Skip to main content

Open Access ,,Simplify your life!“ Die Infantilisierung der gesellschaflichen Lernräume und die Vermüllung des Bewusstseins als neue pädagogische Herausforderungen

Die docta ignorantia, in der mittelalterlichen theologischen Refexion als Konsequenz aus der strukturellen Mangelhaftigkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens im Verhältnis zum Universum entwickelt, war eine Antwort auf die Unfähigkeit des Menschen, das Unendliche mit der Kapazität seines Bewusstseins fassen zu können. Von metaphysischem Ballast befeit, richtet sich die säkularisierte Erkenntnisfage auf das Problem, wie und auf der Basis welcher Beschränkungen das menschliche Bewusstsein die weltlichen Dinge erschließen kann. Vor dem Hintergrund der bestehenden Sozialisationsbedingungen mit ihren über den Markt vermittelten Direktiven und ihren gravierenden, kulturindustriell aufgebauten Mustern der Aneignung wird die Bearbeitung dieser Frage zu einer immer dringlicheren bildungstheoretischen Problemstellung: Ihr Gegenstand ist die Infantilisierung gesellschaftlicher Erfhrung, die dem pädagogischen Handeln schrittweise die Grundlage zu entziehen droht, eine Infantilisierung, die in den vorherrschenden Mechanismen gesellschaflicher Produktion und Reproduktion gründet, aber zugleich den Qualifkationsanforderungen dominanter gesellschaflicher Gruppen widerspricht. Im Sog der Infantilisierung wird nicht nur die Erschließung von Welt qualitativ eingeschränkt, selbst das Wissen um das eigene Unwissen bleibt auf der Strecke. Die Tendenz der Infantilisierung gesellschaflicher Erfahrung schränkt das Bewusstsein nicht alleine durch die Reduktion anspruchsvoller Gegenstände ein, sondern ebenso durch die systematische Einschränkung der ,,Wahrnehmung der Operationen des eigenen Geistes in uns, der sich mit den ihm zugefuhrten Ideen beschäftigt“ (Locke 2000 [ 1690], S. 108). Die Wahrehmung der Beschränktheit der eigenen Wahrnehmung bleibt somit versperrt.

Document Type: Research Article

Publication date: 01 January 2006

More about this publication?
  • Das Jahrbuch für Pädagogik macht es sich seit 1992 zur Aufgabe, Diskurs- und Realentwicklungen in Pädagogik und Bildungspolitik kritisch zu begleiten und aus bildungs- und gesellschaftstheoretisch interessierter Perspektive zu beleuchten. Als bildungstheoretische Leitidee gilt ein Konzept von Mündigkeit, welches historisch und theoretisch im internen Zusammenhang von Aufklärung, Demokratie und Bildung gründet. Pädagogik wird als ein spezifisches theoretisches und praktisches Handlungsfeld von Gesellschaft begriffen. Nach dem Verständnis des Jahrbuchs können daher Fragen von Bildung und Erziehung nicht allein aus der disziplinären Perspektive der Erziehungswissenschaft bearbeitet werden, sondern bedürfen interdisziplinärer gesellschafts- und humanwissenschaftlicher Zugänge. Der interdisziplinäre Horizont und die Verknüpfung von bildungs- und gesellschaftstheoretischen Sichtweisen schlagen sich sowohl in der Wahl der Jahresthemen wie der Autorinnen und Autoren nieder. Einen markanten Zug im Profil des Jahrbuchs bildet die zentrale Bedeutung des Jahresthemas, auf welches sich nahezu alle Beiträge beziehen, so dass jeder Band als jährliches Periodikum zugleich ein Aufsatzband zu einer thematischen Fragestellung ist.
  • Editorial Board
  • Subscribe to this Title
  • Ingenta Connect is not responsible for the content or availability of external websites
  • Access Key
  • Free content
  • Partial Free content
  • New content
  • Open access content
  • Partial Open access content
  • Subscribed content
  • Partial Subscribed content
  • Free trial content