Zusammenfassung
Bei der Vorbereitung dieses Konferenzbeitrages und der Wahl des Themas sind bei mir zwei recht unterschiedliche Beweggründe im Spiel gewesen. Der eine ist eher sachlicher Natur und bezieht sich auf die These vom Bedeutungszuwachs der sogenannten “neue Ungleichheiten”; der andere ist stärker persönlich gefärbt und beruht auf der Erfahrung von der erstaunlichen Kritikresistenz des vertikalen Deutungsmusters. Das sind die Ausgangspunkte, die zunächst etwas genauer erläutert werden müssen, um die Stoßrichtung meiner Argumentation zu verdeutlichen.
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Anmerkungen
Vgl. Lepsius, M.R., “Soziale Ungleichheit und Klassenstruk-turen in der Bundesrepublik Deutschland”, in: H.U. Wehler (Hg.), Klassen in der europäischen Sozialgeschichte, Göttingen: Vanderhoek Rupprecht 1979, S. 169ff.
Vgl. dazu zusammenfassend Hradil, S., “Die Ungleichheit der ‘sozialen Lage’”, in: R. Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen: Soziale Ungleichheiten, 1983, 5. 101–118.
Vgl. dazu etwa: Matthes, J. (Hg.), Krise der Arbeitsgesellschaft?, Frankfurt-New York: Campus 1983; Offe, C., ‘Arbeitsgesellschaft’. Strukturprobleme und Zukunftsperspektiven, Frankfurt-New York: Campus 1984; Habermas, J., “Die Neue Unübersichtlichkeit”, in: Merkur XXXIX/1985, S.1–14.
Vgl. dazu Habermas, ebda.
Für die nicht-marxistische schichtungstheoretische Forschungstradition, die häufig Affinitäten zu modernisierungstheoretischen Konzeptionen aufweist, ist die These von der nationalstaatszentrierten Blickverengung wohl ohne weiteres einleuchtend. Soziale Schichtstrukturen werden dort üblicherweise innerhalb von regional und meist auch politisch vorgezeichneten Grenzen untersucht oder allenfalls international vergleichend betrachtet. Mehr oder weniger stillschweigend werden dabei die jeweils gegebenen Ungleich-heitsverhältnisse meistens auch als endogen verursacht behandelt, internationale Ungleichgewichte und Abhängigkeiten bleiben aus dem Blickfeld; sie werden - im Zuge innerfachlicher Verselbständigungen und Abschottungen - der Soziologie der Entwicklungslänger und der politikwissenschaftlichen Spezialdisziplinen der “Internationalen Beziehungen” überlassen. Im Hinblick auf die marxistisch-klassentheoretische Tradition andererseits erscheint meine These von der national-staatszentrierten Blickverengung auf den ersten Blick weniger einleuchtend. Immerhin wird dort Marx’ und Engels’ Motto “Proletarier aller Länder vereinigt euch!” und auch die Lenin’sche Imperialismustheorie in hohen Ehren gehalten. Dennoch gilt auch dort die Hauptaufmerksamkeit dem Klassenkonflikt und dem Träger der Revolution in einzelnen, vor allem kapitalistischen Gesellschaften. Alles dreht sich um das Proletariat, um dessen Klassenbewußtsein und revolutionäres Potential. Die Klassenstruktur wird dabei als vertikale Struktur mit eindeutigem “Oben” und “Unten” dargestellt, und sie ist die Struktur einer Gesellschaft, so sehr auch internationale Einflüsse mit berücksichtigt werden.
Man denke etwa an die zunehmende Betonung von sogenannten “non-class issues” als Determinanten gesellschaftlicher Konflikte in der Soziologie der Politik. Vgl. dazu Pappi, F.U., “Konstanz und Wandel der Hauptspannungslinien in der Bundes-republik”, in: J. Matthes (Hg.), Sozialer Wandel in Westeuropa, Frankfurt-New York: Campus 1979, S.465–479; Ingle-hart, R., “Traditionelle politische Trennungslinien und die Entwicklung der neuen Politik in westlichen Gesellschaften”, in: PVS 24/1983, S.139–165.
Vgl. Kreckel, R., “Theorien sozialer Ungleichheit im Übergang”, in: ders. (Hg.), Soziale Ungleichheiten, a.a.O., S. 3–12; ders., “Zentrum und Peripherie. ‘Alte’ und ’neue’ Ungleichheiten in weltgesellschaftlicher Perspektive”, in: J.H. Goldthorpe/H. Strasser (Hg.), Die Analyse sozialer Ungleichheit, Opladen: Westdeutscher Verlag 1985, S. 307–323.
