Die angeborenen Störungen des Lipoproteinstoffwechsels, allen voran die autosomal-dominante familiäre Hypercholesterinämie (FH), beweisen die ursächliche Beteiligung erhöhter Cholesterinkonzentrationen an der Entstehung der Atherosklerose. In der Praxis ist es wichtig, die primären, also genetisch bedingten Fettstoffwechselstörungen von solchen zu trennen, die durch Wechselwirkung wenig penetranter genetischer Prädispositionen mit Lebensstilfaktoren oder durch definierte Grunderkrankungen entstehen.

Die Fortschritte in der molekularen Diagnostik haben die Erkennung primärer Hyperlipoproteinämien (HLP) wesentlich erleichtert. Diese Übersicht fasst den Stand der Kenntnisse zur Pathogenese und Diagnostik der primären HLP zusammen. Die häufigeren sekundären HLP werden nur kursorisch behandelt. Auch die aktuellen Behandlungsoptionen können nur kurz erwähnt werden.

Diagnostisches Vorgehen

Die Differenzialdiagnostik der HLP erfolgt mit Hilfe von Laboruntersuchungen. Die Basisdiagnostik besteht in der Messung von Gesamtcholesterin, Triglyzeriden, HDL(„high-density lipoprotein“)-Cholesterin (HDL-C) und LDL(„low-density lipoprotein“)-Cholesterin (LDL-C). Bei familiärer Vorbelastung kann die Messung von Lipoprotein(a) (Lpa[a]) einbezogen werden. Basisdiagnostik ist indiziert bei Frauen über 50 Jahren und bei Männern über 40 Jahren, bei Kindern, wenn in der Familie vorzeitige Atherosklerose oder Fettstoffwechselstörungen vorkommen, und jederzeit bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder Erkrankungen [13, 57]. Das LDL-C wird heute entweder aus Gesamtcholesterin, Triglyzeriden und HDL-C nach Friedewald [20] errechnet oder „direkt“ bestimmt. Die „direkten“ Bestimmungen des LDL-C sind der Friedewald-Formel kaum überlegen.

Sekundäre HLP sind weit häufiger als primäre HLP. Sie treten auf als Folge von Adipositas, Fehlernährung, Diabetes mellitus, exzessivem Alkoholkonsum, nephrotischem Syndrom, chronischem Nierenversagen, Hypothyreose und unter der Einnahme von Medikamenten (Kontrazeptiva, Betablocker, Diuretika, Glukokortikoide, Retinoide; Tab. 1 und 2). Bei sekundären HLP ist die auslösende Ursache zu behandeln. Persistiert die sekundäre HLP, ist sie wie eine primäre Form zu behandeln.

Tab. 1 Sekundäre Hyperlipoproteinämien
Tab. 2 Weiterführende Diagnostik zum Ausschluss von Grunderkrankungen, die zu einer sekundären Dyslipoproteinämie führena

An angeborene Störungen des Fettstoffwechsels ist zu denken, wenn es sich um junge Patienten handelt, die Konzentrationen des LDL-C über 190 mg/dl (4,9 mmol/l) und/oder der Triglyzeride über 200 mg/dl (2,3 mmol/l) liegen, eine sekundäre HLP ausgeschlossen werden kann oder wenn sich bei Angehörigen ebenfalls erhöhte Lipidkonzentrationen oder frühzeitige Herzinfarkte finden. Für eine primäre HLP sprechen auch das Auftreten von Xanthelasmen (wenig spezifisch), Arcus lipoides, oder Xanthomen sowie abdominelle Beschwerden (Pankreasaffektionen bei Chylomikronämie).

Störungen im Cholesterinstoffwechsel

Autosomal-dominante familiäre Hypercholesterinämie

Etwa jeder 250. Mensch in Deutschland leidet an einer autosomal-dominanten FH [37]. Die FH geht mit einer Erhöhung von LDL im Blut und meist fortschreitender Atherosklerose einher – auch wenn keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegen.

