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Department of Biology
Institute of Plant Science and Microbiology
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Habilitation thesis  Open Access 

Skalenabhängigkeit von Biodiversität - von der Theorie zur Anwendung

Jürgen Dengler

Language: German

Published: June 2012

First published online: 2013-02-15

DOI: 10.7809/thesis.habil.001

Author contact:
juergen.dengler@uni-hamburg.de

Habilitation thesis in Vegetation Ecology and Macroecology at University of Hamburg

145 pp.

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Keywords: biodiversity; ecoinformatics; macroecology; scale dependency; species-area relationship; theoretical ecology; vegetation classification; vegetation database; vegetation ecology

Deutsche Zusammenfassung: In dieser Arbeit habe ich einen weiten Bogen durch verschiedene Felder der Biodiversitätsforschung gespannt und – so hoffe ich – an verschiedenen Stellen, einen Beitrag zur Fortentwicklung der Methoden, zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und/oder zur Verbesserung praktischer Umsetzung des gewonnenen Wissens geleistet. Ich habe dabei meine Publikationen aus vier großen Themenblöcken vorgestellt, wobei die zahlreichen Querverweise im Text deren vielfältige Verknüpfungen aufzeigen. Die hier zusammengeführten Arbeiten betrafen zahlreiche Facetten von Biodiversität sowie unterschiedliche Artengruppen, Ökosysteme und geografische Regionen (incl. virtueller Landschaften). Doch gibt es einige Schlüsselerkenntnisse, die sich durch viele meiner Arbeiten ziehen und die ich hier daher noch einmal zusammenfassend hervorheben will: (1) Biodiversität hat viele Facetten. Die sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als erst recht im Anwendungsbereich, etwa wenn es um Biodiversitätsschutz geht, zu findende Verengung auf einen oder wenige Aspekte ist nicht zielführend. Es wird nur derjenige zu einem umfassenden Bild kommen, der sich auf die Diversität von Biodiversität einlässt. Dies gilt insbesondere für die folgenden drei von mir in verschiedenen Arbeiten thematisierten Aspekte: (i) Oftmals verhalten sich die verschiedenen Facetten von Biodiversität nicht kongruent, etwa α- vs. β-Diversität, Artenreichtum vs. Evenness, Diversität aller Arten vs. Diversität von Endemiten (vgl. Abschnitte 4.3–4.7). (ii) Ebenso unterscheiden sich die Biodiversitätsmuster verschiedener Taxa oft erheblich, weswegen die sowohl in der Forschung als auch im Naturschutz oft vorzufindende „Blickverengung“ auf Wirbeltiere und Gefäßpflanzen sehr problematisch ist. So machen Moose und Flechten einen erheblichen Anteil der botanischen Diversität aus, in manchen Ökosystemen sogar die Mehrheit. Daher lohnt es sich, sie in botanische Biodiversitätsanalysen einzubeziehen (vgl. Abschnitte 4.1, 4.4 und 4.5). Das Testen ökologischer Theorien an drei so verschiedenen Großtaxa verspricht ein viel tieferes Systemverständnis als die alleinige Betrachtung von Gefäßpflanzen. Wie ich gezeigt habe, können die Nicht-Gefäßpflanzen auch praktische Bedeutung in Bereichen haben, wo diese bislang nicht so wahrgenommen wurde, etwa bei der Vegetationsklassifikation (vgl. Abschnitte 5.1 und 5.2). (iii) Die Skalenabhängigkeit im engeren Sinne, also Abhängigkeit von Biodiversitätsmustern und der sie bedingenden Faktoren von der betrachteten Korngröße (grain) ist ein bislang in der ökologischen Forschung und erst recht in der Anwendung weitgehend negiertes Phänomen. Ich habe gezeigt, dass diese Abhängigkeit sehr bedeutsam ist und einige als universell geltende „Muster“ (z. B. hemiboreale Zone ist artenärmer als temperate Zone oder Fynbos ist das Biom mit der höchsten Phytodiversität im südlichen Afrika) tatsächlich nicht allgemeingültig, sondern skalenabhängig sind (vgl. Abschnitte 4.6 und 5.2). Diese Erkenntnis sollte eine Warnung sein, Erkenntnisse ungeprüft von einer Skalenebene auf eine andere zu übertragen. Zugleich eröffnet das Studium dieser Skalenabhängigkeit vermutlich auch neue Wege zum Verständnis der treibenden Kräfte makroökologischer Muster. (2) Biodiversitätsforschung wie auch Biodiversitätsschutz sind auf eine gute Datengrundlage angewiesen (was nicht heißen soll, dass Biodiversitätsschutz warten sollte, bis die Datengrundlage besser ist). (i) Es ist erschreckend, wie wenige konsistent über große geografische Räume und längere Zeiträume erhobene Biodiversitätsdaten es wirklich gibt. Hier ist es dringend geboten, international an einem Strang zu ziehen und globale Monitoringprogramme der verschiedenen Facetten von Biodiversität mit standarisierten Methoden lokal zu implementieren (vgl. Abschnitt 2.1). (ii) Die jetzt in großen Vegetationsdatenbanken verfügbar werdenden Datenmengen sind ein riesiger „Schatz“, der neue Analysemöglichkeiten für die botanische Biodiversitätsforschung verspricht, vorausgesetzt man ist sich der fast allen solchen Datenbanken inherenten Probleme (nicht-randomisierte Erhebung, verschiedene Plotgrößen, inkonsistente Sippennomenklatur) bewusst und sucht gezielt nach methodischen Lösungen für diese (vgl. Abschnitte 2.2 und 3.5. (3) In meinen methodisch-theoretischen Arbeiten hat mich immer wieder erstaunt, wie oft methodisch fragwürdige oder falsche Ergebnisse trotz der Qualitätssicherung durch das peer review-Verfahren publiziert und manchmal ganze Theorien darauf aufgebaut werden, die sogar Eingang in Lehrbücher finden. Wichtige Beispiele hierfür sind (i) die irreführende Gleichsetzung von SARs und SSRs (vgl. Abschnitte 3.1 und 3.4), (ii) die falsche Annahme, dass sich SARs im Bereich von Pflanzengesellschaften am besten mit der Logarithmusfunktion beschreiben lassen (vgl. Abschnitt 4.1), (iii) die falsche Behauptung, dass der small island effect häufig auftritt (vgl. Abschnitt 3.3), oder (iv) die falsche Annahme, dass unterschiedliche Flächengrößen keinen wesentlichen Effekt bei auf Stetigkeiten basierenden Analysen habe (vgl. Abschnitt 3.5). Biodiversiätsforschung ist ein sehr komplexes und theoretisch wie methodisch anspruchsvolles Feld. Hier sind umso mehr kritische Aufmerksamkeit und das Hinterfragen von scheinbar gut belegten Theorien gefragt, wenn man diese Disziplin weiterbringen will.

Suggested citation:
Dengler, J. (2012): Skalenabhängigkeit von Biodiversität - von der Theorie zur Anwendung - 1 in Vegetation Ecology and Macroecology at the University of Hamburg: 145 pp. DOI: 10.7809/thesis.habil.001.



Imprint  /  last update: 2023-01-13  by: Gerhard Muche search