Zusammenfassung
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Sozialstruktur westlicher Industriegesellschaften wesentlich geändert. Dies bringt zunächst eine Reihe von Sozialindikatoren zum Ausdruck: die beständige Hebung des Lebensstandards, die Verminderung der Arbeitszeit, der Wandel in der Erwerbsstruktur, die Verbesserung der Wohnverhältnisse, die Ausbreitung der Massenkommunikation und die Erhöhung des Ausbildungsniveaus. Darüber hinaus sind neue Institutionen ausgebildet worden für die Interessenvermittlung, die politische Steuerung und die Legitimitätssicherung, die den politischen Prozeß in diesen Gesellschaften verändert haben. Schließlich zeigen sich Wandlungen in den Wertorientierungen und Verhaltensweisen, wobei einerseits eine zunehmenden Entkirchlichung, andererseits eine noch inhaltlich unbestimmte Pluralisierung von subkulturellen und gesamtgesellschaftlichen Wertvorstellungen auftreten. Der mit diesen kurzen Hinweisen umschriebene Wandel der Sozialstruktur ist zwar dem Ausmaß nach beträchtlich, doch theoretisch amorph. Einzelne Elemente sind gut beschrieben, doch die Analyse ihrer typischen Konfiguration ist nur unvollkommen gelungen. So erscheint einerseits der Begriff der Klassengesellschaft immer weniger geeignet, den Strukturtyp der Gegenwartsgesellschaft zu erfassen, andererseits erweisen sich neuere Modelle und Begriffsbildungen wie postindustrielle Gesellschaft oder Spätkapitalismus, technisch-wissenschaftliche Lebenswelt und Wohlfahrtsstaat kaum gehaltvoller.
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Literatur
A. Giddens, The Class Structure of the Advanced Societies, New York 1975, S. 20.
Zitiert nach K. Marx, Politische Schriften, 1. Bd., hrsg. von H. J. Lieber, Stuttgart 1960, S. 376.
M. Weber, Wirtschaft u. Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 177.
Vgl. E. Ballerstedt u. E. Wiegand, Einkommensverwendung u. Versorgung, in: W. Zapf (Hrsg.), Lebenbedingungen in der Bundesrepublik, Frankfurt 1977, S. 439.
Vgl. G. Schmaus, Personelle Einkommensverteilung im Vergleich 1962/63 u. 1969, in: H.-J. Krupp u. W. Glatzer (Hrsg.), Umverteilung im Sozialstaat, Frankfurt 1978, S. 100.
Vgl. die Zusammenfassung der Untersuchungen von W. Krelle u. a., in: G. Gutmann u. a., Die Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 19792, S. 26-30. Ferner: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 29. Jg. Nr. 11 (November 1977), S. 23-31: Ersparnisbildung u. Geldvermögen der Haushalte von Arbeitnehmern, Selbständigen und Rentnern.
Vgl. W. Glatzer, Einkommenspolitische Zielsetzungen u. Einkommensverteilung, in: W. Zapf (Hrsg.), a. a. O., sowie F. Klanberg, Materielle Armut in Perspektive, in: Krupp u. Glatzer (Hrsg.), a. a. O., ders., Armut u. ökonomische Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 1978.
Vgl. M. Schnitzer, Income Distribution. A Comparative Study of the United States, Sweden, West Germany, East Germany, the United Kingdom and Japan, New York 1974. Nach den dort aufgeführten Daten hat das oberste Fünftel der Einkommensbezieher in der Bundesrepublik einen etwas höheren Anteil am Gesamteinkommen, als dies in Schweden, Großbritannien und den USA der Fall ist. Siehe insbes. S. 40, 86, 112, 184.
Vgl. dazu W. Müller, Klassenlagen u. soziale Lagen in der Bundesrepublik, in: J. Handl u. a., Klassenlagen und Sozialstruktur, Frankfurt 1977, insbes. S. 33 ff.
J. Bergmann u. a., Herrschaft, Klassenverhältnis und Schichtung, in: Theodor W. Adorno (Hrsg.), Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?, Stuttgart 1969, S. 82. Vgl. auch C. Offe, Politische Herrschaft u. Klassenstrukturen, in: G. Kress u. D. Senghaas (Hrsg.), Politikwissenschaft, Frankfurt 1969.
Vgl. F. U. Pappi, Parteiensystem u. Sozialstruktur in der Bundesrepublik, in: Politische Vierteljahresschrift 14,1973/2.
Auch diese Daten entstammen der Umfrage des Sonderforschungsbereichs 3: Mikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitk (Frankfurt u. Mannheim), Komponenten der Wohlfahrt in der Bundesrepublik Deutschland, Tabellenband hrsg. von C. Siara, Mannheim 1979, S. 60.
Zum Problem der Unterschichtung vgl. H.-J. Hoffmann-Nowotny, Soziologie des Fremdarbeiterproblems, Stuttgart 1973.
Macht ist hier nicht als ein Null-Summen-Begriff verstanden: die Macht des einen ist gleich die Ohnmacht des anderen. Macht ist vielmehr in unterschiedlichem Maße durch die Akteure innerhalb eines sozialen Systems zu erzeugen und in jeweils situationsspezifischer Weise zu unterschiedlichem Grade einsetzbar. Vgl. dazu z. B. T. Parsons, On the Concept of Political Power, in: Politics and Social Structure, New York 1969, J. S. Coleman, Power and the Structure of Society, New York 1974.
Auf die Problematik der Formierung von Interessen und ihre Organisation in Mitgliedervereinen kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu M. Olson, The Logic of Collective Action, Cambridge 1965.
Zur Debatte um den Neokorporativismus vgl. P. C. Schmitter, Still the Century of Corporatism? in: F. B. Pike u. T. Stritch (Hrsg.), The New Corporatism, Notre Dame 1974, und die Beiträge in: Comparative Political Studies 10. 1977, H. 1, von P. C. Schmitter, G. Lehmbruch, B. Nedelmann und K. G. Meier ferner: E. W. Böckenförde, Die politische Funktion wirtschaftlich-sozialer Verbände und Interessenträger in der sozialstaatlichen Demokratie, in: Der Staat 15. 1976.
Vgl. dazu R. Inglehart u. H. D. Klingemann, Party Identification, Ideological Preference and the Left-Right Dimension among Western Mass Publics, in: I. Budge u. a. (Hrsg.), Party Identification and Beyond, London 1976.
Vgl. dazu M. Kaase u. H. D. Klingemann, Sozialstruktur, Wertorientierung u. Parteiensystem: Zum Problem der Interessenvermittlung in westlichen Demokratien, in: J. Matthes (Hrsg.), Sozialer Wandel in Westeuropa.Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologentages, Frankfurt 1979. Ferner die Beiträge in P. Kmieciak u. H. Klages (Hrsg.), Wertwandel u. gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt 1979.
Dazu vor allem R. Inglehart, The Silent Revolution, Princeton 1977. Ferner: S. H. Barnes, u. M. Kaase (Hrsg.), Political Action: Mass Participation in Five Western Democracies, Beverly Hills 1979.
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Lepsius, M.R. (1990). Soziale Ungleichheit und Klassenstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Interessen, Ideen und Institutionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94352-1_8
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