Die FH ist definiert als eine Störung im Abbau der LDL. Bei 93 % der Betroffenen liegen die verantwortlichen Mutationen im Gen des LDL-Rezeptors (LDL-R; [27, 52, 54]), bei 5 % findet man Mutationen der rezeptorbindenden Domäne des Apolipoproteins B‑100 (APOB-100; [45, 47]) und bei 2 % „Gain-of-function“-Mutationen von PCSK9 („proprotein convertase subtilisin/kexin type 9“; [1, 36, 68, 71,72,73]). PCSK9 ist eine Protease, die am zellulären Abbau von LDLR beteiligt ist. Wenn es aufgrund genetischer Veränderungen eine erhöhte Aktivität aufweist („gain of function“), werden mehr LDLR als normalerweise abgebaut. Neuerdings werden Mutationen von STAP1 („signal-transducing adaptor protein 1“) als Ursache einer FH diskutiert (Tab. 3; [7]).

Tab. 3 Genetische Diagnostik bei Verdacht auf angeborene Fettstoffwechselstörungen

Zwischen 5 und 10 % aller Koronarkranken unter 55 Jahren haben eine heterozygote FH (heFH; [3, 7, 77]). Das LDL-C ist mit 190–350 mg/dl (5,2–9,1 mmol/l) etwa 2-fach oder mehr erhöht. Bei Männern mit heFH beträgt das Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK) 90 % bis zum 60. Lebensjahr, bei Frauen 40 %. Das entspricht einer 12- bis 13-fachen Steigerung des Risikos [3, 77] und einer Verringerung der Lebenserwartung um etwa 15 Jahre. Die Hälfte der Verwandten ersten Grades ist ebenfalls betroffen. Patienten mit hoFH haben in der Regel ein LDL-C zwischen 600 und 1000 mg/dl (15,5 und 25,9 mmol/l). Die KHK manifestiert sich häufig im ersten Lebensjahrzehnt.

Die Indikation für eine genetische Untersuchung kann mit dem Punkteschema des Dutch Lipid Clinics Network [44, 78] gestellt werden (Tab. 4, www.fh-score.eu). Ab einem Punktwert von 6 ist eine molekulargenetische Untersuchung sinnvoll. Der Nachweis der verantwortlichen genetischen Variante gelingt dann in mehr als 70 % der Fälle [27].

Tab. 4 Punkteschema des Dutch Lipid Clinics Network [44, 78] zur klinischen Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer autosomal-dominanten familiären Hypercholesterinämie

Nur etwa ein Zehntel aller Patienten mit isolierter Erhöhung des LDL-C hat tatsächlich eine FH. Differenzialdiagnosen sind:

  • polygene Hypercholesterinämie,

  • autosomal-rezessive Hypercholesterinämie (ARH),

  • FKHL (Abb. 1),

  • sekundäre Hypercholesterinämien (Hypothyreose).

Abb. 1
figure 1

Systematik genetisch bedingter Erhöhungen von „Low-density-lipoprotein“-Cholesterin (LDL-C): Die autosomal-dominante familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine Störung im Abbau der LDL als Folge von Mutationen in den Genen für den LDL-Rezeptor (LDLR), Apolipoprotein B (APOB) und PCSK9 („proprotein convertase subtilisin/kexin type 9“). Die sehr seltene autosomal-rezessive FH ist auf Mutationen im Gen des LDLR-Adapterproteins (LRAP) zurückzuführen [25]. Gelingt bei klinischem Verdacht auf FH und nach Ausschluss einer sekundären Erhöhung des LDL-C der Nachweis einer Mutation in diesen Genen nicht, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine polygene Hypercholesterinämie [71, 72]. Sie kommt durch Zusammentreffen genetischer Polymorphismen mit Einfluss auf das LDL-C zustande. Die familiäre kombinierte Hyperlipoproteinämie (FKHL) ist ebenfalls häufig (1:100) und kommt bei bis zu 10 % der Patienten mit frühem Myokardinfarkt vor. In den betroffenen Familien trifft man unterschiedliche Lipoproteinphänotypen an; LDL-C und/oder Triglyzeride sind erhöht. Die FKHL ist polygen vererbt und entsteht durch variable Kombinationen von SNPs („single nucleotide polymorphisms“) mit Wirkungen auf Triglyzeride und LDL-C ([71]; CELSR2 „cadherin EGF LAG seven-pass G‑type receptor 2“, ABCG5/8 „ATP-binding cassette sub-family G member 5/8“, APOE Apolipoprotein E)

Die klinische Bedeutung des Mutationsnachweises belegt eine Studie von Khera und Kollegen [36], die gezeigt haben, dass der Nachweis einer sicher pathogenen Mutation in den Genen LDLR, APOB oder PCSK9 ein von LDL-C unabhängiger, kardiovaskulärer Risikofaktor ist [32, 36].