Kleining, G., “Gesellschaft als ‘interstellares System’ oder ’durcheinandergewirbelte Individuen’?”, in: Soziologische Revue 8/1985, S.1–5.
ebda., S.1.
Vgl. z.B.: Moore, H./Kleining, G., “Das soziale Selbstbild der Gesellschaftsschichten in Deutschland”, in: KZfSS 12/ 1960, S.86–119; Kleining, G./Moore, H., “Soziale Selbstein-stufung. Ein Instrument zur Messung sozialer Schichten”, in: KZfSS 20/1968, S.502–522; Kleining, G., “Struktur-und Prestigemobilität in der Bundesrepublik Deutschland”, in: KZfSS 23/1971, S.1–33; ders., “Soziale Mobilität in der Bundesrepublik Deutschland”, in: KZfSS 27/1975, S.97–121 und 273–292.
Ders., “Gesellschaft als...”, a.a.O., S.2.
Kreckel, R., “Theorien...”, a.a.O., S. 6f.
Vgl. dazu die neue zusammenfassende Darstellung bei Wegener, B., “Gibt es Sozialprestige?”, in: ZfS 14/1985, S.209–235.
Vgl. dazu Kreckel, R., “Class, Status and Power? Begriffliche Grundlagen für eine politische Soziologie der sozialen Ungleichheit”, in: KZfSS 34/1982, S.617–648.
Der ebenfalls häufig verwendete Indikator “Sozialprestige” kann als ein subjektiver Reflex dieser drei Hauptindikatoren gedeutet und deshalb hier außer acht gelassen werden. Vgl. dazu: ebda., S.642f., sowie Wegener, a.a.0.
Vgl. dazu und zum folgenden: Kreckel, R., “Statusinkonsi-stenz und Statusdefizienz in gesellschaftstheoretischer Perspektive”, in: S. Hradil (Hg.), Sozialstruktur im Umbruch. K.M. Bolte zum 60. Geburtstag, Opladen: Leske 1985, S. 29–49.
Vgl. zum Begriff der Realabstraktion: Habermas, J., “Theorie des Kommunikativen Handelns”,Bd. II, Frankfurt: Suhrkamp 1981, S.548f. und - selbstverständlich - den Abschnitt “Die Methode der politischen Ökonomie” in: Marx, K., Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Frankfurt: EVA 1971, S.21ff.; vgl. auch Sohn-Rethel, A., Geistige und körperliche Arbeit, Frankfurt: Suhrkamp 1970, S.32ff.
Institut für Sozialforschung, Soziologische Exkurse, Frankfurt: EVA 1956, S. 110f.
Vgl. dazu die anregenden Thesen von Beck, U., “’Du hast keine Chance, aber nutze sie’. Zum Verhältnis von Bildung und Beruf”, in: Merkur 39/1985, S.1111–1115, der von einer Renaissance askriptiver Mechanismen in der von ihm sogenannten “Risikogesellschaft” spricht.
Vgl. dazu Beck, U., “Jenseits von Stand und Klasse?”, in: R. Kreckel ( Hg. ), Soziale Ungleichheiten, a.a.O., S. 35–74.
Ein Überblick über die “Lohn-für-Hausarbeit”-Bewegung findet sich bei Wolf-Graaf, A., Frauenarbeit im Abseits, München: Frauenoffensive 1981, S.176ff.
Vgl. zur theoretischen Diskussion: Ostner, J., Beruf und Hausarbeit, Frankfurt/New York: Campus 1980; Beck-Gernsheim, E., Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie, Frankfurt: Fischer 1980. Zur empirischen Konkreti-sierung: Langkau, J., Lohn-und Gehaltsdiskriminierungen von Arbeitnehmerinnen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn-Bad Godesberg: Neue Gesellschaft 1979; Müller, W./ Willms, H./Handl, J., Strukturwandel der Frauenarbeit 1880–1980, Frankfurt-New York: Campus 1983; Becker-Schmidt, R., u.a., Arbeitsleben-Lebensarbeit, Bonn 1983.
Die kleinen Gruppen von Selbständigen, für die das Leistungsprinzip eine ‘abweichende Bedeutung hat (Handwerker, Einzel-händler, Landwirte, Freie Berufe), bleiben hier unberücksichtigt.
Vgl. dazu Kreckel, R., “Soziale Ungleichheit und Arbeitsmarktsegmentierung”, in: ders. (Hg.), Soziale Ungleichheiten, a.a.O., S. 137–162, insb. S. 159.
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Kreckel, R. (1987). Neue Ungleichheiten und Alte Deutungsmuster. In: Giesen, B., Haferkamp, H. (eds) Soziologie der sozialen Ungleichheit. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 101. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88691-0_5
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