Die ambulante Versorgung in der Kinder- und Jugendheilkunde im österreichischem Gesundheitssystem hat für viele Jahre und Jahrzehnte im Wesentlichen auf zwei Strukturen beruht: einerseits auf den Ordinationen der Kassenärztinnen und Kassenärzte der Sozialversicherungsträger und andererseits auf den Spitalsambulanzen der Kinderkliniken. Dieses duale System hat in den letzten Jahren jedoch seine Funktionalität zunehmend verloren. Dies macht es notwendig, neue Versorgungskonzepte anzudenken und weiterzuentwickeln.

Hintergrund

Zum einen waren es die niedergelassenen Vertragspartnerinnen und Vertragspartner der Sozialversicherungen, die in ausreichender Zahl vorhanden waren und die eine qualitativ hochwertige und niederschwellige Basisversorgung sowie Vorsorgemedizin ermöglichten. Zum anderen waren es die Ambulanzen jener Krankenhäuser, die über eine Abteilung für Kinder und Jugendheilkunde verfügten, in denen v. a. kompliziertere Fälle versorgt und ein Notfallbetrieb über 24 h sichergestellt wurde. Wenngleich dieses System also grundsätzlich eine hochwertige Versorgung ohne soziale Schranken ermöglicht hatte, bestand doch stets ein Schwachpunkt in der nur geringen Abstimmung zwischen den einzelnen Teilnehmern, in der öffentlichen Diskussion oft als „Schnittstellenproblematik“ bezeichnet [1].

Dieses System ist seit einigen Jahren einem gewaltigen Umbruch unterworfen, der wohl die größten Veränderungen im Gesundheitssystem seit dem Zweiten Weltkrieg mit sich bringen wird. Es zeigt sich eine zunehmende Verknappung der Ressourcen; die Kinderabteilungen lagern viele ambulante Leistungen in den niedergelassenen Bereich aus. Dort aber ergibt sich durch unattraktive Arbeitsbedingungen und eine vergleichsweise unterdurchschnittliche Bezahlung ebenso ein zunehmender Versorgungsnotstand mit derzeit rund 15 % unbesetzten Kassenstellen für Kinder- und Jugendheilkunde (Stand April 2022; [2]). Hand in Hand damit geht eine zunehmende Privatisierung der Medizin auf allen Ebenen. Dies beginnt in der Ausbildung; die Privatuniversitäten bilden bereits eine erhebliche Anzahl zukünftiger Ärztinnen und Ärzte aus, und dies wird den Trend zur Privatmedizin hin zukünftig zusätzlich verstärken [3, 4].

Parallel dazu sind eine weit überdurchschnittliche Zunahme von Privat- oder Wahlärztinnen und -ärzten, die mittlerweile einen versorgungsrelevanten Anteil der Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen durchführen, sowie eine versorgungsrelevante Abnahme der besetzten Kassenstellen in diesem Fachgebiet, aber auch bei den Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin zu verzeichnen (Abb. 1).

Abb. 1
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Entwicklung der ambulanten Versorgung in Wien. AM Allgemeinmediziner, KiJu Kinder- und Jugendärzte, ÖGK Österreichische Gesundheitskasse. (Aus Wiener Ärztekammer [2])

Facharztordinationen

In Wien sind mit Stand April 2022 insgesamt 233 niedergelassene Fachärzte und Fachärztinnen für Kinder- und Jugendheilkunde tätig, davon sind 70 Vertragspartner und Vertragspartnerinnen der österreichischen Gesundheitskasse [5]. Diese Vertragsärzte und Vertragsärztinnen werden von den Sozialversicherungsträgern honoriert, und ihre Leistungen können von den Patientinnen und Patienten kostenlos in Anspruch genommen werden [6]. Die Höhe dieser Honorierung ist je nach Krankenversicherungsträger und Bundesland unterschiedlich.

