Virusinfektionen des Herzens

Die Myokarditis als entzündliche Herzmuskelerkrankung ist die häufigste Ursache einer Herzinsuffizienz bei Patienten, die jünger als 40 Jahre alt sind. Zwischen 10% und 20% dieser Patienten mit dem histologischen Nachweis einer entzündlichen Herzmuskelerkrankung entwickeln, auch wenn klinisch zunächst symptomfrei, eine chronische Erkrankung, die zur Ausbildung einer dilatativen Kardiomyopathie mit zunehmender Herzschwäche führt. Der klinische Phänotyp ist ebenso variabel wie das Spektrum möglicher Erreger [5].

Eine Myokarditis kann durch Viren, Bakterien, Pilze, Spirochäten (Borrelien) und Parasiten, aber auch im Rahmen von Systemerkrankungen wie Kollagenosen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, durch Medikamente (Adriamycin), Toxine (Alkohol, Arsen, Schlangengifte, Drogen) und physikalische Einwirkungen z. B. therapeutischer Röntgenstrahlen hervorgerufen werden (Tab. 1; [6]). In Europa und den Vereinigten Staaten überwiegen heute – neben der autoreaktiven Form – Virusinfektionen als Ursache einer akuten Myokarditis, wobei in früheren Jahren vor allem Coxsackie-Virus B, Adenoviren, Zytomegalieviren (CMV), Echoviren, Influenzaviren A + B und Hepatitis-C-Viren, gegenwärtig Parvovirus B19, humanes Herpesvirus 6 (HHV-6), Epstein-Barr-Virus (EBV), als wichtige pathogenetische Faktoren an der Entstehung einer entzündlichen Herzmuskelerkrankung beteiligt sind.

Heute überwiegen – neben der autoreaktiven Form – Virusinfektionen als Ursache einer akuten Myokarditis

Die PCR-basierte Persistenz mikrobieller Erreger im Marburger Biopsieregiser zeigt Tab. 2: Im Gegensatz zu den 1980er und 90er Jahren, in denen Entero- und Adenoviren führten, prävalieren heute Parvovirus B19, HHV 6, EBV und CMV. Nach einer akuten Phase der entzündlichen Herzmuskelerkrankung, die häufig durch einen direkten zytopathischen Effekt des Virus hervorgerufen wird, entwickelt sich bei einem Teil der Patienten eine chronische, autoimmun getriggerte Herzmuskelentzündung [16, 22, 23]. Dies betrifft den größten Anteil der Patienten mit Verdacht auf Myokarditis oder ätiologisch unklare Kardiomyopathie (Tab. 1 und Tab. 2). Diese erste virale Phase wird durch eine überschießende Immunreaktion hervorgerufen, die für die Eliminierung des infektiösen Agens zunächst notwendig ist und an der auch Makrophagen und Natural-Killer-Zellen teilnehmen. Die gleichzeitig stattfindende Aktivierung kreuz- bzw. autoreaktiver T- und B-Lymphozyten, letztere durch kreuzreagierende Autoantikörper und Mediatoren vermittelt [20, 22, 33], führt dann zu einer chronischen myokardialen Entzündungsreaktion auch in Abwesenheit des infektiösen Agens. Ihr klinisches Korrelat ist variabel und reicht von der akuten und chronischen Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion bis zur diastolischen Herzinsuffizienz mit weitgehend intakter systolischer Pumpfunktion („heart failure with preserved ejection fraction“, HFpEF). Sie kann inflammatorische und postinflammatorische Anteile in der Endomyokardbiopsie aufweisen und in der initialen Symptomatik von der Herzschwäche bei dilatativer Kardiomyopathie bis zum akuten Koronarsyndrom, zu ventrikulären und supraventrikulären Herzrhythmusstörungen, zum plötzlichen Herztod, zur dominierenden perikardialen oder bis zum „Chronic-fatigue-Syndrom“ reichen (Tab. 3).

