Hintergrund

Entzündungsvorgänge beim Menschen sind tief in der Evolution verwurzelt. In früheren Zeiten, in denen äußere Wunden oder systemische Infekte potenziell lebensbedrohlich waren, stellte eine schnelle, umfassende und effiziente Entzündungsreaktion zur Beseitigung von Wunden und infektiösen Pathogenen einen biologischen Vorteil dar [42]. Dieser evolutionär entwickelte und strukturierte Entzündungsprozess als Mechanismus gegen schädigende Umwelteinflüsse schlägt jedoch in sein Gegenteil um, wenn er sich gegen noch vitales Körpergewebe richtet. Beispielsweise steigert Entzündung per se chronische Entzündungsprozesse wie Atherosklerose, Diabetes mellitus sowie weitere altersbedingte Krankheitsbilder, die primär nicht durch Krankheitserreger verursacht sind [54].

Die Aktivierung des Immunsystems verstärkt kardiovaskuläre Erkrankungen wie z. B. die myokardiale Schädigung nach Ischämie und Reperfusion. Prinzipiell braucht der Körper eine Entzündungsreaktion, um geschädigtes Gewebe zu heilen bzw. abgestorbene Zellen zu beseitigen. Gleichzeitig sind die Aktivierung von Proliferations- und Reparaturmechanismen sowie die Wiederherstellung einer Gewebehomöostase notwendig. Bei der akuten Schädigung lebenswichtiger Organe, wie Herz bzw. Gehirn, ist die vermittelte Entzündungsreaktion im Rahmen einer akuten Organischämie und Reperfusion jedoch destruktiv und damit prognostisch relevant, da sie zur Vergrößerung des Organschadens führt [1, 41, 47].

Beim systemischen inflammatorischen Responsesyndrom (SIRS) bzw. Sepsis ist die Entzündung oft derart unverhältnismäßig stark, dass daraus weitreichende Gewebeschäden mit multiplem Organversagen hervorgehen [13]. Das Entzündungsgeschehen greift auf den ganzen Körper über und resultiert in einer schwer zu kontrollierenden, hämodynamischen Instabilität.

Das C‑reaktive Protein kann als Mediator von Gewebsschädigungen fungieren

Bei den akuten Entzündungsprozessen sind eine Vielzahl von Proteinen und Kaskaden involviert [42]. Einer der Akute-Phase-Mediatoren, der direkt diese inflammatorischen Prozessen beeinflusst, ist das C‑reaktive Protein (CRP), das im Jahr 1930 von Tillett und Francis entdeckt wurde [76]. Das CRP hat sich als einer der zuverlässigsten Marker für Entzündungsprozesse erwiesen und steigt bei jeder Art von Entzündung signifikant an. Im Vordergrund stehen dabei zahlreiche Studien über die Rolle von CRP als Marker systemischer Entzündung [2, 12, 26, 33, 49, 50, 55, 56]. Derzeitige Aspekte der CRP-Forschung konzentrieren sich auf biologische Funktionen des CRP-Pentamers und seiner dissoziierten Form, den CRP-Monomeren. Offen bleibt, ob ein CRP-Monomer andere biologische bzw. molekulare Funktionen hat als ein CRP-Pentamer [6]. Die Umwandlung von pentamerem CRP zu monomerem CRP wurde in spezifischen entzündlichen Mikroumgebungen beobachtet [7, 35]. Zudem wurden proinflammatorische Isoformen von pentamerem und monomerem CRP beschrieben [74]. Das von der Leber sezernierte, zirkulierende CRP ist jedoch immer pentamerisch und dissoziiert erst im inflammatorischen Gewebe. Die Rolle von CRP als Mediator von Gewebeschädigungen ist lange vernachlässigt worden, auch wenn es hierfür seit Langem deutliche Hinweise bei einigen Tierspezies gab [3, 49, 64, 72].

