinischen Phänotyps „seltene Vaskulitis“ insbesondere im Kindesalter gemacht. Die Defizienz der Deaminase Typ 2 (Zhou et al. 2014), Mutationen im Stimulator von Interferon-Genen (STING) (Liu et al. 2014), X-chromosomale somatische Mutation im Ubiquitylation-Initiator-Enzym UBA (Beck et al. 2020), die Haploinsuffizienz von A20 (HA20) sind wichtige Entdeckungen auf dem Weg zum besseren Verständnis der Erkrankungsursachen und zur Behandlungsoptimierung (Ozen et al. 2018). Es ist wichtig hervorzuheben, dass diese genetischen Entdeckungen unsere klinischen Diagnosekriterien herausfordern.

Die systemische Pan- oder Polyarteriitis nodosa (sPAN) und die kutane PAN sind nekrotisierende Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße im Kindesalter. Der klinische und laborchemische Phänotyp der systemischen PAN ist weitgehend mit der monogenetischen Deaminase-2-Defizienz (DADA2) (Zhou et al. 2014), dem Nachweis biallelischer Mutationen im ADA2-Gen (vormals CECR1) überlappend (Caorsi et al. 2017; Hashem et al. 2017; Kasap Cuceoglu et al. 2021). ADA2-Mutationen sind ebenfalls bei Patienten mit der klinischen Diagnose einer kutanen PAN beschrieben (Gonzalez Santiago et al. 2015).

ANCA-assoziierte systemische Vaskulitiden betreffen primär die kleinen Gefäße und sind weiter unterteilt in die Granulomatose mit Polyangiitis (GP, früher Wegener-Granulomatose), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) und die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA, früher Churg-Strauss-Syndrom) (Ozen et al. 2010; Ruperto et al. 2010). Erstere sind in Kap. 48, „Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener-Granulomatose) bei Kindern und Jugendlichen“ beschrieben. Die Gruppe der primär organspezifischen Vaskulitiden umfasst neben vielen anderen auch die primären ZNS-Vaskulitiden des Kindesalters, welche in Kap. 50, „Zerebrale Vaskulitiden bei Kindern und Jugendlichen“ beschrieben wird.

Die seltenen Vaskulitiden stellen eine besondere diagnostische und therapeutische Herausforderung für den behandelnden Arzt dar. Die Diagnosestellung einzelner kindlicher Vaskulitiden ist durch die oftmals unspezifische, heterogene klinische Präsentation und die weiterhin limitierte Zahl und eingeschränkte Spezifität von Entzündungsmarkern erschwert. Der Organbefall und die Schwere des Funktionsverlusts sind variabel, am häufigsten sind die stark säkularisierten Organe wie Nieren und Lunge betroffen. Der weitergehenden Diagnostik kommt daher besondere Bedeutung zu: Kleingefäßvaskulitiden werden typischerweise histologisch gesichert. Nierenbiopsien werden aufgrund der niedrigen Komplikationsrate und der prognostischen Bedeutung der Befunde am häufigsten durchgeführt (Noone et al. 2014, 2017). Entzündungen der mittleren Gefäße erfordern tiefe, oftmals risikoreiche Biopsien oder invasive Gefäßdarstellungen. In dieser Erkrankungsgruppe kommt der genetischen Evaluation eine wichtige Rolle zu.

Die Klassifikation der kindlichen Vaskulitiden wurde durch die PRES/EULAR/PRINTO-Kriterien vereinheitlicht (Ozen et al. 2010; Ruperto et al. 2010). Für die Behandlung der seltenen Vaskulitiden im Kindesalter gibt es zwar nach wie vor keine kontrollierten Therapiestudien (Lee et al. 2019), nationale und internationale Arbeitsgruppen haben jedoch evidenzbasierte Empfehlungen (de Graeff et al. 2019; Mendel et al. 2020) und Konsensus-Behandlungsprotokolle für vergleichende Wirksamkeitsstudien entwickelt (Morishita et al. 2021). Die internationalen Vaskulitisnetzwerke in Europa (European Vasculitis Study Group, EUVAS, www.vasculitis.org) und Nordamerika (Vasculitis Clinical Research Consortium, VCRC) haben in den vergangenen Jahren begonnen, jugendliche Patienten in Vaskulitis-Therapiestudien einzuschließen. Derzeit leitet sich die Evidenz der Behandlung der seltenen Vaskulitiden im Kindesalter weiterhin von kontrollierten Studien bei Erwachsenen und von retrospektiven Studien mit kleinen Fallzahlen ab (Lee et al. 2019).

2 Panarteriitis nodosa (PAN)

Definition und Klassifikation

Die systemische oder klassische PAN ist eine nekrotisierende Vaskulitis der mittelgroßen Gefäßabschnitte. Eine ausgedehnte Entzündung des kapillaren Gefäßbetts (Arteriolen, Kapillaren und Venolen) inklusive Glomerulonephritis ist nicht typisch für die PAN (Abb. 1). Die systemische PAN kann die klinische Präsentation der autosomal-rezessiven Deaminase-2-Defizienz sein (Caorsi et al. 2017; Hashem et al. 2017; Kasap Cuceoglu et al. 2021). Die genetische Testung sollte frühzeitig erwogen werden, insbesondere bei Patienten mit ZNS-Manifestationen (Caorsi et al. 2017; Pinto et al. 2021; Sharma et al. 2021). Für die systemische PAN sind validierte PRES/EULAR/PRINTO-Klassifikationskriterien verfügbar (Ozen et al. 2010; Ruperto et al. 2010).

Abb. 1
figure 1

a, b a Klinischer Befund, Lokalisation des entzündlichen Infiltrats und Histologie der Panarteriitis nodosa in der Haut. Fokale Gefäßnekrose in einer mittelgroßen Hautarterie mit fokal zerstörter Wandstruktur (Pfeil/Markierung). b Hämatoxylin-Eosin-Färbung, Vergrößerung 1:400. (Mit freundlicher Genehmigung von Gino Somers, Pathologie, Pediatric Laboratory Medicine, The Hospital for Sick Children, Toronto)

EULAR/PRINTO/PRES-Klassifikationskriterien für die systemische PAN

Mandatorisches Kriterium:

Histopathologischer Nachweise einer nekrotisierenden Vaskulitis der kleinen oder mittleren Gefäße oder angiografischer Vaskulitisnachweis mit Gefäßaneurysma, Stenosen oder Verschluss der kleinen oder mittleren Gefäße nach Ausschluss nichtentzündlicher Vaskulopathien wie der fibromuskulären Dysplasie und anderer nicht entzündlicher Ätiologie. Die konventionelle Angiografie ist die primäre Gefäßdarstellungsmodalität.