Der Verlauf kann bei fokalem kardialem Befall mit einer Spontanremission und vollständiger Ausheilung gutartig sein. Seltener führt er innerhalb von Tagen zum letalen Pumpversagen, zu AV-Blockierungen und tachykarden ventrikulären Rhythmustörungen bis zum plötzlichen Herztod (Tab. 3).

Die entzündliche Herzmuskelerkrankung (inflammatorische Kardiomyopathie) ist eine komplexe Erkrankung, der unterschiedliche pathogene Mechanismen zugrunde liegen. Sie stellt ein Kontinuum von mindestens 3 unterschiedlichen Erkrankungsprozessen dar, die ineinander übergehen können:

  • Phase 1: Virusinfektion,

  • Phase 2: Autoimmunität,

  • Phase 3: dilatative Kardiomyopathie, Terminalstadium.

Dabei müssen die Phasen nicht scharf getrennt sein, sondern können ineinander übergehen. Das klinische Krankheitsbild ist ebenfalls nicht phasenspezifisch [25]. Allen 3 Krankheitsphasen liegt eine unterschiedliche Pathogenese zugrunde, die sich in einem eigenen diagnostischen Repertoire widerspiegelt und neben der allgemeinen Herzinsuffizienztherapie unterschiedlicher therapeutischer Maßnahmen bedarf. Deshalb ist es essenziell zu wissen, an welchem Punkt dieses Kontinuums sich der einzelne Patient befindet. Ziel einer jeden diagnostischen und therapeutischen Intervention muss es sein, das verursachende Virus zu eradizieren und die Entzündungsreaktion zu eliminieren, um ein Voranschreiten der Erkrankung bis zur terminalen Herzinsuffizienz zu verhindern.

Tab. 1 Ätiologie entzündlicher Herzmuskelerkrankungen
Tab. 2 Mikrobielle Ätiologie in der Endomyokardbiopsie
Tab. 3 Anamnese und Symptome bei viraler Myokarditis, Perimyokarditis, inflammatorischer Kardiomyopathie

Myokarditiden und dilatative Kardiomyopathie

Pathophysiologie

Am besten untersucht ist die enteroviral induzierte Myokarditis bei Maus und Mensch. Die Infektion mit diesem kardiotropen RNA-Virus führt über die Zerstörung zytoskelettaler Proteine wie Dystrophin und Sarkoglykan zur Aktivierung der angeborenen Immunität mit dem Ziel, das Virus zu eliminieren [16]. Das Coxsackie-Virus B3 (CV-B3) wird dabei über den Coxsackie-Adenovirus-Rezeptor (CAR) und dessen Korezeptor DAF („decay-accelerating factor“) internalisiert. Sich intrazellulär replizierendes CV-B3 produziert die Protease 2A, welche den Dystrophin-Sarkoglykan-Komplex durch Spaltung des Dystrophins zerstört [17]. Dies führt zu einem ausgeprägtem Remodeling des Myokards mit Ausbildung einer dilatativen Kardiomyopathie. Die CV-B3-Infektion des Myokards führt zur Überexpression von STAT-1 und STAT-3, wobei die Aktivierung des JAK-STAT-Signalwegs über die antiviralen Effekte des freigesetzten Interferons essenziell für die Viruselimination ist. Parallel wird das angeborene Immunsystem durch virale RNA über Toll-like-Rezeptoren aktiviert [15]. MyD-88 und „interleucin 1 receptor associated kinase 4“ (IRAK-4) als wichtige Adaptormoleküle vermitteln die Aktivierung von „nuclear factor kappa B“ (NF-κb) und „immune response factor 3“ (IRF-3) mit nachfolgender Freisetzung von Typ-1-Interferonen und Interleukin 6, die wiederum antiviral wirksam sind.

Paradoxerweise führt die Aktivierung des angeborenen Immunsystems zu einer verstärkten Aktivierung der adaptiven Immunantwort mit Einwanderung von T-Lymphozyten in das infizierte Myokard. Aktivierte autoreaktive bzw. kreuzreaktive T-Lymphozyten können dann einen chronischen Entzündungsprozess auch nach Eliminierung des Virus über einen langen Zeitraum mit zunehmender Gewebeschädigung und die Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie induzieren [27]. Dass der immunhistochemische Nachweis einer intramyokardialen Entzündungsreaktion mit einer schlechten Prognose einhergeht, wurde in einer Langzeituntersuchung bei 181 Patienten mit Verdacht auf eine entzündliche Herzmuskelerkrankung gezeigt [11].