Es gibt nur sehr wenige Daten aus Österreich über die tatsächliche Arbeitssituation der Kassenärztinnen und Kassenärzte. Eine nicht mehr ganz aktuelle Studie aus Niederösterreich kommt zu folgendem Bild [7, 8]: Die Arbeitsbelastung wird mit rund 50 h durchschnittlicher Wochenarbeitszeit angegeben; die meisten Kolleginnen und Kollegen behandeln mehr als 50 Patienten/Tag. Viele Kassenärzte und Kassenärztinnen empfinden die Kassenhonorare als zu niedrig. Dass sich in der Summe dennoch ein gutes Einkommen erzielen lässt, liegt an einer durchaus hohen Arbeitsbelastung und geht mit einer beträchtlichen Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitssituation einher. Jeder zweite Kassenarzt oder jede zweite Kassenärztin gab demzufolge auch an, an einer Burn-out-Symptomatik oder einer anderen berufsbedingten Erkrankung zu leiden.

Anders ist die Situation bei Wahlärztinnen und Wahlärzten: Hier besteht eine unternehmerische Freiheit, das berufliche Umfeld und die Tarife eigenverantwortlich zu bestimmen, auch wenn eine ähnliche Leistung bei den Kassenärztinnen und Kassenärzten für den Patienten oder die Patientin kostenlos verfügbar ist. Ein geringeres Einkommen wird jedoch offenbar zugunsten autonomer Arbeitsbedingungen in Kauf genommen [1, 7]. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt unter derjenigen der Ärzte und Ärztinnen, die im öffentlichen Gesundheitssystem tätig sind. Ein Großteil aller Wahlärzte und Wahlärztinnen würde die Wahlarztordination auch dann weiterführen, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde, eine volle Kassenplanstelle zu übernehmen. Die Honorargestaltung für Wahlärzte und Wahlärztinnen ist völlig frei und an keine Ober- oder Untergrenzen gebunden; es können 80 % des anwendbaren Kassentarifs rückerstattet werden. Der Patient oder die Patientin sucht im Regelfall den Wahlarzt oder die Wahlärztin auf, um eine Leistung zu erhalten, die er im sozialen Gesundheitssystem nicht vorfindet.

Die freie Arztwahl erzeugt einen gewissen Konkurrenzdruck zwischen Kassen- und Wahlärzten und -ärztinnen

Nichterfassbar sind die Kosten dieser privaten kinderärztlichen Leistungen, da sich der Besuch beim niedergelassenen Facharzt oder bei der niedergelassenen Fachärztin ohne Kassenverträge naturgemäß jeder Statistik entziehen wird. Die dort ausgegebenen Summen werden entweder bei unterschiedlichen Privatversicherungen eingereicht und daher nicht zentral dokumentiert oder überhaupt selbst bezahlt. Diese Kosten belasten das System der Sozialversicherung verhältnismäßig wenig. In der Praxis passen sich die vorhandenen Kapazitäten der Ordinationen dem Bedarf an, d. h., hier kann man es sich nicht erlauben, beispielsweise zu viel Personal anzustellen oder eine zu große Ordinationsfläche zu nutzen. Die freie Arztwahl ermöglicht es dem Patienten oder der Patientin, einen gewissen – in der Praxis aber überschaubaren – Konkurrenzdruck zu erzeugen.

Spitalsambulanzen

Die Spitalsambulanzen haben eine wesentliche Bedeutung in der ambulanten Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Österreich. Beispielsweise erfolgten in den Krankenanstalten im Einflussbereich des Wiener Gesundheitsverbundes 2019 vor der Coronapandemie rund 270.000 Patientenbesuche (Abb. 2). Der Abfall der Besuchsfrequenzen in allen Einrichtungen im Jahr 2020 erklärt sich durch die völlig veränderten Bedingungen während der durch die „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) hervorgerufenen Pandemie. Die Versorgungswirkung der einzelnen Krankenanstalten bezieht sich in der Mehrzahl der Fälle auf das lokale Umfeld. Daher ist die Belastung einer Ambulanz auch umso größer, je schwächer der niedergelassene Bereich im Einzugsgebiert etabliert ist. Jede Versorgungsstruktur hat Vor-, aber auch Nachteile. Spitäler unterliegen nicht den Gesetzen des freien Marktes, sondern werden über gesundheitspolitische Strukturplanungen gesteuert.