CRP als aktives Entzündungsprotein

Das CRP wird von der Leber in den Blutkreislauf sezerniert, wo es Bakterien bei ihrer Infiltration von Gewebe effizient erkennt und opsoniert [37, 71]. Diese Markierung von Erregern leitet über die Aktivierung von Komplement ihre Phagozytose ein. Dieser Mechanismus wird durch die Bindung von CRP an Phosphocholingruppen in Bakterienmembranen verursacht. Phosphocholingruppen sind auch in allen menschlichen Zellmembranen vorhanden, in gesunden Zellen jedoch aufgrund ihrer Konformation für CRP nicht zugänglich. Demgegenüber exponieren Zellen, die apoptotisch, nekrotisch, energiearm oder einfach nur in einer entzündlichen Umgebung lokalisiert sind (d. h. in einem hypoxischen oder sauren Milieu), durch Konformationsänderungen und biochemische Veränderungen in ihrer Membran Phosphocholingruppen [66]. So kommt es durch teilweise Hydrolyse von Phosphatidylcholin (PC) zur Bildung von Lysophosphatidylcholin (LPC), einem Prozess, der durch die sekretorische Phospholipase A2 Typ IIa (sPLA2 IIa), einem weiteren Akute-Phase-Protein, katalysiert wird [39, 44, 46, 83]. Das LPC erlaubt die Bindung von CRP, womit aktivierte, sterbende, tote, geschädigte oder hypoxische bzw. ischämische Zellen irreversibel markiert werden. Hiernach erfolgt die Aktivierung des klassischen Komplementwegs bis zur Phagozytose der CRP-markierten Zellen ([17, 29, 30, 40, 67, 80]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Molekularer Pathomechanismus der CRP-vermittelten Schädigung im ischämischen Gewebe. Die Zellen innerhalb eines energiearmen, hypoxischen bzw. ischämischen Gewebes weisen eine veränderte äußere Zellmembran auf: PC wird durch eine sPLA2 IIa in LPC umgewandelt. Aufgrund des fortbestehenden Energiemangels kann diese Umwandlung nicht rückgängig gemacht werden. Das CRP bindet daraufhin an LPC auf anaeroben Zellen und rekrutiert Komplementfaktoren (C1q-C4), wodurch der klassische Komplementweg aktiviert wird. Diese opsonierten Zellen werden von Phagozyten entsorgt, die ihrerseits die CRP-Synthese durch Sekretion von Interleukin‑6 induzieren. CRP C-reaktives Protein, C1q Komplementkomponente 1q, LPC Lysophosphatidylcholin, PC Phosphatidylcholin, sPLA2 IIa sekretorische Phospholipase A2 Typ IIa. (Adaptiert nach [24])

Hohe CRP-Konzentrationen markieren die noch lebensfähigen Zellen zur Phagozytose

Im Rahmen von akuten Schädigungen, wie dem akuten Myokardinfarkt bzw. Reperfusionsschaden nach myokardialer Ischämie und Reperfusion, entsteht dadurch ein Teufelskreis: Die primäre Entzündung, ausgelöst durch eine akute Organischämie, aktiviert eine markante Synthese und Sekretion von Interleukin(IL)-6 und konsekutiv CRP. Im ischämischen Gewebe kommt es nicht zu einer unmittelbaren Gewebsnekrose, sondern zu einer Umstellung des Energiestoffwechsels auf die anaerobe Glykolyse, was zu einem deutlichen Energiemangel der einzelnen Kardiomyozyten führt [53]. Danach gehen die Kardiomyozyten in eine Art Winterschlaf („myocardial hibernation“) über, bis der Stoffwechsel wieder auf den aeroben umschaltet, wodurch der Energiemangel behoben wird. Die Kardiomyozyten überleben dabei prinzipiell nur, wenn sie nicht durch CRP markiert und damit von Phagozyten entsorgt werden.

Hohe CRP-Konzentrationen gelangen schließlich in den Wundbereich und markieren die noch lebensfähigen Zellen, die potenziell, nach Wiederherstellung des Sauerstoffflusses und Umschaltung auf aeroben Stoffwechsel (d. h. 16-fach größere Energiegewinnung pro Glukosemolekül), ihre Membran regenerieren könnten. Die Phagozytose dieser Zellen führt zur weiteren Produktion von IL‑6, konsekutiv von CRP und einer weiteren Verstärkung der Immunantwort. Durch diese Mechanismen trägt CRP kausal zur Gewebeschädigung und Narbenbildung im Rahmen einer akuten Organischämie bei [15, 23, 52, 64, 69].

Wirkprinzip der CRP-Apherese

Die Krux der bisherigen Forschung über die pathologische Wirkung von CRP war das Fehlen von Mitteln zur Elimination bzw. Reduktion von CRP im Organismus. Beim Menschen konnte der Einsatz CRP-senkender Pharmaka den massiven Anstieg von CRP als Akute-Phase-Protein innerhalb von Stunden nach Beginn der Organischämie nicht signifikant supprimieren. Prinzipiell sind alle Pharmaka, deren Wirkung erst langsam einsetzen (durch z. B. Synthesehemmung) für den Akuteinsatz ungeeignet [22, 49, 72].