Bezüglich der Prävalenz kardiotroper Viren im Myokard von Patienten mit dilatativen und entzündlichen Herzmuskelerkrankungen zeichnete sich in den letzten 12 Jahren ein Wandel des Erregerspektrums ab (Tab. 1 und Tab. 2). In der Zeit von 1985 bis 1995 waren Entero-, Adeno- und Zytomegalieviren die häufigsten kardiotropen Erreger einer Myokarditis, wobei Enteroviren mit einer Prävalenz von bis zu 57% bei Patienten mit Myokarditis und bis zu 28% bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie im europäischen und amerikanischen Raum berichtet wurden [13, 23, 31, 32]. Inzwischen werden v. a. im europäischen Raum bei Patienten mit dilatativen und entzündlichen Herzmuskelerkrankungen „neue“ kardiotrope Erreger mit hohen Prävalenzen wie z. B. Parvovirus B19 (bis 45%), EBV (10%) und HHV-6 (15%) nachgewiesen, während die Häufigkeit des Nachweises der „klassischen“ Myokarditiserreger sinkt [12, 13, 14, 30, 31]. Einen Überblick über die PCR-basierte Prävalenz des Erregerspektrums aus Endomyokardbiopsien von Patienten mit Verdacht auf Myokarditis oder dilatative Kardiomyopathie des Marburger Kardiomyopathie- und Biopsieregisters gibt Tab. 2. Patienten mit Inflammation (≥14 infiltrierenden Zellen) und Parvovirus B19 zeigen signifikant häufiger eine Ejektionsfraktion <45%. Der größte Anteil inflammatorischer Kardiomyopathien in unserem Krankengut sind PCR-negative, autoreaktive Myokarditiden.

Gut vereinbar mit unseren Befunden ist die Beobachtung von Kühl et al. [14], dass der intramyokardiale Nachweis kardiotroper Erreger signifikant mit der Reduktion der Pumpleistung nach 6 Monaten verbunden ist, wohingegen die spontane Viruselimination aus dem Myokard in einer deutlich verbesserten Pumpleistung als Surrogatparameter einer verbesserten Prognose resultiert.

Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen zeigen, dass bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie und z. T. eingeschränkter Pumpfunktion bei dilatiertem Ventrikel in 77,4% der Fälle Genom kardiotroper Viren in den Endomyokardbiopsien nachgewiesen werden konnte [13]. Das am häufigsten nachgewiesene Virusgenom war auch hier Parvovirus B19 in 51,4% der Fälle. Hinzugekommen ist hier der Nachweis von humanem Herpesvirus 6 (HHV-6) in insgesamt 21,6% der Fälle. Besonders auffällig ist das Vorkommen einer Doppelvirusinfektion, insgesamt bei 18,3% der Fälle, wobei auch hier die Kombination von Parvovirus B19 und HHV-6 am häufigsten ist. Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen der in Marburg untersuchten Patienten, so zeigt sich eine etwas geringere Prävalenz von 33% für Parvovirus B19 bei Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion und Entzündungsnachweis in der Biopsie und von 20% für Patienten mit Entzündungsnachweis ohne Pumpfunktionseinschränkung [31, 32].

Zusammenfassend wird Parvovirus-B19-Genom von allen kardiotropen Viren heute am häufigsten in Assoziation mit einer myokardialen Entzündungsreaktion nachgewiesen. Allerdings findet sich eine fast doppelt so große Anzahl von symptomatischen Patienten mit Viruspersistenz ohne Inflammation. Die pathogenetische Bedeutung der Persistenz von Virusgenom ohne Entzündungsreaktion ist bislang ungeklärt. Offen ist auch die Überlappung von Parvovirus B19 zum XMR-Virus („xenotropic murine leukemia virus-related virus“) bei Patienten mit „Chronic-fatigue-Syndrom“.