plus mindestens ein weiteres Kriterium:

  • Hautbeteiligung (Livedo reticularis, schmerzhafte subkutane, noduläre Läsionen, andere vaskulitische Hautläsionen, oberflächliche oder tiefe Hautinfarkte)

  • Myalgien

  • Systolische/diastolische Hypertension (>95. Perzentile)

  • Mononeuropathie oder Polyneuropathie

  • Nierenbeteiligung (Proteinurie, Hämaturie, eingeschränkte Nierenfunktion)

Die kutane PAN ist auf die mittelgroßen Gefäße der Haut und Muskeln beschränkt. Typischerweise entwickeln die Patienten systemische Symptome wie Fieber und Gewichtsverlust; zudem Gelenksbeschwerden, eine Livedo reticularis und eine Splenomegalie. Die Diagnose wird typischerweise in der tiefen Biopsie der schmerzhaften, nodulären Hautläsionen bestätigt. Die Histologie ist identisch mit der systemischen PAN und zeigt fokal-segmentale Gefäßwandnekrosen der mittelgroßen Hautgefäße.

Häufigkeit

Es gibt neuere epidemiologische Daten zur Häufigkeit der PAN im Kindesalter: Mossberg berichtete 556 Fälle einer primären Vaskulitis im Süden von Schweden (Bevölkerung 1,29 Mio, 21,4 % <18 Jahre). Die geschätzte jährliche Inzidenz betrug 200 pro 1 Mio. Kinder und Jugendliche für Vaskulitis insgesamt und 1,4 für GPA und MPA, 0,7 für PAN und 0,4 für EGPA und die Takayasu-Arteriitis. Die Autoren berichten keine Todesfälle, 3 MPA-Patienten erlitten ein Nierenversagen (Mossberg et al. 2018). In dem 2007 veröffentlichten Nationalen Vaskulitis Survey in der Türkei war PAN mit 5,6 % die dritthäufigste Vaskulitis im Kindesalter (Ozen et al. 2007). Es ist daher sehr wichtig, Inzidenzraten im Kontext der zugrunde liegenden Population, der populationsspezifischen Genetik und der Umweltexpositionen zu betrachten. Ozen et al. veröffentlichten die Ergebnisse einer Querschnittstudie von pädiatrischen PAN-Fällen (Ozen et al. 2007). In dieser Studie wurden systemische PAN, kutane PAN, mikroskopische PAN, klassische PAN und HBV-assoziierte PAN unterschieden. In dieser selektionierten Patientengruppe hatten 63 von 110 pädiatrischen PAN-Patienten die Diagnose einer systemischen PAN. Das mittlere Erkrankungsalter lag bei 8,8 Jahren. Es waren 33 Jungen und 30 Mädchen erkrankt. Die Daten zur Häufigkeitsverteilung stehen im Widerspruch zur klinischen Erfahrung im Alltag, wonach die kutane PAN im Kindesalter weit häufiger auftritt als die systemische Form.

2019 berichteten Kanecki et al., dass die Inzidenz der PAN in Polen von 2008–2013 signifikant rückläufig ist: Insgesamt wurden 557 PAN-Patienten aller Altersgruppen erfasst. Im Erwachsenenalter waren weit mehr Frauen (63,7 %) als Männer (36,3 %) betroffen, im Kindesalter fand sich diese Geschlechterpräferenz jedoch nicht. Bei 63 (11,3 %) PAN-Patienten war die Diagnose vor dem 18. Lebensjahr gestellt worden. Die Inzidenz der PAN in Polen insgesamt betrug 2,4/Mio.; sie sank von 3,3/Mio. (2008) auf 1,9/Mio. (2013). Die Autoren konnten den Rückgang der PAN mit dem Rückgang der Hepatitis-B-Inzidenz dank Impfung korrelieren (Kanecki et al. 2019). Epidemiologische Daten basieren primär auf klinischen Diagnosen, Nuancen wie monogenetische Ursachen und assoziierte Infektionen spielen jedoch eine wichtige Rolle.

Ätiologie und Pathogenese

Die klinische Diagnose „systemische PAN“ ist eine ätiologisch heterogene Erkrankung (Schnappauf et al. 2021). Eine Defizienz der Deaminase-2 kann bei einem Teil der pädiatrischen Patienten nachgewiesen werden, die Häufigkeit der Varianten ist populationsspezifisch (Caorsi et al. 2017; Huang et al. 2020; Van Montfrans et al. 2016): Die Prävalenz der pathogenen Loss-of-function p.Gly47Arg-Variante des ADA2-Gens liegt geschätzt bei 10 % in der Georgian-Jewish-Population, hier sind ebenfalls hohe Erkrankungsraten der PAN berichtet worden (Navon Elkan et al. 2014). Die internationale PEDVAS-Studie sequenzierte die kodierenden Exome des ADA2-Gens bei 60 Kindern und Jugendlichen mit PAN, kutaner PAN, Vaskulitis mit Schlaganfall und Kindern mit Vaskulitisbeginn vor dem 6. Lebensjahr und identifizierte 9 Patienten mit DADA2 (Gibson et al. 2019); 5/9 waren mit PAN diagnostiziert worden. Das nordamerikanische VCRC-Konsortium analysierte 118 PAN-Patienten und identifizierte 9 mit DADA2 (7,6 %) (Schnappauf et al. 2021). Mehr als 60 pathogene Varianten sind mittlerweile beschrieben worden, in der Hauptsache Missense-Single-Nukleotid-Varianten verteilt über die gesamte ADA2-coding region (Meyts und Aksentijevich 2018). Eine Studie der türkischen Hacettepe Universität in Ankara verglich 34 Kinder und Jugendliche mit der Diagnose PAN und 18 mit DADA2. Früher Erkrankungsbeginn, Konsanguinität der Eltern, Livedo reticularis und ZNS-Manifestation sowie Lymphopenie und Hypogammaglobulinämie waren Hinweise auf eine monogenetische Ätiologie (Kasap Cuceoglu et al. 2021).

Die Studien zur Adenosin-Deaminase-2-Defizienz haben wichtige Hinweise auf die Pathogenese der Vaskulitis gegeben (Moens et al. 2019). Adenosin-Deaminasen (ADA) katalysieren die Deaminierung von Adenosin (Ado) und 2 Deoxyadenosine (dAdo); der Mangel an ADA resultiert in der Akkumulation von Ado und dAdo und dem direkten und indirekten Effekt auf Immunzellen und Endothel. Zwei ADA-Subtypen/Isoformen sind bekannt, ADA1 und ADA2. Das Fehlen der ADA1-Enzymaktivität hat den klinischen Phänotyp Severe Combined Immunodeficiency (SCID) zur Folge (Giblett et al. 1972). Der Mangel an ADA2-Enzymaktivität resultiert in einem variablen klinischen Phänotyp von Immundefizienz, Immundysregulation, Inflammation und Vaskulitis (Kendall und Springer 2020; Sharma et al. 2021). Zum jetzigen Zeitpunkt ist der genaue Mechanismus der Gefäßwandinflammation bei DADA2 unklar (Moens et al. 2019). Effekte auf die Regulation der angeborenen Immunität (innate immunity) und direkte Interaktionen mit dem Endothel werden diskutiert (Moens et al. 2019).