Diese Hürden überwindet die selektive Immunadsorption von CRP, die die CRP-Konzentration im Serum effizient um 60–80 % innerhalb von Stunden senkt [34, 58, 59]. Extrakorporale Apheresen zur Elimination von pathogenen Substanzen aus dem Blut werden bereits bei zahlreichen Erkrankungen im klinischen Alltag als etablierte Therapie praktiziert. Neu dagegen ist bei der CRP-Apherese die Verwendung einer CRP-spezifischen Immunadsorption. Prinzipielles Ziel der CRP-Apherese bei akuten Organischämien ist die schnellstmögliche Entfernung von CRP aus dem Blutplasma, um CRP-induzierte akute Gewebeschäden und ischämische Reperfusionsschäden zu minimieren [23]. Die innovative CRP-Apherese wird derzeit am häufigsten in der Behandlung des akuten Myokardinfarkts und bei „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) eingesetzt. Bei der CRP-Apherese erfolgt die Immunadsorption in der Regel innerhalb der ersten 36 h nach dem Einsetzen der Symptome. Damit können bis zu 82 % des zirkulierenden CRP entfernt werden. Das CRP, das bereits an Gewebestrukturen gebunden ist, kann nicht mehr entfernt werden. Deswegen sollte beim akuten Myokardinfarkt die CRP-Apherese umgehend nach der Reperfusion, spätestens jedoch bei einem schnellen Anstieg der CRP-Konzentration im Blut begonnen werden. Ziel der Apherese ist es, die CRP-Menge in den ersten 72 h nach Einsetzen der Symptome möglichst niedrig zu halten. Dafür bieten sich 2–3 CRP-Apheresen im Abstand von jeweils 24 h an.

Bereits an Gewebestrukturen gebundenes CRP kann nicht mehr entfernt werden

Für die CRP-Apherese wird ein regeneratives durch Communauté-Européenne(CE)-zertifiziertes Einzeladsorbersystem verwendet (PentraSorb CRP; Pentracor GmbH, Hennigsdorf, Deutschland). Die Apherese wird in Zyklen durchgeführt, wobei zwischen der Beladung des Adsorbers mit Patientenplasma und der Regeneration des Adsorbers abgewechselt wird. Letzere folgt einer festen Abfolge von Waschlösungen (≥100 ml NaCl, ≥60 ml Glyzin/HCl, ≥80 ml PBS und ≥80 ml NaCl). Der Fluss des Plasmas und der Waschlösungen während der Apherese wird durch ein automatisiertes Plasmastrommanagementsoftwaremodul (ADAsorb, medicap clinic GmbH, Ulrichstein, Deutschland) gesteuert. Die Blutentnahme erfolgt entweder periphervenovenös oder, aufgrund der hohen Gerinnungsneigung der COVID-19-Patienten, über einen zentralvenösen Zugang. Die Plasmaseparation wird mit einer Zentrifuge oder einem Filtergerät durchgeführt. Für die Plasmaseparation per Zentrifuge wird das Blut mit Zitratpuffer im Verhältnis 1:15 antikoaguliert („anticoagulant citrate dextrose solution A“, ACD-A). Der Plasmastrom durch den Adsorber beträgt 25–40 ml/min. Der Blutfluss reicht von 47–90 ml/min. Die Plasmaseparation per Filtergerät benötigt Heparin zur Antikoagulation und einen Blutfluss von ≥90 ml/min. Während der Behandlungen werden in der Regel bis zu 8000 ml Plasma verarbeitet, vorzugsweise in Zyklen (Wechsel der Beladung und Regeneration des Adsorbers) von in der Regel 500–1000 ml. Zur Routineüberwachung der Apherese wird vor und nach jeder Behandlung Blut aus dem extrakorporalen Kreislauf entnommen, um die CRP-Konzentration zu bestimmen.