Parvovirus-B19-Genom wird von allen kardiotropen Viren heute am häufigsten nachgewiesen

Nicht nur Viren, sondern auch unterschiedliche exogene Faktoren können eine intrakardiale Immunantwort induzieren, die zur Aktivierung intrinsischer Signalwege und Produktion unterschiedlichster Immunmediatoren führt. Das Ausmaß der intramyokardialen Entzündungsreaktion sowie die Effektivität kompensatorischer Mechanismen und die Therapie beeinflusst die Progression der Erkrankung in Richtung Stabilisierung der kardialen Funktion oder einer zunehmenden Herzinsuffizienz (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Pathogenese entzündlicher und dilatativer Herzmuskelerkrankungen. Virusinfektionen können eine intrakardiale Immunantwort induzieren, die zur Aktivierung intrinsischer Signalwege und Produktion unterschiedlichster Immunmediatoren führt. Das Ausmaß der intramyokardialen Entzündungsreaktion sowie die Effektivität kompensatorischer Mechanismen beeinflusst den Fortgang der Erkrankung in Richtung Stabilisierung der kardialen Funktion oder zunehmender Herzinsuffizienz

Klinische Symptomatik

Die Symptomatik der Patienten mit virusinduzierter akuter und chronischer Myo- oder Perimyokarditis und ihren Folgestadien weist zunächst auf die Beteiligung der durch die akute Virusinfektion betroffenen Organsysteme hin. Hierzu gehören ein vorausgegangener grippaler oder gastrointestinaler Infekt, Leistungsknick und „chronic fatigue“ ähnliche Symptome bei der akuten Myokarditis, jedoch deutlich weniger bei der chronischen Myokarditis oder der dilatativen Kardiomyopathie. Auch eine Perikardbeteiligung findet sich ebenso wie kardiospezifische Symptome quer durch den gesamten Verlauf. Sie bestimmen den klinisch-kardialen Phänotyp mit den beteiligten Kompartimenten Myokard, Perikard, Reizleitung und Herzkranzgefäße (Tab. 3; [3, 20, 23]). Besonders bei Patienten mit Parvovirus B19 im Myokard können als Folge von Mikrozirkulationsstörungen infarktähnliche Bilder beobachtet werden.

Kein einzelnes Symptom ist beweisend für eine entzündliche Herzmuskelerkrankung.

Nur in der Zusammenschau der Symptome, der nicht-invasiven und invasiven Diagnostik einschließlich der Untersuchung der Herzmuskelbiopsie kann die ätiologisch fundierte Diagnose einer viralen Perimyokarditis gestellt werden [20, 24].

Diagnostik

Von Bedeutung bei der nicht-invasiven und invasiven Diagnostik ist deshalb die gezielte Auswahl geeigneter Biomarker der Inflammation, der Nekrose, der viralen Infektion und der Autoreaktivität. Ergänzend werden nicht-invasive bildgebende Verfahren, vorwiegend die Kardio-MRT nach den Lake-Louise-Kriterien [8] und die Farbdopplerechokardiographie zur Bestimmung der systolischen und diastolischen Funktion und der Perikardbeteiligung eingesetzt (Tab. 4).

Tab. 4 Biomarker bei viraler (Peri)Myokarditis

Mit der kardialen Magnetresonanztomographie (MRT) kann über ein erhöhtes „late enhancement“ ein Myokardschaden nachgewiesen werden. Die T2-gewichteten Sequenzen sind geeignet, interstitielle Ödeme, die häufig im Rahmen einer intramyokardialer Entzündung auftreten, zu detektieren. Durch Kombination unterschiedlicher Messsequenzen in der MRT kann die Diagnostik einer Myokarditis sinnvoll ergänzt werden und sollte bei Patienten mit entsprechendem Verdacht zur Anwendung kommen [8, 18, 19].

