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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter Oldenbourg November 10, 2022

Variationen politischen Denkens – Eine milieutheoretische Untersuchung politischer Einstellungsmuster

Variations in Political Thinking – Analyzing Political Attitudes from a Social Milieu Perspective
  • Florian Buchmayr

    Florian Buchmayr, geb. 1991, M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen, Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik (Socium). Forschungsschwerpunkte: Soziale Ungleichheiten, Soziale Milieus, Politische Soziologie.

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Zusammenfassung

In der Einstellungs- und Cleavage-Forschung werden zumeist die Determinanten einzelner politischer Konfliktdimensionen, nicht aber deren Überschneidungen analysiert. Mit Daten der European Value Study 2017 werden deshalb typische Kombinationen politischer Einstellungen in der deutschen Bevölkerung identifiziert sowie deren sozialstrukturelle Profile analysiert. Dafür werden durch Faktorenanalysen zunächst drei Konfliktdimensionen identifiziert: Positionen zu individuellen Freiheitsrechten, Umverteilungspräferenzen und Migrationseinstellungen. Auf der Basis dieser Faktoren werden Clusteranalysen durchgeführt und sechs Cluster mit jeweils eigenen politischen Profilen herausgearbeitet, die gleichzeitig mit bestimmten sozialstrukturellen Profilen sowie lebensweltlichen Orientierungen korrespondieren. Die multidimensionale Betrachtung politischer Konflikte zeigt, dass ein vermeintlicher Dualismus zwischen einem Kosmopolitismus der Mittelklasse und einem Kommunitarismus der Arbeiterklasse die Komplexität politischer Auseinandersetzungen unterschätzt. Die starke Korrespondenz zwischen Lebensführung und politischen Einstellungen zeigt zudem, dass die Cluster unterschiedliche Milieutraditionen zu repräsentieren scheinen.

Abstract

Attitude and cleavage research focuses on the determinants of specific political conflicts, but not on the combination of different political positions. Using data from the European Value Study 2017, typical combinations of political attitudes in Germany are identified and their socio-structural characteristics are analyzed. For this purpose, three conflict dimensions are identified by conducting factor analyses: Attitudes toward individual liberties, redistribution, and migration. Based on these conflict dimensions, cluster analyses identify six groups with specific attitude profiles that correspond to certain socio-structural profiles as well as principles of conduct of everyday life. The analysis shows that a supposed antagonism between middle-class cosmopolitanism and working-class communitarianism underestimates the complexity of political conflicts. Furthermore, the strong correspondence between political attitudes and lifestyles suggests that the clusters represent different social milieus.

1 Einleitung

In der politischen Soziologie wird in der Regel zwischen zwei politischen Konfliktdimensionen unterschieden: einer ökonomischen Konfliktdimension zwischen Befürworterinnen und Gegnerinnen wohlfahrtsstaatlicher Interventionen und einer kulturellen Konfliktdimension zwischen Befürworterinnen und Gegnerinnen traditioneller Wertesysteme (Kitschelt 1994; Kriesi et al. 2008; Bornschier 2010). Während ökonomische Verteilungskonflikte westeuropäische Parteiensysteme seit der Industrialisierung maßgeblich strukturieren, gewinnen kulturelle Themen seit den 70er Jahren zusehends an Bedeutung. Das zeigt sich unter anderem daran, dass kulturelle Themen im politischen Diskurs eine immer prominentere Rolle einnehmen (Norris & Inglehart 2019: 323) und für die Wahlentscheidung (Lachat 2008) oder für die eigene ideologische Identität (De Vries et al. 2013) von zunehmender Bedeutung sind. Es fehlen allerdings Erkenntnisse dazu, wie Einstellungen unterschiedlicher Dimensionen in der Bevölkerung miteinander kombiniert werden. Die vergleichende Wahlforschung liefert indirekte Erkenntnisse zu diesem Gegenstand, da Parteipräferenzen als Proxys für bestimmte Einstellungskombinationen angesehen werden können. Demnach neigt die soziokulturelle Mittelklasse zu kulturell und ökonomisch progressiven Parteien, während Manager kulturell progressive und ökonomisch neoliberale Parteien favorisieren und die Arbeiterklasse vor allem von ökonomisch progressiven und/oder kulturell regressiven Parteien mobilisiert werden kann (Kitschelt & Rehm 2014; Oesch & Rennwald 2018). Diese Forschung gibt aber nur begrenzten Aufschluss über die politischen Werteeinstellungen der Bevölkerung, da Parteiensysteme oftmals nur sehr schwach mit den Einstellungsprofilen in der Bevölkerung korrespondieren (Thomassen 2012). So gibt es in Westeuropa beispielsweise große Teile der Bevölkerung, die ökonomisch progressive mit kulturell regressiven Einstellungen kombinieren, obwohl es in westeuropäischen Parteisystemen kaum Parteien gibt, die ein solches Profil bedienen (Lefkofridi et al. 2014).

Während Parteien in der Forschung oftmals in einem multidimensionalen Raum verortet werden, fehlen in der Einstellungsforschung Erkenntnisse über multidimensionale Präferenzen, da unterschiedliche Konfliktdimensionen zumeist nur getrennt voneinander analysiert werden. Während ökonomische Positionen stärker – wenngleich nicht ausschließlich – von der Ausstattung ökonomischer Ressourcen determiniert werden, ist Bildung für die Ausformung kultureller Einstellungen entscheidend (Lindh & McCall 2020, Häusermann & Kriesi 2015, Svallfors 2006). Es gibt allerdings kaum Arbeiten, die sich mit der Überlappung dieser beiden Einstellungsdimensionen zu bestimmten Einstellungsprofilen auseinandersetzen. Es gibt einige Studien, die zeigen können, dass ökonomische und kulturelle Einstellungen unabhängige Dimensionen darstellen und dass die Kombination von rechten Einstellungen auf der einen Dimension mit linken Einstellungen auf der anderen Dimension keine Ungewöhnlichkeit darstellt (Malka et al. 2019; Lefkofridi et al. 2014). Es ist allerdings nur wenig darüber bekannt 1) welche spezifischen Einstellungsprofile sich unterscheiden lassen und 2) mit welchen sozialstrukturellen Positionen diese einhergehen.

Die heuristische Trennung zwischen kulturellen und ökonomischen Konfliktdimensionen soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass ökonomische Konflikte immer auch kulturelle Elemente und kulturelle Konflikte immer auch ökonomische Aspekte beinhalten (vgl. zu dieser Debatte auch Fraser & Honneth 2003). Die Exklusion von Migrantinnen[1] aus einer national definierten Solidargemeinschaft ist nicht von ökonomischen Verteilungsfragen zu trennen. Umgekehrt beinhaltet der Kampf um ökonomische Gleichberechtigung stets auch kulturelle Elemente, beispielsweise wenn die weiße Arbeiterklasse neben einer materiellen Besserstellung auch um symbolische Anerkennung und Wertschätzung ihrer Lebensführung kämpft (Gidron & Hall 2017). Gerade die gleichzeitige Betrachtung idealtypisch modellierter Konfliktdimensionen ermöglicht es aber, ein differenzierteres Bild über diese Kämpfe im politischen Feld zu erlangen.

Im Folgenden soll dafür zunächst auf den Wandel politischer Konfliktlinien sowie das Verhältnis des politischen Feldes mit dem sozialen Raum eingegangen werden. Das methodische Vorgehen gliedert sich in drei grundsätzliche Schritte: Durch Faktorenanalysen soll die Dimensionalität des politischen Raumes untersucht werden, um in Anschluss daran typische Überschneidungen dieser extrahierten Einstellungsdimensionen herauszuarbeiten. Am Ende sollen durch multinomiale Regressionen die sozialen Determinanten dieser Einstellungsprofile analysiert werden.

