Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P813
DOI: 10.1055/s-2007-988082

Behandlung des progredienten Hirninfarktes mit Tirofiban – Verlaufsuntersuchung von 2003–2006 an einem kommunalen Krankenhaus

J Philipps 1, J Glahn 1, J Röther 1
  • 1Minden

Hintergrund: Es gibt kein etabliertes Behandlungskonzept bei Patienten mit progredienter Schlaganfallsymptomatik.

Fragestellung: Wir prüften den Einsatz einer Thrombozytenaggregationshemmung mit intravenösem Glykoprotein IIb/IIIa-Antagonisten (GPI) bei progredientem Hirninfarkt hinsichtlich der Sicherheit und des klinischen Ansprechens in Abhängigkeit von Infarktlokalisation und Pathogenese.

Patienten und Methoden: Seit 2003 wurden alle Patienten auf der Schlaganfallstation der Neurologischen Klinik Minden, die aufgrund einer Progredienz im NIHSS von mindestens zwei Punkten innerhalb der ersten drei Tage nach der Aufnahme mit dem GPI Tirofiban im Rahmen eines individuellen Heilversuchs behandelt wurden, prospektiv mittels eines Case Report Form (CRF) erfasst. Dokumentiert wurden die Patientendaten, Risikoprofil, der initiale Schweregrad (NIH), Zeitpunkt der Progression, Dosis und Dauer der GPI-Gabe, NIH im Verlauf 24stündlich bis Ende der Tirofibangabe und Tag 7/Entlassung, CT/MRT Verlauf, Komplikationen, Infarktlokalisation und Pathogenese.

Ergebnisse: 35 Patienten wurden von 2003 bis 10/2006 aufgrund einer Infarktprogredienz mit Tirofiban behandelt (Bolus 0,4µg/kg/min für 30min, Infusion 0,1µg/kg/min). Die mittlere Infusionsdauer betrug 43h. Das Altersmedian lag bei 67 Jahren. 20 Schlaganfälle lagen im vorderen, 13 im hinteren Stromgebiet, bei 2 Patienten wurde kein Infarkt nachgewiesen. Die mediane Verschlechterung im NIHSS Score betrug 6 Punkte.

Bei atherothrombotischen und mikroangiopathischen Infarkten wurde eine Rückbildung des medianen NIHSS Scores auf das Ausgangsniveau erreicht, während bei embolischen Media(teil) und kortikalen Infarkten keine Rückbildung des medianen NIHSS zu beobachten war (Abb 1).

Es traten keine intrakraniellen Blutungen auf, eine Makrohämaturie und ein Monokelhämatom nach Sturz unter GPI jeweils ohne Interventionsbedarf.

Verlauf NIHSS-Median

Diskussion: Die intravenöse Therapie mit dem GPI Tirofiban kann bei mikroangiopathischen und atherothrombotischen Infarkten zu einer Rückbildung der Infarktprogredienz führen. Möglicherweise profitieren diese Infarkttypen besonders von der partiellen Rekanalisation eines atherothrombotisch verschlossenen Gefäßes und der Verbesserung der Mikrozirkulation. Aufgrund der geringen Anzahl in den einzelnen Untergruppen und des Fehlens einer Kontrollgruppe sind die Ergebnisse nur als Tendenzen zu werten. Eine kontrollierte, randomisierte Studie könnte diese preliminären Ergebnisse stützen.