Signifikante CRP-Reduktion durch Apherese bei akutem Myokardinfarkt

Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt ist das therapeutische Ziel die schnellstmögliche Wiedereröffnung des Infarktgefäßes zur Verhinderung bzw. Verringerung der Infarktgröße. Je größer die residuale Myokardinfarktgröße, umso höher ist das Risiko für schwerwiegende Komplikationen (i. e. Herzinsuffizienz, Arrhythmien, zweiter Herzinfarkt, Tod) sowie Einschränkung der Lebensqualität des Patienten. Das Risiko für Krankheitsausfall und Sekundärkomplikationen bzw. Verminderung der Lebensqualität korreliert grundsätzlich mit der Größe der Myokardschädigung und der Vernarbung [68, 82]. Für nationale Gesundheitssysteme stellen krankheitsbedingte Ausfälle bzw. Schäden eine enorme finanzielle Belastung dar.

CRP triggert Zellen in der „area at risk“ einer Myokardinfarktwunde zur Elimination

Es ist seit langem bekannt, dass der Myokardschaden durch Aktivierung des angeborenen Immunsystems signifikant vergrößert wird. So korreliert die CRP-Konzentration im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts mit dem klinischen Outcome des Patienten [4, 15, 32, 33, 51, 69, 70]. In den letzten 4 Jahrzehnten sind mehrere Studien erschienen, die eine Korrelation zwischen hohen CRP-Spitzenwerten innerhalb der ersten 72 h nach akutem Herzinfarkt mit größeren Infarktnarben und höherer Sterblichkeit sowie einer erhöhten Inzidenz unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse nachgewiesen haben [15, 20, 52, 69, 75]. Diese klinischen Beobachtungen lassen sich gut mit der beschriebenen pathologischen Funktion von CRP, Zellen in der „area at risk“ einer Myokardinfarktwunde zur späteren Elimination zu markieren, in Einklang bringen [28, 36, 48, 66]. Die „area at risk“ eines Infarktareals umfasst Zellen, die sich nach Revaskularisation und Reperfusion prinzipiell erholen könnten, de facto aber durch immunvermittelte Mechanismen vorzeitig zerstört werden [3, 4, 18, 31, 45, 79].

Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen wurde vor vielen Jahren vorgeschlagen, erhöhte CRP-Spiegel beim akuten Myokardinfarkt gezielt zu behandeln. Hierzu bediente man sich jedoch therapeutischer Ansätze, deren Wirkung klinisch irrelevant war oder aber verzögert einsetzte [19, 25, 27, 49]. So kann z. B. der Komplementinhibitor C1-Esterase-Inhibitor den Reperfusionsschaden im Tiermodell hemmen [8,9,10], allerdings beim Menschen zeigte sich kein protektiver Effekt. Mit der Entwicklung der CRP-Immunadsorption und ihrer prinzipiellen Wirksamkeit in einer präklinischen Studie an Schweinen gelang dann der Nachweis einer signifikanten Reduktion der Myokardinfarktfläche und konsekutiven Stabilisierung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF; [64, 65]). Nebenbefundlich sah die Narbenmorphologie der Tiere nach CRP-Apherese völlig anders aus als bei den Kontrolltieren, eine Beobachtung, die die Hypothese unterstützte, dass CRP direkt an der Gewebedestruktion und Narbenbildung nach dem Infarkt beteiligt ist [64]. In der Folge wurde die CRP-Apherese in einer klinischen Studie (CAMI-1-Studie) und in 3 Fallberichten bei Patienten mit ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) eingesetzt [5, 58, 59].

Einige der STEMI-Patienten zeigten nach der CRP-Apherese keine Infarktnarben

Ziel der CAMI-1-Studie war der Nachweis, dass eine zeitnahe, effiziente und spezifische Reduktion von CRP die Größe der akuten Myokardinfarktnarbe beim Menschen reduzieren kann [60]. Die Studie umfasste 83 Patienten, die die Behandlung alle gut vertrugen [58]. In den Ergebnissen korrelierte das Ausmaß des Anstiegs der CRP-Konzentration während der ersten 32 h nach STEMI signifikant mit der Infarktgröße bei Kontrollpatienten. Patienten mit ähnlichem initialem CRP-Anstieg, die sich der CRP-Apherese unterzogen, hatten im Vergleich zu den Kontrollpatienten kleinere Infarktgrößen und eine bessere LVEF sowie Herzwandbeweglichkeit. Überraschenderweise hatten einige mit CRP-Apherese behandelte Patienten keine Infarktnarben und eine entsprechend normale LVEF [57, 60].