Weitere Gründe für die molekulare Diagnostik bei FH [37]:

  • Die molekulare Diagnose verbessert die Therapietreue [75].

  • Nach Identifizierung des genetischen Defekts in einer Familie können Mutationsträger unter den Angehörigen identifiziert werden (Kaskadenscreening; [22, 72]).

  • Bei Patienten mit gesicherter FH wird das globale kardiovaskuläre Risiko mit Risikoalgorithmen unterschätzt. Deshalb werden asymptomatische Personen mit FH auch ohne weitere Risikofaktoren als Patienten mit hohem Risiko eingestuft [13, 57].

  • Aktuelle Leitlinien [57, 59] empfehlen bei FH einen Zielwert für LDL-C von 100 mg/dl (2,6 mmol/l), bei KHK oder weiteren Risikofaktoren von 70 mg/dl (1,8 mmol/l; Klasse IIa, Evidenzgrad C). Durch Änderungen des Lebensstils und konventionelle Medikamente kann das LDL-C bei FH oft nicht ausreichend gesenkt werden. Aufgrund der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) sind die PCSK9-Antikörper Alirocumab und Evolocumab bei „gesicherter familiärer heterozygoter Hypercholesterinämie unter Berücksichtigung des Gesamtrisikos familiärer Belastung“ erstattungsfähig [10, 11]. Die Dokumentation einer FH mit genetischen Methoden eignet sich zur objektiven Feststellung eines „hohen Gesamtrisikos familiärer Belastung“ und kann damit die Indikation für eine Behandlung mit PCSK9-Antikörpern absichern.

Autosomal-rezessive Hypercholesterinämie

Die bisher bekannten Patienten mit ARH bieten klinisch das Bild einer homozygoten FH, wobei Eltern und Großeltern gewöhnlich normolipidämisch sind. Die Erkrankung wird durch Mutationen des LDL-R-Adapterproteins LDLRAP1 verursacht [25].

Polygene Hypercholesterinämie

Nicht bei allen Patienten, die aufgrund der klinischen Kriterien eine mögliche oder wahrscheinliche FH haben, lassen sich Mutationen der typischen Gene für FH nachweisen [14, 17, 23, 40].

Gelingt der Nachweis von Mutationen in den Genen LDLR, APOB oder PCSK9 bei Patienten mit den klinischen Merkmalen einer FH nicht, handelt es sich nicht um eine autosomal-dominante FH, sondern in 90 % der Fälle um eine polygene Hypercholesterinämie [22, 71, 72]. Sie entsteht durch Zusammenwirken von Mutationen oder Polymorphismen (Allelfrequenzen >1 %), die für sich allein genommen das LDL-C nur wenig erhöhen, aber in der Summe einen großen Effekt haben können (Abb. 1; [21, 71, 72]).

