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Learning from the Vernecular?

Quartiersbezogene Strategien der Klimasensibilität in der MENA-Region ; eine Analyse traditioneller Quartiere in Fes, Aleppo und Teheran

Seelig, Sebastian

Das immense Wachstum vieler Städte in der MENA-Region in den letzten 50 Jahren, der damit einhergehende steigende Energieverbrauch und die heute schon spürbaren Folgen des Klimawandels haben eine regionale Debatte um ein adäquates städtebauliches Leitbild der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz entfacht. Ein Strang der akademischen Debatte kreist dabei um die Frage inwieweit traditionelle oder vernakuläre Quartiere der Städte der MENA-Region als Impulsgeber für regionalen, zeitgenössischen und energieeffizienten Städtebau genutzt werden können. Wesentlich beflügelt wird diese Debatte durch aktuelle großformatige Städtebauprojekte wie Masdar City, die sich auf die „vernakuläre Intelligenz“ der traditionellen Stadt der MENA-Region beziehen. In beiden Welten – der akademischen wie auch in der Praxis – ist dabei oftmals eine positive Vorverurteilung der energetischen Qualitäten der traditionellen Stadt zu beobachten. Dabei gibt es verhältnismäßig wenig vergleichende und empirisch angelegte Forschung, die die traditionelle Stadt kritisch in Bezug auf Ihre energetischen Potentiale untersucht und aus einer differenzierten Analyse städtebauliche Strategien der Energieeffizienz ableitet. Erklärtes Ziel vorliegender Arbeit ist es daher durch eine systematische Analyse der baulich-funktionalen Strukturen (der urban form) von drei vernakulären Quartieren in der MENA-Region – Fes, Aleppo, Teheran – zu einer kritischen Bewertung der Potentiale und Grenzen dieser Quartiere in Bezug auf energetische Effizienz und Suffizienz (Klimasensibilität) zu gelangen. Aufbauend darauf sollen städtebauliche Strategien der Klimasensibilität für eine Klimazone der MENA-Region entwickelt werden. Basierend auf einer detaillierten Analyse der Wirkungszusammenhänge der urban form und dem Kriterium der Klimasensibilität werden in einem ersten Schritt die Stellschrauben zwischen gebauter Umwelt und Klimasensibilität identifiziert: zum einen der städtebaulichem Zusammenhang, der über die Dichte, Flächennutzung und die Erschließungssysteme die Nahmobilität von Nutzern im Quartier beeinflussen kann; zum anderen die städtebauliche Geometrie, die über Kompaktheit, Orientierung der Fassade, Abstandsverhältnisse, Erschließungsgeometrie und Ihre Ausrichtung den Heiz- und Kühlbedarf von Gebäuden bestimmt. Diese Wirkungszusammenhänge werden anhand von Fallstudienindikatoren operationalisiert und in den drei ausgewählten Quartieren innerhalb einer Klimazone (Csa) überprüft. Die Ergebnisse der Quartiersanalysen in Fes, Aleppo und Teheran zeigen, dass die Quartiere trotz ihrer unterschiedlichen baulichen Struktur und Architektur über baulich-funktionale Grundcharakteristika verfügen, die Potentiale der Klimasensibilität darstellen. So schafft die extreme städtebauliche Geometrie der Quartiere im Sommer verschattete Straßen und Innenhöfe, die zu reduzierten Einstrahlung in die Gebäude führt und darüber hinaus die Umgebungstemperatur verringern kann; so kann der Kühlbedarf von Gebäuden potentiell reduziert werden. Die Kompaktheit der Gebäude führt darüber hinaus zu einem geringeren solaren Eintrag und die überwiegende Südorientierung einer der Innenhoffassaden lässt eine gute Kontrolle der Strahlung durch Sonnensegel oder Vegetation zu. Nähe von Quellen und Zielen im Quartier, Nutzungsdiversität und Nachbarschaftsbezug vervollständigen die Potentiale der untersuchten Quartiere. Gleichzeitig wird deutlich, dass diese Potentiale nicht gleichermaßen im Sommer wie im Winter wirksam werden: Zu dicht bebaut sind die Quartiere, zu stark verschattet die Wege und Innenhöfe. Aber auch im Sommer gibt es Grenzen der städtebaulichen Struktur. So verfügen die Quartiere über wenige, potentiell kühlende Vegetation im öffentlichen Raum und über keine Grünflächen. Dies zeigt deutlich, dass die untersuchten Quartiere nicht per se klimasensibel sind und daher nicht unreflektiert als Inspirationsquelle für städtebauliche Strategien genutzt werden sollten. Basierend auf den Potentialen, aber auch den Grenzen der analysierten Quartiere werden im abschließenden Teil der Arbeit fünf wesentliche Strategien identifiziert: Maximierung der solaren Einträge im Winter und deren Minimierung im Sommer, eine hohe Kompaktheit in baulicher Dichte, eine gute interne und externe Konnektivität, der Nachbarschaftsbezug unterschiedlicher Nutzungen in räumlicher Nähe sowie eine hohe Anpassungsfähigkeit und Robustheit sind die Kernthemen klimasensiblen Städtebaus für die Klimazone Csa. Städtebauliche Strategien wie diese bergen große Potentiale, den Anforderungen des Klimawandels auch im Bereich der Anpassung von Siedlungsstrukturen in der MENA-Region gerecht zu werden und allein durch intelligente Planungskonzepte energetische Effizienz und Suffizienz zu erreichen.
