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Publicly Available Published by De Gruyter March 15, 2018

Filme im DaF-/DaZ-Unterricht: Einführung in das Themenheft

  • Tristan Lay EMAIL logo , Uwe Koreik and Tina Welke

In der vorherigen Ausgabe standen „statische Bilder“ im Mittelpunkt. Dieses Themenheft widmet sich – wie bereits angekündigt – gezielt den „dynamischen Bildern“, die aufgrund technischer Entwicklungen im Alltag und medialer lebensweltlicher Entwürfe der Lernenden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Auf dynamische oder bewegte Bilder in unter­schied­lichen Formen und Ausprägungen, vom Kinofilm zum Youtube-Video, vom Werbespot zur Fern­sehserie u. a.m. treffen wir sowohl in privaten als auch in öffentlichen Räumen und sie sind aus unserer Lebenswelt nicht mehr wegzudenken. Sie prägen unser Leben und unser Wissen von der und über die Welt. Bilder tragen daher reflektiert aufge­griffen, wesentlich zu kultureller Bildung, aber auch zur Medienbildung bei, wenngleich die leichte Zugänglichkeit über Internet die Gefahr von Beliebigkeit in sich birgt. Die Erkenntnis, dass auch das Lesen von statischen und dynamischen Bildern gelernt und gelehrt werden muss, dass Text­kom­petenz heutzutage auch multimodale Kompetenz bedeutet und somit ein großes Potential entfaltet, setzt sich nicht nur an Schulen und Universitäten langsam durch, sondern auch im Kontext von Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache.

In den 1970er Jahren erfolgten im Rahmen des Diskurses über die Berücksichtigung und den adäquaten Einsatz audiovisueller Medien im fremdsprachlichen Englischunterricht in der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik Versuche, die Bedeutung von Bildern im Allge­mei­nen und die Relevanz des Sehens für das Fremdsprachenlernen und den Fremdsprachen­unterricht im Besonderen, herauszuarbeiten. Während die Sprachlehrforscherin Inge Christine Schwerdtfeger in ihrer Dissertation Medien und Fremdsprachenunterricht Anfang der 1970er noch überwiegend das Hörverstehen im Kontext des Medieneinsatzes bei der Vermittlung von Fertigkeiten untersuchte und darin erstmals Überlegungen zu einer gezielten „Seh-Schu­lung“ anstellte, forderte sie bereits Ende der 1980er in ihrer Monographie Sehen und Verstehen, im Rahmen des von ihr darin vertretenen anthropologisch-narrativen Ansatzes die „über­sehene“ Fertigkeit „Seh-Verstehen“ (neben dem Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen) als fünfte Fertigkeit im fremdsprachenunterrichtlichen Lernprozess anzuerkennen und syste­ma­tisch zu fördern (Schwerdtfeger 1989: 24). Mitte der 1990er erschien die wichtige praxis­orientierte Fernstudieneinheit Video im Deutschunterricht von Marie-Luise Brandi, in der durch gezielte filmspezifische Übungen und Aufgaben (im Rahmen des vierlerorts umgesetzten Prinzips der Dreischrittig­keit vor, während und nach dem Sehen) sowohl Studierende und als auch Lehrkräfte im Rahmen von Seminaren und Fortbildungen zum unterrichtlichen Einsatz von Filmmaterialien geschult wurden. Tina Welke und Renate Faistauer weisen darauf hin, dass das Sehverstehen auch in wichtigen Dokumenten und Empfehlungen, wie z. B. dem GER verankert ist: „2001 fand audiovisuelle Rezeption (Fernsehsendungen und Filme) Eingang in die Kompetenz­beschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens“ (Welke/Faistauer 2010: 8). Uwe Koreik konstatiert, dass seit 2007 eine breite und intensive Aus­ein­andersetzung mit dem Medium Film erfolgt: „Gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen scheint jedoch erst seit 2007 ein größerer Durchbruch für den Einsatz von Filmen im DaF-Unterricht erreicht zu sein“ (Koreik 2015: 203 f.). Visuelle Bilder im Allgemeinen und Filme im Besonderen haben mittlerweile in diversen Fremdsprachendidaktiken einen ihren gebüh­renden Platz eingenommen. Dies belegen nicht nur die zahlreich erschienenen Sammelbände, sondern ebenso die Themenschwerpunkte in unterschiedlichen Fachzeitschriften.[1]

