Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A294
DOI: 10.1055/s-2008-1076441

Genussfähigkeit und Ärgerausdruck als Prädiktoren des Wohlbefindens von Typ-1- und Typ-2-Diabetikern

M Brenner 1, G Steffgen 2
  • 1Universität Trier, Trier, Deutschland
  • 2Universität Luxemburg, Walferdange, Luxemburg

Einleitung: Die Stärkung des Wohlbefindens stellt ein zentrales Anliegen psychotherapeutischer Interventionen bei Patienten mit Diabetes mellitus dar. Insbesondere die oftmals große Belastung der Erkrankung erfordert spezifische Ressourcen zur Steigerung des subjektiven Wohlbefindens. Neben der Genussfähigkeit weist die Ärgerverarbeitung einen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden auf, der bisher häufig postuliert, jedoch empirisch kaum überprüft wurde.

Fragestellung: Die Bedeutung der Genussfähigkeit und des Ärgerausdrucks für das subjektive Wohlbefinden (SWB) von Diabetikern sollen geprüft werden. Erweisen sich Genussfähigkeit und eine kontrollierte Ärgerverarbeitung als protektive und der nach innen bzw. der nach außen gerichtete Ärgerausdruck als Risikofaktoren des SWB? Unterscheiden sich die Prädiktoren abhängig vom Diabetestyp?

Methodik: In 3 verschiedenen Diabeteseinrichtungen bearbeiteten 93 Typ-1-Diabetiker (Alter 41,6±14,48J., Diabetesdauer (DD) 17,89±11,95J., BMI 25,95±4,78kg/m2, HbA1c 7.72±1.40%) und 112 Typ-2-Diabetiker (Alter 64.5±10.70J., DD 10.77±7.94J., BMI 32.49±6.73kg/m2, HbA1c 7.20±1.28%) Skalen zur allgemeinen Genussfähigkeit (MFSF, 2 Subskalen: „Sich Gutes tun“ SFS und „Gutes annehmen können“ SFA), zu Ärgerneigung und Ärgerausdruck (STAXI, 4 Subskalen „Ärgerneigung“ TA, „nach innengerichteter Ärger“ AI, „nach außen gerichteter Ärger“ AO und „kontrollierter Ärger“ AC) und zum allgemeinen SWB (WHO-5). Hierarchische multiple Regressionsanalysen wurden zur Vorhersage des SWB herangezogen.

Ergebnisse: Signifikante Unterschiede zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetikern zeigten sich bezüglich des BMI (t=-7.76, df=196, p<.001), des HbA1c (t=-3,67, df=202, p <.001), der Anzahl der Folgeerkrankungen (t=-5.11, df=190,77, p<.001) und des SFS (t=-3.54, df=199, p<.001). Das Modell zur Vorhersage des SWB von Typ-1-Diabetikern klärte 37% der Varianz des SWB auf (F (10, 79)=5.93, p<.001), wobei SFS (β=.22; t=2.06; p<.05) einen signifikanten Beitrag zur Varianzaufklärung leistete. Das SWB der Typ-1-Diabetikern wurde zu 36% von dem Modell aufgeklärt (F (10, 94)=6.81, p<.001). Die Variablen SFA (β=.39; t=3.49; p<.01) sowie AI (β=-.28; t=2.86; p<.01) trugen hier signifikant zur Vorhersage des SWB bei.

Schlussfolgerungen: Die Fähigkeit, „Sich Gutes tun“ sagt ein höheres SWB bei Typ-1-Diabetikern voraus. Bei Typ-2-Diabetikern ist es, neben dem nach innen gerichteten Ärgerausdruck, die Fähigkeit „Gutes annehmen können“, der als Prädiktor zu berücksichtigen ist. Je nach Diabetestyp erweisen sich demnach spezifische Formen der Genussfähigkeit als protektive Faktoren des SWB. Die Befunde belegen, dass im Rahmen psychologischer Maßnahmen zur Verbesserung der Befindlichkeit von Diabetikern der Aspekt Genussfähigkeit – und bei Typ-1-Diabetikern im speziellen die Ärgerverarbeitung – zu thematisieren sind.