Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV77
DOI: 10.1055/s-2007-983046

Surfactantgabe ohne Intubation: Multizentrische Daten zu bronchopulmonaler Dysplasie, Hirnblutungen, Frühgeborenenretinopathie und Tod

A Kribs 1, W Göpel 2, K Frankenbusch 1, C Gebauer 3, C Wieg 4, E Kattner 5, H Küster 6, J Möller 7, W Nikischin 8, B Roth 1, A von der Wense 9, E Herting 2, H Segerer 10, M Vochem 11, D Müller 12
  • 1Univ.-Kinderklinik, Köln
  • 2Kinderklinik, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Lübeck
  • 3Universitätskinderklinik, Leipzig
  • 4Kinderklinik, Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg
  • 5Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover
  • 6Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 7Kinderklinik, Kliniken d. Stadt Saarbrücken, Saarbrücken
  • 8Universitätskinderklinik, Kiel
  • 9Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg
  • 10Kinderklinik St. Hedwig, Regensburg
  • 11Olgahospital Päd. Zentrum, Stuttgart
  • 12Kinderabteilung, Städt. Kliniken, Kassel

Hintergrund: 1992 berichtete Verder (Ugeskr Laeger.154(31):2136–9) erstmals über die Kombination von CPAP und Surfactant in der Therapie des IRDS. In der ersten Pilot- Studie wurde der größte Teil der Kinder für die Surfactantgabe intubiert und sofort anschließend wieder extubiert (INSURE), ein kleinerer Teil erhielt Surfactant über eine endotracheale Sonde. Im Gegensatz zur vielfach nachgeahmten INSURE- Prozedur wurde die Sondenapplikation zunächst nicht weiter verfolgt. Nach ersten Berichten über die Durchführbarkeit dieser Methode findet sie jetzt in einer zunehmenden Zahl von deutschen Zentren Anwendung. Fragestellung: Wir werteten im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie über genetische Risikofaktoren für Erkrankungen des Frühgeborenen erhobene Daten im Bezug auf die Frage aus, inwiefern sich die Surfactantapplikation ohne Intubation (SoI) auf das pulmonale und nicht pulmonale Outcome derart behandelter Kinder im Vergleich zu mit Standardtherapie (SC) behandelten Kindern auswirkt. Patienten und Methode: Von 09/2003 bis 08/2006 wurden an den teilnehmenden Zentren alle Eltern von VLBW- Kindern um die Studienteilnahme gebeten. Von den eingeschlossenen Kindern wurden ausführliche Daten bzgl. der ante- und postnatalen Therapie sowie des Auftretens von Komplikationen erhoben. Da SoI für Kinder >/=31 Wochen nur selten angewandt wurde (n=3), wurden bei der hier dargestellten Auswertung für die Gruppe der Kinder </=30+6 Wochen die Daten der SoI behandelten Kinder denen der SC behandelten Kinder gegenübergestellt. Die statistische Auswertung erfolgte explorativ mittels des exakten Fisher Tests und des Mann- Whitney- U-Tests mit SPSS 13,0.

Ergebnisse: 813 Kinder wurden in die Auswertung eingeschlossen. An 6 der 12 teilnehmenden Zentren wurde SoI angewandt. Insgesamt wurden 138 Kinder SoI behandelt und 675 erhielten die zentrumsspezifische SC. Obwohl die SoI Kinder signifikant unreifer (27,3 vs. 27,9 Wochen, p=0,002) und signifikant leichter (946 vs. 1020g, p=0,007) waren als die SC- Kinder, litten sie signifikant seltener an einer BPD (8 vs. 19,7%, p=0,001), wurden signifikant seltener mit Sauerstoff entlassen (2,9 vs. 9,7%, p=0,007) und erfüllten signifikant seltener das kombinierte Outcomekriterium „Tod oder Sauerstoffbedarf bei Entlassung“ (3,6 vs. 10,6%, p=0,009). Besonders eindrucksvoll waren die Unterschiede in Bezug auf den Endpunkt BPD bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter zwischen 24+0 und 26+6 SSW (SoI: 10% BPD, SC: 44% BPD, p<0,001). Es bestanden keinerlei Unterschiede bezüglich nicht pulmonaler Outcomekriterien wie IVH, PVL, therapiebedürftiger ROP oder Tod.

Schlussfolgerung: Die Multicenterdaten lassen vermuten, dass durch die Anwendung von SoI eine Verbesserung des pulmonalen Outcomes, insbesondere bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter <27+0 Schwangerschaftswochen, erreicht werden kann. Eine prospektive, randomisierte Multicenterstudie zum Beweis dieser Hypothese ist dringend erforderlich und befindet sich z.Zt. in Vorbereitung.