Infektionserkrankungen sind für die Arbeitsmedizin allgemeinhin von eminenter Bedeutung [2, 4, 7, 8, 11,12,13,14,15, 18]. Die vorliegende Zusammenfassung basiert auf dem Robert Koch-Institut (RKI)-Ratgeber für Ärzte, dessen Herausgabe durch das RKI auf Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfolgt [6].

Erreger

Hantaviren gehören zur Gattung Hantavirus in der Familie der Bunyaviridae. Der Name „Hantavirus“ leitet sich vom koreanischen Fluss Hantangang ab. Das erste isolierte Hantavirus (im Jahr 1977) erhielt später den Namen „Hantaan“. Hantaviren sind weltweit verbreitet. Sie weisen eine große Wirtsspezifität und folglich eine spezifische geografische Verteilung der einzelnen Virustypen auf [10, 16]. Unter diesen werden ferner verschiedene humanpathogene Spezies unterschieden. Die epidemiologisch bedeutendsten Subtypen sind das Hantaan‑, Puumala‑, Dobrava-Belgrad‑, Seoul‑, Sin-Nombre- und Andesvirus [6, 9, 16].

Vorkommen und Bedeutung in Deutschland

In Deutschland sind v. a. zwei Virustypen verbreitet [6, 9, 16]:

  1. 1.

    das Puumalavirus (v. a. im Süden und Westen) und

  2. 2.

    eine Form des Dobrava-Belgrad-Virus (v. a. im Osten und Norden).

Infektionen mit dem Puumalavirus stellen den Großteil der gemeldeten Erkrankungen in Deutschland dar. Die Zahl der bundesweit gemeldeten Fälle unterliegt jedoch großen jährlichen Schwankungen in Abhängigkeit von den Populationen der Wirte. Mehr als zwei Drittel der gemeldeten Erkrankten sind Männer, von denen über die Hälfte der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen angehört [10, 16]. Die Seroprävalenz in der Bevölkerung beträgt in Deutschland ca. 1 %. Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da Infektionen mit den in Deutschland verbreiteten Virustypen in der Regel a‑ bzw. oligosymptomatisch verlaufen.

Reservoir

Das Auftreten von Infektionen und deren Ausprägung ist eng an die Verbreitungsgebiete der entsprechenden Wirtstiere gebunden [3, 10, 16]. Jeder Subtyp der Hantaviren hat ein eigenes, spezifisches Reservoir, das nur eine oder mehrere eng verwandte Spezies (in erster Linie Nagetierspezies) umfasst. In jüngster Vergangenheit wurden neue Hantaviren auch in bislang unbekannten Reservoirwirten wie Maulwürfen oder Fledermäusen nachgewiesen. Ob diese humanpathogen sind, ist bisher unbekannt [3, 10, 16].

Infektionsweg

Von infizierten Nagetieren werden die Viren über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden und können dann, auch in getrocknetem Zustand, mehrere Tage infektiös bleiben [6, 9, 16]. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt zumeist durch Inhalation virushaltiger Aerosole (z. B. aufgewirbelter Staub), durch den Kontakt verletzter Haut mit kontaminierten Materialien (z. B. Erde) oder durch den Biss infizierter Tiere. Auch eine Übertragung durch mit Ausscheidungen infizierter Nagetiere kontaminierter Lebensmittel ist möglich [1, 3, 16, 19].

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt ca. 2 bis 4 Wochen. In Ausnahmefällen kann sie deutlich kürzer, aber auch länger sein [1, 3, 16, 19].

Klinische Symptomatik

Je nach verursachendem Virustyp können Hantaviren unterschiedlich schwere Krankheitsbilder hervorrufen. Der Großteil der Infektionen verläuft jedoch asymptomatisch bzw. mit unspezifischen Symptomen. Zumeist beginnt die Erkrankung mit plötzlich einsetzendem Fieber, das über 3 bis 4 Tage anhält. Begleitend treten grippeähnliche Symptome auf. Das gemeinsame Auftreten mehrerer der folgenden Symptome kann ein Hinweis auf eine Hantavirus-Infektion sein [1, 3, 16, 19]:

  • akuter Krankheitsbeginn mit Fieber >38,5 °C,

  • Rücken- und/oder Kopf- und/oder Abdominalschmerz,

  • Proteinurie und/oder Hämaturie,

  • Serumkreatininerhöhung,

  • Thrombozytopenie,

  • Oligurie bzw. nachfolgend Polyurie.

Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS)

Asiatische, afrikanische und europäische Hantavirus-Typen können Auslöser des HFRS sein. Es stehen grippeähnliche Symptome und eine Nierenbeteiligung im Vordergrund. Diese Verlaufsform wird auch als Nephropathia epidemica (NE) bezeichnet [3, 5, 9, 16, 19]. Im weiteren Verlauf kann es jedoch auch zu einem protrahierten Verlauf mit septischem Krankheitsbild und akuter Organopathie kommen (z. B. Nierenversagen). Die Letalität bei schweren Formen des HFRS beträgt bis zu 15 %. Bei Infektionen mit in Deutschland vorkommenden Virustypen sind hämorrhagische Verläufe sehr selten. Zudem zeigen diese in der Regel milde bis moderate Verläufe (Letalität <1 %; [1, 6, 9]).