2 Wandel politischer Konfliktlinien

Lipset & Rokkan (1967) gehen in ihrer Cleavage-Theorie davon aus, dass westeuropäische Parteisysteme maßgeblich durch bestimmte historische Konflikte geprägt wurden. Sie identifizieren vier zentrale Spaltungslinien, die einerseits durch die nationale und andererseits durch die industrielle Revolution hervorgerufen wurden. Durch die nationale Revolution kommt es zur Herausbildung moderner Nationalstaaten, die auf der einen Seite mit peripheren Regionen und auf der anderen Seite mit der Kirche in einem Konfliktverhältnis stehen (Lipset & Rokkan 1967: 14 f.). Durch die industrielle Revolution kommt es hingegen zu einem Antagonismus zwischen Land- und Stadtbevölkerung sowie zwischen Arbeit und Kapital (Lipset & Rokkan 1967: 19 ff.). Für die Entwicklung westeuropäischer Parteiensysteme waren die Cleavages zwischen Kirche und Staat und zwischen Arbeit und Kapital entscheidend. Vor allem die Spaltungslinie zwischen Arbeit und Kapital prägte die Logik politischer Auseinandersetzungen viele Jahrzehnte. Arbeiterparteien vertraten – zumindest im Vergleich zu ihren Gegenspielerinnen – auch relativ progressive kulturelle Positionen und setzten sich für die Universalisierung politischer Rechte, Laizismus oder Minderheitenrechte ein (Lipset 1959: 483). Die Arbeiterklasse selbst war in dieser Dimension allerdings oftmals eher konservativ eingestellt. Da kulturelle Themen allerdings eher von sekundärer Bedeutung waren, wählte sie dennoch mehrheitlich links (vgl. ebd). In den 70er und 80er Jahren veränderte sich der Modus politischen Wettbewerbs und kulturelle Themen wurden zusehends salient (Norris & Inglehart 2019: 323). Diese neu sich herausbildende kulturelle Einstellungsdimension hat sehr unterschiedliche Namen erhalten, die jeweils unterschiedliche Akzente setzen. So wird sie unter anderem als Konflikt zwischen Materialisten und Postmaterialisten (Inglehart 1997), zwischen Libertarismus und Autoritarismus (Kitschelt 1994), zwischen „green-alternative-libertarians“ und „traditional, authoritarian, nationalists“ (Marks et al. 2006), zwischen kulturellen Demarkations- und Integrationseinstellungen (Kriesi et al. 2008), zwischen Kosmopoliten und Kommunitaristen (Merkel & Zürn 2019) oder zwischen Universalismus und Partikularismus (Beramandi et al. 2015) definiert. Eine Erklärung für die neue Bedeutung kultureller Einstellungen liegt in der Transformation europäischer Klassengesellschaften. Durch den Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft entstand eine neue Mittelklasse, die als treibende Kraft für den kulturellen Wertewandel identifiziert wird (vgl. dazu beispielsweise Kitschelt 1994). Die neue Mittelklasse ist Nutznießerin der Bildungsexpansion, aber auch des Ausbaus des Wohlfahrtsstaates, da ihre Angehörigen nicht selten im öffentlichen Dienst, insbesondere im Sozial- und Gesundheitswesen oder im Bildungswesen beschäftigt sind (Gingrich & Häuserman 2015: 53). Durch diesen von der neuen Mittelklasse hervorgerufenen Wertewandel hat sich auch das Verhältnis zwischen Politik und Klasse verändert. Es kommt zwar nicht zu einem Ende von „class politics“ (Clark et al. 1993; Dalton 2002), aber zu einem Wandel des bisherigen Musters politischer Loyalitäten. Während früher die Arbeiterklasse linke Parteien wählte und die Mittelklasse rechte Parteien, können Angehörige der Arbeiterklasse aufgrund der neuen Salienz kultureller Themen zusehends von rechtsextremen Parteien und die neue Mittelklasse aufgrund ihrer progressiven kulturellen Einstellungen zusehends von linken Parteien mobilisiert werden (Oesch & Rennwald 2018).

Folgt man der Cleavage-Literatur, wird politischer Wettbewerb seit den 90er Jahren zusehends durch Globalisierungsprozesse transformiert. Sowohl kulturelle Aspekte von Globalisierungsprozessen wie Migration, als auch ökonomische Aspekte wie zunehmender internationaler Wettbewerb gewinnen für politische Auseinandersetzungen an Salienz (Kriesi et al. 2008). Aus diesem Grund wird oftmals von der Entstehung einer neuen politischen Spaltungslinie gesprochen. Auf der einen Seite stehen Globalisierungsgewinnerinnen, die von der Öffnung nationaler Grenzen profitieren und einer ethnisch diversen Gesellschaft positiv gegenüberstehen und auf der anderen Seite stehen Globalisierungsverliererinnen, deren Lebenschancen von nationalen Grenzen geschützt wurden (Kriesi et al. 2008). Die Eigenständigkeit dieses Cleavages ist aber umstritten, da es nur schwache Hinweise darauf gibt, dass dieser Konflikt eigene sozialstrukturelle Antagonismen produziert, die über die bereits lange davor bestehende Spannung zwischen Arbeit und Kapital hinausgeht (Langsaether & Stubager 2019). Unbestritten ist, dass die Thematisierung von Globalisierungsprozessen im politischen Diskurs zugenommen (Walter 2021) und insbesondere das Thema der Migration an Prominenz gewonnen hat (Evans & Mellon 2019). Denn während kulturelle Kämpfe im politischen Feld in früheren Jahrzehnten vor allem persönliche Freiheitsrechte ins Zentrum rückten, dominieren Auseinandersetzungen zum Thema Migration dieses Konfliktfeld immer mehr (Kriesi et al 2008: 13). Die kulturelle Konfliktdimension besteht also aus zwei Dimensionen: 1) Einstellungen zu individuellen Freiheitsrechten, die seit den 60er und 70er Jahren von neuen sozialen Bewegungen politisiert wurden und 2) Einstellungen zu Migration bzw. kultureller Diversität, die vor allem seit den 90er Jahren den politischen Diskurs zusehends bestimmen. Diese zweidimensionale Struktur kultureller Einstellungen zeigt sich auch in vielen empirischen Arbeiten (vgl. dazu beispielweise Mau et al. 2020; Kitschelt & Rehm 2014; Layman & Carsey 2002). Doch auch die ökonomische Konfliktdimension hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert und ist als multidimensional zu betrachten. Während die Befürwortung von Umverteilung Teil fast aller Untersuchungen zur Dimensionalität des ökonomischen Konfliktfeldes ist, werden weitere Subdimensionen sehr unterschiedlich definiert. Ihnen ist aber zumeist gemein, dass sie sich um die Frage drehen, inwiefern ein neoliberales Leistungsethos eingefordert wird oder alle Bürgerinnen unabhängig von ihrer ökonomischen Aktivität Unterstützung erfahren sollen (Achterberg et al. 2011; Attewell 2021; Cavaille und Trump 2015). Während es im klassischen Industriekapitalismus vor allem darum ging, wie der gesellschaftliche Wohlstand verteilt werden soll, ist seit der neoliberalen Wende auch die persönliche Verantwortung für die Erlangung ökonomischer Ressourcen von Bedeutung (Lessenich 2012).

3 Das politische Feld und der soziale Raum

Die Cleavage-Theorie geht davon aus, dass sich strukturelle Antagonismen in Form von Parteien im politischen Feld institutionalisieren. Damit diese Übersetzung sozialstruktureller Antagonismen ins Politische überhaupt stattfinden kann, bedarf es aber kollektiv geteilter Identitäten, Wertorientierungen oder Praxen (Bartolini 2000). Die Frage, inwiefern ein politischer Konflikt auch lebensweltlich eingebettet ist, wird in der Cleavage-Forschung allerdings kaum thematisiert.[2] Rainer M. Lepsius (1993) kann zeigen, dass Parteien ihre Anhängerinnen in Deutschland von der Reichsgründung bis in die Weimarer Republik aus relativ stabilen sozialmoralischen Milieus, die das deutsche Parteiensystem maßgeblich geprägt haben, mobilisieren konnten. Er macht damit das Konzept der sozialen Milieus für die Untersuchung politischer Konflikte fruchtbar, was auch das Ziel der vorliegenden Analyse ist. Milieus beschreiben Gruppen von Personen mit ähnlichen sozialstrukturellen Merkmalen und ähnlichen Werten und Handlungsmustern. Das bedeutet, dass eine bestimmte soziale Lage sehr unterschiedlich interpretiert und gestaltet werden kann (Hradil 1987: 60), was auch bedeuten kann, dass ähnliche soziale Lagen zu sehr unterschiedlichen Formen der Politisierung führen. Doch bisher hat die Milieuforschung den politischen Charakter sozialer Milieus vernachlässigt. Vester et al. (2001) gehen von einem epistemologischen Bruch zwischen Alltag und Politik aus und analysieren Alltagspraxen und ideologische Positionen unabhängig voneinander (Vester et al. 2001: 24 f.). Sie begründen das damit, dass politische Mobilisierungen in der Geschichte zumeist als „vertikale Koalitionen“ aus unterschiedlichen sozialen Milieus in Erscheinung traten (Vester et al. 2001: 187). Auch wenn politische Lager ihren Schwerpunkt meist in bestimmten sozialen Milieus haben, ließen sich aus Milieuzugehörigkeiten nicht automatisch politische Loyalitäten ableiten (Vester et al. 2001: 58 f.). Es ist zwar richtig, dem Politischen eine Eigenlogik zuzugestehen, es kann aber von einer starken Homologie zwischen dem sozialen und dem politischen Feld ausgegangen werden (Bourdieu 1982: 708), nicht zuletzt, weil das politische Feld stärker als andere Felder von der Bestätigung feldexterner Akteure abhängig ist (Bourdieu 2001: 51). Zudem ist es auch schwierig, politische Einstellungen von gängigen Milieuindikatoren klar analytisch zu trennen. So differenzieren Vester et al. (2001) soziale Milieus horizontal danach wie sehr diese autoritäre/hierarchiegebundene oder eigenverantwortliche/avantgardistische Haltungen aufweisen und greifen damit auf eine Unterscheidung zurück, die selbst sehr viele Ähnlichkeiten zur kulturellen Konfliktdimension des politischen Feldes aufweist (vgl. dazu beispielsweise Kitschelt 1994). Auch die Items, die sie zur Identifikation sozialer Milieus nutzen, fragen zum Teil nach politischen Wertorientierungen in Form von Einstellungen zu sozialer Gerechtigkeit, Leistungsideologie oder Sexismus (Vester et al. 2001: 546 ff.). Diese Schwierigkeit, das Soziale vom Politischen abzugrenzen, offenbart sich auch in der Namensgebung der sozialen Milieus, die mitunter explizite Verweise auf politische Orientierungen enthalten, wie beispielsweise im Fall des „konservativ-gehobenen Milieus“ oder des „liberal-intellektuellen Milieus“. Insbesondere die Befürwortung individueller Freiheitsrechte stellt nicht nur eine politische Wertorientierung, sondern auch einen Teil der eigenen Lebensführung dar. So kann auch der Aufstieg des Rechtspopulismus als politische Manifestation des Konflikts einer nach Singularität strebenden neuen Mittelklasse und einer alten Mittelklasse, die sich um die Festschreibung kultureller Homogenität und Konformität bemüht, verstanden werden (Reckwitz 2017: 416). Das Ethos der neuen Mittelklasse und das Streben nach Einzigartigkeit und Grenzüberschreitungen steht mit dem Ethos einer alten Mittelklasse und ihrem Hang zur Bodenständigkeit und Angepasstheit in Konflikt (vgl. dazu auch Koppetsch 2018). Auch empirische Forschungsarbeiten können zeigen, dass kulturelle Praxen und politische Präferenzen und politische Identitäten sehr stark miteinander verwoben sind (Purhonen & Heikkilä 2017, Bornschier et al. 2020, Jarness 2017, Jarness et al. 2019, Flemmen & Haakestad 2018). Das tatsächliche Ausmaß des Zusammenhangs zwischen politischen Einstellungen und lebensweltlichen Orientierungen bleibt letzten Endes allerdings eine empirisch offene Frage.