Hepatitis B ist ein seit Langem bekannter Faktor in der Ätiologie der PAN, insbesondere bei Erwachsenen. In großen PAN-Studien bei Erwachsenen insbesondere aus Frankreich wurde die Assoziation von Hepatitis-B-Virus (HBV) und PAN systematisch untersucht (Guillevin et al. 2005). Behandlungsstrategien sind typischerweise eine Kombination aus Immunsuppression und antiviraler Behandlung (Guillevin et al. 2005). Die Verfügbarkeit der Hepatitis-B-Impfung führte zu einem deutlichen Rückgang der PAN-Erkrankungen in vielen Ländern (Guillevin et al. 2005; Kanecki et al. 2019; Sonmez et al. 2019). Eine HBV-assoziierte PAN im Kindesalter ist die absolute Ausnahme. Im Gegensatz dazu sind Streptokokkeninfektionen seit Langem als Trigger von Erkrankungsschüben bei Kindern und Jugendlichen mit kutaner PAN bekannt (He et al. 2019). Andere Infektionen, wie die in Schweden endemische und durch Zecken übertragene Neoehrlichiose, führen ebenfalls zu einem klinischen Bild der Vaskulitis, häufig assoziiert mit Thrombophlebitis, tiefen Beinvenenthrombosen, pulmonalen Emboli und transitorisch ischämischen Attacken (Hoper et al. 2020).

Der genaue Mechanismus, der schlussendlich zur nekrotisierenden Gefäßwandentzündung in den Hautgefäßen führt, ist unklar. Histologisch findet sich in Gefäßbiopsaten der aktiven PAN eine schwere, akute, nekrotisierende Entzündung, die alle Abschnitte der Gefäßwand einschließt. Das transmurale Infiltrat besteht vorrangig aus Neutrophilen und Makrophagen. Es finden sich oftmals fokale, d. h. nur Abschnitte des Gefäßdurchmessers betreffende Entzündungen oder segmentale Fibrinoidnekrosen. Im Verlauf heilen diese Läsionen narbig, was makroskopisch der Entstehung der Aneurysmen und knotigen Gefäßveränderungen (P. „nodosa“) entspricht. Insgesamt deutet die Histopathologie der PAN auf eine primäre Aktivierung von Neutrophilen und Makrophagen hin. Der Trigger für diese Aktivierung ist nach wie vor unklar.

Genetische Faktoren

Die Adenosin-Deaminase-2-Defizienz ist der bisher wichtigste genetische Faktor der PAN. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass man in allen bisher analysierten Kohorten bei einem signifikanten Anteil von Kindern und Jugendlichen mit PAN keine Mutationen im ADA2-Gen nachweisen konnte (Gibson et al. 2019; Kasap Cuceoglu et al. 2021; Sharma et al. 2021). Dies gibt einen Hinweis auf weitere mögliche genetische und umweltbezogene Faktoren, die für die Pathogenese der PAN verantwortlich sein können. Beck et al. berichteten über erwachsene Patienten mit einer klinischen Diagnose „systemische PAN“ im Rahmen einer neuen heterogenen systemischen Entzündungserkrankung, VEXAS-Syndrom (vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic), welches durch X-chromosomale, somatische Mutationen im E1-Ubiquitylationsenzym UBA1 ausgelöst wird (Beck et al. 2020). Bemerkenswert ist zudem das gehäufte Auftreten von PAN in der Gruppe der Patienten mit familiärem Mittelmeerfieber (FMF). Beide Erkrankungen haben Merkmale eines dysregulierten angeborenen Immunsystems. In Fallberichten sind Assoziationen einzelner spezifischer Mutationen des FMF-Gens MEFV und PAN beschrieben worden (Standing et al. 2011). Eine histologisch gesicherte kutane PAN wurde ebenfalls bei Patienten mit systemischen Entzündungserkrankungen wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Hiraiwa und Yamamoto 2020) berichtet.

Autoimmunbedingte Faktoren

Die PAN ist primär durch eine Immunantwort des angeborenen Immunsystems charakterisiert. Das adaptive Immunsystem spielt in der Pathogenese der nekrotisierenden Vaskulitis eine untergeordnete Rolle. Systemische Antikörper, wie beispielsweise ANCAs und Lysosome Associated Membrane Protein-2 (LAMP-2), sind bei Kindern und Jugendlichen mit PAN nicht nachweisbar (Gibson et al. 2020). Gewebeständige Antikörperkomplexe hingegen können in Biopsien nachweisbar sein. Kawakami et al. dokumentierten prothrombotische Anti-Phosphatidylserin/Prothrombin-Antikörperkomplexe (aPS/PT) an der Oberfläche von Gefäßendothelzellen in Hautbiopsien von Vaskulitis-Patienten (Kawakami et al. 2021). Die entzündlichen Gefäß Läsionen sind typischerweise von Makrophagen dominiert. In der Gefäßintima finden sich zudem sogenannte innate-like bystander-aktivierte CD8-T-Zellen (Kobayashi et al. 2020).

Pathologie

Die PAN ist eine nekrotisierende Vaskulitis. Es findet sich eine schwere, transmurale Entzündung mit Fibrinoidnekrosen. Granulome kommen nicht vor. Die Vaskulitis kann histologisch in Phasen eingeteilt werden: Akute Entzündung → Gefäßwand-Remodelling → Gefäßnarbe/Aneurysma.

Läsionen unterschiedlichen Alters können zu gleicher Zeit nachweisbar sein. Die Fragilität der Gefäßwände macht das Auftreten von Blutungen in den betroffenen Organen möglich. Sekundäre Gefäßtromben werden ebenfalls beschrieben (Eleftheriou et al. 2011).