American Heart Association, American College of Cardiology und European Society of Cardiology definierten kürzlich 14 klinische Szenarien, bei denen eine Myokardbiopsie diagnostisch, prognostisch und therapeutisch sinnvoll ist [3]. Ebenso gilt dies für die Perikardiozentese, Analyse des Perikardergusses und einer Epikardbiopsie im Rahmen einer Perikardioskopie bei Patienten mit Perikarderguss in den Leitlinien der European Society of Cardiology [24]. Die Einteilung der Szenarien zur Endomyokardbiopsie [3] erfolgt aufgrund klinischer Symptome und Zustände, mit denen sich Patienten in der Praxis vorstellen. Danach ist das Auftreten einer akuten Herzinsuffizienz weniger als 2 Wochen zurückliegend mit oder ohne Ventrikeldilatation und hämodynamischer Einschränkung bzw. weniger als 3 Monate zurückliegend mit Rhythmusstörungen, AV-Blöcken und ohne adäquates Ansprechen auf die Herzinsuffizienztherapie eine Klasse-I-Indikation zur Endomyokardbiopsieentnahme mit Evidenzgrad B. Bei chronischer Herzinsuffizienz sollte eine Biopsieentnahme bei einer Symptomatik länger als 3 Monate angestrebt werden, wenn eine Ventrikeldilatation, Rhythmusstörungen oder AV-Blöcke Grad II und II vorliegen und kein ausreichendes Ansprechen auf eine Herzinsuffizienztherapie erfolgt. Unabhängig von der Dauer der Symptomatik sollte bei Patienten mit möglicher allergischer Ursache, mit Eosinophilie (Endokarditis Löffler oder Churg-Strauss-Syndrom mit Myokardbeteiligung), mit einer unklaren restriktiven Hämodynamik, Verdacht auf einen kardialen Tumoren, Herzinsuffizienz sowie Hypertrophie, bei Verdacht auf eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie sowie bei Patienten mit unklaren ventrikulären Arrhythmien ebenfalls eine Endomyokardbiopsieentnahme angestrebt werden.

Der verlässliche Nachweis einer Entzündungsreaktion im Myokard der Patienten muss neben der molekularbiologischen Diagnostik das wichtigste Ziel der Diagnostik entzündlicher Herzmuskelerkrankungen sein. Dabei ist die immunhistochemische Untersuchung der Endomyokardbiopsie mittels monoklonaler Antikörper spezifisch für Lymphozytensubpopulationen wie aktivierte T-Lymphozyten (CD3) und aktivierter Leukozyten (CD45) neben der klassischen Durchlichtmikroskopie der Goldstandard [4, 12, 20]. Zur Diagnosestellung einer Myokarditis bzw. inflammatorischen Kardiomyopathie müssen ≥14 infiltrierende Lymphozyten (CD3- bzw. CD45-positiv) und Makrophagen pro mm2 Myokard nachzuweisen sein. Durch die immunhistochemische Untersuchung der Endomyokardbiopsie in Ergänzung zur klassischen histopathologischen Untersuchung wurde die Sensitivität in Bezug auf die Diagnose „entzündliche Herzmuskelerkrankung“ deutlich erhöht.

Der verlässliche Nachweis einer Entzündungsreaktion im Myokard muss das wichtigste Ziel der Diagnostik sein

Der Nachweis von kardiotropen Errregern wie Entero-, Adeno-, Zytomegalie-, Influenza-, Herpes-, Hepatitis-C-, Epstein-Barr-Virus und Parvovirus B19 sowie von Bakterien wie Chlamydia pneumoniae oder Borrelia Burgdorferi im Myokard ist heute Standard in der molekularen ätiologischen Diagnostik der Kardiomyopathien und der Myokarditis [10, 12, 20, 22, 30, 33].