4 Methodisches Vorgehen

Die Analyse basiert auf Daten der deutschen Befragung der European Value Study (EVS) 2017. Bei der EVS 2017 handelt es sich um eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, die zwischen Oktober 2017 und März 2018 als Mixed-Mode Befragung durchgeführt wurde. Die Stichprobe enthält 2170 Personen, die den vollständigen Fragebogen ausgefüllt haben. Dieser Datensatz wurde gewählt, da er eine große Bandbreite an politischen Einstellungen berücksichtigt wie zum Beispiel zu Aufgaben des Wohlfahrtsstaates, kultureller Diversität, Auswirkungen von Migration auf den Wohlfahrtsstaat, Einstellungen zu individuellen Freiheitsrechten, Gendereinstellungen, Ökologie oder Datenschutz (siehe Tab. 3 im Online-Anhang). Damit decken die Daten die meisten politischen Konflikte ab, die in der Forschung als potenzielle gesellschaftliche Konfliktlinien diskutiert werden (Task Force FGZ-Datenzentrum 2022, Mau et al. 2020, Laméris et al. 2018, Gidron 2016, Kitschelt & Rehm 2014, Layman & Carsey 2002). Darüber hinaus enthält der Datensatz auch weitere Einstellungen, die bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren haben, wie Items zur Bedeutung einer strengen Arbeitsethik oder Einstellungen zum Datenschutz. Weitere als relevant zu erachtende Einstellungen, wie jene bezüglich hegemonialer Wissensordnungen, die Gesellschaften weltweit gerade stark erregen und polarisieren, können mit den vorliegenden Daten nicht berücksichtigt werden.

Die empirische Analyse wird in drei Schritten ausgeführt: 1) Durch Faktorenanalysen wird die Dimensionalität des politischen Raumes ermittelt. 2) Durch Clusteranalysen werden, basierend auf den extrahierten Faktoren, unterschiedliche Einstellungsprofile herausgearbeitet. 3) Die Eigenschaften der Cluster werden sowohl deskriptiv sowie durch eine multinomiale logistische Regression analysiert.

Faktorenanalysen: Ziel der Faktorenanalysen ist es, auf Basis einer möglichst großen Auswahl an Items die Dimensionalität des politischen Raumes zu testen und zentrale politische Konfliktlinien zu identifizieren. Diese Dimensionen sollen allerdings möglichst sparsam durch eine geringere Auswahl an Items repräsentiert werden, da für alle Personen, die bei einem der vielen Items keine Angabe gemacht haben, keine Faktorscores berechnet werden können und sich damit die Fallzahl für die folgenden Analysen empfindlich reduzieren würde. Um die Dimensionalität des politischen Raumes zu testen, werden zunächst Faktorenanalysen mit allen 63 politischen Einstellungsfragen durchgeführt. Diese Ergebnisse werden dann in einem nächsten Schritt zum Gegenstand einer weiteren Faktorenanalyse (Faktorenanalyse zweiter Ordnung). Da das primäre Ziel der Analyse darin besteht, voneinander unabhängige Dimensionen politischen Denkens freizulegen, wird die Faktorenanalyse zweiter Ordnung mit einem orthogonalen Rotationsverfahren durchgeführt. Durch konfirmatorische Faktorenanalysen wird schließlich getestet, welche Items diese Faktoren am besten repräsentieren, um durch eine reduzierte Faktorenlösung eine möglichst große Anzahl an Beobachtungen für die Clusteranalysen berücksichtigen zu können. Das beschriebene Vorgehen beinhaltet also das Entdecken der zentralen Konfliktdimensionen und der sparsamsten, aber dennoch informationsreichsten Repräsentation dieser Dimensionalität.

Clusteranalysen: Die extrahierten Faktoren dienen schließlich als Grundlage für die Clusteranalysen. Durch das Single-Linkage-Verfahren werden zunächst Ausreißer identifiziert und aus der Analyse ausgeschlossen. Danach wird mit dem Ward-Verfahren auf ein hierarchisches Clusterverfahren zurückgegriffen und schließlich durch das K-Means-Verfahren ergänzt, da dieses eine zusätzliche Optimierung in der Zuordnung der einzelnen Fälle zwischen den Clustern ermöglicht.

Deskriptive und multivariate Analyse der Cluster: Danach werden einige Eigenschaften der Cluster deskriptiv beschrieben. Neben den Parteipräferenzen der Cluster betrifft dies darüber hinaus auch deren Lebensführungsprinzipien. Um analysieren zu können, inwiefern den herausgearbeiteten Einstellungsprofilen tatsächlich unterschiedliche soziale Milieus zugrunde liegen, muss deren Korrespondenz mit Indikatoren der Lebensführung in den Blick genommen werden. Rehbein et al. (2015) unterscheiden in ihren quantitativen Habitusanalysen zwei grundlegende Dimensionen der Lebensführung. Auf der einen Seite steht die Akzeptanz bzw. Transzendenz traditioneller Modi der Lebensgestaltung, auf der anderen Seite die Befürwortung/Ablehnung eines Leistungsethos bzw. eines Strebens nach Erfolg sowie die Bedeutung materieller Gratifikationen (ebd.: 100). Um Korrespondenzen zwischen Einstellungsprofilen und Lebensführungsprinzipien zu analysieren, können diese beiden Dimensionen mit abgedeckt werden, wenngleich die vorliegenden Daten keine umfassende Rekonstruktion unterschiedlicher sozialer Milieus und ihrer Lebensführung zulassen, da beispielsweise Informationen zu konkreten Konsumgewohnheiten und die Nähe und Distanz zu hochkulturellen Gütern fehlen.

Im vierten und letzten Analyseschritt wird untersucht, inwiefern die gebildeten Einstellungscluster mit bestimmten sozialen Lagen korrespondieren. Dafür werden eine multinomiale Regression durchgeführt und marginale Effekte berechnet. Als zentrale Indikatoren sozialer Lagen wird auf Einkommens- und Bildungsklassen zurückgegriffen, um die Ergebnisse der Analyse mit jenen der Einstellungsforschung zu vergleichen. Dort zeigt sich, dass ökonomische Einstellungen vor allem durch Einkommen und kulturelle Einstellungen vor allem durch Bildung determiniert werden (siehe zum Überblick Lindh & McCall 2020). Man weiß allerdings kaum etwas über den Einfluss von Bildung und Einkommen für Kombinationen ökonomischer und kultureller Einstellungen.

Für die Bildung von Einkommensklassen wird das gewichtete Haushaltsäquivalenzeinkommen gebildet und in drei Gruppen unterteilt: Unterschicht (bis zu 75 % des Medianeinkommens), Mittelschicht (75 % bis 150 % des Medieneinkommens), Oberschicht (über 150 % des Medianeinkommens). Den Bildungsklassen liegt eine Unterscheidung zwischen Personen mit Hauptschulabschluss, maximal Abitur und tertiärer Bildung zugrunde.

Darüber hinaus gibt es weitere soziodemographische Merkmale, die als wichtige Milieuindikatoren angesehen werden können, da sie horizontale Differenzierungen zwischen ähnlichen Klassenlagen einfangen. Um den Einfluss des Alters zu berücksichtigen, wurden vier Gruppen gebildet: 1) 68 Jahre und älter, 2) 53–67 Jahre, 3) 37 bis 52 Jahre und 4) 18 bis 36 Jahre. Der Urbanitätsgrad des Wohnorts wurde in drei Gruppen unterteilt: Dörfer unter 5.000 Einwohnerinnen, Städte mit bis zu 100.000 Einwohnerinnen und Städte mit über 100.000 Einwohnerinnen. Darüber hinaus wird untersucht, ob ein Wohnort in West- bzw. in Ostdeutschland einen Einfluss auf Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen Einstellungsprofilen hat.[3] Religiosität wird durch die Frage, ob Religion für das eigene Leben als wichtig erachtet wird, in das Modell integriert. Schließlich soll auch für Migrationserfahrungen kontrolliert werden. Befragte, die selbst nicht in Deutschland geboren wurden oder zumindest einen Elternteil haben, der nicht in Deutschland geboren wurde, gehören zur Gruppe von Personen mit Migrationshintergrund.