Abb. 2
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Ambulante Frequenzen der Wiener Kinderabteilungen. AKH allgemeines Krankenhaus, SMZ Klinik Donaustadt (vormals Sozialmedizinisches Zentrum Ost), WSP Klinik Ottakring (vormals Wilhelminenspital), Preyer Klinik Favoriten (vormals Preyersches Kinderspital), Rudolfstiftung Klinik Landstrasse (vormals Rudolstiftung). (Aus Stadt Wien [8])

Ärztliche Kooperationsformen

Folgende ärztliche Kooperationsformen sind in der Kinder- und Jugendheilkunde derzeit möglich:

Dauervertretung

Die Grundlage für die Dauervertretung ist im Gesamtvertrag zwischen der Ärztekammer und den Sozialversicherungsträgern geregelt. In der gelebten Praxis verfügen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen – v. a. die größeren Praxen – über eine oder mehrere Dauervertretungen. Dies einerseits, um die Öffnungszeiten erweitern zu können, andererseits, um eine Ausfallsicherheit im Krankheits- und im Urlaubsfall zur Verfügung zu haben.

Eine Definition der Stellung und Rechte des Vertretungsarztes bzw. der Vertretungsärztin existiert im Gesamtvertrag nicht. In diesem Zusammenhang muss aber auf die rechtliche Lage der vertretenden Ärzte und Ärztinnen hingewiesen werden, die keinerlei Schutzbestimmungen in Anspruch nehmen können. Weder besteht Anspruch auf Kündigungs- oder Arbeitnehmerschutz, noch wird eine Krankenversicherung oder Pensionsvorsorge erworben. Aufseiten der Vertragsinhaber bzw. Vertragsinhaberinnen muss wiederum auf mögliche haftungsrechtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden.

Teilung der Vertragsarztstelle (Jobsharing)

Nach § 10 des Gesamtvertrags kann im Einvernehmen zwischen Kammer und Kasse eine Vertragsarztstelle mit zwei Fachärzten bzw. Fachärztinnen desselben Sonderfachs besetzt werden. Diese geteilte Vertragsarztstelle gilt als Einzelvertrag zwischen den betroffenen Ärzten und Ärztinnen und den Versicherungsträgern. Allerdings enthält die Regelung über die Teilung einer Vertragsarztstelle zahlreiche Einschränkungen und Hemmnisse, wodurch diese Möglichkeit in der Praxis kaum Anwendung findet. Zudem soll die Teilung einer Vertragsarztstelle keine Vermehrung der Anzahl der Planstellen und somit auch keine Erweiterung der Versorgungskapazitäten mit sich bringen. Die Dauer der Teilung einer Vertragsarztstelle kann beim Erstantrag fünf Jahre nicht übersteigen und darf einmalig verlängert werden.

Anstellung von Ärztinnen und Ärzten bei Ärzten und Ärztinnen

Für fachgleiche Ärztinnen und Ärzte besteht die Möglichkeit, sich unter bestimmten Voraussetzungen bei einem Vertragsarzt oder einer Vertragsärztin der Sozialversicherungen anstellen zu lassen. Dies kann maximal ein Ausmaß von 40 Wochenstunden umfassen; einen Kollektivvertrag gibt es derzeit noch nicht. Dieses Modell hat sich bislang noch nicht durchsetzen können, weil das Interesse der Ärztinnen und Ärzte an einer Anstellung in einer Ordination nur gering ist.

Operation „Bergdoktor“

In der Region Obersteiermark wurde ein bemerkenswertes Pilotmodell in der kinderärztlichen Versorgung etabliert, das im Wesentlichen aus einer Kooperation zwischen dem Landeskrankenhaus (LKH) Leoben und dem niedergelassenen Sektor besteht. Im Rahmen dieser Initiative wurden im Krankenhaus zusätzliche Ausbildungsstellen geschaffen, um „dislozierte Ambulanzen“ in jenen Regionen zu entwerfen, die über keinen Kassenarzt oder keine Kassenärztin mehr verfügen. Damit steht nicht nur eine ausreichende Zahl an Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde im Krankenhaus selbst zur Verfügung, sondern es kann der extramurale Bereich teilweise mitversorgt werden. Naturgemäß schließt dieses Modell auch die Schnittstellenproblematik zwischen dem intra- und dem extramuralem Versorgungssektor [9].

Gruppenpraxis

Die von der Ärztekammer bevorzugte Organisationsform der ärztlichen Kooperation ist die Gruppenpraxis. Darunter versteht man den Zusammenschluss von Ärztinnen und Ärzten zu einer Personengesellschaft – meist eine offene Gesellschaft (OG) – gemäß den Bestimmungen des Ärztegesetzes nach § 52a ff.