Familiäre kombinierte Hyperlipoproteinämie

Die FKHL ist mit einer Prävalenz von 1:100 die häufigste Form der primären HLP. Rund 10 % der Patienten mit Myokardinfarkt haben eine FKHL. Bei der FKHL sind LDL-C und/oder Triglyzeride erhöht. Xanthome machen die Diagnose unwahrscheinlich. Die Pathogenese ist unklar; vielleicht spielt eine erhöhte Produktion von VLDL („very low-density lipoprotein“) eine Rolle. Diese kann zur Hypertriglyzeridämie führen, bei Patienten mit effizienterer Lipolyse stehen hingegen erhöhte LDL-Konzentrationen im Vordergrund. Familienmitglieder mit Hypertriglyzeridämie haben vermutlich ein genauso hohes Risiko für KHK wie diejenigen mit Hypercholesterinämie. Die Vererbung ist am ehesten polygen, indem Mutationen oder Polymorphismen, die LDL-C und Triglyzeride erhöhen, zusammenkommen ([8, 29, 34, 41]; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Nachweis von FH(familiäre Hypercholesterinämie)-Mutationen und Koronarrisiko: Von 20.485 Personen ohne koronare Herzkrankheit (KHK) hatten 1386 (6,7 %) ein LDL-C („Low-density-lipoprotein“-Cholesterin) über 190 mg/dl (4,9 mmol/l); 24 dieser Personen hatten Mutationen in den Genen LDLR, APOB oder PCSK9. Im Vergleich zu Personen mit LDL-C-Werten unter 130 mg/dl (3,4 mmol/l) ohne Mutation hatten Personen mit LDL-C-Werten über 190 mg/dl (Mittelwert 203 mg/dl) ein 6‑fach erhöhtes Risiko für KHK. Bei LDL-C-Werten über 190 mg/dl (Mittelwert 205 mg/dl) und nachgewiesener FH-Mutation war hingegen das Risiko 22-fach erhöht. Auch bei LDL-C-Konzentrationen unter 190 mg/dl erhöhte das Vorliegen pathogener Mutationen das Risiko etwa 2‑fach [36]

Abetalipoproteinämie, Hypobetalipoproteinämie und Anderson-Erkrankung

Die Abetalipoproteinämie ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der VLDL und LDL praktisch vollständig fehlen. Klinisch findet man:

  • Fettmalabsorption,

  • Akanthozytose,

  • spinozerebelläre Ataxie,

  • periphere Neuropathie,

  • Retinitis pigmentosa,

  • Myopathie.

In einigen Familien wurden Defekte des Gens für das mikrosomale Triglyzeridtransferprotein (MTP) als Ursache identifiziert.

Im Gegensatz zur Abetalipoproteinämie wird die Hypobetalipoproteinämie [58] autosomal-kodominant übertragen. LDL-C und APOB sind bei Heterozygoten auf etwa ein Viertel vermindert; die klinischen Symptome sind gering (Bauchschmerzen, Akanthozytose, Neuropathie, Steatosis hepatis). Oft sind Mutationen des APOB-Gens, die zur Synthese verkürzter Formen des Proteins führen, verantwortlich. „Loss-of-function“-Mutationen des Gens PCSK9 können auch Ursache einer kodominant vererbten Hypobetalipoproteinämie sein [1, 16]. Sowohl bei der heterozygoten als auch bei der homozygoten Form sind die Betroffenen asymptomatisch [83]. Zwei verwandte Probanden mit kombinierter Hypolipidämie waren zusammengesetzt heterozygot für Mutationen des ANGPTL3 („angiopoietin-like 3 protein“, Inhibitor von Lipasen; [51]).

Bei der rezessiven Hypobetalipoproteinämie („chylomicron retention disease“, „Anderson’s disease“) kommt es zur Fettmalabsorption infolge verminderter Freisetzung von Chylomikronen aus der intestinalen Mukosa. Verantwortlich für die Erkrankung sind Defekte der SAR1B („secretion associated Ras related GTPase 1B“; [35]).

Familiäre Phytosterolämie

Die Phytosterolämie ist eine autosomal-rezessive Erkrankung [2, 4], die klinisch mit der FH verwechselt werden kann (Xanthome). Die Diagnose erfolgt durch Bestimmung der Pflanzensterole im Blut, deren Konzentrationen etwa 50-fach erhöht sind. Bei Kindern sind auch ausgeprägte Hypercholesterolämien bekannt.

Ursächlich sind Mutationen im ABCG5(„ATP binding cassette subfamily G member 5“)- oder ABCG8-Gen, die 2 Komponenten eines Steroltransporters kodieren und v. a. im Darm und in der Leber exprimiert werden [4]. Aufgabe des ABCG5/G8-Kotransporters ist es, bereits resorbierte, aber unveresterte Sterole (und das sind v. a. pflanzliche Sterole) aus der Dünndarmzelle in das Darmlumen zurückzutransportieren. Ob Phytosterole eine höhere atherogene Potenz als Cholesterin aufweisen, ist offen [26, 66, 67]: Häufig vorkommende Varianten des ABCG8 sind mit Phytosterolen und einem leicht erhöhten Herzinfarktrisiko assoziiert [74]. Nachdem diese aber auch mit Cholestanol (endogener Marker der Cholesterinresorption) korrelieren, könnte die beobachtete Beziehung zwischen ABCG8 und Koronarkrankheit [74] allgemein eine atherogene Wirkung einer hohen intestinalen Cholesterinresorption reflektieren [65].