Der Einsatz von Film in Unterrichtskontexten ermöglicht sprachbezogenes, filmbezogenes, kulturbezogenes, aber auch ästhetisches Lernen. Um das didaktische Potential von Filmen im Unterricht ausschöpfen zu können, sind filmspezifische Zugangsformen und Aufgabentypen vonnöten, die die Charakteristiken des Mediums angemessen berücksichtigen[2]: „Nur wer auf­merksam beobachten kann, wer Bildbotschaften nicht als eindeutig und allge­mein­ver­ständ­lich ansieht, sondern als eigenständige Werke, die eine andere Qualität besitzen als schrift­sprach­liche Texte und dementsprechend auch andere didaktische Mittel erforderlich machen, wird die vielschichtigen inhaltlichen und ästhetischen Facetten eines durchdachten Films erkennen können“ (Duve/Krüger 2006: 8). Um audiovisuelle Texte adäquat erfassen, inter­pretieren und verstehen zu können, müssen Lernen­de sich systematisch mit analytischen, krea­­tiven und produktiven Methoden der Film­arbeit auseinandersetzen. Dabei kann mit Blick auf das kulturbezogene Lernen nicht oft genug betont und wiederholt werden, dass Filme (wie selbstverständlich auch Bilder) landeskundliche Aspekte zwar sehr anschaulich machen und damit in gewisser Hinsicht reinen Textmaterialien oder Hörtexten eindeutig überlegen sind, sie aber immer auch nur einen Ausschnitt aus einer vorgeblichen Wirklichkeit wie­der­geben. Und dieser Ausschnitt ist auch geprägt durch die Motivauswahl, den Blickwinkel des Fotografen, durch die Kame­raführung und die Inszenierung, um nur einige wichtige Fak­toren zu benennen. Es ist in der Tat richtig: Filme „[...] können das Eintauchen in die Ziel­spra­chen­­kultur fördern. Authentischer Sprach­gebrauch und die Abbildung landeskundlicher Infor­ma­­tionen eignen sich hervorragend für die Vermittlung landeskundlichen Wissens“ (Lay 2009 b: 38). Und gerade Spielfilme mit gesellschaftspolitischen und historischen Inhalten entfalten eine Wirkmächtigkeit, die dazu führen kann, dass Ereignisse mit zeitlichem Abstand primär aus Filmen erinnert werden und nicht aus Lehrbüchern, Nachrichten oder gar eigenem Er­leben. Beim Einsatz von Filmen im Fremdsprachenunterricht gilt deswegen immer wieder folgendes zu betonen: „Um Filme unter kulturwis­sen­schaft­li­chen Gesichtspunkten zu betrach­ten, müssen sie als kulturelle Produkte angesehen werden, nicht als Wirklichkeit“ (Horstmann 2010: 10).

Die vorliegende Beitragssammlung verdeutlicht die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten von Filmarbeit im fremdsprachlichen Unterricht sowie das vielfältige Potential, das Filmen imma­nent ist: Sie thematisieren einerseits die Relevanz von Film bzw. Filmbildung für den DaF- und DaZ-Unterricht, stellen andererseits konkrete Projekte und Unterrichtsvorschläge vor. Die Beiträge nähern sich dem Medium Film aus unterschiedlichen Perspektiven, allen gemeinsam aber ist die Überzeugung, dass die Beschäftigung mit filmischen bzw. filmbezogenen Texten im Unterricht herausfordernd und gewinnbringend ist.

