Zusammenfassung
Der Beitrag setzt sich mit der weit verbreiteten Vorstellung einer guten Lebenslage der Bevölkerung im Ruhestand und des weitgehend unproblematischen Übergangs in die Rente auseinander. Betrachtet werden überregionale und regionale Repräsentativerhebungen zur Arbeitsmarktintegration Älterer sowie zur materiellen und gesundheitlichen Lage im Alter. Es zeigt sich, dass zumindest für eine relevante Minderheit von Personen vor und nach dem Regelrentenalter, keineswegs von durchweg gesunden, als Arbeitskräfte begehrten und wohlhabenden Älteren ausgegangen werden kann. Die Erwerbsintegration, die Haushaltsnettoeinkommen und der Gesundheitszustand streuen gruppenspezifisch sehr stark. Auch sind Sorgen um die eigene Gesundheit und die steigende Altersarmut weit verbreitet.
Bei Dienstleistungsangeboten für den Altersübergang müssen, so das Fazit, die großen sozialen Unterschiede in Bezug auf „gelingende“ Altersübergänge berücksichtigt werden.
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Notes
- 1.
So wurde von der Hartz-Kommission von bis zu 7 Mio. fehlenden Arbeitskräften im Jahr 2015 ausgegangen. Eine selbstkritische Auseinandersetzung der beteiligten Akteure mit dieser interessengeleiteten Fehlprognose steht noch aus.
- 2.
Wir verzichten durchgehend auf die Verwendung der Eurostat-Daten von 2006, da diese für Deutschland aus methodischen Gründen unsicher sind. Unter Einbeziehung von 2006 wären die Trends noch ausgeprägter.
- 3.
Das gilt auch für den langfristigen Vergleich von Arbeitsvolumen und Vollzeitäquivalenten (Deutscher Bundestag 2017, S. 5).
- 4.
So waren 2014 bundesweit 422 Tausend der 966 Tausend Erwerbstätigen mit 65 und mehr Jahren Selbstständige (2000: 217.000 von 371.000). Von den über 65-jährigen geringfügig Beschäftigten waren lt. Mikrozensus gut die Hälfte zwischen 65 und 69 Jahre alt, knapp 18 % waren 75 oder älter.
- 5.
Nach diesen Zahlen aus dem EU-Labour-Force-Survey geht der Zuwachs zwischen 2002 und 2014 „fast zur Hälfte auf Jobs mit weniger als 12 Wochenstunden Arbeitszeit zurück. Tatsächlich dürften es noch mehr sein, da derartige Jobs im LFS tendenziell untererfasst sind“ (Rhein 2016, S. 1).
- 6.
Dies, obwohl sich laut Daten von Eurostat (2017) die durchschnittliche Dauer des Arbeitslebens in Deutschland zwischen 2007 und 2015 stärker erhöht hat (von 36,4 auf 38,4 Jahre) als im Durchschnitt der EU-19-Länder (plus 1,4 auf 35,4 Jahre).
- 7.
Der mit 36 % etwas geringere Wert bei den über 45-Jährigen erklärt sich aus der im Vergleich zu Jüngeren kürzeren verbleibenden Dauer bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter und aus einem ‚healthy-worker-effect‘: Wer bis ins höhere Erwerbsalter erwerbstätig ist, hat und hatte zuvor eher bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Gesundheit. Die anderen sind z. T. bereits nicht mehr erwerbstätig und werden in dieser Umfrage daher auch nicht befragt.
- 8.
41 % sagten, die Rente werde gerade so ausreichen; 19 %, die Rente werde gut ausreichen. Nur 2 % sagten „Ich werde gut davon leben können“.
- 9.
Allerdings gibt es auch aus verschiedenen Studien, z. B. den Alterssurveys von 2008 bis 2014, einzelne Befunde, die darauf hinweisen, dass sich der positive Trend bei manchen Indikatoren/Gruppen am aktuellen Rand nicht fortsetzt.
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Kistler, E., Wiegel, C. (2019). Altersübergang und Ruhestand – aktuelle Konzepte, Kontroversen und Debatten. In: Schneider, W., Stadelbacher, S. (eds) Der Altersübergang als Neuarrangement von Arbeit und Leben . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21974-1_2
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