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Publicly Available Published by De Gruyter Saur July 6, 2022

Open Science zwischen Enthusiasmus und Ernüchterung

Open Science Conference, 8. bis 10. März 2022

  • Anne-Katharina Weilenmann EMAIL logo

Open Science – offene Wissenschaft, Öffnung der Wissenschaft – kann das gelingen? „Open bzw. offen ist ein Begriff, der viele Assoziationen erlaubt. Wir stellen uns offene Türen oder offene Räume vor oder auch einen weiten Horizont.“[1] Dies ist treffend ausgedrückt, ergründet man jedoch den Sachverhalt, zeigt sich die Komplexität mit den verschiedenen Nuancen der Thematik; je offener sich das Tor präsentiert, desto diffuser, vielleicht auch undurchsichtiger, erscheint manchmal der Innenbereich. Die Open Science Conference ist ein Forum, das diese Offenheit aufgreift und kritisch beleuchtet, Raum bietet zu (hinter-)fragen, was die Community beschäftigt.

Zum neunten Mal fand vom 8. bis 10. März 2022 die Open Science Conference statt, wie bereits im letzten Jahr auch diesmal in virtueller Form.[2] In Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission stand zusätzlich zur Konferenz eine Panel-Diskussion und ein Workshop zur Umsetzung der „UNESCO Recommendation on Open Science“[3] auf dem Programm.

Die Veranstaltung war perfekt organisiert und bot über drei Tage hinweg zahlreiche Vorträge sowie eine Postersession, die an zwei Nachmittagen besucht werden konnte. Die registrierten Teilnehmenden erhielten an allen Tagen kurz vor Beginn der Vorträge den Link zur Anmeldung, der dann auch sofort zum Eingangsbereich und in die Konferenzhalle führte. Von dort aus konnte man sich in die einzelnen „Zimmer“ begeben, d. h. in die Hauptvortragshalle, in die „Speakers Hall“ oder zu der Postersession. Ästhetisch und visuell gut umgesetzt war es ein Leichtes sich hier in dieser virtuellen Welt zu orientieren. Die Posters waren nummeriert und reihenweise aufgestellt. Jedes präsentierte Poster konnte man vergrößern und als PDF herunterladen, so dass dies in angemessener Form betrachtet werden konnte. Zudem bot sich die Gelegenheit, mit den Autorinnen und Autoren zu interagieren und per Chat zu kommunizieren. Ein professioneller Moderator führte gekonnt durch die Konferenz; mit seiner Begeisterung für die Sache sorgte er für Lebendigkeit während der einzelnen Sessions.

Abbildung 1 
        Screenshot der Postersession.
Abbildung 1

Screenshot der Postersession.

Inhaltliche „Farbtupfer“

Die diversen Vorträge spiegelten inhaltlich die vielfältigen Ausprägungen von „offen“ wider. Dabei zeigt sich, dass es nicht an guten Ideen und Initiativen fehlt, um Open Science. bzw. Citizen Science in der Bevölkerung und bei den Forschenden zu verankern; die Umsetzung bleibt jedoch meist schwierig.

Einen interessanten Ansatz verfolgt die „Road2Openness“ (R2O).[4] Sie stellt nicht die Zielgruppe, sondern die Förderer von Open Science (Universitäten, Institutionen) in den Mittelpunkt, um ein Self-Assessment Tool für Open Science zu entwickeln, so dass die einzelnen Institutionen ihre Aktivitäten auf diesem Gebiet beurteilen können. In der Pilotphase, die noch bis Ende Mai 2022 läuft, nehmen drei Universitäten teil (RWTH Aachen, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Universität Potsdam). Für die Projektteilnehmenden stellt sich die nicht ganz einfache Aufgabe, die Sinnhaftigkeit von Open Science aufzuzeigen und die Begeisterung dafür zu fördern.