Klinische Symptome

Die klinischen Symptome der systemischen PAN reflektieren die schwere transmurale Entzündungsreaktion und die resultierenden transienten oder permanenten Organischämien. Die Häufigkeiten der Symptome sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Klinische Symptome von 66 pädiatrischen Patienten mit systemischer Polyarteriitis nodosa. (Adaptiert aus Sonmez et al. 2019)

Allgemeinsymptome sind sehr häufig. Sie umfassen Fieber, Abgeschlagenheit, Gedeihstörung, Kleinwuchs und fehlende Gewichtszunahme. Mukokutane Befunde sind im Kindesalter ebenfalls sehr häufig. Klinische Korrelate kutaner Gefäßentzündungen sind Livedo reticularis, die Prominenz des kutanen Venengeflechts, und deutlich schmerzhafte Hautknoten mit begleitender Schwellung und Überwärmung. Es kann zudem zu lokalen Hauteinblutungen kommen. Die korrespondierenden Lymphknoten sind typischerweise deutlich vergrößert. Im Verlauf können permanente trophische Störungen im Versorgungsgebiet der jeweiligen betroffenen Hautgefäße bis hin zur Hautnekrose und Autoamputation auftreten. Die entzündeten Gefäße sind tiefe, subkutane Haut Gefäße und Gefäße, die die Muskulatur versorgen. Eine primär vaskuläre entzündliche Myositis oder eine durch Schmerz und/oder Ischämie bedingte Muskelschwäche treten häufig auf.

Eine seltene Manifestation der PAN ist die nekrotisierende Fasziitis der Waden oder anderer Muskelgruppen. Wadenschmerzen treten bei Kindern und Jugendlichen mit PAN auf. Der Nachweis von Gefäßthrombosen sollte die Abklärung einer Thrombophilie zur Folge haben. Neben den Muskeln finden sich entzündliche Gelenkveränderungen im Rahmen der systemischen Vaskulitis.

PAN-Patienten klagen sehr häufig über Gelenkschmerzen, echte Arthritiden sind seltener. Neuropathien finden sich ebenfalls gehäuft bei PAN. Insbesondere die Mononeuritis multiplex ist ein typischer neurologischer Befund einer PAN. Das Spektrum der ZNS-Beteiligung umfasst lakunäre, oftmals hämorrhagische Schlaganfälle, neurokognitive Störungen, Krampfanfälle, Vigilanzstörungen, Meningitis und schwere Kopfschmerzen. Über okuläre Symptome im Kindesalter ist gehäuft berichtet worden. Bei Erwachsenen ist ein beidseitiger plötzlicher Funktionsverlust des Gleichgewichtsorgans bei PAN aufgetreten. Die Nierenbeteiligung der PAN ist eine Vaskulitis der mittleren und kleinen Arterien, die sowohl extra- wie auch intrarenal nachweisbar seien kann. Es findet sich definitionsgemäß keine Glomerulonephritis. Die intrarenale Nierenarterienvaskulitis führt typischerweise zur schweren, oftmals therapierefraktären arteriellen Hypertension. Es finden sich ebenfalls Berichte über intra- und perirenale Blutungen bei PAN.

Neben den Nieren können die mittleren und kleinen Arterien des Herzens, der Lungen und des Gastrointestinaltrakts im Rahmen der PAN entzündlich verändert sein. Die klinische Präsentation umfasst schwere Diarrhöen, enterale Blutungen und schwere episodische Schmerzen. Die kardiale Gefäßbeteiligung kann eine hypertrophe Kardiomyopathie, Rhythmusstörungen, Angina pectoris, myokardiale Ischämien und sogar ein Herzversagen zur Folge haben. Die Vaskulitis der Lungen wird als Asthma verkannt, selten findet sich das klinische Bild einer Bronchiolitis obliterans.

Weitere Organsystem, die betroffen seien können, sind die Hoden und die Milz. Hodenschwellung und Schmerz sind ein Diagnosekriterium, wobei dies im klinischen Alltag eher selten auftritt. Milzbeteiligungen sind ebenfalls selten. Der primäre PAN-Organbefall mit schwerem Funktionsverlust wie beispielsweise des Darms oder der Leber mit schwerer Funktionsstörung erschwert und verzögert vielfach die Diagnosestellung (Ebert et al. 2008).

Diagnose und Verlauf

Die Verdachtsdiagnose PAN wird im klinischen Alltag aufgrund des Auftretens von schweren systemischen Entzündungszeichen und ischämischen Organsymptomen wie Bauch- oder Muskelschmerz oder renaler Hypertension gestellt. Hier sind neben den häufigen Organmanifestationen der Haut und der Muskeln und Gelenke insbesondere die typischen, aber selteneren Organmanifestationen von diagnostischer Bedeutung. Letztere sind insbesondere die arterielle Hypertension bei renaler Vaskulitis und die periphere Neuritis. Die Sicherung der Diagnose erfolgt mittels Biopsie und/oder Angiografie. Die genetische Testung stellt eine wichtige Komponente dar. Es ist wichtig, insbesondere zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, alle Organsysteme sorgfältig zu evaluieren; beispielsweise können ZNS-Läsionen initial asymptomatisch sein.

Für die klinische Verlaufsbeobachtung steht neben der klinischen Untersuchung, der Kontrolle der traditionellen Entzündungswerte (s. unten) und der Überwachung der Organfunktionen die validierte pädiatrische Adaptation des Birmingham-Vaskulitis-Aktivitäts-Index des Erwachsenenalters, der sogenannte Pädiatrische Vaskulitis-Aktivitäts-Score (PVAS) zur Verfügung (Dolezalova et al. 2013). Der sogenannte Five-Factor-Score (FFS) ist ein prädiktives Instrument, welches nach wie vor in der pädiatrischen Vaskulitisbehandlung wenig Anwendung findet (Guillevin et al. 2011). Erkrankungs- und therapieassoziierte Langzeitschäden werden in vielen Zentren mithilfe des Vaskulitis-Damage-Index (VDI) longitudinal erfasst (Exley et al. 1997). Die SHARE-Initiative (European initiative Single Hub and Access point for paediatric Rheumatology in Europe) hat 2019 evidenz- und konsensusbasierte Richtlinien zur optimalen Behandlung der seltenen Vaskulitiden im Kindesalter inklusive der PAN veröffentlicht (de Graeff et al. 2019). Die Empfehlungen schließen die regelmäßige Nutzung von standardisierten Instrumenten zur Messung der Erkrankungsaktivität, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und von erkrankungs- oder behandlungsbezogenen Langzeitschäden ein (de Graeff et al. 2019).

