Psychother Psychosom Med Psychol 2007; 57 - A100
DOI: 10.1055/s-2007-970719

Dissoziative Phänomene prädizieren den Behandlungserfolg stationärer Psychotherapie

C Spitzer 1, S Barnow 2, HJ Freyberger 1, HJ Grabe 2
  • 1Klinik für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie der EMA Universität Greifswald, Stralsund
  • 2Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Greifswald im Hanseklinikum Stralsund, Stralsund

Einleitung: Trotz ihrer klinischen Bedeutung sind dissoziative Phänomene als Prädiktoren für den Erfolg von Psychotherapie kaum beachtet worden. Bisherige Arbeiten haben gezeigt, dass bei spezifischen Erkrankungen (Angst- und Zwangsstörung) Dissoziation eine kognitiv-behaviorale Behandlung negativ beeinflusst. Wir überprüften, ob diese Befunde auf ein naturalistisches Setting einer Psychotherapiestation, auf der Patienten mit depressiven, Angst- und somatoformen Störungen behandelt werden, übertragbar sind. Methode: 135 Patienten wurden zu Beginn und am Ende ihrer stationären Behandlung mit der Symptom Check Liste (SCL–90), der Kurzform des Fragebogens zu Dissoziativen Symptomen und dem Inventar Interpersonaler Probleme untersucht. Der Global Severity Index (GSI) der SCL–90 diente als Outcome-Parameter. Ergebnisse: Unter Kontrolle der initialen Psychopathologie hatten die 85 Patienten (63%), die eine statistisch signifikante Verbesserung ihres GSI-Wertes zeigten, signifikant niedrigere Dissoziationswerte zu Behandlungsbeginn als diejenigen ohne Verbesserung. Eine logistische Regression mit Therapiemisserfolg als abhängige Variable zeigte, dass eine komorbide Persönlichkeitsstörung, niedrige initiale Psychopathologie und hohe Dissoziationswerte signifikante Prädiktoren waren, hingegen interpersonale Probleme und andere komorbide Störungen nicht. Diskussion: Bisherige Ergebnisse werden durch unsere Befunde repliziert und erweitert. ‘Dissoziations-anfällige’ Patienten reagieren auf die Beanspruchung durch Psychotherapie möglicherweise mit Dissoziation, wodurch sie entsprechende Interventionen allenfalls begrenzt rezipieren können und somit schlechter ansprechen. Neben diesem direkten Einfluss ist zu vermuten, dass hoch-dissoziative Patienten ein unsicheres Bindungsverhalten zeigen, was sich nachteilig auf die therapeutische Beziehung auswirkt und so indirekt zu schlechten Ergebnisssen führt. Diagnostische und therapeutische Implikationen werden diskutiert.