In den Regressionsmodellen werden immer Bildung und Einkommen sowie gleichzeitig die genannten soziodemographischen Merkmale berücksichtigt. Da die Zugehörigkeit zu Berufsklassen stark mit der Ausstattung mit kulturellen und ökonomischen Ressourcen zusammenhängt, wird diese in einem separaten Modell analysiert. Dabei wird auf das ISCO-basierte 5-Klassenschema von Daniel Oesch zurückgegriffen (Tawfik und Oesch 2020), das Klassen danach einordnet, wie groß die für die jeweiligen Berufe erforderlichen Qualifikationen sind, die wiederum mit größeren Freiräumen im Arbeitsalltag einhergehen. Es wird zwischen folgenden fünf Gruppen unterschieden: obere Dienstklasse, untere Dienstklasse, kleine Selbstständige, gelernte Arbeiterinnen und ungelernte Arbeiterinnen. Personen im Ruhestand werden den Berufsklassen entsprechend ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit zugeordnet. Dieses Berufsklassenschema erlaubt also eine grobe vertikale Einordnung der Berufe der befragten Personen.

5 Ergebnisse

Die Ergebnisse werden entlang der vier Analyseschritte – Faktorenanalysen, Clusteranalysen, deskriptive Analyse der Cluster und multivariate Analyse der Cluster – präsentiert.

5.1 Ergebnisse der Faktorenanalysen

Zunächst wird die Dimensionalität politischer Konflikte mit den umfangreichen Daten der EVS 2017 getestet. Durch eine explorative Faktorenanalyse mit allen 63 politische Items werden nach schiefwinkliger Rotation 13 Faktoren, bestehend aus insgesamt 36 Items, extrahiert (siehe Tab. 4 im Online-Anhang). Die restlichen 27 Items weisen Querladungen auf bzw. laden nur sehr schwach auf einzelne Einstellungsdimensionen und werden deshalb sukzessive aus den Faktorenanalysen ausgeschlossen. Bei der im Anschluss durchgeführten Faktorenanalyse zweiter Ordnung werden sieben der dreizehn Faktoren aufgrund von Doppelladungen sukzessive aus der Analyse ausgeschlossen, sodass sich schließlich eine 3-Faktorlösung ergibt (siehe Tab. 5 und 6 im Online-Anhang). Auf den ersten Faktor zweiter Ordnung laden die Faktoren zu Umverteilungsfragen sowie zur Befürwortung/Ablehnung einer marktvermittelten Allokation von Ressourcen. Der erste Faktor bildet damit einen Konflikt zwischen Befürworterinnen und Gegnerinnen eines starken und aktiv umverteilenden Wohlfahrtsstaates ab. Auf den zweiten Faktor laden die Items zu individuellen Freiheitsrechten sowie traditionellen Haushaltspflichten von Frauen. Auf den dritten Faktor laden Faktorvariablen, die sich mit dem Thema Migration auseinandersetzen.

Faktoren, die nicht die Besteuerung von Wohlhabenden zum Thema haben, sondern die Solidarität mit sozial Schwachen, laden zwar auf einen eigenen, vierten Faktor, allerdings waren die Querladungen zur anderen ökonomischen Konfliktdimension sehr groß, weshalb diese Faktoren aus der Analyse ausgeschlossen werden mussten. Weiterhin lädt der Faktor zu biologischem Rassismus auf beide kulturelle Dimensionen (Faktoren 2 und 3). Das kann dadurch erklärt werden, dass sich in diesem Faktor sowohl Einstellungen zur Akzeptanz von kultureller Andersheit sowie Einstellungen gegenüber Migrantinnen bündeln. Zudem gibt es einen Faktor, der Einstellungen zu einer strengen Arbeitsethik abbildet. Dieser lädt überraschenderweise nicht auf den ökonomischen, sondern stark auf beide kulturellen Faktoren, was dadurch erklärt werden kann, dass eine schwach ausgeprägte Arbeitsethik in Arbeitsgesellschaften als eine Form abweichenden Verhaltens toleriert oder abgelehnt wird. Auch ökologische Einstellungen laden nicht eindeutig auf einen Faktor, sondern auf beide kulturelle Konfliktdimensionen. Zudem korrelieren ökologische Einstellungen auch mit ökonomischer Solidarität gegenüber sozial Schwachen, möglicherweise, weil ökologische Einstellungen einerseits mit einer Offenheit für alternative Lebensformen assoziiert sind und damit den kulturellen Konfliktdimensionen zugeordnet werden können, andererseits aber auch als Kritik an einer kapitalistischen Wachstumsideologie interpretiert werden können und damit dem ökonomischen Konfliktfeld zuordenbar sind.

Tab. 1:

Reduzierte und finale 3-Faktorenlösung (Quelle: EVS 2017, eigene Berechnungen)

Variable

Kultureller

Liberalismus

Migration

Umverteilung

Uniqueness

Ist dies unter keinen Umständen in Ordnung, in jedem Fall in Ordnung oder irgendwas dazwischen?

 … Homosexualität

0.647

0.179

0.024

0.549

 … Abtreibung

0.745

0.022

–0.034

0.444

 … Scheidung

0.788

0.051

–0.025

0.376

 … Sterbehilfe

0.580

–0.107

0.057

0.648

Ausländer verschärfen die Kriminalitätsprobleme

0.063

0.754

0.008

0.428

Ausländer belasten das Sozialsystem eines Landes

0.048

0.782

0.029

0.385

Wie wirkt sich Ihrer Meinung nach die Zuwanderung auf die weitere Entwicklung Deutschlands aus? Sehr positiv – sehr negativ

0.007

0.572

0.010

0.673

Große Einkommensunterschiede zwischen den Bürgerinnen und Bürgern beseitigen

–0.058

0.005

0.537

0.708

Einkommen sollten stärker aneinander angeglichen werden. Es sollte größere Anreize für persönliche Leistung geben.

–0.003

–0.062

–0.484

0.762

Der Staat sorgt für Gleichheit der Einkommen

0.014

0.040

0.502

0.747

Diese Ergebnisse decken sich mit zentralen Ergebnissen aus der Einstellungsforschung, die ebenfalls zwischen ökonomischen, migrationsbezogenen und traditionellen bzw. gesellschaftspolitischen Konfliktdimensionen unterscheidet (Task Force FGZ-Datenzentrum 2022, Mau et al. 2020, Laméris et al. 2018, Gidron 2016, Kitschelt & Rehm 2014, Layman & Carsey 2002). Durch die Faktorenanalyse zweiter Ordnung reduziert sich allerdings die Anzahl an Beobachtungen, da nur jene Personen berücksichtigt werden können, die bei keiner einzigen Einstellungsfrage fehlende Werte aufweisen. Konkret bedeutet das, dass lediglich für 1265 Personen Faktorscores und in weiterer Konsequenz Clusterzugehörigkeiten berechnet werden könnten. Da es sich hierbei um eine empfindliche Reduktion der Fallzahlen handelt, wird im Folgenden mit einer reduzierten Faktorlösung gearbeitet, die die explorativ freigelegte dreidimensionale Struktur abdeckt, dabei aber nur eine Auswahl von Items, die diesen Dimensionen zugerechnet werden können, berücksichtigt. Durch konfirmatorische Faktoranalysen (siehe Tab. 7 im Online-Anhang) wird dafür festgestellt, welche Kombination von Itemgruppen, die besten Modellfit-Indizes aufweist. In Tabelle 1 findet sich die finale Faktorenlösung. Im Online-Anhang (Zusatzanalyse I) findet sich darüber hinaus eine Validitätsprüfung dieser Faktorlösung.