Die Laboruntersuchungen der PAN spiegeln die schwere systemische Entzündungsreaktion wider. Typischerweise sind die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das C-reaktive Protein deutlich erhöht. Blutbildveränderungen bei PAN sind die Anämie und die deutlich erhöhte Neutrophilen- und oftmals auch Thrombozytenzahl. Neuere Entzündungsmarker der Vaskulitiden sind das Serum-Amyloid A (SAA), die Neutrophilen-assoziierten S100-Proteine (Brown et al. 2018) und der Endothelzellen-assoziierte von Willebrand Faktor (Jakob et al. 2020). Bei Patienten mit Verdacht auf DADA2 kann neben der molekulargenetischen Evaluierung die Messung der ADA2-Enzymaktivität hilfreich sein (Omoyinmi et al. 2017). Zum Zeitpunkt der Diagnose sollten insbesondere PAN-assoziierte Infektionen sorgfältig untersucht werden. Eine prokoagulatorische Evaluation ist ebenfalls wichtig, da sowohl Gefäßthrombosen wie auch Hämorrhagien auftreten können.

Organfunktionsparameter sind in Abhängigkeit vom vaskulären Organbefall verändert. Neue Marker der Gefäßentzündung und des Gefäßwandumbaus wie Vascular endothelial cell growth Factor (VEGF), Platelet derived growth Factor (PDGF) und die endothelialen Mikropartikel (EMP) sind interessant, aber bislang noch nicht in der Routine verfügbar (Clarke et al. 2008, 2010).

Bildgebende Verfahren und Funktionstests

Die Bildgebung der PAN umfasst die Darstellung der vaskulären Entzündung und der Gefäßveränderungen in den betroffenen Organen sowie des parenchymatösen Defekts (Krusche et al. 2019; Lee et al. 2019, 2021). Die Beurteilung der Schwere und des Ausmaßes des Gefäßbefalls ist ebenfalls von großer Bedeutung für die Behandlungsplanung.

Angiografie

Die Angiografie ist häufig essenzieller Bestandteil der Diagnosestellung bei PAN. Mithilfe dieser Technik kann die Verdachtsdiagnose der PAN durch Nachweis von Aneurysmen und/oder Stenosen in verschiedenen Organsystemen bestätigt werden. Sie liefert zudem Informationen über das tatsächliche Ausmaß des Organbefalls und eine detaillierte Charakterisierung des Ausmaßes des Gefäßbefalls (Länge und Schwere der Stenosen, Nachweis von Aneurysmen, Anzahl der betroffenen Gefäßabschnitte). Zudem charakterisiert die Angiografie die intravasalen Flussverhältnisse in den betroffenen Gefäßabschnitten und der Perfusionsverhältnisse in den zu durchblutenden Organen. Die konventionelle Angiografie ist nach wie die bevorzugte Methode zur Diagnosestellung der PAN. Im Gegensatz zu Großgefäßerkrankungen wie der Takayasu-Arteriitis ist die Auflösung/Sensitivität der MR-Angiografie (MRA) für das mittlere Gefäßsegment limitiert; falsch-negative Befunde sind die Konsequenz. MRA wird in vielen Zentren bei Verdacht auf PAN nicht mehr durchgeführt. Die CT-Angiografie wird in vielen Zentren aufgrund besserer Verfügbarkeit häufig eingesetzt (Adaletli et al. 2010). Sie ist mit einer erheblichen Strahlenbelastung verbunden, aber sie ist weniger invasiv als die konventionelle Angiografie.

Ultraschall/Dopplersonografie

Der Dopplerultraschall wird zunehmend bei PAN-Patienten eingesetzt (Weinrich et al. 2020). Dieses nichtinvasive und meist verfügbare Verfahren ist insbesondere zur Verlaufsbeobachtung bekannter vaskulären Läsion geeignet, Resistance-Indizes können Hinweise auf progrediente, distale Gefäßveränderungen geben. Die Anwendbarkeit beschränkt sich auf Gefäße, die dem Ultraschall zugänglich sind (Ozcakar et al. 2017).

Therapie

Die Europäische SHARE-Initiative veröffentlichte 2019 evidenzbasierte Behandlungsleitlinien (de Graeff et al. 2019). Leider basieren diese auf einer Evidenzsynthese von 2013 mit zusätzlichen Einzelpublikationen bis 2017. Die Autoren schlugen vor, zum Zeitpunkt der Diagnose und im Verlauf die Erkrankung Aktivität mittels PVAS zu bestimmen (Evidenzgrad 3, Empfehlungsgrad C). Die spezifischen Behandlungsoptionen der DADA2 sind nicht in die Analyse eingegangen. Insgesamt unterstützten die Empfehlungen die gängige Praxis, in der zur Behandlung der schweren systemischen Vaskulitis initial typischerweise hoch dosierte Corticosteroide eingesetzt werden (Evidenzgrad 3, Empfehlungsgrad C). Plasma Exchange und intravenöses Cyclophosphamid wurden als Induktionsbehandlung genannt (Evidenzgrad 3, Empfehlungsgrad C). Erhaltungstherapien mit Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolatmofetil (MMF) wurden als primäre Immunmodulatoren vorgeschlagen, während biologische Medikamente als sekundäre oder sogar tertiäre Ansätze bei Nicht-Ansprechen auf Cyclophosphamid eingestuft wurden (Evidenzgrad 3, Empfehlungsgrad C).

Der Behandlungsansatz der PAN hat sich in den vergangenen 5 Jahren dramatisch geändert (Conticini et al. 2021; Hocevar et al. 2021; Ombrello et al. 2019). In vielen Zentren werden TNF-Inhibitoren als Primärbehandlung allein oder zusammen mit Corticosteroiden eingesetzt (Ombrello et al. 2019; Sharma et al. 2021). Verschiedene TNF-Inhibitoren kommen zum Einsatz (Ombrello et al. 2019). Und andere konnten zeigen, dass Patienten mit DADA2-assoziierter PAN signifikant weniger ZNS-Manifestationen/Schlaganfälle hatten, wenn sie mit einer Anti-TNF-Therapie behandelt wurden (Cooray et al. 2021; Ombrello et al. 2019). Cyclophosphamid wird an vielen Zentren als tertiäre Behandlungsmöglichkeit angesehen. Andere Biologika, wie Interleukin-6-Inhibitoren und JAK-/STAT-Inhibitoren zeigen gute Wirksamkeit und deutlich geringere Toxizität gegenüber der traditionellen Cyclophosphamidbehandlung (Conticini et al. 2021; Krusche et al. 2019; Rimar et al. 2016). In der MYPAN-Studie, einer open-label, randomisierten, Bayesian, Nichtunterlegenheits-Studie mit insgesamt 11 Kindern mit PAN, wurde Cyclophosphamid mit MMF verglichen (Brogan et al. 2021). 4 von 6 (67 %) Patienten in der MMF-Gruppe und 4 von 5 (80 %) mit Cyclophosphamid behandelte Kinder hatten eine inaktive Vaskulitis (PVAS) nach 6 Monaten. Die Bayesian-Verteilungen waren identisch für beide Therapiearme, es traten zwei schwere Infektionen in der MMF-Gruppe auf (Brogan et al. 2021). Studien zur Transplantation von DADA2-Patienten mit PAN-Phänotyp liegen bislang nicht vor. Es ist von großer Bedeutung, internationale Behandlungsleitlinien regelmäßig zu aktualisieren, um so die optimalen Behandlungsansätze insbesondere bei seltenen Erkrankungen zu teilen.

