Pneumologie 2008; 62(1): 9-10
DOI: 10.1055/s-2007-993025
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlafapnoe und Tiermodell - wie bedeutsam für die Klinik?

Sleep Apnea and Animal Models - How Relevant for Clinical Practice?D.  Köhler1 , S.  Ewig2
  • 1Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, Schmallenberg
  • 2Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Kliniken für Pneumologie und Infektiologie, EvK Herne und Augusta-Kranken-Anstalt, Bochum
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Publication Date:
14 January 2008 (online)

Vor ziemlich genau 50 Jahren hatten wir die Contergan-Katastrophe in Deutschland; den größten Arzneimittelskandal der Nachkriegsgeschichte. Im Gefolge dessen wurde das Arzneimittelrecht verschärft und insbesondere die Zahl der erforderlichen Tierversuche bei Neuzulassungen deutlich erhöht. Dann kam es zu einer Gegenbewegung, wobei Tierversuchsgegner letztlich alles am Menschen oder in Zellkulturen getestet haben wollten. Nach unserer Erfahrung hörte der Protest dann schlagartig auf, wenn man selbst erkrankte, nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.”

Geht man nüchtern an das Thema des Nutzens von Tiermodellen für Krankheitsprozesse heran, so muss man immer die Frage stellen, ob die Schädigung oder der Tod von Tieren verhältnismäßig ist bzw. ob am Ende ein deutlicher Nutzen für die Patienten herauskommt. Eine häufig übersehene Gefahr hierbei ist, dass falsche Modelle zu falschen Hypothesen und damit in die Irre führen können. Schlagen diese Hypothesen dann bis zu klinischen Studien durch, können sie nicht nur nutzlos, sondern auch ein Gefährdungspotenzial enthalten bzw. wichtige wissenschaftliche Ressourcen verschwenden. Deswegen ist die sorgfältige Planung von Tiermodellen ein wichtiges Gebot.

Ein mögliches Beispiel ist hierbei die Frage, ob die obstruktive Schlafapnoe (OSA), wie die damit verbundenen Folgeerkrankungen, im Tiermodell imitiert werden können. Schulz u. Mitarb. fassen in einer sehr prägnanten Übersicht in diesem Heft die wesentlichen Ergebnisse zusammen, die zu diesem Thema publiziert sind.

Gerade die OSA ist eine komplexe Erkrankung, in die viele Regulationsvorgänge involviert sind. Auf dem Sektionstisch findet deswegen der Pathologe auch kein Korrelat der Erkrankung im histologischen Schnitt.

Jeder erfahrene Schlafmediziner weiß, dass der positive Effekt einer CPAP-Therapie für viele Patienten einen deutlichen Sprung in der Befindlichkeit und der Lebensqualität darstellt. Trotzdem sind bereits die in der Schlafmedizin benutzten Methoden zur Objektivierung von Schläfrigkeit (Fragebogen, Testsysteme oder Arousalindex) nicht sehr sensibel. Es gab vor ca. 10 Jahren große Unruhe in der Schlafszene, als in einer META-Analyse im British Medical Journal [1] der Effekt der CPAP-Therapie überhaupt infrage gestellt wurde. Manche Kostenträger witterten schon, dieses Hilfsmittel ganz abschaffen zu können. Diese Diskussion führte dann zu nachfolgenden Studien mit Sham-CPAP, die schließlich doch den klinischen Eindruck objektivieren konnten (z. B. [2]).

Es muss daher die Frage gestellt werden, ob das Rattenmodell mit der Applikation repetitiver Hypoxie die klinische Wirklichkeit widerspiegelt. Bei reiner OSA ohne zusätzliche Zeichen einer belasteten Atemmuskulatur (mit konsekutiver Hypoventilation und Hypoxämie) sind die Sättigungsabfälle oft sehr milde bzw. fehlen bei jüngeren Patienten oft ganz. Trotzdem ist vermehrte Schläfrigkeit bei nahezu allen und arterielle Hypertonie bei vielen Patienten vorhanden. In den Tiermodellen werden zumeist sehr starke Hypoxien erzeugt; der inspiratorische Sauerstoff geht bis auf 3 % herunter. Damit sinkt der PaO2 deutlich unter 30 mm Hg [3]. In dieser Größenordnung beginnt der Organismus auf anaerobe Glycolyse als Notfallprogramm umzustellen, was natürlich mit einer starken vegetativen Reaktion verbunden ist, die auch im nervalen Sympathtikotonus sichtbar wird. Etwas gegen diese Hypothese spricht zusätzlich, dass Schlafmessungen am Menschen unter Hypoxiebedingungen (in der Unterdruckkammer oder in der tatsächlichen Höhe über 3000 m) die Ergebnisse der Tierversuche nicht bestätigten [4]. Noch etwas, das viele jüngere in der Schlafmedizin nicht mehr kennen: vor der Zeit der CPAP-Therapie, etwa vor 1987 gab es einige Therapieversuche, die repetitven Sauerstoffsättigungsabfälle mit nächtlicher Sauerstoffgabe zu behandeln. Es resultierte eine spiegelglatte Sättigungslinie, ohne dass sich an der klinischen Symptomatik irgendetwas änderte - was heute nicht überrascht, da die Arousals blieben. Diese werden bei der OSA eben durch den intrathorakalen Druckanstieg und nicht durch die Hypoxämie ausgelöst.