5.2 Ergebnisse der Clusteranalyse

Um die ideale Clusterlösung zu finden, werden 2- bis 10- Clusterlösungen mit dem in Abschnitt 4 beschriebenen Verfahren berechnet. Der Calinski-Harabasz-Index, der Maßzahlen über die Distinktheit unterschiedlicher Clusterlösungen bereitstellt, weist eine 3-Clusterlösung als die klarste Differenzierung zwischen Einstellungsprofilen aus (siehe Tab. 8 im Online-Anhang). Neben Maßzahlen über die Heterogenität/Homogenität innerhalb und zwischen Clustern stellt die inhaltliche Interpretierbarkeit der Cluster (Bacher et al. 2010: 18) ein weiteres entscheidendes Kriterium dar. Ein Blick auf Ergebnisse der 3-Clusterlösung (siehe Abb. 5 im Online-Anhang) zeigt, dass sich diese nur schwer sinnvoll interpretieren lassen. Das liegt vor allem daran, dass die beiden ökonomischen Dimensionen kaum zwischen den Clustern variieren. Die Ergebnisse der 2- und 3- Clusterlösungen müssen aber dennoch insofern ernst genommen werden, als dass sie darauf hindeuten, dass kulturelle Einstellungen einen stärkeren Einfluss auf große politische Konfliktkonstellationen haben, während ökonomische Einstellungen erst bei feineren Unterscheidungen eine Rolle für die Ausdifferenzierungen von Einstellungsprofilen zu spielen scheinen. Die 4-Clusterlösung lässt hingegen klare Muster erkennen, die sich inhaltlich interpretieren lassen. Allerdings zeigt ein Blick auf die höheren Clusterlösungen, dass für zwei Cluster noch wichtige Ausdifferenzierungen stattfinden. Cluster 2, das sich durch konservative Einstellungen bezüglich individueller Freiheitsrechte auszeichnet, differenziert sich in der 5-Clusterlösung in ein migrationsfeindliches (Cluster 2) und ein migrationsfreundliches Cluster (Cluster 3) aus. Cluster 4 der 4- Clusterlösung wiederum differenziert sich in der 6-Clusterlösung in ein umverteilungskritisches (Cluster 6) und ein dezidiert umverteilungsbefürwortendes Cluster (Cluster 1) aus. Bei beiden Gruppen differenzieren sich moderate Positionen also in dezidiert progressive und regressive Positionen aus, wodurch ihre politischen Überzeugungen klarer nachvollzogen werden können. In der 7- Clusterlösung bildet sich kein inhaltlich eigenständiges Cluster aus, sondern eine moderatere Form von Cluster 3, weshalb der zusätzliche Informationsgehalt dieser Clusterlösung gering ist. Aus diesem Grund steht die 6-Clusterlösung im Zentrum der Analyse. Die anderen Clusterlösungen sowie ihre sozialstrukturellen Merkmale werden in den Zusatzanalysen II im Online-Anhang diskutiert. Auf diese Weise kann die Abfolge der Ausdifferenzierungen und deren Auswirkungen auf die sozialstrukturellen Merkmale der jeweiligen Einstellungsprofile nachvollzogen werden. Darüber hinaus wird die Validität dieser 6- Clusterlösung durch eine Reihe von Verfahren (Diskriminanzanalyse, Berechnung des Silhouette-Koeffizienten, Berechnungen des adjustierten Rand-Indexes, Berechnungen mit anderen clusteranalytischen Verfahren sowie Berechnungen mit anderen Datensätzen) getestet (siehe Zusatzanalysen III im Online Anhang). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich bei der vorgefundenen Clusterstruktur um ein robustes Muster handelt und um kein reines Zufallsergebnis.

Abb. 1: Ergebnisse der Clusterlösung (eigene Berechnungen auf Basis von Faktorscores mit Daten der EVS 2017)
Abb. 1:

Ergebnisse der Clusterlösung (eigene Berechnungen auf Basis von Faktorscores mit Daten der EVS 2017)

In der finalen 6- Clusterlösung (vgl. Abb. 1) lassen sich Cluster 1 und Cluster 2 am einfachsten interpretieren. Sie haben progressive bzw. regressive Einstellungen in allen Dimensionen und können als linkes bzw. als rechtes Einstellungscluster bezeichnet werden, wenngleich bei Cluster 2 nur eine moderat umverteilungskritische Haltung erkennbar ist.

Cluster 3 zeichnet sich durch ausgesprochen konservative Einstellungen zu individuellen Freiheitsrechten aus, hebt sich aber von einem rechten Einstellungsprofil durch progressive Migrationseinstellungen ab. Angehörige dieses Clusters lehnen abweichende Verhaltensformen zwar entschieden ab, sind aber für den Zuzug von Migrantinnen offen. Damit erinnert das Einstellungsprofil an das politische Lager der gemäßigt-Konservativen, das darauf pocht, dass Traditionen und Hierarchien eingehalten werden, aber gleichzeitig auch Wert darauf legt, dass die Gesellschaft sich um sozial Schwache kümmert (Vester et al. 2001: 58). Aus diesem Grund wird dieses Cluster im Folgenden als „Gemäßigter Konservatismus“ bezeichnet. Cluster 4 weist die gegenteilige Einstellungskombination auf: Umverteilung und Migration werden abgelehnt und lediglich individuelle Freiheitsrechte werden befürwortet. Dieses Einstellungsmuster wird als „rechtslibertär“ bezeichnet und weist Ähnlichkeiten zu wirtschaftsliberalen Strömungen auf, wo staatliche Eingriffe in ökonomische Prozesse abgelehnt und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten für Individuen befürwortet werden (Gamble 2013). Diese wirtschaftsliberale Einstellungskombination wird durch die Ablehnung von Migration komplementiert. Welche Logik dieses Einstellungsprofil zusammenhält, kann mit den vorliegenden Daten nicht abschließend geklärt werden, es ist möglich, dass eine starke Marktorientierung dazu führt, dass Migrantinnen abgewertet werden, da sie nicht als erfolgreiche Marktsubjekte angesehen werden (Butterwegge 2008). Es ist aber auch denkbar, dass Migrantinnen nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aufgrund ihrer kulturellen Andersheit abgelehnt werden.

Cluster 5 kombiniert umverteilungsbefürwortende Einstellungen mit regressiven Positionen zum Thema Migration. Die ökonomische Solidargemeinschaft wird also nationalistisch definiert, weshalb diese Gruppe als „National-Solidarisch“ bezeichnet werden soll. Dieses Einstellungsprofil weist Ähnlichkeiten zu aktuellen Debatten über Kommunitaristen auf (Merkel & Zürn 2019), wo ebenfalls eine Kombination ökonomisch progressiver Einstellungen (vor allem in Form von Forderungen nach protektionistischen Maßnahmen) und kulturell regressiven Einstellungen (Ablehnung von Migration und Transnationalisierungsprozessen) angesprochen wird. Cluster 6 kann wiederum als Antipode zu diesem national-solidarischen Einstellungsprofil verstanden werden, da umverteilungskritische Positionen mit kulturell progressiven Einstellungen kombiniert werden. Ökonomischer Liberalismus geht also mit kulturellem Liberalismus einher, weshalb dieses Cluster als „progressiver Neoliberalismus“ (Fraser 2017) bezeichnet werden soll.

Darüber hinaus werden separate Clusteranalysen für West- und Ostdeutschland durchgeführt. In der westdeutschen Bevölkerung finden sich die gleichen Clusterstrukturen wie in der Gesamtbevölkerung (siehe Abb. 6 und 7 im Online-Anhang). In der ostdeutschen Bevölkerung findet sich hingegen kein rein rechtes Einstellungscluster und ein progressiv-neoliberales Cluster findet sich erst in der 8- Clusterlösung. Stattdessen sind national-solidarische Einstellungsprofile weiter verbreitet, weshalb sich hier früher als in den alten Bundesländern Variationen dieses Clusters herausbilden. Trotz dieser Unterschiede zwischen den Clusterstrukturen in West- und Ostdeutschland sind die Gemeinsamkeiten groß genug, um eine gemeinsame Analyse zu rechtfertigen, weil sich die signifikanten Unterschiede auf die stärkere Verbreitung national-solidarischer Einstellungscluster in den neuen Bundesländern beschränken.

5.3 Deskriptive Analyse der Cluster

Die Cluster werden nun im Hinblick auf Parteizugehörigkeiten und Lebensführung beschrieben. In Abbildung 2 sind die Clusterzugehörigkeiten innerhalb der Wählerschaften der sechs Parlamentsparteien abgebildet. Im Online-Anhang finden sich zudem Darstellungen der prozentualen Über- bzw. Unterrepräsentationen der sechs Cluster innerhalb der jeweiligen Gruppen der Parteisympathisantinnen (Abb. 8) sowie zur Verteilung der Wahlpräferenzen innerhalb der sechs Cluster (Abb. 9).

Abb. 2: Einstellungsprofile nach Parteipräferenz
Abb. 2:

Einstellungsprofile nach Parteipräferenz

Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Grünen rekrutieren sich vor allem aus Angehörigen des linken Einstellungsprofils sowie der Gruppe der progressiv Neoliberalen. Es gibt also innerhalb der Wählerschaft der Grünen einen progressiven Konsens bezüglich kultureller Positionen, allerdings eine Spaltung zwischen umverteilungsbefürwortenden und umverteilungsablehnenden Anhängerinnen. Ähnlich verhält es sich bei der AfD. Hier sind alle drei migrationsfeindlichen Cluster (Rechte, Rechtslibertäre und insbesondere National-Solidarische) überdurchschnittlich stark vertreten und es scheint einen Konsens bezüglich ausländerfeindlicher Einstellungen zu geben, während die ökonomischen Einstellungen stark variieren. Die FDP rekrutiert sich überproportional stark aus Angehörigen der Gruppe der Rechtslibertären, was wenig überrascht, da die FDP weitgehend äquivalente Positionen vertritt, da zwar individuelle Freiheitsrechte (wie beispielsweise die Legalisierung von Cannabis-Konsum) befürwortet wird, Umverteilung und Migration allerdings abgelehnt werden.

Das rechte Einstellungscluster und die gemäßigt Konservativen neigen beide sehr stark zur CDU/CSU, was darauf hindeutet, dass die CDU/CSU vor allem Personen mit konservativen Einstellungen in der Dimension des kulturellen Liberalismus anspricht, die Migrationseinstellungen aber stark variieren. Die SPD rekrutiert sich überraschenderweise etwa gleich stark aus allen sechs Einstellungsprofilen, sie scheint damit das Elektorat mit der heterogensten Zusammensetzung an ideologischen Profilen darzustellen.

