Aktuelle Dermatologie 2007; 33 - PO6
DOI: 10.1055/s-2007-1003067

10 Jahre Interdisziplinäre Neurofibromatose-Sprechstunde am Universitätsklinikum Ulm

K Kunzi-Rapp 1
  • 1Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Ulm

Bei der Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2 handelt es sich um zwei sehr komplexe, jedoch sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist eine neuroektodermale Systemerkrankung mit autosomal dominantem Erbgang und tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1:3000 Lebendgeburten auf. Die Erkrankung zeigt sich hauptsächlich im Bereich der Haut und des peripheren Nervensystems. Etwa die Hälfte der Fälle treten erstmalig in einer Familie auf. Die Begleiterscheinungen sind vielfältig und können sich überall im Körper manifestieren. Ausprägung und Schweregrad der NF1 sind unterschiedlich, auch innerhalb einer Familie. NF1-Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von gutartigen und relativ seltenen bösartigen Tumoren. Neben der klassischen Form der NF1 finden sich verschiedene Formen von NF1-Mosaiken. Dies sind genetische Veränderungen, die im Laufe der Ontogenese auftreten und zu untypischen NF1-Formen führen können. Welche Bereiche des Körpers betroffen sind, hängt vom Zeitpunkt des Auftretens der Mutation während der Embryonalzeit ab. Da NF1-Mosaikformen häufig die diagnostischen Kriterien einer Neurofibromatose nicht erfüllen, lassen sie sich nur schwer von anderen Erkrankungen mit NF-artigem Phänotyp abgrenzen. Die Neurofibromatose Typ 2 wird auch als „zentrale Neurofibromatose“ bezeichnet. Der Vererbungsmodus ist ebenfalls autosomal dominant und betrifft etwa einen von 40.000 Menschen und tritt in 50% sporadisch auf. Die Expressivität ist variabel, wobei der Krankheitsverlauf innerhalb einer Familie größere Ähnlichkeit aufweist als interfamiliär. Besonders bei sporadischen Formen vergehen zwischen dem Zeitpunkt des Auftretens erster Symptome und der Diagnosestellung in der Regel viele Jahre. Obwohl 98% der NF2-Patienten Vestibularisschwannome bekommen, macht sich die Erkrankung oft zuerst durch kutane Schwannome, seltener Neurofibrome oder okuläre Anomalien im Kindesalter bemerkbar. Diese Anzeichen können eine Verdachtsdiagnose begründen, die eine regelmäßige Überwachung des ZNS durch bildgebende Verfahren erfordert, da nur kleine Vestibularisschwannome gehörerhaltend operabel sind. Die Neurofibromatose-Sprechstunde vereinigt alle verschiedenen für die Diagnostik und Therapie der fachspezifischen Neurofibromatose notwendigen Abteilungen zu einer festen Zeit unter einem Dach. Die Patienten können somit an einem Tag von allen erforderlichen Fachärzten gesehen, untersucht und beraten werden. Diese Einrichtung ist einzigartig in Deutschland, da sie erlaubt, diagnostische und therapeutische Maßnahmen der einzelnen Fachabteilungen miteinander zu koordinieren. Entsprechend werden notwendige apparative Untersuchungen sowie therapeutische Maßnahmen den überweisenden Ärzten empfohlen und können dann heimatnah oder in den jeweiligen Fachabteilungen des Universitätsklinikums Ulm durchgeführt werden.