Neben der immunsuppressiven Behandlung sollten die Risiken einer Antikoagulation oder Therapie mit niedrigdosierter Acetylsalicylsäure sorgfältig bedacht werden. PAN-Patienten haben aufgrund der transmuralen Gefäßentzündung und -fragilität ein erhöhtes Blutungsrisiko (Ombrello et al. 2019). Bei Nierenbeteiligung ist eine antihypertensive Therapie indiziert, zumeist werden ACE-Hemmer eingesetzt.

Prognose

Zum Langzeit-Outcome von pädiatrischen Patienten mit PAN gibt es neuere Daten. Lee et al. berichten das Outcome von 9 koreanischen Kindern mit PAN (2003–2020). Alle Patienten überlebten, 3 Kinder mit initial hohem PVAS-Score erlitten Langzeitschäden (intrakraniale Blutung, digitale Amputation) (Lee et al. 2021). Eine Studie aus Mexiko von 31 Kindern und Erwachsenen mit PAN (1975–2018). Es gab keine Todesfälle, 24 (80 %) erreichten eine komplette Remission, 19 (66 %) erlitten ein Rezidiv. Kinder hat signifikant mehr ZNS und gastrointestinale Manifestationen sowie mehr Gefäßaneurysmen (Sanchez-Cubias et al. 2021). Eine türkische Studie mit 19 Kindern fand keine prognostische Rolle des PVAS. Es wurden ebenfalls keine Todesfälle dokumentiert (Tekgoz et al. 2021). In einer Vergleichsuntersuchung von britischen und türkischen PAN-Patienten aller Altersgruppen fand sich eine höhere Rate monogenetischer PAN, aber kein Unterschied in den Erkrankungsverläufen und dem Langzeit-Outcome (Karadag et al. 2018). Diese Studien dokumentieren ein deutlich verbessertes Outcome für die PAN.

Die PAN im Kindesalter ist selten. Eine monogenetische Ätiologie, die Defizienz der Adenosin-Deaminase-2 sollte Teil der Evaluation sein. Für die systemische PAN im Kindesalter liegen validierte Klassifikationskriterien vor. Behandlungsprotokolle sollten um die biologischen Therapien ergänzt werden. Die Bedeutung der Protokolle muss in prospektiven Langzeitbeobachtungen dokumentiert werden. Erkrankungsverläufe und Langzeit-Outcomes haben sich deutlich verbessert.

3 Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)/Churg-Strauss-Syndrom

Definition

Die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) ist die in Kindes- und Jugendalter seltenste ANCA-assoziierte systemische Vaskulitis (Jariwala und Laxer 2020; Mossberg et al. 2018). Churg und Strauss beschrieben sie erstmals 1951 als eigene Erkrankungsentität. Vergleichbar mit der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) finden sich bei der EGPA zwei charakteristische histologische Muster: entzündliche Granulome und eine Kleingefäßvaskulitis. Eosinophile sind der typische histologische zelluläre Befund der EGPA. Die eosinophilenreiche, systemische, granulomatöse, nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefäße betrifft typischerweise den oberen Respirationstrakt. EGPA ist eng mit Asthma und systemischer Eosinophilie assoziiert. ANCA sind bei nur 25 % der Patienten nachweisbar; nahezu alle EGPA-Patienten mit Glomerulonephritis sind ANCA-positiv (Jennette et al. 2013). Ursprünglich war EGPA gemeinsam mit PAN als Vaskulitis der mittleren Gefäße klassifiziert worden. In Verlaufs- und Therapiestudien wird EGPA nun in die Gruppe der ANCA-assoziierten Vaskulitiden geordnet (Mouthon et al. 2014). Die interdisziplinäre European Eosinophilic Granulomatosis with Polyangiitis Study Group hat das Wissen um die Erkrankung, das optimale Management und die neuen Behandlungsmöglichkeiten dramatisch verbessert (Canzian et al. 2021; Groh et al. 2015; Marvisi et al. 2019).

Im klinischen Alltag wird die Diagnose EGPA oftmals mithilfe der weiterhin in der Gefäßgröße verankerten 2012 Nomenklatur der Chapel Hill Consensus Conference (CHCC2012) gestellt (Jennette et al. 2013). Spezifische pädiatrische Kriterien gibt es nicht. Umfangreiche, neuere Daten und systematische Vergleichsstudien zur EGPA-Behandlung liegen für das Erwachsenenalter vor (Comarmond et al. 2013; Menditto et al. 2021; Monti et al. 2021; Samson et al. 2013; Springer et al. 2021; Ueno et al. 2021; Ushio et al. 2021; Tsurikisawa et al. 2021; Yamada et al. 2021; Noone et al. 2014, 2017; Ombrello et al. 2019; Omoyinmi et al. 2017; Ozcakar et al. 2017; Ozen et al. 2007, 2010; Ozen und Batu 2018; Ozen und Sag 2020), aktuelle Kohortenstudien geben zusätzlichen Aufschluss über die Erkrankung im Kindesalter (Calatroni et al. 2017; Eleftheriou et al. 2016; Fina et al. 2018).

2012 Chapel Hill Consensus Conference (CHCC 2012) Nomenklatur der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)

Die Definition der EGPA beinhaltet die Komponenten von:

  • Eosinophilenreiche, nekrotisierende granulomatöse Entzündung mit typischer Beteiligung des Respirationstrakts

  • Nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefäße

  • Assoziation mit Asthma und Eosinophilie

  • Nachweis von ANCA, primär bei EGPA-Glomerulonephritis

Häufigkeit

Es gibt weiterhin limitierte epidemiologischen Daten zur Häufigkeit des EGPA (Sebastiani et al. 2020). Im Erwachsenenalter wird die Inzidenz auf 0,5–3,7/Mio/Jahr geschätzt (Jennette et al. 2013). Daten aus Norwegen berichten eine geschätzte jährliche EGPA-Inzidenz von 2,7 (95 % CI: 1,5–4,5)/Mio. (Nilsen et al. 2020). Kanecki et al. berichteten eine Inzidenzrate von 1,5 (95 % CI: 1,2–1,8) für Polen (Kanecki et al. 2017). Herlyn et al. dokumentierten zudem eine Verdopplung der Prävalenzrate im Norden Deutschlands zwischen 1994 und 2006 für die ANCA-assoziierten Vaskulitiden insgesamt (Herlyn et al. 2014). Für das Kindes- und Jugendalter beschrieben Mossberg et al. eine geschätzte jährliche Inzidenzrate von 0,4 (0–1,1)/Mio. in Schweden (Mossberg et al. 2018).