Camilla Badstübner-Kizik (Posen, Polen) widmet sich in dem Beitrag „Zwischen Bild, Schrift und Film: Filmische Paraprodukte und ihr fremdsprachendidaktisches Potenzial“ ei­nem noch weitgehend unberücksichtigten Thema innerhalb der fremdsprachlichen Filmbil­dung. So wird detailliert auf den Zusammenhang von Multimodalität, Mehrsprachigkeit und dem Film als virtuellen Lernraum im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen ein­gegangen. Anhand der Analyse ausgewählter filmbezogener bild-text-basierter multimodaler und mehr­sprachiger Paraprodukte (Filmplakate, Webseiten, Filmportale sowie Filmblogs und Rezen­sions­plattformen) zeigt sie das ihnen innewohnende fremdsprachendidaktische Poten­tial auf.

Der Aufsatz „Filmhefte für den DaF-Unterricht: Qualitätsstandards“ von Natalia Hahn (Frei­burg i. Br., Deutschland) bespricht die Notwendigkeit der Einführung und Etablierung von Qualitätsstandards für Filmhefte. Die Autorin präsentiert vor dem Hintergrund der quanti­tativen Zunahme didaktisch-methodischer Lehr-/Lernmaterialien zur Filmarbeit einen dyna­mi­schen Kriterienkatalog für die Analyse von Filmheften im fremdsprachlichen Deutsch­unter­richt. Lehrende werden auf der einen Seite durch den Kriterienkatalog bei der quali­ta­tiven Bewertung und Begutachtung der Filmmaterialien unterstützt, auf der anderen Seite bietet dieser bei der Konzeption und Erstellung von Filmheften eine wertvolle Orientierung.

Tina Welke (Wien, Österreich) setzt sich mit der Analyse eines narrativen Schweizer Werbe­spots auseinander. Sie zeigt an einem Spot mit dem Titel „Lueg!“ Das Appenzeller Käse­ge­heimnis – Ein Werbespot als Erzählung“ auf, welche narrativen Strukturen und audio-visu­ellen Darstellungsverfahren hier zusammen wirken und diskutiert in dem Beitrag die multi­modale Präsentation des Werbespots und unterbreitet didaktisch-methodische Vorschläge für dessen unterrichtliche Vermittlung.

Tristan Lay (Sydney, Australien) plädiert in seinem Artikel „Filmästhetik als Potenzial medien­­kultureller Bildung: Cate Shortlands Spielfilm Lore im fremdsprachlichen Deutsch­unterricht“ für die Arbeit mit filmischen Gestaltungsmitteln im Unterricht. Er thematisiert in seinem Beitrag die Bedeutung visueller Bilder und Filmästhetik im Kontext der sprachlich-kulturellen Bildung. Anhand des Spielfilms Lore zeigt der Autor Möglichkeiten auf, wie die Arbeit mit Filmästhetik didaktisch-methodisch sinnvoll in den Fremdsprachenunterricht inte­griert werden kann und so zur sprachlich-kulturellen Bildung sowie zum ästhetischen Lernen beiträgt.

In dem Aufsatz „Filmwissenschaft als ‚Kulturwissenschaft aus der Ferne‘: analytische Zu­gänge zu nicht-fiktionalen Filmen“ von Julia Viering (Bielefeld, Deutschland) fordert die Autorin, die Analyse filmischen Erzählens als Gegenstand empirischer Untersuchungen im DaF-/DaZ-Kontext zu etablieren und forschungsmethod(olog)isch reflektiert einzusetzen. Anhand von Berufsinformationsfilmen der Deutschen Bundesagentur für Arbeit erfolgt eine breit angelegte Diskursanalyse im Hinblick auf die (Re-)Produktion der Bilder von Migran­tinnen und Migranten und die damit verknüpfte Zuschreibung gesellschaftlicher Rollen.