Therapie

Das logische Primat in der Behandlung der Grundkrankheit und damit der Ätiologie vor oder zusammen mit der symptomatischen Behandlung der Herzinsuffizienz gilt auch für die virale Herzerkrankung/Myokarditis (Abb. 2). Sie wird begleitet durch Allgemeinmaßnahmen wie körperliche Schonung bei florider Myokarditis (in der Regel mindestens 6 Monate) und die Behandlung des Syndroms der Herzinsuffizienz durch β-Rezeptorenblocker, Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren, Diuretika, ggf. Digitalis bei Vorhofflimmern und Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern oder stark reduzierter Ejektionsfraktion. Diese Maßnahmen sind heute Bestandteil der Leitlinien zur Therapie der Herzinsuffizienz und durch die große Herzinsuffizienztherapiestudien validiert.

Hinzu kommen als „Device-Therapie“ die Herzschrittmacherimplantation bei AV-Block oder relevanter Bradyarrhythmie, die Implantation eines CRT-Systems (kardiales Resynchronisationssystem) bei Linksschenkelblock oder häufiger Schrittmacherstimulation, kombiniert mit einem ICD (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) bei Patienten, die durch den plötzlichen Herztod gefährdet sind. Bei dilatativer Kardiomyopathie ist die prophylaktische Implantation nach MADIT- bzw. SCD-HeFT-Kriterien bei einer persistierenden Ejektionsfraktion <40% nach 3-monatiger stabilisierender medikamentöser Therapie leitlinienkonform.

Eine Herztransplantation kommt bei Patienten unter 60 Jahren mit terminaler Herzinsuffizienz als Folgezustand einer inflammatorischen Kardiomyopathie oder bei Patienten >60 Jahre durch ein Assist-Device im Rahmen einer „End-of-life-Behandlung“ in Frage. Assistsysteme sind auch zur Überbrückung bis zu einer Transplantation oder bei florider Myokarditis mit schwerster Herzinsuffizienz als vorübergehende lebensrettende Maßnahme sinnvoll.

Die ätiologische Therapie der Grundkrankheit Virusmyokarditis in der ersten viral induzierten Phase sollte eine antivirale Therapie z. B. mit Interferon α oder β oder Immunglobulinen sein [1, 20, 28]. Die i.v.-Immunglobulinbehandlung mit ≥2×20 g eliminiert zwar die Entzündung zuverlässig, eradiziert das Virus oder reduziert die Viruslast aber nur in ca. 50% der Fälle einer Parvovirus-B19-Infektion. Die zweite autoimmune Phase der Erkrankung kann ebenfalls nur durch die histopathologische und immunhistochemische Untersuchung der Endomyokardbiopsie diagnostiziert werden, wobei Biomarker der Autoimmunität hinzukommen (Tab. 3). Die Behandlung kann in einer immunsuppressiven Therapie mit Prednisolon und Azathioprin in Kombination bestehen, die in Marburg mit dem ESETCID-Trial bei chronischer Myokarditis [20], von Frustaci et al. in der TIMIC-Studie bei akuteren Myokarditisformen [9] durchgeführt wurde, wobei die Möglichkeit einer chronischen oder persistierenden viralen Infektion ausgeschlossen sein sollte.

Abb. 2
figure 2

Behandlungspfad der akuten und chronischen Myokarditis. (Nach [21]; VT: ventrikuläre Tachykardie, Vfib: Kammerflimmern, VES: ventrikuläre Extrasystolie, KHK: koronare Herzkrankheit, LV: linker Ventrikel, RV: rechter Ventrikel, PCR: Polymerasekettenreaktion, KBR: Komplementbindungsreaktion)

