Abstract
Nomen werden vermeintlich fruher erworben als Verben, da sie dem Noun Bias zufolge konzeptuell einfacher sind. In Studien zum fruhen Wortschatzerwerb spielen Verben folglich haufig keine prominente Rolle. Am Beispiel des Deutschen zeigt dieser Beitrag auf, wie sich die Verbbedeutung entwickelt. Dem hier vertretenen Ansatz des Event Structural Bootstrapping zufolge erschliesen Kinder sich die Verbbedeutung durch eine Fokussierung auf den Endzustand. Daher spielen telische Verben fur den fruhen Spracherwerb eine zentrale Rolle. Ergebnisse aus verschiedenen Spracherwerbsstudien zur Produktion und zur Interpretation von Verben bestatigen, dass deutschsprachige Kinder eine klare Endzustandsorientierung zeigen. Dass Verben und deren Semantik fruher erworben werden als bis dato angenommen, spricht gleichzeitig gegen einen starken Noun Bias.