Die Gruppenpraxis unterscheidet sich von einer reinen Praxisgemeinschaft mit gemeinsamer Raumbenützung dadurch, dass die Gruppenpraxis selbst Vertragspartner mit den Sozialversicherungsträgern ist [10, 11]. Eine relevante Versorgungswirkung ist durch eine größere Gruppenpraxis nachweislich erzielbar (Abb. 2). Da sich die Gruppenpraxis strikt innerhalb des Stellenplans bewegt, gibt es die folgenden drei Formen der Invertragnahme:

Zusammenschluss von zwei Vertragsärzten bzw. -ärztinnen mit Einzelverträgen

In der Praxis kommt dies nur bei neu vergebenen Verträgen vor, die eine Kooperation mit bereits etablierten Kollegen und Kolleginnen eingehen wollen. Ein solcher Zusammenschluss von zwei Praxen, die bereits jahrelang bestehen, findet sich in der gelebten Praxis nicht.

Ausschreibung einer neuen Kassenplanstelle für eine Gruppenpraxis

Stellen Ärztekammer und Gebietskrankenkasse einvernehmlich die Notwendigkeit einer Gruppenpraxis fest, wird eine Gruppenpraxis als Planstelle ausgeschrieben. Ärztinnen und Ärzte können sich nur als Team bewerben.

Umwandlung einer Vertragsarztpraxis in eine Vertragsgruppenpraxis

Darunter versteht man die Umwandlung einer bestehenden Einzel- in eine Gruppenpraxis. Nach erfolgter Ausschreibung können sich alle Fachärzte und Fachärztinnen der ausgeschriebenen Fachsparte bewerben, und es erfolgt eine Reihung gemäß den Reihungskriterien nach einem Punktesystem. Wenn bereits eine Vertragsgruppenpraxis besteht und diese um einen Gesellschafter erweitert werden soll, der bisher keinen Kassenvertrag hat, wird analog dazu vorgegangen.

Ambulatorien

Ambulatorien sind als nichtbettenführende Krankenanstalten definiert und können erst nach einer Bedarfsprüfung gegründet werden. Die fachliche Abgrenzung eines Ambulatoriums zu einer sonstigen Krankenanstalt ist wie folgt definiert:

„Einrichtungen, die eine gleichzeitige Behandlung von mehreren Personen ermöglichen und deren Organisation der einer Anstalt entspricht, sind nicht als Ordinationsstätten von Ärzten oder Zahnärzten anzusehen“ [12]. Es ist zulässig, andere und auch nichtfachgleiche Ärztinnen und Ärzte anzustellen. Es gibt sowohl kleine hochspezialisierte Einrichtungen als auch große spitalsähnliche Ambulatorien.

Die Abrechnung ist mithilfe des Kassenvertrags oder auch privat möglich, wobei diese Kassenverträge grundsätzlich als Einzelverträge definiert sind und es keinen Gesamtvertrag gibt, der mit dem der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen vergleichbar wäre. Daher haben Ambulatorien auch keinen Schutz durch eine Kollektivvertragsfunktion.

Der Unterschied zu den Spitalsambulanzen besteht auch darin, dass die öffentlichen Spitäler eine ambulante Notfallversorgung auch rund um die Uhr aufrechterhalten müssen. In der Kinder- und Jugendheilkunde gibt es Ambulatorien sowohl in Spezialgebieten wie der Allergologie als auch im Rahmen der allgemeinen kinderärztlichen Versorgung.

Pädiatrische Versorgungszentren

Die Einführung von Primärversorgungseinheiten (PVE) in der Kinder- und Jugendheilkunde ist grundsätzlich dazu geeignet, ein neues interdisziplinäres Prinzip in der Patientenbetreuung bewirken zu können. Durch die größeren Kapazitäten und die Verbreiterung des fachlichen Spektrums ist eine Verbesserung für die Patienten und Patientinnen im Sinne geringerer Wartezeiten und generell kürzerer Wegstrecken zu erwarten. Diese ambulanten Versorgungszentren ergänzen das Angebot der bisherigen Leistungsanbieter im Gesundheitswesen mit dem Ziel der Entlastung der Spitäler sowie einer Kapazitätssteigerung der extramuralen Versorgung, jedoch ohne mit den anderen Anbietern und Anbieterinnen in direkte Konkurrenz zu geraten. Das Leistungsangebot dieser PVE kann somit sowohl die Grundversorgung als auch die weiterführende Spezialversorgung umfassen und grundsätzlich interdisziplinär unter Mitarbeit weiterer Gesundheitsberufe organisiert sein [13]. Erweiterte Öffnungszeiten an den Tagesrandzeiten, am Wochenende und an Feiertagen sind vorgesehen.