Ätiologie und Pathogenese

Die Ätiologie der EGPA ist nach wie vor unbekannt. Genetische Studien aus Deutschland und Italien gaben Hinweise auf Assoziationen mit den humanen Leukozytenantigen-Genotypen HLA-DRB1*04 und HLA-DRB1*07 (Vaglio et al. 2007). Assoziationen mit Polymorphismen des PTPN22-Gens, welches für die Aktivierung von T-Zellen von großer Bedeutung ist und bei anderen Vaskulitiden beschrieben wurde, konnten für EGPA nicht bestätigt werden (Martorana et al. 2012). Die 2019 veröffentlichte, bislang größte Genome-weite Assoziationsstudie (GWAS) von 676 EGPA-Patienten und 6809 Kontrollen identifizierte 11 spezifische EGPA-assoziierte Genloci (Lyons et al. 2019). Lyons et al. zeigten eine überlappendes genetisches Suszeptibilitätsmuster von EGPA und Asthma sowie Eosinophilie (Lyons et al. 2019).

Die EGPA hat einen häufig prolongierten Verlauf. Patienten berichten typischerweise von lange bestehendem Asthma und allergischer Rhinitis. Das nächste Stadium der Erkrankung ist durch eine systemische Eosinophilie und perivaskuläre Eosinophileninfiltrate gekennzeichnet. Die voll ausgebildete EGPA ist eine systemische Vaskulitis mit Granulomen, welche typischerweise schwere Funktionsstörungen des Respirationstrakt und extrapulmonale

Pathologie

Die Pathogenese der EGPA ist eng mit der Pathogenese der Atopie, des Asthmas und der Hypereosinophilie verknüpft (Mahr et al. 2014). Th2-Helferzellen und das von ihnen kontrollierte Zytokinmuster stehen im Mittelpunkt pathogenetischer Untersuchungen und gezielter Behandlungsstrategien. Das Th2-Zytokin IL-5 ist der wichtigste Survival-Faktor für Eosinophile; zahlreiche Studien haben eine Hochregulierung von IL-5 bei aktiver EGPA nachgewiesen (Ruperto et al. 2010). Der monoklonale Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab ist für die Behandlung der EGPA von größter Bedeutung (Ueno et al. 2021).

B-Zellen kommt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Immunpathogenese der EGPA zu. Eine aberrante humorale Immunantwort mit Nachweis von ANCA und hohem IgG4 kann im Serum von EGPA-Patienten nachgewiesen werden. Die Depletion von B-Zellen stellt eine wichtige Behandlungsoption dar (Akiyama et al. 2021; Menditto et al. 2021). Eosinophile sind die Haupteffektorzellen der EGPA, ihre zirkulierenden Proteine sind pro-inflammatorisch, zytotoxisch und können Gewebsnekrosen verursachen (Mahr et al. 2014). Es gibt zudem Daten, die auf eine überlappende Pathologie zwischen EGPA und dem primären Hypereosinophilie-Syndrom (HES) hinweisen. Das HES-FIP1L1-PDGFRA-Fusionsprotein ist eine ligandenunabhängige, permanent aktivierte Tyrosinkinase, welche durch Imatinib reguliert werden kann. Imatinib kann auch bei EGPA-Patienten effektiv sein (Josselin-Mahr et al. 2014).

Klinische Symptome

Die klinischen Symptome der EGPA sind bei Kindern und Jugendlichen mit denen im Erwachsenenalter überlappend (Tab. 2) (Eleftheriou et al. 2016; Fina et al. 2018). Die Kohorten im Kindesalter dokumentieren, dass die Leitsymptome eine schwere Entzündung der Atemwege und Asthma sind (Eleftheriou et al. 2016). Die Mehrzahl der Patienten haben eine vorbestehende und sich akut verschlechternde Sinusitis, Polyposis und/oder Rhinitis. Häufig findet sich zudem eine familiäre Atopie. Allgemeinsymptome treten faktisch bei allen Patienten auf. Sie schließen Abgeschlagenheit, Fieber und Gewichtsverlust ein (Fina et al. 2018).

Tab. 2 Klinische Symptome von 27 Kindern und Jugendlichen mit Eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA). (Adaptiert nach Eleftheriou et al. 2016; Fina et al. 2018)

Der typische Verlauf der EGPA ist eine in Phasen verlaufende Erkrankung:

  • Die jahrelang andauernde Prodromalphase ist gekennzeichnet durch chronisch-allergische Rhinitis und Asthma. Das Asthma ist häufig schwer und corticoidabhängig, sodass die folgenden Symptome oft durch die Corticoidtherapie teilweise maskiert werden.

  • Die vaskulitische Phase der EGPA ist gekennzeichnet durch das Auftreten der folgenden Symptome: pulmonale Infiltrationen, Mononeuritis multiplex, gastrointestinale Beteiligung, schwere kardiale Beteiligung sowie Haut- und Gelenkbeteiligung. Die seltene Manifestation an den Nieren geht oftmals mit einer geringen Proteinurie und einer Nierenfunktionseinschränkung einher. In dieser Phase findet sich sehr häufig eine deutliche Eosinophilie.

Atypische Präsentationen von EGPA bei Kindern und Jugendlichen sind in aktuellen Fallberichten dokumentiert (Liu et al. 2019; Takigami et al. 2019). Symptome von Gefäßverschlüssen, schwere Herzmanifestationen und Nierenbeteiligungen können die Diagnosestellung erschweren. Wichtig ist die Anamnese eines schweren, langjährigen Asthmas und die Eosinophilie.

Diagnose und Verlauf

Die Verdachtsdiagnose EGPA wird im klinischen Alltag häufig aufgrund der Erkrankungsvorgeschichte eines vorbestehenden schweren Asthmas, einer pulmonalen Manifestation der Vaskulitis und der Hypereosinophilie gestellt. Die Sicherung der Diagnose erfolgt typischerweise mittels Biopsie. ANCA finden sich im Kindesalter nur selten (Eleftheriou et al. 2016). In den pädiatrischen Kohorten werden in erster Linie diagnostische Hautbiopsien gefolgt von Lungenbiopsien berichtet (Fina et al. 2018). Diese sind durch ausgedehnte eosinophile Infiltrate, eine nekrotisierende Kleingefäßvaskulitis und, weniger häufig, von Granulomen gekennzeichnet (Fina et al. 2018). Die pulmonale Bildgebung ist häufig diagnoseweisend. Häufig wird die Diagnose „chronische Pneumonie“ gestellt. Typische Befunde des hochauflösenden CT sind retikuläre basale Veränderungen, Zeichen der Atemwegsentzündung, fleckförmige, knotige Veränderungen, interlobuläre Septenverdickung, Verbreiterung der Bronchialwände und Atelektasen.