Die Basistherapie bei Sitosterolämie besteht in einer an Pflanzensterolen armen Kost. Gallensäurebindende Harze und Ezetimibe senken Pflanzensterole.

Zerebrotendinöse Xanthomatose

Die Patienten haben ein moderat erhöhtes LDL-C und im Allgemeinen tendinöse Xanthome; verantwortlich sind Defekte im Gen CYP27A1 („sterol 27 hydroxylase“; [24]). Cholestanol ist stark erhöht, die Bildung der Gallensäure Chenodesoxycholsäure ist vermindert. Es entwickeln sich neurologische Ausfallerscheinungen bis hin zu schweren Ataxien. Die Behandlung erfolgt mit Chenodesoxycholsäure [49] und Statinen.

Desmosterolose

Die Patienten haben aufgrund von Defekten im DHCR24(„24-dehydrocholesterol reductase“)-Gen hohe Plasmaspiegel von Desmosterol. Sie können bereits in der Kindheit erhebliche neurologische Funktionsstörungen entwickeln. Die Therapie erfolgt mit Statinen [5, 63].

Mangel an lysosomaler saurer Lipase

Beim Mangel an lysosomaler saurer Lipase („lysosomal acid lipase“, LIPA) kommt es zur Speicherung von Cholesterinestern und Triglyzeriden in vielen Organen [60, 79]. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt.

Es gibt 2 Verlaufsformen, nämlich die infantile (Wolman-Krankheit) und die adulte Form (Cholesterinester-Speicherkrankheit). Unbehandelt überleben Kinder mit Wolman-Krankheit kaum das erste Lebensjahr. Bei der adulten Verlaufsform findet man eine Hepatomegalie, erhöhte Leberenzyme, hohes LDL-C, hohe Triglyzeride und niedriges HDL-C. Auch beim LIPA-Gen sind häufig vorkommende Varianten mit einem leicht, aber genomweit signifikant erhöhten Herzinfarktrisiko assoziiert [80].

Die Lebenserwartung hängt von der Schwere des Enzymdefekts ab. Die Diagnose wird durch Messung der Enzymaktivität in Zellen des peripheren Blutes und in Fibroblasten und/oder den Nachweis von Mutationen im LIPA-Gen gestellt. Die klassische Behandlung wird neuerdings durch eine Langzeitenzymersatztherapie (Sebelipase alpha) ergänzt.

Erhöhtes Lipoprotein(a)

Lp(a) ist ein Komplex aus LDL und Apolipoprotein(a) [38]. Die Konzentration des Lp(a) ist genetisch determiniert und schwankt interindividuell in weiten Grenzen. Die Funktion des Lp(a) ist unklar. Lp(a) ist ein unabhängiger und kausaler Risikofaktor für die Entstehung von Atherosklerose [15, 18, 55].

Die Bestimmung Lp(a) ist v. a. bei Personen mit „intermediärem“ kardiovaskulären Risiko aufgrund gängiger Prognosemodelle (SCORE, Framingham) oder bei Patienten mit frühzeitiger KHK und bei deren Angehörigen indiziert [13, 38, 55, 57]. Eine medikamentöse Senkung des Lp(a) ist schwierig. Bei schwerer, progredienter Koronarkrankheit und ansonsten gut eingestellten Lipiden kann die Elimination des Lp(a) mittels LDL-Apherese erwogen werden. In jedem Fall aber sollten bei hohem Lp(a) (>30 mg/dl) die Therapieziele für „konventionelle“ Risikofaktoren (LDL-C, Blutdruck) strenger definiert werden.