Bei den Kontrollen korrelierte die CRP-Konzentration signifikant mit der Infarktgröße

Bei den Kontrollen korrelierte die CRP-Konzentration signifikant mit der Infarktgröße (p = 0,002) und der verminderten linksventrikulären (LV-)Pumpfunktion des linken Ventrikels (p ≤ 0,001). Die CRP-Konzentration bei Apheresepatienten korrelierte nicht mit der Infarktgröße (p = 0,66) oder der LV-Pumpfunktion (p = 0,79) und dem „circumferential“ und „longitudinal strain“ und unterschied sich somit signifikant von den Kontrollen (p = 0,03 und p = 0,002). In der Kontrollgruppe traten nach 12 Monaten 3 schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse auf, in der Apheresegruppe keine. Die Apheresebehandlungen wurden von den Herzinfarktpatienten insgesamt gut vertragen.

Die CAMI-1-Studie bestätigt die Korrelation zwischen der CRP-Menge in den 72 h nach dem Einsetzen der Symptome, der Größe der Infarktnarbe und der Einschränkung der Funktion des linken Ventrikels. Diese Korrelation deutet stark auf einen pathogenen Beitrag von CRP beim akuten STEMI hin. Es zeigte sich eine ausgeprägte Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der CRP-Konzentration und dem Myokardinfarktschaden in der Kontrollkohorte. Die CAMI-1-Studie hat gezeigt, dass die CRP-Entfernung im Rahmen eines akuten STEMI zu kleineren Myokardschäden und einer verbesserten LV-Pumpfunktion führt. Dieser Effekt war am stärksten ausgeprägt bei Patienten mit hoher CRP-Konzentration.

Der Anstieg der CRP-Kinetik (CRP-Anstieg) in den ersten bis 36 h kann genutzt werden, um den CRP-Peak-Wert vorherzusagen. Hier genügen 2 Messungen. In der Kontrollgruppe war der CRP-Anstieg innerhalb der ersten Stunden nach dem STEMI nahezu perfekt prädiktiv (R2 = 0,91) für die Gesamt-CRP-Exposition und damit auch den CRP-Peak-Wert des Patienten. Ab einem CRP-Anstieg von >0,6 mg/l*h (=CRP-Peak-Wert von 22 mg/l) profitiert der STEMI-Patient von der CRP-Apherese.

Ab einem CRP-Peak-Wert von 22 mg/l profitiert der STEMI-Patient von der CRP-Apherese

Der nächste Schritt in der Verbreitung dieses therapeutischen Verfahrens ist eine randomisierte Studie zur CRP-Apherese-Therapie bei STEMI mit CRP-Peak-Wert >22 mg/l. Eine solche Studie wurde im Jahr 2021 von der Medizinischen Universität Innsbruck initiiert (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04939805).

CRP als relevanter Mediator der Gewebezerstörung bei COVID-19

Eine Infektion mit „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) kann zu COVID-19 führen. Ein kleiner Prozentsatz der Infizierten entwickelt u. a. Lungenfibrosen und kardiale Komplikationen [81]. Ein wichtiger therapeutischer Ansatz konzentriert sich auf die Behandlung des akuten Lungenversagens, der Haupttodesursache von COVID-19, gefolgt von kardialen und septischen Komplikationen. Im schweren Verlauf der Erkrankung kommt es zu einem massiven Anstieg der CRP-Konzentration, begleitet von einem initialen Zytokinsturm, aus der sich dann eine pulmonale Fibrose entwickeln kann [38, 62]. Intraalveoläre Ödeme und Blutungen sind eine häufige Beobachtung in der Lunge von COVID-19-Patienten, die zu einem ischämischen Alveolargewebe führen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass CRP selbst Gewebeschäden auslöst, indem es an ischämische Zellen bindet und damit kausal an der Vergrößerung des irreversiblen Gewebeschadens beteiligt ist [58, 64].

Sowohl IL‑6 als auch CRP steigen beim fulminanten Verlauf von COVID-19 dramatisch an [11], wobei stark steigende CRP-Werte häufig dem respiratorischen Einbruch des Patienten vorausgehen [38]. Die CRP-Werte korrelieren des Weiteren mit dem Ausmaß des computertomographisch nachweisbaren Lungenbefalls bei COVID-19-Patienten [73]. Alle diese Befunde stützen die Hypothese, dass ein signifikanter Anstieg von CRP im Blut von COVID-19-Patienten ein Indikator für eine drohende Verschlechterung der Lunge und damit ein Fortschreiten der Erkrankung ist. Korrespondierend zu diesen Befunden über CRP wurden Komplementablagerungen in den Lungen verstorbener COVID-19-Patienten gefunden, darunter vor allem C1Q [43]. Das C1Q bindet CRP nach Bindung an LPC auf ischämischen Zellen [64].