In Abschnitt 3 wurde die Hypothese aufgestellt, dass politische Einstellungen stark in die Lebenswelt von Menschen integriert sind und politische Wertorientierungen mit bestimmten Formen der Lebensführung korrespondieren. Um diese Annahmen zu testen, wird die Beziehung zwischen unterschiedlichen Indikatoren für Lebensführungsprinzipien und den Clusterzugehörigkeiten untersucht. In der EVS 2017 gibt es einige Items, die nach Prioritäten im Leben fragen und damit Rückschlüsse auf grobe lebensweltliche Orientierungen zulassen. Eine Übersicht zu den verwendeten Items findet sich in Tabelle 8 im Online-Anhang. Diese beinhalten Fragen nach der Wichtigkeit von gutem Benehmen, Fantasie, Entschlossenheit, Autoritätshörigkeit, guter Bezahlung und Entfaltung im Beruf. In Tabelle 2 werden die Prinzipien der Lebensführung mit den sechs Einstellungsclustern kreuztabelliert und die dazugehörigen Pearson Chi Quadrat-Werte berechnet (adjusted standardised residuals). Werte über 2 bzw. unter –2 zeigen statistisch signifikante positive (hell markiert) bzw. negative (dunkel markiert) Beziehungen an. Das linke und das progressiv-neoliberale Einstellungscluster zeichnen sich durch die Ablehnung von Konformität und der Priorisierung von Fantasie und beruflicher Selbstentfaltung aus. Es handelt sich damit – neben hier ebenfalls vorliegenden kulturell progressiven Wertorientierungen – um Eigenschaften, die Reckwitz (2019: 90 ff.) allesamt der neuen Mittelklasse zuschreibt. Der gemäßigte Konservatismus, die National-Solidarischen und vor allem das rechte Einstellungscluster erachten hingegen die genau umgekehrten Wertekombinationen als wichtig, indem nach Sicherheit und Anpassung gestrebt wird. Das rechtslibertäre Einstellungscluster hebt sich durch den großen Fokus auf ökonomische Tugenden ab, da vor allem eine gute Bezahlung, Entfaltung im Berufsleben und die Fähigkeit, sich durchsetzen zu können, als wichtig erachtet werden. In diesem Cluster scheint damit eine starke Erfolgsorientierung vorzuherrschen, die sich sowohl von der kulturellen Selbstentfaltung der Linken und progressiv Neoliberalen, aber auch der starken Autoritätshörigkeit der übrigen Einstellungscluster unterscheidet. Die Clusterzugehörigkeiten korrespondieren also nicht nur mit politischen Verhaltensformen (Wahlpräferenzen), sondern auch mit lebensweltlichen Einstellungen und Orientierungen, was auf eine enge Beziehung zwischen dem sozialen Raum und dem politischen Feld hindeutet.

Tab. 2:

Beziehung zwischen Prinzipien der Lebensführung und Clusterzugehörigkeiten. Angabe von Chi-Quadrat-Werten (Quelle: EVS 2017, eigene Berechnungen)

Links

Rechts

Gemäßigter Konservat.

Rechts-libertär

National-Solidarisch

Progressiver Neoliberal.

Gutes Benehmen (Priorität bei Erziehung)

–6.868

4.709

–0.603

1.414

3.177

–2.217

Autoritäten respektieren (generelle Wichtigkeit)

–4.327

3.362

2.114

0.507

1.351

–3.192

Gute Bezahlung (Wichtigkeit für Beruf)

–2.551

0.853

–1.865

2.135

2.894

–2.131

Entschlossenheit (Priorität bei Erziehung)

1.192

–4.828

–2.170

3.890

–0.141

1.790

Entfaltung (Wichtigkeit für Beruf)

2.761

–2.428

–3.491

2.082

–1.719

2.626

Fantasie (Priorität für Erziehung)

8.850

–5.029

–4.795

–1.354

–2.443

4.877

5.4 Multivariate Analyse der Cluster

Im Folgenden werden diese Erkenntnisse über die Beziehungen zwischen politischen Einstellungen und lebensweltlichen Präferenzen durch eine multivariate Analyse der sozialstrukturellen Profile der Cluster ergänzt. In Abbildung 3 werden die Ergebnisse der multinomialen Regression durch einen Koeffizientenplot dargestellt. Die detaillierten Ergebnisse der Regressionen finden sich in der Tabelle 10 im Online-Anhang. Dabei werden durchschnittliche marginale Effekte berechnet, die angeben, welchen Einfluss die jeweilige unabhängige Variable auf die Wahrscheinlichkeit hat, einem bestimmten Cluster im Vergleich zu allen anderen Clustern anzugehören. Um die Darstellung der Ergebnisse zu vereinfachen, werden im Folgenden immer zwei Cluster, die in ihren politischen Profilen maximal voneinander abweichen, gemeinsam vorgestellt.

Das linke und das rechte Einstellungsprofil weisen bei vielen der untersuchten Merkmale diametral entgegengesetzte Effekte auf. Die Linken sind eher jung, weiblich, nicht religiös, aus Westdeutschland und gebildet. Die Rechten hingegen wohnen tendenziell eher auf dem Land und sind überdurchschnittlich alt, männlich, religiös und ungebildet. Auch bei Vester et al. (2001: 58 ff) finden sich mit dem Lager der Sozialintegrativen und dem Lager der Enttäuscht-Autoritären ein konsequent universalistisches und ein konsequent partikularistisches Einstellungsprofil. Auch die sozialstrukturellen Profile dieser Lager ähneln jenen der beiden vorgestellten Cluster, mit Ausnahme der Tatsache, dass die Sozialintegrativen im Gegensatz zu den Linken nur mittleres Bildungsniveau aufweisen (ebd. 2001: 447). Im Antagonismus zwischen Links und Rechts bündeln sich damit eine Reihe sozialstruktureller Merkmale, wie Bildung, Alter, Stadt/Land oder Religiosität, die bereits in vielen anderen Forschungsarbeiten als Trennungslinien zwischen linken und rechten Einstellungen oder Wahlpräferenzen identifiziert wurden (vgl. dazu beispielsweise Inglehart & Norris 2019: 272). Der Konflikt zwischen konsequentem Universalismus und konsequentem Partikularismus findet sich also idealtypisch zwischen jungen Bildungsgewinnerinnen mit alternativen Lebensstilen und alten, ungebildeten, auf dem Land wohnenden Personen mit traditionellen und autoritätshörigen Formen der Lebensführung.

Abb. 3: Koeffizientenplot der Ergebnisse der multinomialen Regression (marginale Effekte, gewichtet)
Abb. 3:

Koeffizientenplot der Ergebnisse der multinomialen Regression (marginale Effekte, gewichtet)

Auch die Effekte des nächsten Gegensatzpaares – gemäßigter Konservatismus und Rechtslibertäre – weisen bei den meisten Merkmalen in entgegengesetzte Richtungen. Die Anhängerinnen des gemäßigten Konservatismus sind eher alt, religiös, haben Migrationshintergrund und gehören überdurchschnittlich häufig den unteren Bildungs- und Einkommensklassen an. Die Rechtslibertären sind hingegen jung, säkular, haben keinen Migrationshintergrund und kommen aus den oberen Bildungs- und Einkommensklassen. Einzig die Überrepräsentation Westdeutscher und Großstädter eint diese beiden Einstellungsprofile, wobei diese Effekte beim gemäßigten Konservatismus jeweils nicht signifikant sind. Auf der einen Seite stehen mit dem gemäßigten Konservatismus also Angehörige aus einfachen Verhältnissen, die einen bodenständigen Lebensstil pflegen und ein Streben nach kultureller Selbstentfaltung ablehnen. Ihnen ist es wichtig, Autoritäten anzuerkennen und Migrantinnen zu unterstützen. Auch hier gibt es – wie beim rechten Einstellungsprofil – einen positiven und signifikanten Effekt von Religiosität. Diese scheint also nicht nur zur Legitimierung sozialer Ungleichheiten zu dienen, sondern auch mit Solidarität gegenüber sozial Schwachen bei gleichzeitigem Traditionsbewusstsein zusammenzuhängen. Der zentrale sozialstrukturelle Unterschied zu der Gruppe der Rechten stellt die stärkere Verwurzelung in städtischen Arbeiterinnenmilieus dar. Darüber hinaus sind auch Personen mit einem Migrationshintergrund in dieser Gruppe überrepräsentiert.

Die Rechtslibertären repräsentieren hingegen sowohl ideologisch als auch sozialstrukturell das genaue Gegenteil dieses Denkmusters. Sie verschreiben sich einer neoliberalen Ideologie und bejahen dynamische Tendenzen des Kapitalismus. Individuelle Freiheitsrechte werden bejaht, da Traditionen der vollen Potentialentfaltung eines Wirtschaftssubjekts im Weg stehen. Obwohl dieses Cluster nicht nur überdurchschnittlich viel verdient, sondern auch höhere Bildungsklassen überrepräsentiert sind, wird hier kein Narrativ kultureller Selbstentfaltung wie beim linken Einstellungscluster propagiert. Stattdessen orientiert sich die Lebensführung stark an materialistischen Werten. Überdurchschnittlich viele Angehörige dieses Clusters wählen die FDP oder die AfD, was durchaus Sinn macht, da beide Parteien sowohl wirtschaftsliberale sowie – wenngleich mit variierender Schärfe – wohlstandschauvinistische Positionen vertreten. Der Antagonismus zwischen diesen beiden Einstellungsprofilen lässt sich auch als Gegensatz zwischen einem Regulierungs- und einem Dynamisierungsparadigma deuten (Reckwitz 2019: 250). Auf der einen Seite stehen Vorstellungen eines moderaten Wohlfahrtsstaates, der die Entstehung starker Ungleichheiten verhindert und auch sozial Schwache unterstützt, allerdings dabei auch eine rigide Gesellschaftsordnung vorgibt. Auf der anderen Seite wird Eigenverantwortlichkeit propagiert und der Staat als Bremse für die Entfaltung unternehmerischer Aktivität und persönliches Erfolgsstreben angesehen.