Störungen im Stoffwechsel der „remnants“ triglyzeridreicher Lipoproteine

Typ-III-Hyperlipoproteinämie

Klinische Charakteristika sind Exantheme der Handlinien, tuberöse oder tuberoeruptive Xanthome. Bei der familiären Typ-III-HLP akkumulieren die „remnants“ der triglyzeridreichen Lipoproteine im Plasma. Cholesterin und Triglyzeride sind auf Konzentrationen zwischen 300 und 600 mg/dl (3,4 und 6,8 mmol/l) erhöht. Die Lipoproteinelektrophorese zeigt eine breite β‑Bande. Das LDL-C ist typischerweise niedrig. Die Störung manifestiert sich etwa nach dem 20. Lebensjahr. Patienten mit Typ-III-HLP haben ein deutlich erhöhtes Atheroskleroserisiko [19].

Bei mehr als 90 % der Patienten ist der APOE-Phäno- bzw. -Genotyp 2/2. Aber höchstens jeder 20. APOE2/2-Homozygote entwickelt eine Typ-III-HLP. Man nimmt an, dass die Manifestation durch zusätzliche, krankheitsauslösende Faktoren exogener (Alter, Adipositas, Insulinresistenz, Hypothyreose) und anderer genetischer Faktoren (siehe Abschnitt „Polygene Hypertriglyzeridämie“) gefördert wird.

Patienten mit rezessiver Typ-III-HLP sprechen gut auf eine lipidmodifizierte Diät an. Die Pharmakotherapie erfolgt in erster Linie mit Fibraten, auch Statine können versucht werden.

Mangel an hepatischer Lipase

Es sind nur wenige Fälle von familiärem Mangel an hepatischer Lipase (LIPC) bekannt. Cholesterin und Triglyzeride sind erhöht. Eruptive und palmare Xanthome können vorkommen. Das Lipoproteinmuster hat Ähnlichkeit mit dem der Typ-III-HLP.

Störungen vorwiegend im Stoffwechsel der triglyzeridreichen Lipoproteine

Familiäre Chylomikronämie

Die Chylomikronämie ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Störung im Abbau der triglyzeridreichen Lipoproteine. Im Nüchternplasma der Patienten findet man Chylomikronen, die Triglyzeride sind erhöht. Meist wird die Diagnose im Kindesalter aufgrund rezidivierender Pankreatitiden, eruptiver Xanthome, Hepatosplenomegalie und einer Lipaemia retinalis gestellt.

Ursachen sind Mutationen der Lipoproteinlipase (LPL) sowie von APOC2 (Kofaktor der LPL; [53]), GPIHBP1 („glycosylphosphatidylinositol-anchored high density lipoprotein-binding protein 1“) [81], APOA5 (Kofaktor der LPL) und LMF1 („lipase maturation factor 1“). Heterozygote Träger von Mutationen der LPL haben verminderte Enzymaktivitäten und leicht erhöhte Triglyzeride.

Die Therapie ist diätetisch. Maßnahmen bei akutem Chylomikronämiesyndrom umfassen

  • absolute Nahrungskarenz,

  • hypokalorische Infusionstherapie,

  • Ausschalten der Auslöser (Alkohol, Östrogene),

  • 5000 IE Heparin pro 12 h. Plasmaaustausch.

Eine Gentherapie zur Substitution der LPL (Alipogene tiparvovec) ist in Europa zugelassen.

Polygene Hypertriglyzeridämie

Bei Erwachsenen ist die Hypertriglyzeridämie häufig Folge genetischer Polymorphismen und seltener Varianten in Genen des Triglyzeridstoffwechsels, darunter APOA5, LPL, APOC3, ANGPTL4, APOB, GCKR („glucokinase regulator“) und MLXIPL („MLX interacting protein-like“; [8, 29, 30, 34, 41, 69]). Die Triglyzeridkonzentrationen liegen zwischen 200 und 500 mg/dl (2,3 und 5,7 mmol/l). LDL-C und HDL-C sind niedrig. Die individuelle Ausprägung der Stoffwechselstörung wird durch Geschlecht, Alter, Ernährung, Insulinresistenz, Steatosis hepatis, Alkohol, Nierenfunktion oder Einnahme von Hormonen (Östrogene erhöhen die Triglyzeride) moduliert. Häufige Varianten in den Genen LPL, APOA5, APOC3 und ANGPTL4 sind auch mit einem leicht, aber genomweit signifikant erhöhten Herzinfarktrisiko assoziiert [69].

