Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P266
DOI: 10.1055/s-2007-976394

„Um die Ecke gedacht“: Imaginiertes Kurvengehen im fMRI

J Wagner 1, T Stephan 1, R Kalla 1, M Wiesmann 1, M Strupp 1, T Brandt 1, K Jahn 1
  • 1München

Hintergrund: Imaginiertes Gehen führt zu einer funktions-kernspintomographisch darstellbaren Aktivierung eines frontoparietalen Netzwerks. Diese Studie erfolgte unter der Fragestellung, ob imaginiertes Kurvengehen und damit assoziierte Blickdeviationen zu einer asymmetrischen Aktivierung dieses Netzwerkes führen, wie dies für die Fixation exzentrischer Blickziele gezeigt wurde (Deutschländer et al., Neuroimage, 2005).

Methoden: Zunächst erfolgte eine Trainingsphase, während der die Probanden jeweils fünfmal eine durch auf dem Boden ausgelegte Sportmatten markierte Links-/Rechtskurve bzw. gerade Strecke abliefen. Während des Trainings wurden die Augenbewegungen der Probanden videookulographisch aufgezeichnet. Der Kopf wurde zur Vermeidung unwillkürlicher Kopfwendungen durch eine Halskrause fixiert. Anschließend erfolgte die Funktions-MRI-Messung, während der die Probanden auf akustische Signale hin die vier Bedingungen „Stehen“, „Geradeausgehen“, „Linkskurve“ und „Rechtskurve“ aus der Eigenperspektive imaginieren sollten. Auch hier erfolgte eine videookulographische Aufzeichnung der Augenbewegungen. 12 Probanden wurden in die endgültige Auswertung eingeschlossen.

Ergebnisse: Lokomotion führte ähnlich wie vorbeschrieben (Jahn et al., Neuroimage, 2004) zu einer Aktivierung von Gyrus frontalis medius rechts, Gyrus frontalis inferior links, Lobulus parietalis inferior links, Insula links, Gyrus fusiformis rechts, Putamens beidseits und Cerebellum. Der Kontrast Kurvengehen vs. Geradegehen erbrachte Aktivierungen des Gyrus frontalis superior beidseits und des Vermis. Der Vergleich Linkskurve – Rechtskurve zeigte nur wenige Aktivierungen ohne klare richtungsassoziierte Hemisphärendominanz. In der Videookulographie fanden sich bei allen Probanden ipsilateral zur vorgestellten Kurvenrichtung weisende Augenbewegungen.

Schlussfolgerung:

  • Diese Studie untermauert die Bedeutung frontoparietaler kortikaler Areale, der Basalganglien sowie des Kleinhirns für die menschliche Lokomotion. Dies ist sowohl für das geradeaus gerichtete Gehen wie für das Kurvengehen der Fall. Für letzteres konnten keine signifikanten Aktivierungsasymmetrien festgestellt werden.

  • Imaginierte Bewegung geht einher mit gleichsinniger Blickdeviation. Nachdem bereits der Einfluss von intendierter Bewegung im Raum auf die Blickrichtung festgestellt werden konnte (Hollands et al., Exp Brain Res, 2002), ist dies ein weiterer Beleg für die enge Wechselbeziehung zwischen Blick- und Laufrichtung.