Ist Open Science der richtige Weg, um die etablierten Pfade in der Wissenschaft zu verlassen und eine neue Öffnung herbeizuführen? Antworten darauf lieferte T. Ross-Hellauer. Er stellte das im Rahmen von Horizon2020 geförderte Projekt „On-Merrit" (2019-2022)[5] vor. Als eine der wenigen Initiativen beleuchtet diese nicht nur die Vorteile von Open Science, sondern zeigt auch kritisch die Nachteile auf. Die viel zitierten Schlagworte einer inklusiven, offenen, für alle zugänglichen Wissenschaft, die Open Science charakterisieren, können je nach Kontext und geografischer Herkunft der einzelnen Forschenden negative Auswirkungen haben auf deren Tätigkeiten (Publizieren usw.). Im Abschlussbericht des Projekts[6] werden Handlungsfelder aufgezeigt, wie diese Diskrepanzen gemildert werden können.

Spätestens seit die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihre Stellungnahme zum Datentracking in der Wissenschaft publiziert hat,[7] ist diese Thematik auch in der Fachliteratur[8] sowie auf Social Media Plattformen[9] vertreten. Auf der Konferenz trug J. Selinger seine Sichtweise zu dieser heiklen Angelegenheit vor. Er zeigte die Verstrickungen zwischen den einzelnen Akteuren auf (WissenschaftlerInnen, Großverlage), betonte dabei, wie wichtig es sei, dass Forschungsinstitutionen einen hohen Datenschutz bieten.

Postersession

Die Postersession bot mit 13 Präsentationen[10] ebenfalls ein breites Spektrum an Themen; Titel wie „The united rainbow colors of bots“[11] regten die Phantasie an und luden zu einer gründlichen Erkundung ein. So besprach das farbenfroh gestaltete Poster das Filtern und Aussondern von Bots, die automatisch Statistiken generieren. Interessant wäre gewesen zu erfahren, weshalb gerade diese Farbenpalette gewählt wurde; vielleicht aus reinem Zufallsprinzip?

Abbildung 2 
          Screenshot von Vortragenden und Poster Nr. 1.
Abbildung 2

Screenshot von Vortragenden und Poster Nr. 1.

Die Inhalte der übrigen Poster lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: soziale Aspekte (Bewusstseinsförderung für Offenheit) und technische Themen. Zu der sozialen Komponente findet man u. a. Präsentationen zu Citizen Science in Zentraleuropa,[12] zum Nationalen Open Science Plan von Frankreich[13] oder zur Open Access-Strategie in Griechenland.[14] Mit der wichtigen Frage, wie Studierende für Open Science motiviert werden können, befasst sich die „Student Initiative for Open Science“ (SIOS),[15] die von einem niederländischen Team vorgestellt wurde.

Auf der eher technischen Seite handeln die einzelnen Beiträge von semantischen Metadaten als Annotationsservice[16] oder der Entwicklung eines Softwaretools für das International Image Interoperability Framework (IIIF).[17]

Open Science – ein langer Weg?!

Der freie Zugang zu wissenschaftlicher Erkenntnis, der Gedanke des Offenlegens, der Öffnung des Elfenbeinturms, hat sich in den letzten zwei Dekaden noch mehr zu einer ultimativen Forderung entwickelt. Aus Ideen und Initiativen sind Projekte entstanden, Dienstleistungen haben sich etabliert. Eine Konferenz gibt stets Anlass innezuhalten und zu sehen, was erreicht wurde. Sie gewährt aber auch einen Ausblick in die Zukunft. Die Open Science Conference 2022 hat wieder einmal mehr die Wichtigkeit zum Bekenntnis der Offenheit aufgezeigt, hat aktuelle Fragen auf den Punkt gebracht; sie motiviert, sich unermüdlich für diese Werte einzusetzen.

Es wird jedoch noch ein langer Weg sein, bis sich die Haltung der gesamten Wissenschaftscommunity hin zu einer generellen Öffnung zu einem Selbstverständnis entwickelt: „However, the long road to Open Science is paved with obstacles: economic, legislative and regulatory, organisational, technical, patrimonial, behavioural. Moreover, like any major ambition, openness can also lead to misuse.“[18]

Deskriptoren

Tagung, Open Science, Wissenschaft, Forschung

Online erschienen: 2022-07-06
Erschienen im Druck: 2022-06-30

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 27.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2022-2226/html
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