Von der FKHL wird die Störung dadurch abgegrenzt, dass in den betroffenen Familien Erhöhungen des LDL-C nicht vorkommen. Das Atheroskleroserisiko ist erhöht. Die Behandlung erfolgt diätetisch und umfasst Alkoholrestriktion und den Verzicht auf Östrogene. Als Medikamente kommen Omega-3-Fettsäuren oder Fibrate in Betracht.

Lipodystrophiesyndrome

Die genetisch heterogenen Lipodystrophien können mit ausgeprägten Erhöhungen der Triglyzeride bis hin zur Chylomikronämie und Entwicklung einer Pankreatitis einhergehen. Ihr gemeinsames Merkmal ist ein Mangel an Fettgewebe, der generalisiert oder partiell auftritt und genetisch bedingt oder erworben sein kann. Lipodystrophiesyndrome sind häufig mit hormonellen und metabolischen Störungen und Komorbiditäten assoziiert, die von Subtyp, Ausmaß des Fettabbaus, Alter und Geschlecht abhängen [9]. Die genetische Diagnostik und Differenzierung bedienen sich der simultanen Sequenzierung der 21 bekannten Kandidatengene.

Dyslipoproteinämien mit niedriger Konzentration der HDL

Niedriges HDL-C findet man oft gemeinsam mit hohen Triglyzeriden, auch bei primären HLP wie der familiären Chylomikronämie, der familiären Hypertriglyzeridämie und der FKHL. Es gilt heute als fraglich, ob eine niedrige Konzentration der HDL ursächlich für Atherosklerose ist. In jedem Fall ist HDL-C aber ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und das Vorliegen direkt proatherogener Lipoproteine [46].

Monogene, rezessive HDL-Mangelerkrankungen sind selten. Klinische Symptome des autosomal-rezessiven, kompletten LCAT(Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase)-Mangels sind Hornhauttrübung, Anämie und Proteinurie. Das Atheroskleroserisiko von Mutationsträgern ist kaum erhöht [12]. Bei einigen Patienten wird der Verlauf der Erkrankung von der sich entwickelnden Niereninsuffizienz bestimmt. Diagnostisch verwertbar ist ein abnorm niedriges Verhältnis von Cholesterinestern zu freiem Cholesterin. Als Fischaugenkrankheit bezeichnet man eine partielle LCAT-Defizienz (verminderte LCAT-Aktivität nur gegenüber exogenen Lipoproteinsubstraten). HDL-C ist auf etwa 10 % der Norm vermindert, das Verhältnis von Cholesterinestern zu freiem Cholesterin ist leicht reduziert.

Die autosomal-rezessive Tangier-Erkrankung ist klinisch durch große, gelb gefärbte Tonsillen, Hepatosplenomegalie, periphere Neuropathie und fast nicht nachweisbares HDL-C gekennzeichnet. Der Abtransport von Cholesterin aus Zellen ist als Folge von Mutationen im Gen des ABCA1(„ATP-binding cassette A1“)-Transporters gestört [6, 62]. Patienten mit Tangier-Krankheit haben oft auch ein niedriges LDL-C, was den atherogenen Effekt des niedrigen HDL-C abschwächen könnte [64].

Homozygote „Nonsense“-Mutationen im APOA1-Gen wurden als Ursache von HDL-Mangel bei Patienten mit ausgeprägter Xanthomatose und frühzeitiger Atherosklerose gefunden.

Heterozygote Mutationen in den Genen für APOA1, ABCA1 oder LCAT können zu niedrigem HDL-C führen [64]. Ob sie auch das Atheroskleroserisiko erhöhten, ist unklar [50]. Einige Mutationen im APOA1 wurden mit erhöhtem Herzinfarktrisiko assoziiert [31], eine andere – APOA1(Milano) – dagegen mit einem erniedrigten Risiko. Bestimmte Mutationen im APOA1-Gen verursachen eine familiäre Amyloidose.