H1N1-Influenza-Infektion

Im April 2009 wurde ein neues H1N1-Influenza-A-Virus, das pandemische H1N1/09-Virus, auch Schweinegrippevirus oder mexikanisches Grippevirus genannt, in Mexiko erstmals identifiziert. Das Virus hat sich weltweit verbreitet, sodass nach den Kriterien der World Health Organization eine Influenzapandemie vorliegt [29]. Obwohl die H1N1/09-Pandemie klinisch relativ mild mit den typischen Symptomen einer saisonalen Influenzagrippe verlief, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich durch Veränderungen des Virus schwerere klinische Verläufe entwickeln, die bei einigen Patienten durchaus beobachtet werden konnten. Zu den Patienten mit einem erhöhten Risiko für schwere oder sogar tödliche Verläufe nach einer H1N1-Influenza-A-Infektion gehören schwangere Frauen und Patienten mit chronischen Lungenschäden insbesondere mit Asthma, mit kardiovaskulären Erkrankungen oder mit Diabetes und mit starkem Übergewicht oder unter immunsuppressiver Behandlung [7]. Validierte Prädiktoren für einen schweren oder tödlichen Verlauf sind bisher zwar nicht bekannt, diskutiert werden aber Umweltfaktoren wie Ernährungszustand, Koinfektion mit einem zweiten Influenzavirus eines anderen Subtyps sowie bakterielle Koinfektionen.

Prinzipiell können alle bekannten Influenzaviren Myokarditiden verursachen. Deshalb stellt sich auch bei diesem neuen Subtyp die Frage, ob bereits Myokarditiden beschrieben wurden und ob die Verläufe schwerer als nach Infektion mit anderen Subtypen sind. Bisher gibt es dazu nur einige wenige Berichte: Weiss et al. bestätigen, dass auch eine Infektion mit dem pandemischen H1N1/09-Virus akute Myokarditiden mit ventrikulären Tachykardien, Pumpfunktionseinschränkung und Troponin-I-Erhöhung hervorrufen können [36]. Eine Untersuchung aus den USA weist darauf hin, dass eine pandemische H1N1/09-Virusinfektion gerade bei Kindern mit fulminanten Myokarditiden einhergeht [2]. In China wurden kürzlich 74 Patienten mit pandemischer H1N1/09-Infektion hinsichtlich des Schweregrads der Erkrankung in 3 Gruppen eingeteilt, um den Verlauf, die Viruslast und das immununologische Profil zu vergleichen [35]: 23 Patienten entwickelten ein Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und/oder verstarben, 14 Patienten benötigten Sauerstoffunterstützung, entwickelten aber kein ARDS und 37 Patienten zeigten eher milde klinische Verläufe. Auffallend war hier, dass neben einer stark verlangsamten Virusclearence, hohen Plasmaspiegeln proinflammatorischer Zytokine und bakteriellen Koinfektionen bei 30,4% der Patienten, eine schwere Myokarditis bei 21,7% der Patienten nachzuweisen war.

In diesen beiden Untersuchungen wurde die Diagnose Myokarditis rein klinisch gestellt, histologisch konnte die Myokarditis nur bei einem Teil der Erkrankten an Autopsiematerial bestätigt werden. Eine Myokarditis dürfte deshalb im Rahmen einer pandemischer H1N1/09-Infektion häufiger auftreten als gemeinhin vermutet. Die Prävalenzen liegen zwischen 0–11% [26]

Fazit für die Praxis

  • Der entzündlichen Herzmuskelerkrankung liegt heute meist eine Parvovirus-B19-Infektion oder -Reaktivierung zugrunde.

  • Sie verläuft meist in 3 in einander übergehenden Phase ab:

    • Phase 1 ist viral dominiert,

    • Phase 2 ist durch autoimmune Mechanismen gekennzeichnet,

    • Phase 3 entspricht einer dilatativen Kardiomyopathie ohne oder mit Viruspersistenz.

  • Die nicht-invasive Diagnostik stützt sich auf Biomarker für Inflammation, Virusätiologie, Nekrose und Funktionsbeeinträchtigung. Eine ätiologische Abklärung kommt nicht ohne eine Endomyokardbiopsie zur Klärung der mikrobiellen Ätiologie mittels Polymerasekettenreaktion aus.

  • Die Therapie sollte neben einer allgemeinen Herzinsuffizienzbehandlung eine ursächliche Therapie umfassen: antiviral oder immunmodulatorisch in Phase 1, immunsuppressiv bei virusnegativer Myokarditis bzw. nach Viruselimination bei persistierender Inflammation in Phase 2. In Phase 3 bleibt nur noch die Behandlung der Herzinsuffizienz und ihrer Folgen.