Der Beitrag „Kooperatives Filmseminar zum Thema ,Heimat‘“ von Nicola Huson, Ahmet Golbol und Geske Taubitz (damals Amman, Jordanien) stellt ein kooperatives Filmseminar vor, das Studierende der Fächer DaF und Design an der German Jordanian University zusammen­führte; ausgehend von einem konstruktivistischen Ansatz drehten die Teilnehmenden gemein­sam Filme zum Thema „Heimat“. Nach einer Diskussion zum Einsatz des Mediums Film im DaF-Unterricht erfolgt eine Einschätzung zu dessen Tauglichkeit zur Vermittlung kultureller Inhalte sowie die Thematisierung der Vorteile und Herausforderungen dieses interdisziplinär aus­gelegten Projekts.

An dieser Stelle möchten wir den Autorinnen und Autoren für die angenehme Zusam­menarbeit danken. Wir hoffen, dass die vorliegenden Beiträge zur stärkeren Nutzung und Einbindung von Filmmaterial in der Unterrichtspraxis ermutigen. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Filmbildung erscheint eine weiterführende intensive wissenschaftliche Aus­einandersetzung mit dem Medium Film im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Spra­chen desiderabel.

Literatur

Brandi, Marie-Luise (1996): Video im Deutschunterricht: Eine Übungstypologie zur Arbeit mit fiktionalen und dokumentarischen Filmsequenzen. Berlin: Langenscheidt (Fernstudieneinheit 13).Search in Google Scholar

Duve, Sarah; Krüger, Thomas (2006): „Neue Wege“. In: Bergala, Alain: Kino als Kunst: Filmvermittlung an der Schule und anderswo. Fulda: Bundeszentrale für politische Bil­dung/Schüren: 7–8. Search in Google Scholar

Horstmann, Susanne (2010): „Forderung von interkultureller Kompetenz durch Aus­ein­an­der­setzung mit Filmen?“ In: Chlosta, Christoph; Jung, Matthias (Hrsg.): DaF integriert: Literatur – Medien – Ausbildung. Tagungsband der 36. Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache 2008. Göttingen: Universitätsverlag, 59–71.Search in Google Scholar

Koreik, Uwe (2015): „Sinn und Sinnerfahrung beim deutschen Film aus der Fremd­pers­pektive. Die fetten Jahre sind vorbei (2004) und Der kleine Nazi (2010)“. In: Preußer, Heinz-Peter (Hrsg.): Sinnlichkeit und Sinn im Kino: Zur Interdependenz von Körperlichkeit und Textualität in der Filmrezeption. Marburg: Schüren, 203–215. Search in Google Scholar

Lay, Tristan (2009a): „Film und Video im Fremdsprachenunterricht: Eine empirisch quanti­tative Erhebung zur didaktisch-methodischen Implementierung filmspezifischer Arbeit im universitären Deutschstudium Taiwans“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprac­hen­unterricht 14 (1), 107–153. Online: http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/210/203 (27.09.2017). Search in Google Scholar

Lay, Tristan (2009b): „Filme sehen lernen: Filmspezifische Arbeit im Fremdsprachen­unterricht am Beispiel von Rolf Schübels Film Ein Lied von Liebe und Tod – Gloomy Sunday (1999)“. In: German as a Foreign Language 1, 33–72. Online: http://www.gfl-journal.de/1-2009/lay.pdf (27.09.2017).Search in Google Scholar

Schwerdtfeger, Inge Christine (1973): Medien und Fremdsprachenunterricht: Eine Analyse unter pragmatischem Aspekt (Hamburger phonetische Beiträge. Untersuchungen zur Pho­ne­tik und Linguistik, Bd. 10). Hamburg: Helmut Buske Verlag. Search in Google Scholar

Schwerdtfeger, Inge Christine (1989): Sehen und Verstehen: Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. München: Langenscheidt.Search in Google Scholar

Welke, Tina; Faistauer, Renate (2010): „Vorwort“. In: Welke, Tina; Faistauer, Renate (Hrsg.): Lust auf Film heißt Lust auf Lernen. Der Einsatz des Mediums Film im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Wien: Praesens Verlag, 7–12.Search in Google Scholar

Published Online: 2018-03-15
Published in Print: 2018-03-12

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 25.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/infodaf-2018-0004/html
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