Zwischen national-solidarischem und dem progressiv-neoliberalen Cluster zeigen sich vor allem deutliche Unterschiede bezüglich des Bildungsniveaus und der regionalen Zugehörigkeit. Progressive Neoliberale rekrutieren sich stark aus höheren Einkommens- und Bildungsklassen und aus Westdeutschland, während National-Solidarische überproportional aus unteren Bildungsklassen und aus Ostdeutschland kommen. Die stärkere Verbreitung national-solidarischer Einstellungsprofile in den neuen Bundesländern wurde durch die separat für West- bzw. Ostdeutschland durchgeführten Clusteranalysen deutlich (siehe Abb. 6 und 7 im Online-Anhang). Diese Ergebnisse überraschen nicht, da Studien zeigen, dass sowohl umverteilungsbefürwortende (Noll & Weick 2012) als auch migrationskritische Positionen (Arzheimer 2021) in den neuen Bundesländern weiter verbreitet sind als in den alten Bundesländern. Der Antagonismus zwischen National-Solidarischen und progressivem Neoliberalismus findet sich in ähnlicher Form auch in Debatten zum Cleavage zwischen Kosmopolitinnen und Kommunitaristinnen (Merkel & Zürn 2019). Auf der einen Seite stehen hier kulturell progressive Freunde des internationalen Kapitals und auf der anderen Seite Verteidigerinnen eines protektionistischen Nationalstaates. Es ist allerdings fraglich, ob die Globalisierung als Ursache dieses Antagonismus angesehen werden kann. Zum einen darf nicht vergessen werden, dass national-solidarische Einstellungen kein Kind der Globalisierung zu sein scheinen, da sie bereits vor vielen Jahrzehnten anzutreffen waren (Lipset 1959). Zum anderen gibt es kaum Hinweise darauf, dass die Globalisierung neue soziale Interessenskonstellationen erzeugt hat, die über den klassischen Cleavage zwischen Kapital und Arbeit hinausgehen (Langsæther & Stubager 2019).

Abb. 4: Effekte von Berufsklassen auf die Clusterzugehörigen (Quelle: EVS 2017, eigene Berechnungen)
Abb. 4:

Effekte von Berufsklassen auf die Clusterzugehörigen (Quelle: EVS 2017, eigene Berechnungen)

Es lässt sich damit zusammenfassen, dass es drei Einstellungsprofile gibt, die sich eher aus unteren Einkommens- und Bildungsklassen rekrutieren sowie drei Einstellungscluster, die sich eher aus gehobenen Einkommens- und Bildungsklassen rekrutieren. In Abbildung 4 werden die groben sozialstrukturellen Unterschiede zwischen den Clustern durch eine Darstellung der Effekte von Berufsklassen zusammengefasst. Angehörige der Arbeiterklasse haben im Vergleich zur oberen Dienstklasse eine signifikant höhere Chance, dem Cluster der Rechten, des gemäßigten Konservatismus und der National-Solidarischen anzugehören, während es sich bei den Clustern der Linken, der Rechtslibertären und der progressiv Neoliberalen genau umgekehrt verhält.

Aus dieser Gegenüberstellung wird ersichtlich, dass beispielsweise Allianzen für eine progressive bzw. regressive Migrationspolitik stets Klassenkoalitionen darstellen. Es ist nicht allein die Arbeiterklasse, die Migration kritisch gegenübersteht, sondern mit dem Cluster der Rechtslibertären auch ein ökonomisch gehobenes Milieu. Umgekehrt gibt es mit dem Cluster des gemäßigten Konservatismus auch ein Arbeiterklassenmilieu, das für eine progressive Migrationspolitik mobilisierbar ist.

Das gleiche gilt für ökonomische Positionen. Diese scheinen zwar auch stark durch eigene materielle Ressourcen determiniert zu werden, doch es finden sich mit dem linken Einstellungsprofil auch in einem gehobenen Lager progressive Umverteilungspräferenzen, wenngleich diese diese Gruppe vor allem durch kulturelle Ressourcen privilegiert ist. Umgekehrt finden sich tendenziell kritische Umverteilungspräferenzen mit dem rechten Einstellungsprofil auch in Teilen der Arbeiterklasse. In Bezug auf kulturellen Liberalismus scheint es sich hingegen eher um eine Frage des Alters bzw. der Religiosität zu handeln, da in den beiden konservativsten Clustern hinsichtlich dieser Dimension (gemäßigter Konservatismus und Rechte) Personen über 68 Jahren sowie religiöse Personen überrepräsentiert sind.

Die Analyse der Einstellungsprofile erlaubt es nicht nur, die sozialstrukturellen Konfliktlinien unterschiedlicher Einstellungsdimensionen freizulegen, sondern auch umgekehrt milieuspezifische Variationen politischen Denkens innerhalb der Arbeiter- und Mittelklasse freizulegen. So scheint eine grundsätzliche Ablehnung von Gleichheit eher in der ländlichen Arbeiterklasse verankert zu sein, während die urbane bzw. migrantische Arbeiterklasse progressivere Migrationseinstellungen aufweist. Eine nationalistische Umverteilungsbefürwortung findet sich hingegen vor allem in säkularen und ostdeutschen Fraktionen der Arbeiterklasse, die vergleichsweise jünger sind. In der Mittelklasse zeigt sich zunächst eine zentrale Spaltung hinsichtlich der individuellen Lebensführung. Für die Linken und die progressiv Neoliberalen gelten nicht Autoritätshörigkeit, sondern Fantasie und berufliche Selbstentfaltung als zentrale Leitwerte für das eigene Leben. Auch wenn sie in dieser Hinsicht beide einer kulturellen Mittelklasse nach Reckwitz (2017) zugerechnet werden können, unterscheiden sie sich sozialstrukturell und ideologisch voneinander. Die progressiven Neoliberalen sind älter und kommen aus höheren Einkommensschichten und verknüpfen im Gegensatz zu den Linken Werte der Toleranz und der kulturellen Selbstentfaltung mit ökonomischem Konservatismus. Eine kulturell offene Lebensführung sowie kulturell progressive politische Positionen können also mit sehr unterschiedlichen ökonomischen Positionen kombiniert werden. Die Rechtslibertären legen hingegen keinen Wert auf Kreativität oder antiautoritäre Erziehungsideale. Sie rekrutieren sich eher aus einem materialistischen und erfolgsorientierten Milieu, das einer neoliberalen Ideologie noch affirmativer gegenübersteht als die progressiven Neoliberalen. Die Rechtslibertären akzeptieren nämlich nicht nur ökonomische Ungleichheiten, sondern sie integrieren das Streben nach Erfolg auch in ihre persönliche Lebensführung.

6 Fazit

In der Cleavage-Forschung wird zumeist der Versuch unternommen den einen sozialstrukturellen Konflikt zu finden, der politischen Antagonismen zugrunde liegt. Dieses Unterfangen ist zweifellos wichtig, allerdings wird die Komplexität politischer Konfliktkonstellationen dabei zumeist übersehen. Die vorliegende Analyse konnte durch die Konstruktion unterschiedlicher Einstellungsprofile auf der Basis dreier Konfliktdimensionen zeigen, dass politische Auseinandersetzungen als Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Milieus interpretiert werden können. Die soziale und politische Welt kann trotz ähnlicher sozialer Lagen sehr unterschiedlich gedeutet und interpretiert werden. Das linke Einstellungsprofil rekrutiert sich vor allem aus einer jungen Bildungselite, die zwar nicht überdurchschnittlich viel Geld verdient, aber distinkten Lebensführungsprinzipien und kulturell progressiven Positionen folgt. Diese Ergebnisse decken sich mit den Befunden anderer Forschungsarbeiten, die zeigen, dass kulturell dominierende Klassenfraktionen zu linken Positionen in allen Dimensionen neigen (Jarness et al. 2019, Flemmen & Haakestad 2018). Die ökonomisch besser ausgestatteten progressiven Neoliberalen weisen hingegen Ähnlichkeiten zur Figur des „Bobos“ (Brooks 2000) auf, da sie antihegemoniale Lebensstile mit elitären Ansichten kombinieren und dem Neoliberalismus einen progressiven Anstrich geben wollen. Die Rechtslibertären rekrutieren sich wiederum aus einem weitaus materialistischeren Oberschichtsmilieu. Sie sind vergleichsweise jung, urban, säkular und legen großen Wert auf persönliche Freiheiten und eine erfolgsorientierte Lebensführung. Die drei Cluster der Arbeiterklasse unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Einbindung in religiöse Milieus auf dem Land (rechtes Einstellungsprofil), in städtische oder migrantische Arbeiterinnenmilieus (gemäßigter Konservatismus) oder in junge, säkulare und ostdeutsche Arbeiterinnenmilieus (National-Solidarische).