Die PVE bewegen sich im Rahmen des Gesamtvertrags zwischen der Ärztekammer und den Krankenkassen

Der entscheidende Unterschied zwischen einem Primärversorgungszentrum und einem Ambulatorium liegt in der Vertragslage mit den Sozialversicherungsträgern. Während die Ambulatorien lediglich über Einzelverträge verfügen, die durch die Sozialversicherung einseitig und auch deutlich modifiziert oder sogar gekündigt werden können, bewegen sich die PVE im Rahmen des Gesamtvertrages zwischen der Ärztekammer und den Krankenkassen. Dies garantiert ein sehr hohes Maß an Rechtssicherheit und Kündigungsschutz.

Die ersten derartigen Einrichtungen wurden in der Allgemeinmedizin gegründet; die Zahl dieser PVE nimmt kontinuierlich zu und trägt zur Verbesserung der Versorgungslandschaft bei. In der Kinder- und Jugendheilkunde ist die Gründung von PVE im Ärztegesetz optional vorgesehen und bisher noch nicht verwirklicht, obwohl mehrere Einrichtungen in sehr naher Zukunft bereit sein werden, versorgungsrelevante PVE anzubieten.

Vorgesehen ist eine grundsätzliche Freiheit in der Wahl der Organisationsform; lediglich die börsennotierte Aktiengesellschaft ist ausgenommen. Primärversorgungseinheiten müssen alle erforderlichen personellen und organisatorischen Ressourcen selbst bereitstellen. Damit verbunden sind teils komplexe Managementvorgänge, die einen effizienten und wirtschaftlichen Betrieb sicherstellen sollen. Es handelt sich aus organisatorischer Sicht bei den PVE also um eine Struktur, die von der Infrastruktur her betrachtet den Ordinationen und Gruppenpraxen mit rein ärztlichen Teilhabern und Teilhaberinnen, Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen entspricht und aus diesen auch hervorgeht. Auf der anderen Seite muss das PVE jedoch Aufgabenbereiche abdecken, die eher der ambulanten Organisation einer Krankenanstalt nahekommen.

Exkurs: medizinische Versorgungszentren in Deutschland

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind in Deutschland in der Patientenversorgung seit vielen Jahren etabliert. Darunter wird eine fachübergreifende medizinische Einheit verstanden, in der Ärzte und Ärztinnen auch unterschiedlicher Fachrichtungen als Teilhaber oder Teilhaberin im Sinne von Vertragsärzten und Vertragsärztinnen, aber auch als angestellte Ärzte und Ärztinnen tätig sein können [14]. Gesellschafter und Gesellschafterinnen eines MVZ können im Gegensatz zur Situation in Österreich auch Krankenhäuser, Ärzte und Ärztinnen, Zahnärzte und Zahnärztinnen, Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, Apotheker und Apothekerinnen, Pflegedienste, Rehaeinrichtungen, Zahntechniker und Zahntechnikerinnen oder Hebammen sein. Die MVZ haben einen Kassenvertrag und sind als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert (GesmbH; [13, 15]).

Analog zu den österreichischen Gruppenpraxen entsteht auch hier im Gegensatz zu einer Einzelordination kein Behandlungsvertrag mit dem Arzt oder der Ärztin selbst, sondern vielmehr mit dem MVZ. Daher hat der Patient oder die Patientin keinen Anspruch auf die freie Arztwahl im MVZ. Auch die MVZ werden als Schritt gesehen, die bisherige Schnittstellenproblematik zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung zu überbrücken. Die Abdeckung erfolgt zwar flächendeckend sowohl in städtischen als auch ländlichen Gebieten. Allerdings lässt sich die Mehrzahl der MVZ in Gebieten mit einer höheren Einwohnerdichte nieder; in ländlichen Regionen ist eine Unterversorgung möglich [15].