Die meisten Patienten mit einem Mangel an Cholesterinestertransferpotein (CETP) haben sehr hohe Konzentrationen an HDL-C. In klinischen Studien senkten 3 Hemmstoffe des CETP die Rate kardiovaskulärer Ereignisse nicht, ein Hemmstoff (Anacetrapib) wird noch untersucht. Wir haben bei niedrigen CETP-Konzentrationen im Blut trotz hohen HDL-C sogar eine leicht erhöhte kardiovaskuläre Mortalität beobachtet [61].

Erst neuerdings wurden Mutationen des SR-BI („scavenger receptor B1“) beschrieben, die mit deutlich erhöhtem HDL-C und erhöhtem kardiovaskulären Risiko einhergehen [43, 76, 82]. Ein hohes HDL-C schützt daher nicht in jedem Fall vor Atherosklerose.

Statinassoziierte Muskelbeschwerden (SAMS)

Muskelsymptome sind die klinisch bedeutsamste Nebenwirkung der Therapie mit Statinen und führen oft dazu, dass die Behandlung abgesetzt wird [39, 48, 70]. In randomisierten klinischen Studien liegen die Häufigkeiten von Muskelbeschwerden in den Placebo- und Verumgruppen eng beieinander; in Registerstudien werden die Inzidenzraten mit 10–30 % der Behandelten angegeben.

Genomweite Analysen haben eine enge Assoziation zwischen einem Polymorphismus des SLCO1B1 („solute carrier organic anion transporter 1B1“, c.521T>C, p.V174A) und der Häufigkeit von SAMS unter Simvastatin festgestellt [42, 56]. Heterozygote Träger der Genvariante haben ein 4,5-fach, homozygote ein 17-fach erhöhtes Risiko für eine Myopathie unter Simvastatin.

Die Einnahme von Statinen kann dazu führen, dass vorbestehende, milde Myopathien symptomatisch werden. Eine verzögerte Remission von SAMS nach Absetzen des Statins kann dabei hinweisend sein. Mögliche Grunderkrankungen sind u. a. Gykogenphosphorylasemangel, CPT(Carnitin-Palmitoyl-Transferase)-II-Mangel, Myoadenylatdesaminasemangel und maligne Hyperthermie [39, 48, 70].

Paneldiagnostik mit Sequenzierungsmethoden der zweiten Generation

Seit vielen Jahren erfolgt die molekulargenetische Diagnostik von Fettstoffwechselstörungen mit der Sequenzierungsmethode nach Sanger. Da die Kapazität dieser Methode auch mit modernen Geräten begrenzt ist, mussten bislang anhand der klinischen Situation und der Lipidkonstellation diejenigen Gene für die Sequenzierung ausgewählt werden, in denen Mutationen am wahrscheinlichsten waren. Bei negativen Befunden wurden weitere Gene in die Suche eingeschlossen. Sequenzierungsmethoden der zweiten Generation („next generation sequencing“, NGS) erlauben es nun, ohne wesentliche Mehrkosten simultan ganze Gruppen relevanter Gene zu sequenzieren [28, 33]. Da nicht selten Defektvarianten in verschiedenen Genen in Kombination die Ausprägung des klinischen Phänotyps bestimmen, genetische Polymorphismen die Effekte schwerwiegender Mutationen modulieren und andererseits Mutationen an denselben Genen unterschiedliche Phänotypen verursachen, liefert die simultane Analyse mehrerer Gene umfassende differenzialdiagnostische Informationen.

Fazit für die Praxis

  • Angeborene Störungen des Lipoproteinstoffwechsels beweisen die ursächliche Beteiligung erhöhter Cholesterinkonzentrationen an der Entstehung der Atherosklerose.

  • In der Praxis ist es wichtig, die primären (d. h. genetisch bedingten) Fettstoffwechselstörungen von denjenigen zu trennen, die durch Wechselwirkung wenig penetranter genetischer Prädispositionen mit Lebensstilfaktoren oder durch definierte Grunderkrankungen entstehen.

  • Die Fortschritte in der molekularen Diagnostik haben die Erkennung primärer Hyperlipoproteinämien wesentlich erleichtert.

  • Sequenzierungsmethoden der zweiten Generation („next generation sequencing“) erlauben es, ohne wesentliche Mehrkosten simultan ganze Gruppen relevanter Gene zu sequenzieren.