Prominent diskutierte Erzählungen von einer Spaltung zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus (Merkel & Zürn 2019) sind nicht aus der Luft gegriffen, stellen aber eine starke Vereinfachung politischer Konfliktkonstellationen dar. Ein derartiges Lagerdenken übersieht oftmals, dass progressive Migrationseinstellungen nicht immer mit ökonomischem Liberalismus und regressive Migrationseinstellungen nicht immer mit dem Wunsch, einen starken Wohlfahrtsstaat zu bewahren, einhergehen (für eine pointierte Kritik zu dieser Problematik siehe Biskamp 2020 oder Mau et al. 2020). Auch die Gegenüberstellung von kosmopolitischer Mittelklasse und ausländerfeindlicher Arbeiterklasse stellt bei genauerer Betrachtung eine grobe Vereinfachung dar. Derartige Analysen übersehen die Heterogenität politischen Denkens innerhalb sozialer Klassen, da die eigene soziale Lage je nach Milieuzugehörigkeit sehr unterschiedlich gedeutet und interpretiert werden kann. In der vorliegenden Analyse weisen drei Paare von Einstellungsprofilen in ihren Positionen fast maximale Distanzen zueinander auf und repräsentieren damit drei unterschiedlich gelagerte Antagonismen. So gibt es einen Konflikt zwischen nationaler Solidarität in der Arbeiterklasse und neoliberalen Kosmopolitismus in der Mittelklasse (National-Solidarisch vs. progressiver Neoliberalismus); zwischen einem jungen, urbanen, gebildeten Universalismus und einem alten, ländlichen, ungebildeten Partikularismus (Links vs. Rechts) sowie zwischen einer neoliberalen Leistungsideologie, die von einer jungen und erfolgsorientierten Einkommenselite getragen wird und dem solidarischen Konservatismus einer alten und religiösen Arbeiterklasse (Rechtslibertär vs. Gemäßigter Konservatismus).

Während die Dealignment-These davon ausgeht, dass sich Parteipräferenzen zusehends individualisieren (Clark et al. 1993, Dalton 2002), konnte die vorliegende Analyse zeigen, dass es klare Muster politischer Loyalitäten gibt. Allerdings handelt es sich gleichzeitig nicht immer um eindeutige Affinitäten, sondern um komplexe Präferenzkonstellationen, da unterschiedliche Einstellungsprofile in der Regel überdurchschnittlich große Präferenzen für zwei Parteien aufweisen. So mobilisieren beispielsweise die Grünen vor allem Personen mit kulturell progressiven Einstellungen, ganz egal, ob diese darüber hinaus ökonomisch progressive (linkes Einstellungsprofil) oder ökonomisch regressive Positionen (progressiver Neoliberalismus) vertreten. Das gleiche Muster zeigt sich bei der AfD, die Personen mit migrationsfeindlichen Einstellungen mobilisieren kann, während die ökonomischen Einstellungen sehr stark variieren (Rechtslibertäre oder National-Solidarische). Die Elektorate der unterschiedlichen Parteien repräsentieren in dieser Hinsicht Milieukoalitionen und Parteien müssen sich in der Fähigkeit der „multivocality“ (Gidron 2016: 30), also dem Vermögen mehrere Sprachen gleichzeitig zu sprechen, üben. Konkret heißt das, dass durch die Betonung einzelner Konfliktdimensionen und die gezielte Ambiguität in anderen Dimensionen der Kreis an mobilisierbaren Milieus erweitert werden kann[4]. In der Cleavage-Forschung wird oftmals untersucht, inwiefern eine bestimmte soziale Gruppe Affinitäten für eine bestimmte Partei aufweist. Bei genauerer Betrachtung scheint es logisch, dass Parteien nicht nur versuchen eine einzige soziale Gruppe, sondern mehrere Milieus zu mobilisieren und repräsentieren. Diese Konstellationen können als „fuzzy cleavages“ bezeichnet werden, da politische Loyalitäten etwas ambivalenter und unklarer sind als dies im klassischen Cleavage-Konzept antizipiert wird, gleichzeitig aber auch nicht als vollkommen strukturlos angesehen werden können. In eine ähnliche Stoßrichtung gehen Oesch & Rennwald (2018), die mit ihren Analysen zeigen können, dass es einige Klassenfraktionen gibt, die für zwei Parteifamilien Affinitäten aufweisen.

Die Konstruktion von Einstellungsprofilen ist für die Einstellungsforschung als Analysetool vielversprechend. Die sozialstrukturellen Determinanten von Einstellungsprofilen ermöglichen ein differenzierteres Bild der Formierung politischer Präferenzen. Nicht (nur) der Einfluss einzelner sozialstruktureller Merkmale auf einzelne Einstellungsdimensionen, sondern die Beziehung zwischen sozialstrukturellen Profilen und politischen Einstellungsprofilen, also die Homologie zwischen dem Sozialen und dem Politischen (vgl. dazu auch Jarness 2019; Flemmen & Haakestad 2018; Bourdieu 1982: 708), sollte stärker ins Zentrum der Analyse rücken.

Die vorgestellten Cluster ähneln teilweise den politischen Lagern, die Vester et al. (2001) entwickelt haben, können deren Typologie aber auch erweitern und aktualisieren. So gibt es dort noch kein politisches Lager, welches sich aus gehobenen sozialen Lagern rekrutiert und eine neoliberale Leistungsideologie vertritt. Das Lager der Traditionell-Konservativen rekrutiert sich zwar aus gehobenen sozialen Lagen und pocht auf die Einhaltung von Hierarchien, versteht sich dabei aber selbst auch als Patron, der eine gewisse Schutzfunktion gegenüber seinen Untergebenen zu erfüllen hat (Vester et al. 2001: 58). Das Cluster der Rechtslibertären scheint demgegenüber eher auf individuelle Verantwortung und Leistungsbereitschaft zu pochen. Das Fehlen eines gehobenen, konservativen und auf sozialen Ausgleich ausgerichteten Lagers deutet möglicherweise darauf hin, dass sich Volks- und Elitemilieus voneinander entkoppeln, da Letztere dem Neoliberalismus zusehends affirmativ gegenüberstehen und es dadurch zu einer Krise der Repräsentation kommt (Vester 2003). Zudem finden sich auch bei Vester et al. (2001) Korrespondenzen zwischen politischen Einstellungen und sozialen Milieus, allerdings wird dort stärker die Unabhängigkeit des politischen Feldes betont. Ob es sich hierbei lediglich um unterschiedliche Akzentuierungen bei ähnlichen Ergebnissen handelt oder ob die vorliegenden Ergebnisse eine stärkere Politisierung sozialer Milieus im Vergleich zu den 90er Jahren andeuten, kann nicht abschließend beantwortet werden, da ein direkter Vergleich der beiden Analysen durch unterschiedliche methodische Herangehensweisen schwierig ist. Auch Vergleiche zu anderen politischen Typologien fallen schwer, da diesen andere Merkmale zugrunde liegen. So greifen El-Menouar & Unzicker (2021) auf Persönlichkeitsmerkmale und Wertorientierungen zurück sowie Krause & Gagné (2019) auf autoritäre Einstellungen, Moralvorstellungen und Wahrnehmungsbedrohungen. Dennoch zeigen sich insofern Ähnlichkeiten, als dass es in beiden Typologien einen Antagonismus zwischen einer offenen und progressiven sowie einer erfolgsorientierten bzw. materialistischen Mittelklasse gibt (El-Menouar & Unzicker 2021: 10; Krause & Gagneé 2019: 10). Darüber hinaus findet sich auch in den Analysen von Krause & Gagné 2019 eine national-solidarische Gruppe, die vor allem aus der Arbeiterklasse kommt und mit den herrschenden Verhältnissen äußerst unzufrieden ist (ebd.: 57).

Die vorliegende Analyse erhebt nicht den Anspruch, die einzig wahre Struktur politischer Einstellungskombinationen freilegen zu können. Auch wenn die EVS 2017 eine breite Palette an Einstellungsfragen abdeckt, handelt es sich um eine mögliche Typisierung von Kombinationen politischer Einstellungen, die von den zugrunde gelegten Einstellungsdimensionen abhängig bleibt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Clusteranalyse nur mit jenen Personen durchgeführt wurde, die alle Einstellungsfragen beantwortet haben. Personen, die bestimmte Fragen nicht beantwortet haben, mussten aus der Analyse ausgeschlossen werden. Die Clusteranalysen konnten Meinungslosigkeit also nicht in die Analyse miteinbeziehen, wodurch tendenziell Personen aus der Analyse ausgeschlossen werden, die eher ungebildet und politisch desinteressiert sind (Bourdieu 1982: 621). Zukünftige Forschungsarbeiten könnten darüber hinaus durch Ländervergleiche den Einfluss wohlfahrtsstaatliche Arrangements, Parteiensystemen und politische Diskurse auf die Herausbildung ideologischer Positionen analysieren. In qualitativen Forschungsarbeiten könnte die lebensweltliche Einbettung politischer Einstellungen stärker thematisiert werden, indem hier die Wichtigkeit politischer Positionen für die eigene Identität und für symbolische Grenzziehungsprozesse gegenüber anderen Milieus sollten, ins Zentrum gerückte würde.

About the author

Florian Buchmayr

Florian Buchmayr, geb. 1991, M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen, Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik (Socium). Forschungsschwerpunkte: Soziale Ungleichheiten, Soziale Milieus, Politische Soziologie.

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Published Online: 2022-11-10
Published in Print: 2022-11-03

© 2022 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Downloaded on 25.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2022-0021/html
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