Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P115
DOI: 10.1055/s-2008-1079018

Nekrotisierende Enterokolitis bei reifen HIV-exponierten Neugeborenen

I Östreicher 1, C Feiterna-Sperling 2, K Weizsäcker 3, T Schmitz 4, A Loui 1, D Hüseman 1
  • 1Charite Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neonatologie, Berlin
  • 2Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumonologie und Immunologie, Berlin
  • 3Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin
  • 4Children's National Medical Center, Center für Neuroscience Research, Washington D.C., USA

Hintergrund: Bei HIV-exponierten Frühgeborenen unter Zidovudinprophylaxe wurde ein gehäuftes Auftreten von nekrotisierender Enterokolitis (NEC) beobachtet, unabhängig von weiteren Risikofaktoren der NEC (Desferee et al). Bei reifen Neugeborenen wurden in Einzelfällen Hypoperistaltik bzw. intestinale Pseudoobstruktion unter Zidovudin-Prophylaxe beobachtet. Wir berichten von zwei HIV-exponierten Reifgeborenen die während der antiretroviralen Transmissionsprophylaxe mit Zidovudin an einer NEC mit Darmperforation erkrankten.

Ergebnisse: Die mütterliche HIV-Infektion war in beiden Fällen pränatal bekannt. Zur HIV- Transmissionsprophylaxe erhielt eine Schwangere eine Dreifachtherapie mit Zidovudin, Lamivudin und Nevirapin ab SSW 31+5, die andere eine Dreifachtherapie mit Zidovudin, Lamivudin und Ritonavir geboostertem Lopinavir. In beiden Fällen lag die präpartale Viruslast bei <500 Kopien/ml. Die Geburt erfolgte in beiden Fällen mit 37+4 bzw. 38+0 SSW per primärer Sectio, die postnatale Adaptation war komplikationslos (10 Minuten-Apgar jeweils 10). Postnatal erhielten beide Kinder zur Transmissionsprophylaxe Zidovudin i.v. 1,3mg/kg/Einzeldosis 4mal täglich. Am 5. bzw. 3. Lebenstag entwickelten die Neonaten klinische Zeichen einer Sepsis, es traten blutige Stühle auf und radiologisch zeigte sich eine Pneumatosis intestinalis. Trotz sofort eingeleiteter konservativer Therapie sowie Beendigung der antiretroviralen Behandlung kam es bei beiden Patienten zur Darmperforation mit notwendiger chirurgischer Therapie. Begleitende Fehlbildungen, insb. Herzfehler mit Beeinträchtigung der intestinalen Perfusion, wurden ausgeschlossen. Bei beiden Patienten konnte eine vertikale HIV-Transmission ausgeschlossen werden. Diskussion: Die nekrotisierende Enterokolitis ist eine schwerwiegende, aber bisher kaum beachtete Komplikation einer intrauterinen HIV-Exposition mit nach aktuellen Standards durchgeführter Transmissionsprophylaxe. Als Ursache dafür könnte einerseits die mütterliche HIV-Infektion mit den assoziierten immunologischen Konsequenzen wie einer Veränderung der Zytokinexpression und einer verminderten T-Zell-Funktion in Frage kommen. Andererseits kann auch eine Nebenwirkung der perinatalen antiretroviralen Medikamentenexposition nicht ausgeschlossen werden. Eine systematische Erfassung gastrointestinaler Komplikationen bei HIV-exponierten Neugeborenen ist erforderlich, um mögliche Risikofaktoren für die Entwicklung einer NEC frühzeitig erfassen zu können.