The rapid urbanization in the MENA region that comes with an increasing energy consumption in cities as well as the already apparent effects of climate change have triggered a regional debate on principles for sustainable and energy efficient urban design. This discourse partly revolves around the questions if and what we can learn from vernacular neighborhoods in the MENA Region for today’s design of energy efficient urban schemes. This debate has essentially been spurred by current large-scale urban development projects such as Masdar City, that refer to the "vernacular intelligence" of the regional, traditional city. To date, in both spheres – academia and practice – one can observe a rather positive view on the energetic qualities of the traditional city. Hence there is relatively little comparative and evidence-based research that critically examines the traditional city in terms of its energetic potentials as a basis for urban design strategies. Thus this thesis aims at a systematic analysis of the urban form of three vernacular neighborhoods in the MENA region - Fes, Aleppo, Tehran. This research shall allow for a critical appraisal of the potentials and limits of vernacular neighborhoods in terms of energy efficiency and energy sufficiency (climate sensitivity). This analysis forms the basis to derive urban design strategies aiming at climate sensitivity for one climate zone (Csa) within the MENA region. In a first step, the thesis identifies interactions between urban form and climate sensitivity and the implications for the design of neighborhoods. Literature identifies two key interrelations: the urban structure (densities, land uses and the layout of access systems) potentially can affect the mobility of users in the neighborhood. The urban geometry (determined by the buildings’ compactness, its orientation, the distances between buildings and streets geometry and their orientation) influences the solar radiation and thus the heating and cooling demand of buildings. This theoretical research is transferred into an indicator framework that forms the basis for an analysis of the selected neighborhoods in Fes , Aleppo and Tehran. The results of the analyzes shows that the three neighborhoods share common characteristics that form potentials for climate sensitivity on an urban scale. The extreme urban geometry of the three neighborhoods in summer creates shaded streets and courtyards, reducing solar radiation and ambient temperature and thus potentially reduces cooling demands of buildings. The compactness of the building leads to a lower solar radiation and the south-facing facades to the buildings courtyards allows for an easy control of solar radiation. In regard to local mobility, all neighborhoods analyzed are characterized by a strong orientation to the neighborhood, a strong diversity and short distances to everyday amenities. At the same time it becomes evident that the potentials identifies are not mirrored in winter. The high density and small distances between the buildings reduces solar radiation in winter. This analysis clearly shows that the vernacular neighborhoods are not per se climate sensitive and thus should never be uncritically used as a source of inspiration for urban design strategies. There is an urgent need for a specific analyses that identify the potentials and constraints of vernacular neighborhoods in regard to climate sensitivity; lessons – if any - can then be developed into design strategies. The analyses of both – potential and constraints – in the three case studies shows that there are five essential strategies: climate sensitive urban design for the this specific climate zone should aim at maximizing solar access in winter and minimize it in summer; it should target a high degree of compactness going along with a medium to high density and foster a good internal and external connectivity. Furthermore different uses should be located in close proximity to each other. A high flexibility and robustness supports energy efficiency in the life cycle of the neighborhood. These simple but smart urban design strategies bear great potential to meet the requirements of climate change not only fostering energetic efficiency and sufficiency but also adapting settlements to the regional effects of global climate change.