Hantavirus-induziertes (kardio)pulmonales Syndrom (HPS/HCPS)

Nord- und südamerikanische Virustypen verursachen das HPS bzw. HCPS, welches sich initial durch einen abrupten, hoch fieberhaften Beginn mit grippeähnlichen Symptomen präsentiert. Im weiteren Verlauf kann es zur kardiopulmonalen Dekompensation mit Entwicklung eines progredienten Atemnotsyndroms (ARDS) kommen. Die Letalität liegt bei dieser Verlaufsform bei 25–40 % [1, 3, 6, 9].

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Eine Übertragung von Hantaviren von Mensch zu Mensch ist bei den in Europa und Asien prävalenten Virustypen bislang nicht nachgewiesen. Bisher gab es nur Hinweise einer möglichen Übertragung bei dem in Südamerika vorkommenden Andesvirus [1, 3, 6, 9, 17].

Diagnostik

Die Diagnose einer Hantavirus-Infektion wird anhand des klinischen Bildes und der serologischen Untersuchungsergebnisse gestellt. Es gibt direkte und indirekte Nachweisverfahren. Für den indirekten Nachweis wird der IgM- und der IgG-ELISA empfohlen. Als beweisend für eine Infektion gelten der Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern oder der IgG-Titeranstieg in Serumpaaren [1, 6, 9, 16, 17]. Der direkte Nachweis der Erreger-Ribonukleinsäure mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) ist aufgrund der kurzen virämischen Phase schwierig. Ein isoliert negatives PCR-Ergebnis schließt eine Hantavirus-Infektion nicht aus. Es empfiehlt sich, bei klinischem Verdacht auf eine Hantavirus-Infektion zeitnah Material für eine PCR-Analyse zu asservieren [1, 6, 9, 16, 17].

Therapie

Die Behandlung einer Hantavirus-Erkrankung erfolgt symptomatisch. Diese umfasst ggf. eine intensivmedizinische Betreuung zur Beherrschung von Blutungen, zur Kreislaufstabilisierung, zur Nierenersatztherapie sowie ggf. zur Intubation und maschinellen Beatmung. In Einzelfällen zeigten sich positive Aspekte bei einer frühzeitigen antiviralen Therapie mit Ribavirin [1, 5, 6, 9, 16, 17].

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

Aktuell stehen weder ein Impfstoff noch eine spezifische Erregertherapie zur Verfügung. Der Expositionsprophylaxe kommt die wichtigste Aufgabe zur Prävention einer Infektion zu. Insbesondere ist der Kontakt mit Ausscheidungen von Nagetieren zu vermeiden. Im Umfeld menschlicher Wohnbereiche sollten Nagetiere bekämpft werden [6, 9, 16, 17]. Beim Umgang mit toten Nagetieren oder Aufenthalt in potenziell mit Ausscheidungen verunreinigten Räumen (z. B. Stall, Dachboden, Keller) sollten bestimmte Schutzmaßnahmen eingehalten werden (z. B. Vermeidung von Staubentwicklung durch Befeuchtung kontaminierter Bereiche, Tragen von Atemschutzmasken Klasse FFP 3 und von Schutzhandschuhen). Infektionsgefährdet sind insbesondere Personen, deren Lebens- und Arbeitsumfeld in engem Kontakt zu infizierten Nagern und deren Exkrementen steht, z. B. Waldarbeiter, Arbeiter in der Landwirtschaft und Laborpersonal [6, 9, 16, 17].

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht

Dem Gesundheitsamt müssen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an virusbedingtem hämorrhagischem Fieber sowie gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 19 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Hantaviren, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet werden. Spätestens 24 h nach erlangter Kenntnis müssen die Meldungen dem Gesundheitsamt vorliegen. Dieses wiederum übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a IfSG entsprechen [6, 9, 16, 17].

Fazit für die Praxis

  • Hantaviren umfassen eine Gruppe von regional verschiedenen Subtypen mit hoher Wirtsspezifität und somit spezifischer geografischer Verteilung.

  • Eine Übertragung auf den Menschen erfolgt durch den Kontakt mit potenziell kontagiösen Ausscheidungen von Nagetieren z. B. mit Urin, Kot oder Speichel.

  • Weltweit werden steigende Fallzahlen beobachtet, so auch in Deutschland.

  • Die Infektion zeigt einen sehr variablen Verlauf. Sie kann beim Menschen zu einer Reihe von lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Hierzu gehört das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) oder das Hantavirus-induzierte (kardio)pulmonale Syndrom (HPS/HCPS).

  • Der Nachweis einer Hantavirus-Infektion wird anhand des klinischen Bildes und der serologischen Untersuchungsergebnisse gestellt, wobei es direkte und indirekte Nachweisverfahren gibt. Mittel der Wahl ist der indirekte Nachweis mit IgM- und IgG-ELISA.

  • Es gibt keine Impfprophylaxe. Der Expositionsprophylaxe kommt die wichtigste Aufgabe zur Verhütung einer Infektion zu, d. h. der Kontakt mit Ausscheidungen von Nagetieren ist zu vermeiden. Ferner sollten entsprechende Schutzmaßnahmen bei möglichem Kontakt erfolgen (z. B. Tragen von FFP-3-Atemmasken).

  • Der Primärprävention und der symptomatischen Therapie kommt entscheidende Bedeutung zu. In Einzelfällen zeigten sich positive Aspekte bei antiviraler Therapie mit Ribavirin.