Die CRP-Apherese ist bei COVID-19 ein Ansatz zur Senkung der überschießenden CRP-Produktion

Vor diesem Hintergrund bietet die CRP-Apherese auch bei COVID-19 einen therapeutischen Ansatz, um die überschießende CRP-Produktion bei den Patienten vor dem Eintreten einer pulmonalen Dekompensation schnell und effizient abzusenken [24]. Dieses innovative therapeutische Verfahren für die Frühphase von COVID-19 wird derzeit vielversprechend in 3 deutschen Kliniken eingesetzt. Drei der behandelten Fälle und eine Fallserie wurden bereits publiziert [61, 63, 77, 78] und eine weitere Publikation zu einer Fallserie ist eingereicht (persönliche Kommunikation). Zur breiteren Verwendung der CRP-Apherese bei COVID-19 fehlt jedoch derzeit eine größere klinische Studie, wobei eine investigatorinitiierte Studie von der Universitätsklinik Essen kürzlich angemeldet wurde [21].

Zusammenfassung und Ausblick

Die Forschung über das C‑reaktive Protein hat 2 grundlegende Wechsel durchlaufen. Zunächst wurde CRP als allgemeiner Biomarker für Entzündungen und Infektionen identifiziert und in der klinischen Praxis etabliert. In einem zweiten Schritt wurde CRP, häufig in chronisch minimal erhöhten Plasmakonzentrationen als stabiler und prognostischer Faktor für kardiovaskuläre und zerebrale Erkrankungen bei gesunden Personen herausgearbeitet [14, 50]. In einem dritten Schritt wurde CRP als Mediator oder sogar Auslöser von Gewebedestruktionen beim Menschen identifiziert [16, 18, 28]. Als archaisches Protein des angeborenen Immunsystems triggert CRP hierbei die Entsorgung von Zellen und reagiert auf nahezu jede Veränderung der Gewebehomöostase. Aus der Sicht einer optimierten Energiebilanz des Körpers scheint es primär schwer verständlich, dass der Körper bei bedeutsamem Organischämien in der Leber große Mengen an CRP produziert. Es scheint unwahrscheinlich, dass die Evolution hier lediglich einen brauchbaren Biomarker für Mediziner der Gegenwart intendiert hatte. Naheliegender ist die Hypothese, dass bei bedeutsamen Organischämien das befallene Gewebe für Sekundärinfektionen eliminiert werden soll. Letzteres ist bei äußeren Wunden sinnvoll, bei inneren, aseptischen Wunden wie dem Herz- bzw. Hirninfarkt jedoch deletär.

Eine Akzeptanz von CRP als Mediator bzw. aktives Entzündungsprotein bietet die vielversprechende Möglichkeit, bei überschießenden Entzündungsreaktionen das CRP konsequent, schnell und effizient dem Körper zu entziehen und damit der Gewebezerstörung signifikant entgegenzuwirken. Laufende (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04939805) und zukünftige klinische Studien werden weiteren Aufschluss darüber geben, ob dieser neue therapeutische Ansatz Patienten nachhaltigen Nutzen bringen wird.

Fazit für die Praxis

  • Das C‑reaktive Protein (CRP) ist ein Akute-Phase-Protein und bei überschießenden Immunreaktionen an der Triggerung noch lebensfähigen Zellen zur Phagozytose beteiligt.

  • In der „area at risk“ einer Myokardinfarktwunde bindet CRP an Zellen, die sich nach Revaskularisation und Reperfusion prinzipiell erholen könnten, und trägt so zu ihrer Eliminierung bei.

  • Nach Infektion mit „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) bindet CRP an ischämisches Alveolargewebe und ist damit kausal an der Vergrößerung eines irreversiblen Lungenschadens beteiligt.

  • Die CRP-Apherese dient der schnellstmöglichen Entfernung von CRP aus dem Blutplasma.

  • Sowohl bei akutem Myokardinfarkt als auch bei „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) wirkt sich eine rechtzeitige Reduktion des Plasma-CRP positiv auf den Erkrankungsverlauf aus.