Ökonomisch betrachtet ist diese Struktur insofern bemerkenswert, als der Vertragsarzt oder die Vertragsärztin nicht mehr nur durch eigene ärztliche Leistungen Geld verdienen kann, sondern auch durch unternehmerische Tätigkeit – und hier v. a. durch die Anstellung anderer Ärzte und Ärztinnen – ein (zusätzliches) Einkommen erzielen kann. Das stellt tatsächlich einen Paradigmenwechsel im beruflichen Selbstverständnis der niedergelassenen Ärzteschaft dar, da die Honorierung von Ärztinnen und Ärzten bislang aus eigener Arbeit bestanden hat. Inwieweit insbesondere Fachärzte und Fachärztinnen für Kinder- und Jugendheilkunde dazu bereit sein werden, diese unternehmerische Chance auch zu nutzen, muss unbeantwortet bleiben.

Diskussion

Das Angebot der Versorgung durch Pädiater und Pädiaterinnen ist in Österreich grundsätzlich und generell als ausreichend zu bezeichnen, allerdings besteht ein selektiver Ärztemangel im öffentlichen und im niederschwelligen Gesundheitssystem. Eine sehr starke Tendenz hin zur Privatmedizin – sei es nun mit oder ohne der Refundierung der Wahlärzte und Wahlärztinnen – ist klar erkennbar. Dies wird nur durch eine Verbesserung der Strukturen im öffentlichen Gesundheitssystem im Rahmen der Sozialversicherungsträger zu verändern sein. Verbote oder Einschränkungen der Wahlarzttätigkeit greifen zu kurz und sind nicht dazu geeignet, Kolleginnen und Kollegen vermehrt zu einer Mitarbeit im solidarischen Gesundheitssystem zu motivieren.

Die optimale Kooperation zwischen allen Beteiligten des Gesundheitsversorgungssystems ist notwendig

Die Sicherstellung einer hochwertigen medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowohl im Rahmen des niederschwelligen und solidarischen Gesundheitssystems als auch im Bereich der privaten Medizin bedarf einer sorgfältigen Balance, um ausreichend Ressourcen für alle Patientinnen und Patienten zu garantieren. Dies wird die optimale Kooperation zwischen allen Beteiligten, auf die zuvor näher eingegangen wurde, notwendig machen. Es wird für die zukünftige Qualität der pädiatrischen Gesundheitsversorgung entscheidend sein, die Öffnungszeiten und die Leistungsangebote zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Eine zu erwartende Verkürzung von Wartezeiten kann zur Qualitätsverbesserung führen, indem einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten und Patientinnen rechtzeitig entgegengewirkt werden kann.

Ein funktionierendes Gesundheitssystem kostet Geld, und diese Kosten werden in unmittelbarer Zukunft steigen, und zwar durch neue Technologien, höhere Lebenserwartung auch von Risikokindern, neue leistungsfähigere und aufgrund der intensiven Forschungsausgaben auch teurere Medikamente sowie erhöhten Aufwand für Pflege. Dies wird nur dann niederschwellig angeboten werden können, wenn jetzt in Vorsorge und Prävention investiert wird. Auch dazu sind größere Einheiten grundsätzlich aufgrund ihrer Kapazitäten gut geeignet.

Der niedergelassene Bereich soll jedenfalls weiterhin nach den Grundsätzen eines freien Berufs organisiert bleiben. Damit soll sichergestellt werden, dass die Zielkategorien „Ethik und hohe medizinische Qualität“ im Zielsystem eine dominante Position behalten. Dies schließt eine Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Angebots- und Rechtsformen nicht aus. Die Sorge um eine zu starke Ökonomisierung der Medizin ist nicht von der Hand zu weisen, jedoch wird es unumgänglich sein, neue Modelle in der Gesundheitsversorgung der Kinder- und Jugendlichen zu entwickeln sowie angesichts der aktuellen und teilweise besorgniserregenden Entwicklungen in der Praxis auch umzusetzen.

Fazit für die Praxis

  • Das bisherige System aus Kassenpraxen und Spitalsambulanzen kann seinem Versorgungsauftrag nicht mehr gerecht werden.

  • Letztendlich stellen fachärztliche Zentren eine notwendige und sinnvolle Ergänzung der Versorgungslandschaft in der Pädiatrie dar.

  • Die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Gesundheitsdienstleistern bedarf einer Verbesserung.