Der kardialen Magnetresonanztomografie kommt bei der EGPA große Bedeutung zu: Die MRT hat eine höhere Sensitivität in der Entdeckung kardialer Manifestationen gegenüber anderen Modalitäten und eignet sich zur Verlaufsbeobachtung (Sridharan et al. 2020). Eine kardiale Beteiligung ist der wichtigste prognostische Faktor hinsichtlich Mortalität der EGPA (Chen et al. 2020; Eleftheriou et al. 2016; Jardel et al. 2018; Swain et al. 2019). Insgesamt beträgt die Mortalität der EGPA im Kindesalter 15 % (Eleftheriou et al. 2016). Die Verläufe in den publizierten retrospektiven Kohorten sind durch häufige Rezidive gekennzeichnet (Eleftheriou et al. 2016; Jariwala und Laxer 2020).

Therapie

Die Therapie der EGPA hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Internationalen, interdisziplinären Netzwerken kommt hier eine wichtige Bedeutung zu (Groh et al. 2015; Puechal et al. 2019). Traditionell wurden Kinder und Erwachsene mit EGPA primär mit hochdosierten Glucocorticoiden kombiniert mit Cyclophosphamid behandelt (Cohen et al. 2007; Mukhtyar et al. 2009; Pagnoux et al. 2015). Glucocorticoide sind effektiv in der EGPA-Therapie. Langzeitbehandlungen sind oftmals notwendig und Patienten sind über die Nebenwirkungen der Langzeitbehandlung besorgt (Robson et al. 2018). Glucocorticoid-sparende Behandlungsstrategien sind von großer Bedeutung (Monti et al. 2021; Vergles et al. 2020). Neue Evidenzsynthesen bewerten primär die Rolle biologischer Medikamente einschließlich Zytokin-Inhibitoren, Rezeptorenblocker und B-Zell-Depletion (Alberici und Jayne 2014; Bala et al. 2020; Lee et al. 2019; Martinez-Rivera et al. 2021; McBrien und Menzies-Gow 2018; Wechsler et al. 2017).

Die Bedeutung der Plasmapherese für die akute EGPA ist nach wie vor unklar, eine 2021 publizierte Metaanalyse konnte keine kontrollierten EGPA-Plasmapherese-Studien einschließen (Yamada et al. 2021). In Einzelfallberichten wurde die Effektivität nachgewiesen (Tsujimoto et al. 2016). EGPA-Patienten aller Altersgruppen werden aufgrund der klinischen und laborchemischen Besonderheiten häufig von randomisierten Behandlungsstudien der ANCA-Vaskulitiden ausgeschlossen. Mepolizumab ist ein monoklonaler Anti-IL-5 Antikörper, welcher in einer 2017 publizierten randomisierten, placebokontrollierten Studie von 136 Erwachsenen mit EGPA untersucht worden ist (Wechsler et al. 2017). Das Erreichen einer Remission war das Studienziel; 47 % der mit Mepolizumab behandelten und 81 % der Patienten unter Placebo konnten diese nicht erreichen. Rezidivraten waren signifikant niedriger in der mit Mepolizumab behandelten Gruppe, die Patienten benötigten zudem weniger Steroide (Wechsler et al. 2017). In vielen Zentren wird Mepolizumab als primäre steroidsparende Medikation für EGPA eingesetzt (Faverio et al. 2018; Ikeda et al. 2021; Ueno et al. 2021). Für das Kindes- und Jugendalter gibt es keine kontrollierten Studien.

Rituximab wird ebenfalls für die EGPA eingesetzt; es gibt jedoch keine randomisierten Studien. Ein systematischer Review der publizierten Beobachtungsstudien dokumentierte die Effektivität: >80 % der behandelten Patienten erreichten eine komplette oder partielle Remission (Menditto et al. 2021). Patienten mit ANCA-Nachweis zeigten ein besseres Ansprechen (Menditto et al. 2021). Im klinischen Alltag kommt Rituximab insbesondere bei schwerem Organbefall und bei Rezidiven häufig zur Anwendung (Canzian et al. 2021; Sorin et al. 2021).

Omalizumab ist ein monoklonaler Anti-IgE Antikörper, welcher ebenfalls bei erwachsenen EGPA-Patienten zum Einsatz kommt (Canzian et al. 2021; Celebi Sozener et al. 2018; Jachiet et al. 2016). Bislang gibt es keine placebokontrollierten Studien, die die Rolle dieser Behandlung weiter zu definieren helfen (Aguirre-Valencia et al. 2017; Basta et al. 2020).

Prognose

Die Prognose der EGPA ist vom initialen Organbefallsmuster, dem Erreichen der Remission und der Häufigkeit des Auftretens von Rezidiven abhängig. Kardiale Manifestationen haben ein hohes Mortalitätsrisiko. Die schwere myokardiale, perikardiale oder koronare Beteiligung ist prognostisch sehr ungünstig, die gastrointestinale Beteiligung ist ebenfalls ein ungünstiger Prognosefaktor.

Steroide sind effektiv bei der Behandlung der EGPA. Die Reduktion der Steroiddosis ist häufig durch das Wieder aufflammen eines schweren Asthmas limitiert. Neue biologische Medikamente sind effektiv. IL-5-Inhibitoren und B-Zell-Depletion reduzieren die erforderliche Steroiddosis und die Anzahl der EGPA-Rezidive signifikant.

Die EGPA im Kindesalter ist eine seltene Erkrankung. Neben schweren Allgemeinsymptomen sind eosinophilenreiche, nekrotisierend-granulomatöse Entzündungen des Respirationstrakts typisch für die EGPA. Die Assoziation mit vorbestehendem Asthma und systemischer Eosinophilie ist oftmals diagnoseweisend. Evidenzbasierte Therapieprotokolle der EGPA im Kindesalter liegen nicht vor. Prospektiven Langzeitbeobachtungen sind ebenfalls limitiert. Systemische Glucocorticoid-Behandlungen kommen primär zum Einsatz. Rezidive treten häufig auf. Biologischen Therapien kommt zunehmende Bedeutung zu, insbesondere bei schwerer Organmanifestationen, Glucocorticoid-Resistenz und rezidivierenden Verläufen. Behandlungen mit IL-5-Inhibitoren und B-Zell-Depletion reduzieren die erforderliche Steroiddosis und die Anzahl der EGPA-Rezidive signifikant.