Das in der Übersicht von Schulz u. Mitarb. erwähnte Hundemodell mit repetitiver und arousalgesteuerter Freigabe eines Trachealverschlusses im Schlaf kommt der Pathophysiologie der Erkrankung sehr viel näher, zumal ähnlich wie beim Menschen relativ rasch eine arterielle Hypertonie entsteht. Die in den Arbeiten gestellte Schlussfolgerung, dass der hohe Blutdruck nicht durch die obstruktiven Arousals verursacht werde, denn bei akustischen Arousals entstehe eben keine Hypertonie, ist aber nur vordergründig richtig. Dagegen sprechen die Arbeiten, die sich mit der Messung des nervalen Sympathikus im Schlaf vor und nach CPAP Therapie beschäftigt haben [5]. Die Erklärung ist offensichtlich: Arousal ist eben nicht gleich Arousal. Wiederholte akustische Weckreaktionen im Schlaf führen natürlich zu vermehrter Schläfrigkeit, wie es jeder aus dem Nachtdienst kennt. Sie führen aber deswegen nicht automatisch zur arteriellen Hypertonie, weil sie keinen vegetativen bedrohlichen Alarm bedeuten. Anders ist das, wenn im Rahmen der pharyngealen Obstruktion der Erstickungstod droht, wenn nicht geweckt wird. Beim SIDS scheint genau dieses öfters zu passieren. Hier kommt es natürlich zu einer andersartigen vegetativen Gegenreaktion, die zeigt, dass offensichtlich beide Phänomene nicht verglichen werden können.

Tiermodelle können wichtige pathophysiologische Einsichten eröffnen. Diejenigen, die sie durchführen, müssen sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob die Opfer, die sie der Kreatur im humanmedizinischen Interesse zumuten, auch in einem angemessenen Verhältnis stehen zum wahrscheinlichen Ertrag des Modells. Ein adäquater Ertrag kann wiederum nur entstehen, wenn a) die Fragestellung medizinisch als hochrangig gewertet wird, b) die Fragestellung anders nicht bearbeitet werden kann, c) das Modell selbst nach Maßgabe des jeweils aktuellen Wissens plausibel ist und d) die Übertragbarkeit vom Tiermodell auf den Menschen gegeben ist oder das Modell zumindest paradigmatisch wichtige neue Erkenntnisse liefern kann. Ob diese Fragen vor Durchführung des Tiermodells gewissenhaft geprüft worden sind, kann und sollte jedermann an den Ergebnissen ablesen.

Literatur

  • 1 Wright J, Johns R, Watt I. et al . Health effect of obstructive sleep apnoea and the effectiveness of continuous positive airways pressure: a systematic review of the research evidence.  BMJ. 1997 Mar 22;  314 (7084) 851-860. Review
  • 2 Montserrat J M, Ferrer M, Hernandez L. et al . Effectiveness of CPAP treatment in daytime function in sleep apnea syndrome: a randomized controlled study with an optimized placebo.  Am J Respir Crit Care Med. 2001 Aug 15;  164 (4) 608-613
  • 3 Tagaito Y, Polotsky V Y, Campen J J. et al . A model of sleep-disordered breathing in the C57BL/6J mouse.  J Appl Physiol. 2001 Dec;  91 (6) 2758-2766
  • 4 Thomas R J, Ramisier R, Boucher J. et al . Nocturnal hypoxia exposure with simulated altitude for 14 days does not significantly alter working memory or vigilance in humans.  Sleep. 2007 Se 1;  30 (9) 1195-1203
  • 5 Waradekar N V, Sinoway L I, Zwillich C W. et al . Influence of treatment on muscle sympathetic nerve activity in sleep apnea.  Am J Respir Crit Care Med. 1996;  153 1333-1338

Prof. Dr. med. Dieter Köhler

Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft

Annostr. 1

57392 Schmallenberg

Email: d.koehler@fkkg.de

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